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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 21.04.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 548/03
Rechtsgebiete: ArbGG, StGB, StPO, BAT, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 72a
StGB § 331 a. F.
StGB § 331 Abs. 1
StGB § 332 Abs. 1 a. F.
StPO § 203
BAT § 53 Abs. 3
BAT § 54
BAT § 54 Abs. 1
BAT § 54 Abs. 2
BAT § 55
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 548/03

Verkündet am 21.04.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 21.04.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

I) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Kiel vom 06.11.2003 - öD 1 Ca 1871 d/03 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen

II) Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten erster Instanz trägt der Kläger.

III) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung mit sozialer Auslauffrist. Im Raum steht der Verdacht der Vorteilsannahme.

Der Kläger ist am ....1952 geboren und seit dem 05.12.1977, mithin seit 26 Jahren, bei der Beklagten bzw. deren Vorgängerin als technischer Angestellter beschäftigt. Er erhielt zuletzt rund 4.750,00 Euro brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Kläger ist aufgrund seines Lebensalters und seiner Betriebszugehörigkeit ordentlich unkündbar.

Der Kläger ist Dipl.-Ing./Architekt für Bauwesen. Im streitbefangenen Zeitraum war er im Landesbauamt ... u. a. für die Betreuung von Hochbaumaßnahmen im Bereich der Kliniken der C. zuständig.

Seit 1998/1999 führten die Strafverfolgungsbehörden des Landes Schleswig-Holstein umfangreiche Ermittlungen gegen eine Vielzahl von Personen, auch Mitarbeitern des Landesbauamtes, wegen des Verdachts der Vorteilsannahme, der Bestechlichkeit etc. durch. Auch gegen den Kläger liefen Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsannahme, der Untreue und der Steuerhinterziehung. Am 10.12.2002 wurde gegen ihn Anklage erhoben. In der Anklageschrift wurde dem Kläger von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel vorgeworfen, durch insgesamt 65 selbständige Handlungen die Straftatbestände der Vorteilsnahme (§ 331 StGB), der Bestechlichkeit (§ 332 StGB), der Untreue (§ 266 StGB) sowie der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) verwirklicht zu haben. Vor dem Amtsgericht Kiel wurde alsbald das Hauptverfahren eröffnet (... Ds ... Js .../99 (.../02). Die Beklagte erhielt unter dem 24.02.2003 Akteneinsicht in zwei Bände Strafakten sowie zwei Umzugskartons Beiakten, hörte sodann den Kläger am 03.03.2003 zu den Vorwürfen an und ersuchte unter dem 10.03.2003 schließlich in Auswertung der Unterlagen aus dem Strafverfahren sowie der Angaben des Klägers anlässlich der Anhörung nebst von ihm nachgereichter Unterlagen den örtlichen Personalrat um Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung. Nachdem dieser die Zustimmung am 14.03.2003 verweigerte, leitete die Beklagte umgehend das erforderliche Stufenverfahren ein und rief letztendlich am 26.03.2003 nach Versagung der Zustimmung des Personalrates vom 25.03.2003 die Einigungsstelle an. Dort stimmte der Personalrat am 18.06.2003 vergleichsweise dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2003 zu. Die Beklagte sprach sodann am 20.06.2003 die streitbefangene außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2003 aus.

Vorgeworfen werden dem Kläger im Zusammenhang mit dieser Kündigung (Bl. 10 bis 13 d. A.) unter Bezugnahme auf die Anklageschrift sowie die Ermittlungsakten zwei Vorfälle:

1) Die Bestellung und Annahme von zwei Faltschiebetoren Ende 1996/Anfang 1997 von der Firma M. ... GmbH im Wert von mindestens 16.860,60 DM, ohne dass die Firma dem Kläger diese Lieferung, die der Kläger unstreitig an Herrn N. W. weiterleitete, in Rechnung stellte.

Zu dieser Zeit bestanden dienstliche Kontakte der Fa. M. zum Landesbauamt. Herr W. erhielt erstmals im Januar 2001 eine Rechnung. Zu diesem Zeitpunkt liefen schon die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Es waren auch schon Hausdurchsuchungen durchgeführt worden. Es existiert eine Aussage des Prokuristen B. der Fa M. vom 25.9.2001, wonach dieser dachte, dass die Tore für den Kläger sind. Die Firma M. verbuchte die Kosten der Tore auf ein "Bauvorhaben Bü.". Herr B. erklärte in dieser Aussage: "Der war beim Landesbauamt. ... Nicht, dass er uns noch irgendwann rausschmeißt da, und wir kriegen keine Ausschreibung mehr. .....(Bl. 162 d. A.) Da wollte ich seine Gunst und die Gunst des Landesbauamtes eben behalten ...."( Bl. 166 d. A.)

