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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 433/07
Rechtsgebiete: BGB, EStG


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 670
EStG § 8
EStG § 9 Abs. 2
EStG § 39
EStG § 40 Abs. 2
1. Wenn die Parteien davon ausgehen, dass nach steuerlichen Vorschriften die Leistung nicht der Steuerpflicht unterliegt und sich dieses nach Abschluss einer Vereinbarung durch eine Gesetzesänderung später ändert, tritt infolge des Fehlens einer ausdrücklichen Vereinbarung über eine etwaige Steuerlast die allgemeine gesetzliche Regel in Kraft, dass der Arbeitnehmer die anfallenden Lohnsteuern zu tragen hat, weil ein Wille des Arbeitgebers, eine etwaige künftige Steuerlast zu tragen, nicht erkennbar ist.

2. Aus einer Sozialplanregelung, Beschäftigten unter bestimmten Voraussetzungen aus Anlass einer Betriebsverlegung Fahrtkosten in Höhe von 100% im 1.Jahr, von 75 % im 2.Jahr und von 50 % im 3. Jahr zu erstatten, ergibt sich regelmäßig kein deutlich erkennbarer Wille des Arbeitgebers, abweichend von der allgemeinen gesetzlichen Steuerlast Regel auch eine bei Abschluss der Vereinbarung noch nicht bestehende, vielmehr erst im Laufe des Erstattungszeitraums durch Gesetzesänderung erstmalig entstehende Steuerlast zu übernehmen.

Das gilt jedenfalls dann, wenn eine etwaige Steuerlast bei den Verhandlungen von keiner Seite thematisiert wurde.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 433/07

Verkündet am 16.01.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 16.01.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.09.2007 - 3 Ca 2228 c/07 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger (beide Instanzen).

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, wer von ihnen die Steuerlast auf arbeitsvertraglich geschuldete Fahrtkostenerstattung zu tragen hat. Vorliegend ist ein Zeitraum von acht Monaten (Januar 2007 - August 2007) erfasst.

Der Kläger ist seit 1981 bei der Beklagten beschäftigt, zunächst im Landbetrieb der Beklagten mit Sitz in H. Im Jahre 2006 verlegte die Beklagte den Betriebssitz von H. nach T. Seitdem arbeitet der Kläger in T.

Aus Anlass der Betriebsverlegung schloss die Beklagte mit Datum vom 02.09.2005 einen Sozialplan zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile infolge dieser Betriebsänderung. Der Kläger war als Mitglied des Konzernbetriebsrats an den Verhandlungen beteiligt. Der Sozialplan enthält unter Anderem folgende Regelung:

"2. Fahrtkostenerstattung

a) Beschäftigten, die das Beschäftigungsangebot in T. annehmen und den Arbeitsweg nach T. mit dem eigenen PKW zurücklegen, erstattet der Arbeitgeber gegen monatliche Abrechnung Fahrtkosten in Höhe von 0,30 € je Entfernungskilometer für drei Jahre. Im 1. Jahr nach erfolgter Betriebsverlegung erstattet der Arbeitgeber 100 %, im 2. Jahr 66 % und im 3. Jahr 33 % der vorgenannten Kosten.

b) Beschäftigten, die das Beschäftigungsangebot in T. annehmen und den Arbeitsweg nach T. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen, erstattet der Arbeitgeber die Kosten der günstigsten Bahnfahrkarte 2. Klasse (wird mit dem Beschäftigten abgestimmt) und die Kosten für den öffentlichen Personalnahverkehr (2. Klasse) gegen Nachweis für drei Jahre. Im 1. Jahr nach erfolgter Betriebsverlegung erstattet der Arbeitgeber 100 %, im 2. Jahr 75 % und im 3. Jahr 50 % der vorgenannten Kosten.

..." (Anlage K 1 - Bl. 7 d. A.).

In Anwendung dieser Regelung erstattete die Beklagte dem Kläger im Jahre 2006 die nachgewiesen monatlichen Fahrtkosten in Höhe von 182,08 EUR ungekürzt.