2) Zweiter Vorwurf ist die Annahme von Fliesen und Hilfsmaterialien von der Fa. R. im April 1995 im Gesamtwert von 1.932,16 DM für den Ausbau des Privathauses, ohne dass ihm hierfür eine Rechnung erstellt wurde und ohne dass der Kläger hierfür Geld bezahlte.

Zu diesem Zeitpunkt bestanden dienstliche Kontakte der Fa. R. zum Landesbauamt. Im Zusammenhang mit diesem Vorwurf existiert ein nach Beginn der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erstelltes Schreiben des gesondert angeklagten Arbeitnehmers der Firma R., Herrn Wi., vom September 2002, wonach durch die Entgegennahme von drei Stück San-Blöcken, übergeben vom Kläger, diese Materiallieferung restlos abgegolten sei (Bl. 98 d. A.). Eine Quittung existiert nicht. Die Übergabe dieser drei San-Blöcke an die Firma R. ist in deren Geschäftsunterlagen nirgends dokumentiert. Die Firma R. handelt auch nicht mit Waren aus dem Sanitärbereich. Verbucht wurde die Lieferung der Fliesen an den Kläger von der Fa. R. auf das Bauvorhaben "Klinikum".

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu diesen Vorwürfen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 06.11.2003 verwiesen.

Gegen die Kündigung erhob der Kläger fristgemäß Kündigungsschutzklage, weil er sich zu Unrecht der Vorteilsnahme verdächtigt fühlt. Das Arbeitsgericht Kiel gab der Kündigungsschutzklage im Wesentlichen mit der Begründung statt, hinsichtlich der für die Kündigung herangezogenen Sachverhalte läge kein dringender Verdacht der Vorteilsnahme vor. Die Tatbestandsvoraussetzungen seien ersichtlich nicht erfüllt. Es könne allenfalls von einem Verdacht, nicht jedoch von einem dringenden Tatverdacht ausgegangen werden. Ferner habe die Beklagte weitere Ermittlungen durchführen, insbesondere eigenständig weitere Zeugen vernehmen müssen und die Angaben des Klägers im Anhörungsverfahren nicht einfach als Schutzbehauptung werten dürfen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die ausführliche Begründung des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil legte die Beklagte form- und fristgerecht Berufung ein. Sie hält die Verdachtskündigung vom 20.06.2003 für rechtmäßig. Sie ergänzt und vertieft im Wesentlichen insoweit ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sowohl im Zusammenhang mit dem Sachverhalt "Faltschiebetore/M.", als auch im Zusammenhang mit dem Sachverhalt "Fliesenlieferung der Firma R." lag ihres Erachtens zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein dringender Tatverdacht der Vorteilsnahme durch den Kläger vor. Weitere eigene Ermittlungen durch Befragung von firmenexternen Zeugen/Mitangeklagten seien weder geboten, noch erforderlich gewesen, abgesehen davon, dass während eines laufenden strafrechtlichen Verfahrens kein eigenes Befragungsrecht bestehe. Angesichts der Anklageerhebung, der Eröffnung des Hauptverfahrens, der im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens getätigten Aussagen der Zeugen W. und B. zum Vorgang "Lieferung von Faltschiebetüren 1996/1997" ohne Erstellung einer Rechnung gegenüber dem Kläger und unter erstmaliger Erstellung einer Rechnung gegenüber Herrn W. während des laufenden Ermittlungsverfahrens im Januar 2001; sowie angesichts der äußerst ungewöhnlichen Behauptung der "Bezahlung" von Fliesen und Material in Form der Übergabe von drei San-Blöcken an eine Firma, die nicht mit derartigem Material handelt, habe die Beklagte einen dringenden Tatverdacht der Vorteilsnahme durch den Kläger zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung haben können. Auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sei bei dieser Fallkonstellation trotz der ordentlichen Unkündbarkeit des Klägers eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich gewesen. Anderenfalls hätte sich die Beklagte in die Gefahr begeben, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, die Verwaltung sei insgesamt käuflich, ohne dass hiergegen etwas unternommen werde.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bestreitet nach wie vor Handlungen begangen zu haben, die einen dringenden Verdacht der Vorteilsnahme ihm gegenüber rechtfertigen könnten. Er verweist in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass er zwischenzeitlich - das ist unstreitig - im Strafverfahren mit Urteil vom 19.11.2003 wegen der Fälle "Faltschiebetür" und "Zuwendung durch die Firma R." - nicht rechtskräftig - freigesprochen wurde. Die Beklagte habe im Übrigen selbständig weiterermitteln müssen. Auch sei der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar. Ein Großteil der Kollegen des Klägers gegen die ebenfalls mit vergleichbaren Vorwürfen staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden waren, würden weiter beschäftigt. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger von den streitbefangenen Vorwürfen der Vorteilsnahme freisprechende Urteil des Amtsgerichts Kiel wurde zwischenzeitlich seitens der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel Berufung eingelegt.