Mit Wirkung ab 01.01.2007 ist durch eine Gesetzesänderung ein vom Arbeitgeber in Form einer Fahrtkostenerstattung gewährter Aufwendungsersatz für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte in einem begrenzten Umfang steuerpflichtig geworden (vgl. §§ 8, 9 Abs. 2 S. 2 EStG). Da der Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 EStG insoweit die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 15 % erheben kann, zog die Beklagte dem Kläger, der nunmehr ab 01.01.2007 monatliche Fahrtkosten in Höhe von 184,16 EUR aufbrachte, ab Januar 2007 vom Fahrtkostenerstattungsbetrag - rechnerisch unbeanstandet - Steuern in Höhe von 29,14 EUR monatlich zur Abführung an das Finanzamt ab. Damit ist der Kläger nicht einverstanden und hat am 29.8.2007 Zahlungsklage erhoben. Er macht vorliegend für die ersten acht Monate des Jahres 2007 die Auszahlung der einbehaltenen Steuern geltend.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 233,12 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat dem entgegengehalten, dass Steuerschuldner grundsätzlich der Arbeitnehmer sei und keine hiervon abweichende Vereinbarung getroffen wurde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die Sozialplanregelung dahin ausgelegt, dass sich die Beklagte insoweit - anders als bei den anderen dort geregelten Ansprüchen - zur realen Kostenerstattung der konkret anfallenden Fahrtkosten verpflichtet habe und nicht nur zu einem pauschalierten Ausgleich derselben. Die Arbeitnehmer hätten nach dem Wortlaut und der Systematik des Sozialplanes gerade nicht mit Fahrtkosten belastet werden sollen, was nun aber in Höhe der Steuerlast geschehe. Daher habe die Beklagte die Steuerlast zu tragen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.09.2007 - 3 Ca 2228 c/07 - verwiesen.

Gegen dieses der Beklagten am 15.10.2007 zugestellte Urteil legte sie am 12.11.2007 Berufung ein, die sofort begründet wurde.

Sie hält das angefochtene Urteil für rechtsfehlerhaft. Steuerschuldner sei kraft Gesetzes der Arbeitnehmer. Eine Abweichung hiervon hätten die Parteien ausdrücklich vereinbaren müssen. Das gelte auch für den Fall einer Gesetzesänderung. In dem Sozialplan sei jedoch keinerlei Wille der Beklagten erkennbar, etwaige Steuerlasten der Arbeitnehmer übernehmen zu wollen. Bruttobeträge seien stets nur dann als solche im Sozialplan ausgewiesen worden, wenn auf diesbezügliche Summen schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplanes Steuern irgendeiner Art anfielen, wie beispielsweise Mehrwertsteuer auf Umzugskosten und insoweit die Erstattungsfrage habe beantwortet werden sollen und müssen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.09.2007 - 3 Ca 2228 c/07 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Seines Erachtens wurde nach dem Wortlaut und der Systematik des Sozialplanes nicht nur ein Fahrtkostenzuschuss, vielmehr eine reale Fahrtkostenerstattung vereinbart, so dass der Arbeitgeber auch die nach der Gesetzesänderung nunmehr neu anfallenden Steuern zu übernehmen habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftätze nebst Anlagen sowie die Protokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des Klägers sowie des Arbeitsgerichts ergibt sich aus dem Sozialplan vom 02.09.2005 nicht, dass die Beklagte eine etwaige Steuerlast der Arbeitnehmer, und damit auch des Klägers, bezüglich der Fahrtkostenerstattung übernehmen wollte, also quasi insoweit eine Nettolohnvereinbarung bezüglich dieses Aufwendungsersatzes getroffen hat. Ein Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Erstattung der realen Fahrtkosten zuzüglich der hierauf zu entrichtenden Steuern gemäß §§ 611, 670 BGB besteht nicht.

1. Wer steuerrechtlich Steuerschuldner ist, ergibt sich kraft Gesetzes aus § 38 Abs. 2 S. 1 EStG. Diese Vorschrift besagt ausdrücklich, dass der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer ist. Der Arbeitgeber hat nur bei der Erhebung der Lohnsteuer mitzuwirken, indem er den Lohnsteuerabzug vornimmt (§ 38 Abs. 3 EStG). Entsprechend dieser steuergesetzlichen Regelung schuldet der Arbeitgeber, auch ohne dass dies ausdrücklich klargestellt werden müsste, im Regelfall die dem Arbeitnehmer gewährten Leistungen in Geld oder geldwerten Vorteilen nur als Bruttoentgelt. Das heißt, dass auch im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander die Steuerlast den Arbeitnehmer trifft (vergl. BAG vom 18.01.1974 - 3 AZR 183/73 - AP Nr. 19 zu § 670 BGB; BAG vom 19.12.1963 - 5 AZR 174/63 - AP Nr. 15 zu § 670 BGB).