Die Strafakte des Amtsgerichtes Kiel - Az ... Ds ... Js .../99 (.../02) wurde diesem Verfahren beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und auch begründet. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestand ein auf objektive Tatsachen stützbarer hinreichender Verdacht der Vorteilsannahme gem. § 331 StGB. Damit lag objektiv ein Kündigungsgrund vor. Die Beklagte hat etwaige Aufklärungspflichten nicht verletzt. Die Fortsetzung des ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses war ihr unzumutbar. Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ist verhältnismäßig. Die Beteiligung des Personalrates war fehlerfrei. Mithin war das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

II.

In der Sache war die Berufung auch erfolgreich. Das Urteil war abzuändern. Die Klage war abzuweisen: Sie ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20.06.2002 mit sozialer Auslauffrist mit Ablauf des 31.12.2003.

1)

Gem. §§ 626 Abs. 1 BGB, 54 Abs. 1 BAT kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Grundsätzlich kann nach der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer sein. Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und sobald der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört (ständige Rsp d. BAG; vgl. nur BAG v. 26.09.2002 - 2 AZR 424/02 = AP Nr. 37 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung ;BAG v. 05.04.2001 - 2 AZR 217/00 = AP Nr. 34 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG v. 20.08.1997 - 2 AZR 620/96 = AP Nr. 27 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung);BAG v. 14.09.1994 - 2 AZR 164/94 = AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Bei der Verdachtskündigung sind objektive Tatsachen, die für den Verlust des zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendigen Vertrauens ursächlich sind, der Kündigungsgrund. Die §§ 626 Abs. 1 BGB, 54 Abs. 1 BAT lassen im Fall des Verdachts einer Straftat eine außerordentliche Kündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen; wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geforderte Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. BAG AP Nr. 23, 24 und 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Der Verdacht muss objektiv durch bestimmte, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegende (Indiz) Tatsachen begründet sein. Der Verdacht muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Er muss darüber hinaus schwerwiegend sein. Es ist zu prüfen, ob eine große Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gekündigte Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat. (LAG Schleswig-Holstein v. 25.02.2004 - 3 Sa 491/03; KR-Fischermeier, Gemeinschaftskommentar zum KSchG, 6. Aufl. Rnd Ziff. 212 u. 214 zu § 626 BGB sowie KR-Etzel, Rnd Ziff. 508 zu § 1 KSchG, jeweils m.w.N).

Aus der Tatsache der Anklageerhebung und der anschließenden Eröffnung des Hauptverfahrens folgt in der Regel, dass auch ein verständiger Arbeitgeber vom Vorliegen eines entsprechenden Tatverdachts ausgehen und bei einem Bezug zum Arbeitsverhältnis eine arbeitsrechtliche Verdachtskündigung aussprechen darf. In einem demokratischen Rechtsstaat hat das Handeln seiner Behörden die Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich. Der Arbeitgeber kann nicht verpflichtet sein, in seinen Bewertungen kritischer und zurückhaltender als diese zu sein. (vgl. LAG Köln v. 31.10.1997, LAGE § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; vgl. KR. Etzel, Rnd Ziff. 507 zu § 1 KSchG), Der Arbeitnehmer kann einen entsprechenden Tatverdacht allerdings entkräften. Auch nach der Kündigung gewonnene Erkenntnisse dürfen im Prozess zugunsten des gekündigten Arbeitnehmers berücksichtigt werden, soweit sie nicht auf Tatsachen beruhen, die erst nach der Kündigung entstanden sind (BAG v. 14.09.1994 - AP Nr. 24 zu § 626 BGB - Verdacht strafbarer Handlung; KR-Etzel, Rnd Ziff. 509 zu § 1 KSchG m.w.N). Ergeben sich nach Ausspruch der Verdachtskündigung für den Arbeitnehmer entlastende Umstände, z. B. ein - rechtskräftiger Freispruch im Strafverfahren -, können diese neuen Tatsachen im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens nicht berücksichtigt werden. Insoweit entsteht ggf. unter bestimmten Voraussetzungen ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers (KR-Etzel, Rnd Ziff. 509 zu § 1 KSchG; KR-Fischermeier Rnd Ziff. 741 zu § 1 KSchG).

2.)

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die außerordentliche Verdachtskündigung der Beklagten mit sozialer Auslauffrist wirksam.

a.)

Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung lagen hinreichende objektive Tatsachen vor, aus denen sich aus der Sicht eines verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgebers ein schwerwiegender Verdacht ableiten lässt, der Kläger habe eine Straftat begangen.

aa.)

Gegen den Kläger bestand und besteht aufgrund objektiver Tatsachen der schwerwiegende Verdacht, sich der Vorteilsnahme gem. § 331 StGB a. F. dadurch strafbar gemacht zu haben, dass ihm auf seinen Auftrag hin die Firma M. ... GmbH in K. zwei Faltschiebetore im Wert von mindestens 16.860,60 DM fertigte und lieferte, ohne sie ihm in Rechnung zu stellen. Diese Fakten stehen fest.

Auch wenn der Zeuge W. letztendlich die Faltschiebtore erhalten hat, steht fest, dass nicht er, sondern der Kläger sie bei der Firma M. bestellt hat und Herr W. insoweit keinerlei direkten Kontakt mit der Fa. M. hatte. Objektiv hat die Firma M. dem Kläger und nicht dem Zeugen W. das Angebot übermittelt und die Faltschiebetore ausgehändigt. Dieser hat sie abgeholt. Objektiv hat der Kläger keine Rechnung erhalten, jedoch das Angebot. Auf dem Angebot war der Titel "Universität K.", nicht "Bauvorhaben W." angegeben. Objektiv hat Herr W. erstmalig fünf Jahre nach Erhalt der Faltschiebetore eine Rechnung erhalten, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die Staatsanwaltschaft bereits zwei Jahre ermittelt und bereits Hausdurchsuchungen durchgeführt hatte. Objektiv haben der Beklagten die Ermittlungsunterlagen und damit diverse Zeugenaussagen vorgelegen. Nach der Aussage des Zeugen W. war ihr bekannt, dass dieser keinen Kontakt im Zusammenhang mit der Auftragserteilung und Abwicklung zur Firma M. hatte. Der Beklagten lag ferner die Aussage des Prokuristen der Firma M., des Zeugen B. vor. Dieser hielt ebenfalls den Kläger für den Auftraggeber hielt. Dieser wollte ihm nichts in Rechnung stellen, um sich seine Gunst und die Gunst des Landesbauamtes zu erhalten. Objektiv hat der Kläger Faltschiebtore in Auftrag gegeben und entgegengenommen, ohne jemals den Preis beim Auftraggeber zu erwähnen geschweige denn zu erfragen. Objektiv hat der Kläger unstreitig auch zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Fa M. erfragt, ob "sein" Auftrag "Faltschiebtore" zur Zufriedenheit des - ursprünglich unzufriedenen - Herrn W. sowohl technisch als auch finanziell abgewickelt werden konnte. Objektiv bestanden zum Zeitpunkt der Auftragserteilung und der Annahme der Tore dienstliche Kontakte zwischen dem Kläger, dem Landesbauamt und der Fa. M.. Objektiv kann juristisch auch eine Unrechtsvereinbarung im Sinne des § 331 StGB in Form einer stillschweigenden Übereinkunft der Beteiligten über eine Zuwendung als Gegenleistung für eine Dienstausübung getroffen werden ( Tröndle/ Fischer, Kommentar zum StGB, Rz. 23 zu § 331 m.w.N.)

bb.)

Ebenso lagen zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung objektive Tatsachen für einen dringenden Verdacht gegenüber dem Kläger vor, sich dadurch der Vorteilsnahme bzw. Bestechlichkeit gem. §§ 331 Abs. 1, 332 Abs. 1 StGB a. F. strafbar gemacht zu haben, dass er im April 1995 ohne Erhalt einer Rechnung und ohne hierfür Geld zu bezahlen Fliesen nebst Material für den Ausbau seines Privathauses im Wert von 1932,16 DM annahm. Auch diese Fakten sind unstreitig.