Der Lohnsteuer unterliegen grundsätzlich alle steuerpflichtigen Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit, ohne Rücksicht darauf, ob sie aus Geld oder geldwerten Vorteilen in offener oder versteckter Form bestehen. Aufgrund der steuergesetzlichen Regelung ist daher davon auszugehen, dass der vereinbarte Arbeitslohn, in welcher Form und welchem Aufwand er auch geleistet werden mag, Bruttolohn ist, d.h., dass die Steuerlast auch im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zu einander grundsätzlich den Arbeitnehmer trifft. Es bedarf - weil selbstverständlich - insoweit keiner besonderen Vereinbarung, dass der Lohn "brutto" geschuldet werde (BAG AP Nr. 15 zu § 670 BGB).

Dass den Arbeitnehmer die Steuerschuld trifft, gilt auch im Falle des sogenannten Pauschsteuerverfahrens gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 EStG. Auch insoweit ist die steuerrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Finanzamt von der arbeitsrechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer zu trennen. Durch Auslegung der den Arbeitsvertrag gestaltenden Vereinbarungen und Normen ist zu ermitteln, wer im Innenverhältnis arbeitsrechtlich die Steuern zu tragen hat.

2. Sowohl Arbeitgeber und Arbeitnehmer als auch die Betriebsparteien bei der Schaffung von normativen Regelungen im Sinne des § 77 Abs. 4 BetrVG, die Bestandteil des Arbeitsvertrages werden, können aber vereinbaren, dass der Arbeitgeber die auf die Bezüge des Arbeitnehmers zu leistenden Lohnsteuern tragen soll. Eine solche Vereinbarung muss jedoch als Ausnahme von der regelmäßigen Steuerlast des Arbeitnehmers ausdrücklich, erkennbar und deutlich erklärt worden sein (BAG AP Nr. 15 und 19 zu § 670 BGB). Derartige Absprachen werden üblicherweise dahin getroffen, dass der Arbeitgeber zusagt, den Lohn als Nettolohn zu zahlen. Wenn eine Nettolohnvereinbarung getroffen wurde, ist für die Beteiligten klar, dass der Arbeitnehmer die vereinbarten Bezüge ungekürzt erhalten soll. Ändern sich die Abzüge bei einer Nettolohnvereinbarung, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Arbeitgeber das Risiko und gegebenenfalls den Vorteil einer geänderten Abgabenlast trägt. Die bisherige vertragliche Regelung ist anpassungsbedürftig. Nach den Grundsätzen der §§ 157, 242 BGB ist dann zu ermitteln, was die Parteien vernünftigerweise vereinbart hätten, wenn sie die zukünftige Entwicklung vorhergesehen hätten (BAG vom 06.07.1970 - 5 AZR 523/69 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB - Nettolohn). Liegt eine Vereinbarung vor, durch die es der Arbeitgeber mit einem dahingehenden klar erkennbaren Willen deutlich gemacht hat, die Steuerschuld zu tragen, trägt er das Risiko einer Mehrbelastung durch Gesetzesänderung (vergl. auch LAG Köln vom 06.09.1990 - 10 Sa 574/90 - DB 1991, 1229).

3. Eine Vereinbarung, die auf den Fahrtkostenerstattungsanspruch entfallenden Steuern zu übernehmen, liegt hier nicht vor. Entgegen der Ansicht des Klägers und des Arbeitsgerichts kann die unter Ziff. 2 b des Sozialplans vom 02.09.2005 vereinbarte Fahrtkostenerstattungsregelung nicht als "Nettolohnvereinbarung" gewertet werden.