Objektiv existiert weder ein auf den Namen des Klägers lautender Lieferschein, noch eine Rechnung. Ebenso wenig existiert eine Quittung darüber, dass und wann genau mit welchem Wert der Kläger als "Bezahlung" der Fliesen und Materialien 3 San - Blöcke übergeben hat. Der gesamte Liefervorgang an den Kläger existiert in den Geschäftsunterlagen der Fa R. nicht. Objektiv wurde wieder erst Jahre nach dem Liefervorgang ,und zwar nach Einleitung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und nach Zeugenvernehmungen und Hausdurchsuchungen eine Erklärung der Person erstellt, die für die Fa. R. dem Kläger das Material zukommen ließ und gegen die gesondert ermittelt wurde und wird. Objektiv handelt die Fa. R. nicht mit Waren aus dem Sanitärbereich. Objektiv wurde die Lieferung der Fliesen an den Kläger als Lieferung auf das Bauvorhaben "Klinikum" verbucht. Objektiv bestanden zum Zeitpunkt der Lieferung dienstliche Kontakte der Fa R. zum Kläger und zum Landesbauamt. Objektiv hat der Kläger nicht ein einziges Mal schriftlich für seine Unterlagen die Erstellung eines Lieferscheines, einer Rechnung und /oder ggf. die Erstellung einer Quittung für die Übergabe der 3 San-Blöcke als "Bezahlung" der Fliesen und Materialien gefordert. Objektiv existiert dieser Vorgang offiziell nicht. Objektiv kann auch in diesem Zusammenhang zwischen dem Kläger und der Fa. R. eine stillschweigende Unrechtsvereinbarung getroffen worden sein.

cc.)

Auch die Tatsache, dass der Kläger in erster Instanz vor dem Amtsgericht von dem Vorwurf der Bestechlichkeit/Vorteilsnahme freigesprochen wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung ist der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Dass war hier der 20.06.2003, nicht der 19.11.2003. Die im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung entstandenen Zeugenaussagen mit teilweise neuem Inhalt, oder von teilweise neuen Zeugen sind - soweit ein neuer Inhalt zu Tage getreten ist - nicht berücksichtigungsfähig, da sie zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht bzw. so nicht existierten und der Kläger sich auch seinerseits nicht auf derartige Einlassungen berufen hat. Im Übrigen beruht das Urteil des Amtsgerichts vorrangig auf einer anderen Bewertung der Tatsachen, als sie von der Staatsanwaltschaft durchgeführt wurde. Die Beklagte war jedoch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung zweifelsfrei berechtigt, die Indizien selbst zu bewerten und das Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers als zerstört anzusehen. Denn die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung hängt nicht von der strafrechtlichen Würdigung eines den Sachverhalt begründenden Verhaltens ab, sondern von Entstehung eines dringenden Verdachts und der darauf zurückzuführenden Beeinträchtigung des für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauens durch den Verdacht (BAG v. 20.08.1997 - 2 AZR 620/96 unter II 1c; BAG v. 21.06.1995 - 2 AZR 735/94).

b.)

Die objektiven Verdachtsmomente sind nach der Überzeugung der Kammer so stark, dass sie geeignet sind, aus der Sicht eines verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgebers das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geforderte Vertrauen zu zerstören.

aa.)

Diesen Verdacht hegte nicht nur die Beklagte, sondern auch die Strafverfolgungsbehörden. Nach mehr als dreijährigen Ermittlungen reichte für die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel das Ermittlungsergebnis zur Anklageerhebung am 10.12.2002, mithin zur Annahme eines für eine Überführung des Klägers hinreichenden Tatverdachts im Sinne des § 203 StPO. Diesen Verdacht hegte außerdem nach Anklageerhebung das zuständige Amtsgericht, in dem es alsbald das Hauptverfahren eröffnete. Dem durfte sich die Beklagte nach der Überzeugung der Kammer anschließen. Es waren zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorliegend keinerlei offensichtliche Anhaltspunkte für eine andere Bewertung vorhanden, die es von der Beklagten erfordert hätten, in ihren Bewertungen kritisch und zurückhaltender zu sein, als die Strafverfolgungsbehörden. Das gilt erst recht angesichts der Tatsache, dass der Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens langjährige Ermittlungen sowie die Auswertung von zwei Umzugskartons Unterlagen vorausgingen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung die Ermittlungsunterlagen komplett zu Auswertungszwecken zur Verfügung gestellt wurden und die Beklagte diese selbst für sich ausgewertet hat. Sie hat die gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe in der Anklageschrift vom 10.12.2002 nicht nur pauschal übernommen. Sie hat sich vielmehr auch ausführlich und abwägend mit den Aussagen z.B. der Zeugen B. und W. sowie des gesondert angeklagten Herrn Wi. auseinandergesetzt. Sie ist zu dem gleichen Ergebnis gekommen, wie die Staatsanwaltschaft sowie das Amtsgericht im Zusammenhang mit der Eröffnung der Hauptverhandlung, nämlich, dass nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Kläger einer Straftat hinreichend verdächtig erschien .Das ist nicht zu beanstanden.

bb.)

In diesem Zusammenhang kann und muss von der Beklagten als Arbeitgeberin nach Ansicht der Berufungskammer nicht gefordert werden, dass diese im Zusammenhang mit der Ermittlung und Abwägung der Verdachtsmomente bis ins allerletzte Detail mit hoch qualifiziertem juristischem Fachwissen die strafgesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen unter Einbeziehung zivilrechtlicher Grundlagen und Rechtskonstruktionen durchsubsumiert, um festzustellen, ob letztendlich tatsächlich mit einer Verurteilung zu rechnen ist oder nicht. Insoweit kann dahingestellt bleiben, wie die Beziehungen zwischen dem Kläger, der Fa. M. und Herrn W. zivilrechtlich dogmatisch einzuordnen und zu bezeichnen sind. Ebenso ist es nicht erheblich für die vorliegende Entscheidung, ob es sich bei der Übergabe der 3 San -Blöcke zivilrechtlich um ein Tauschgeschäft handelte oder nicht. Entscheidend ist allein, ob der Arbeitgeber nach sorgfältiger Ermittlung und Abwägung der objektiven (Indiz)Tatsachen unter dem Gesichtspunkt eines verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgebers den Schluss ziehen konnte, auf Grund der Indizien spreche eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Straftat begangen hat und dass diese besonnene Abwägung das geforderte Vertrauen für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zerstört hat bzw. zerstören konnte. Das war vorliegend der Fall. Es ist nicht erforderlich und auch nicht geboten, den Maßstab insoweit noch höher anzusetzen. Anderenfalls wäre der Arbeitgeber nahezu gezwungen, die Verdachtskündigung erst aussprechen zu dürfen, wenn er in der Lage wäre, dem Arbeitnehmer die Tat letztendlich beweisen zu können. Dann könnte er jedoch bereits eine Tatkündigung aussprechen.

cc.)

Für die Beklagte lagen nach dem Stand der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden hinreichende Umstände vor, die sie unter dem Gesichtspunkt eines verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgebers in dem dringenden Verdacht bestätigen konnten, der Kläger habe sich der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) oder der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) strafbar gemacht. Diese Einschätzung war weder abwegig, noch handelt es sich um eine einseitig ausgerichtete, lebensfremde Interpretation zu Lasten des Klägers unter Ausblendung entlastender Gesichtspunkte. Angesichts der Tatsache, dass es sich vorliegend nur um eine Verdachtskündigung, gerade nicht um eine Tatkündigung handelt, war es bei der Bewertung der eingangs geschilderten objektiven Tatsachen nach der Überzeugung der Kammer nicht abwegig und auch nicht unzulässig, die Einlassungen des Klägers als Schutzbehauptungen zu werten und das notwendige Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers als erschüttert anzusehen. Die Beklagte war gezwungen, eine eigene Bewertung auch hinsichtlich der Glaubwürdigkeit vorzunehmen. Die in der Ermittlungsakte befindliche Aussage des Zeugen B. zum Liefervorgang "Faltschiebtüre" ließ sich nicht mit der Aussage des Klägers vereinbaren. Die im Zusammenhang mit der Fliesen- und Materiallieferung abgegebene und nur durch die Bestätigung des gesondert Angeklagten Wi. nachträglich "belegte" Erklärung , für Fliesen und Material im Wert von 1932,16 DM habe der Kläger mit der Übergabe von 3 nicht im Warensortiment der Fa R. befindlichen San-Blöcken "bezahlt", ist so erstaunlich und unüblich, dass sich die Frage der Glaubwürdigkeit geradezu aufdrängt. Daher kann es der Beklagten nicht vorgeworfen werden, die Einlassung des Klägers sowie die Aussage des ebenfalls angeklagten Mitarbeiters der Firma R., des Herrn Wi., als Schutzbehauptung einzuordnen.

c.)