a) Das ergibt sich durch Auslegung des Sozialplans, die sich als Betriebsvereinbarung wegen des aus § 77 Abs. 4 BetrVG folgenden Normcharakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung richtet. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Ist dieser nicht eindeutig, so ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der betrieblichen Regelungen zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Regelungswerk ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist insoweit auch auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien liefern kann. Bleiben im Einzelfall gleichwohl noch Zweifel, können die Gerichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Kriterien zurückgreifen, wie etwa die Entstehungsgeschichte und die bisherige Anwendung der Regelung (vgl. BAG vom 02.03.2004 - 1 AZR 272/03 mit einer Vielzahl von Rechtsprechungsnachweisen, zitiert nach JURIS).

b) Der Wortlaut des Sozialplanes enthält im Zusammenhang mit der Fahrtkostenerstattungsregelung keinerlei Aussage darüber, wer eine - etwaige - Steuerlast auf die Fahrtkostenerstattung tragen soll. Das spricht in Anwendung der oben genannten Rechtsprechung angesichts der klaren Steuerlastregelung in § 38 Abs. 2 S. 1 EStG zunächst einmal dafür, dass die gesetzliche Regelung eintritt, also der Arbeitnehmer die Steuerlast zu tragen hat.

c) Auch aus der Wortwahl, dass die Fahrtkosten "erstattet" werden, kann nach Ansicht der Berufungskammer nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber damit eine etwaige Steuerlast der Arbeitnehmer übernehmen wollte. Dem Wort "Erstattung" kann in diesem Zusammenhang nicht die Bedeutung beigemessen werden, es sei gerade bewusst zur klaren, deutlichen Abgrenzung im Verhältnis zu einem Fahrtkostenzuschuss gewählt worden; nur eine Fahrtkostenbeteiligung, ein nur pauschalierter Aufwendungsersatz, abweichend zum vollen Ersatz der tatsächlich konkret anfallenden Fahrtkosten, sei bei der Fahrkartenerstattung im Sinne des § 2 b des Sozialplanes gerade nicht gewollt gewesen.

Diese Bedeutung des gewählten Wortes "Erstattung" ergibt sich nicht aus dem Sozialplan. Zum Einen wurde bereits in der Überschrift der Ziff. 2 des Sozialplanes auch das Wort "Erstattung" gewählt, obgleich unter dieser Überschrift einmal für PKW-Fahrer eine Pauschale und für Bahnfahrer die Erstattung der realen Fahrtkosten auf Basis der Fahrkarte geregelt wird. Des Weiteren haben die Betriebsparteien auch in Ziff. 2 a für die Pkw-Benutzer formuliert, dass der Arbeitgeber gegen monatliche Abrechnung Fahrtkosten in Höhe von EUR 0,30 je Entfernungskilometer für drei Jahre "erstattet". Diese "Erstattungsregelung" ist jedoch zweifelsfrei ein pauschalierter Ausgleichsanspruch und kein individuell ermittelter, realer Fahrtkostenerstattungsanspruch unter Berücksichtigung des jeweiligen PKW-Typs, des Verbrauchs und der tatsächlichen Aufwendungen durch die PKW-Nutzung.

Abgesehen davon, haben die Betriebsparteien auch in Ziff. 4 des Sozialplans im Zusammenhang mit der Regelung von Umzugskosten die Formulierung "Kostenerstattung" benutzt, gleichzeitig aber pauschalierte Höchstbegrenzungen festgelegt. Auch angesichts dessen kann der Formulierung der Ziff. 2 b des Sozialplanes vom 02.09.2005 und dem dort gewählten Wort "Erstattung" nicht die Bedeutung einer klar erkennbaren, gewollten Nettolohnvereinbarung beigemessen werden.

d) Sie lässt sich auch nicht aus Satz 2 der Präambel des Sozialplans entnehmen, wonach der Ausgleich bzw. die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die die Beschäftigten infolge der im Interessenausgleich vom 22. August 2005 beschriebenen Betriebsänderung erleiden, geregelt wird. Dieser Satz hat keine besondere Bedeutung. Er stellt lediglich die Wiederholung des Wortlautes des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG dar.