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes war die Beklagte auch angesichts des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, der Anklageerhebung und der Eröffnung der Hauptverhandlung nicht verpflichtet, weitergehende Ermittlungen in Form von Zeugenbefragungen durchzuführen. Die Beklagte hat alle ihr zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen. Insoweit ist es weder erwünscht, noch besteht die Verpflichtung, dass sich der Arbeitgeber als "Ersatzstrafverfolgungs- bzw. Ermittlungsbehörde" gerieren darf/muss. Es kann von der Beklagten im Zusammenhang mit dem Aufklärungserfordernis nicht verlangt werden, an externe Zeugen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zu ihr stehen, heranzutreten, und diese selbst zu befragen. Das gilt umso mehr, als ihr keinerlei Recht zusteht, sich in ein Strafverfahren einzumischen. Ebenso wenig hat sie ein Recht oder gar die Pflicht, etwaige externe Personen auf ein etwaiges Aussageverweigerungsrecht - wem gegenüber? - im Hinblick auf mögliche Selbstbelastungen oder verwandtschaftliche Verhältnisse hin zu weisen. Angesichts der umfassenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, angesichts der umfassenden Zeugenaussagen, angesichts der umfassenden Anhörung des Klägers zu den Vorfällen, war keine weitergehende Sachverhaltsaufklärung seitens der Beklagten erforderlich.

3)

Aufgrund der existierenden objektiven Verdachtsmomente war der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Das gilt auch unter Berücksichtigung der langjährigen Betriebszughörigkeit des Klägers sowie der ordentlichen Unkündbarkeit gem. § 53 Abs. 3 BAT.

a.)

Im Rahmen der Überprüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sind neben der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter auch die Persönlichkeit und die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb zu berücksichtigen. Eine besondere Vertrauensstellung oder die Erwartung, dass die Weiterbeschäftigung besondere Gefahren für den Arbeitgeber mit sich bringt, können ebenfalls bei der Interessenabwägung Beachtung finden (vgl. BAG v. 05.04.2001 - 2 AZR 217/00 = AP Nr. 34 zu § 626 BGB - Verdacht strafbarer Handlung).

b.)

Die Fortsetzung des ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses war der Beklagten nicht zumutbar.

Das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters im Landesbauamt, der für Baubetreuungsmaßnahmen zuständig ist und regelmäßigen Kontakt zu externen mit Bauabwicklungs- und Baudurchführungsverfahren beauftragten "Baufirmen" hat, basiert ganz wesentlich auf dem Vertrauen des Arbeitgebers in die Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit des Arbeitnehmers. Eine diesbezügliche absolute Korruptionsunanfälligkeit ist persönliche Eignungsvoraussetzung für die Beschäftigung derartiger Mitarbeiter einer Landesbehörde. Der schwerwiegende Verdaacht, dass der Kläger als Mitarbeiter des Landesbauamtes Straftatbestände der Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit im Zusammenhang mit seiner Amtsausübung verwirklicht haben könnte, macht der Beklagten vorliegend die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Verdacht der Vorteilsnahme um ein Amtsdelikt handelt. Zu berücksichtigen ist weiter, dass es sich beim Landesbauamt um die Bauverwaltung des Landes Schleswig-Holstein handelt. Gerade im Baubereich ist immer wieder erhöhte Korruptionsanfälligkeit feststellbar. Die Beklagte als Landesbaubehörde ist dringend gehalten, alles zu tun, dass in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck der Käuflichkeit öffentlicher Leistungen entsteht. Ebenso handelt es sich um ein berechtigtes Interesse der Beklagten, gegenüber der Öffentlichkeit, bei auftretenden Verdachtsfällen deutlich zu machen, dass Vorteilsnahmen oder Bestechlichkeiten nicht geduldet werden. Das gilt umso mehr, als die Bauverwaltung des Landes Schleswig-Holstein, die zwischenzeitlich durch die Beklagte wahrgenommen wird, in der Vergangenheit bereits wiederholt mit Bestechungs- und Vorteilsnamevorwürfen und -fällen konfrontiert war. Angesichts des Berufsbildes des Klägers; der Branche, in der dieser das vorgeworfene Verhalten getätigt hat sowie der Rolle der Beklagten in der Öffentlichkeit ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers die der Beklagten einzige zumutbare Möglichkeit. Das gilt umso mehr, als die Beklagte zugunsten des Klägers das Arbeitsverhältnis nicht fristlos, vielmehr fristlos mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten beendete und dem Kläger insoweit den verhältnismäßig größtmöglichen Schutz trotz des schwerwiegenden Verdachts gewährt hat. Die Interessen des Klägers (Verlust des sozialen Besitzstandes, Makel der fristlosen Kündigung, Verlust des Gehaltes nach Ablauf der sozialen Auslauffrist trotz 26-jähriger Betriebszugehörigkeit und erworbener Unkündbarkeit im Sinne des § 53 Abs. 3 BAT) können angesichts der gravierenden Verdachtsmomente nicht dazu führen, eine Weiterbeschäftigung des Klägers als der Beklagten zumutbar anzusehen.

c.)