e) Auch die Tatsache, dass im Übrigen im Sozialplan andere Zahlungsansprüche ausdrücklich als Bruttoansprüche ausgewiesen sind, lässt nicht den Rückschluss zu, dass die Betriebsparteien in Ziff. 2 b des Sozialplanes eine Nettolohnvereinbarung und damit die Übernahme etwaiger steuerlicher Belastungen auf Fahrtkostenerstattung durch den Arbeitgeber regeln wollten. Die Betriebsparteien haben in dem Sozialplan Zahlungsansprüche der Arbeitnehmer immer dann als Bruttobeträge ausgewiesen, wenn kraft Gesetzes bereits eine Steuerlast existierte. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans war zweifelsfrei die Zahlung eines Zuschusses für den Erwerb eines Pkw steuerpflichtiges Einkommen. Auch auf Umzugskosten entfällt Mehrwertsteuer, so dass sich die Frage stellte, ob Umzugskosten inklusive oder exklusive Mehrwertsteuer erstattungsfähig sein sollten. Im Übrigen bestand auch hier kein Zweifel, dass Zuschüsse des Arbeitgebers lohnsteuerpflichtig sind. Gleiches gilt für die Erwähnung des Verpflegungszuschusses als Bruttobetrag.

f) Für die Fahrtkostenerstattung bedurfte es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplanes hingegen keiner Differenzierung zwischen brutto und netto, da hierfür keine Steuerlast existierte. Es bestand deshalb keinerlei Handlungsbedarf, die Fahrtkostenerstattungsansprüche bezüglich der Bahnfahrtkarte als Brutto- oder als Nettobetrag auszuweisen. Es handelte sich insoweit um steuerfreie Bezüge. Die Betriebsparteien gingen - damals noch zutreffend - davon aus, dass für diese Fahrtkostenerstattungen keine Steuern zu zahlen sind und demgemäß auch die Frage, wer sie tragen soll, weder auftaucht noch einer Vereinbarung bedarf. Das haben in der Berufungsverhandlung auf Befragung durch das Gericht auch beide anwesenden Parteien, die jeweils die Sozialplanverhandlungen geführt haben, berichtet und bestätigt.

Eine etwaige - künftig entstehende - Steuer mag damals im politischen Leben unter Umständen bereits thematisiert worden sein. Sie war nach ausdrücklicher Bestätigung beider Parteien aber nicht Thema der Sozialplanverhandlungen.

g) Wenn die Parteien aber davon ausgehen, dass nach steuerlichen Vorschriften die Leistung nicht der Steuerpflicht unterliegt und sich dieses nach Abschluss der Vereinbarung durch eine Gesetzesänderung später ändert, tritt infolge des Fehlens einer ausdrücklichen Vereinbarung über eine etwaige Steuerlast die allgemeine gesetzliche Regel in Kraft, dass der Arbeitnehmer die anfallenden Lohnsteuern zu tragen hat, weil ein Wille des Arbeitgebers, eine etwaige künftige Steuerlast zu tragen, nicht erkennbar ist.

Aus einer Sozialplanregelung, Beschäftigten unter bestimmten Voraussetzungen aus Anlass einer Betriebsverlegung Fahrtkosten in Höhe von 100 % im ersten Jahr, von 75% im zweiten Jahr und von 50% im dritten Jahr zu erstatten, ergibt sich daher regelmäßig kein deutlich erklärter, klar erkennbarer Wille des Arbeitgebers, auch eine bei Abschluss der Vereinbarung noch nicht bestehende, vielmehr erst im Laufe des Erstattungszeitraums durch Gesetzesänderung erstmalig entstehende Steuerlast zu übernehmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine etwaige Steuerlast bei den Verhandlungen von keiner Seite thematisiert wurde.

4. Aus den genannten Gründen kann dem Sozialplan keine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der nachträglich kraft Gesetzes eingeführten Steuerpflicht für Fahrtkostenerstattungsansprüche entnommen werden. Eine solche Vereinbarung ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Sozialplanregelung; ebenso wenig aus dem Gesamtzusammenhang des Sozialplanes oder gar aus einem klar erkennbar zum Ausdruck gebrachten Willen der Beklagten. Ein solcher existierte nicht.

Das angefochtene Urteil, mit dem dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Steuerlast zugesprochen wurde, war daher abzuändern. Die Klage war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Allein im Betrieb der Beklagten hat eine Vielzahl von Arbeitnehmern Ansprüche auf Fahrkostenerstattung gem. Ziff. 2 des Sozialplanes.

Ende der Entscheidung

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