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem von dem Kläger angeführten Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Zum einen ist sein Vorbringen, ein Großteil der Kollegen, gegen die ebenfalls mit vergleichbaren Vorwürfen staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden waren, würden ungekündigt weiterbeschäftigt, unsubstantiiert. Es fehlt insoweit bereits jeglicher konkreter Vortrag, um welche Kollegen es sich handeln soll, welche Betriebszugehörigkeit bei ihnen festzustellen sei, welche Positionen diese Kollegen hatten und welche konkreten Vorwürfe ihnen gegenüber im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren erhoben wurden. Insoweit kann bereits nicht festgestellt werden, ob gleiche Sachverhalte vorliegen, die gleich behandelt werden sollen. Im Übrigen hat die Beklagte - unbestritten - auf Befragen in der Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärt, bei gleich gelagerten Vorwürfen sei bereits eine Vielzahl von Kündigungen ausgesprochen worden. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten, so dass für eine Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum ist.

Die Voraussetzungen des §626 Abs. 1 BGB, § 54 Abs. 1 BAT liegen daher vor.

4)

Auch die Zwei-Wochen-Frist der §§ 626 Abs. 2 BGB, 54 Abs. 2 BAT ist seitens der Beklagten eingehalten worden. a.)

Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Auch für die außerordentliche Verdachtskündigung gilt die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Bei ihr ist der Beginn der Frist zwar schwierig festzulegen. Auch bei der Verdachtskündigung gibt es jedoch einen bestimmten Zeitpunkt, in dem dem Kündigungsberechtigten durch seine Ermittlungen die den Verdacht begründenden Umstände bekannt sind, die ihm die nötige Interessenabwägung und die Entscheidung darüber ermöglichen, ob ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (KR. Fischermeier Rnd Ziff. 320 zu § 626 BGB).

b.)

Die Beklagte hat diese Ausschlussfrist eingehalten. Am 10.12.2002 wurde die Anklageschrift erstellt. Am 12.12.2002 wurde sie an die Beklagte nachrichtlich versandt. Umgehend, bereits am 17.12.2002 beantragte diese Akteneinsicht, die ihr jedoch erst am 24.02.2003 aus nicht von der Beklagten zu vertretenden Gründen gewährt wurde. Die Beklagte hat diese Unterlagen ausgewertet und den Kläger sofort, nämlich am 03.03.2003 angehört. Diese Anhörung war/ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verdachtskündigung und konnte ohne Kenntnis der Strafverfahrensakte und damit ohne Kenntnis der dort befindlichen Zeugenaussagen nicht sorgfältig durchgeführt werden. Dem Kläger wurde sodann auf dessen Bitte noch die Möglichkeit eingeräumt, Unterlagen nachzureichen. Auch das ist nicht zu beanstanden. Am 05.03.2003 gingen die entsprechenden Unterlagen bei der Beklagten ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte nunmehr Kenntnis aller Umstände, die für die Kündigung maßgebend sein könnten. Zu diesem Zeitpunkt begann die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB, § 54 Abs. 2 BAT zu laufen. Innerhalb dieser Zwei-Wochen-Frist leitete die Beklagte am 10.03.2003 die erforderliche Personalratsanhörung ein. Die Verzögerung, die durch die Kraft Gesetzes zwingend erforderliche Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens eingetreten ist, ist bei der Berechnung der ZweiWochen-Frist unbeachtlich. Der Arbeitgeber wahrt die Zwei-Wochen-Frist auch dann, wenn er, wie vorliegend, unverzüglich nach der Kündigungsentscheidung das personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsverfahren einleitet, dieses zügig durchführt und nach dessen Abschluss unverzüglich die Kündigung ausspricht (vgl. KR-Fischermeier, Rnd Ziff. 336 zu § 626 BGB m.w.N).

Die Beklagte hat unstreitig zwei Tage nach Beendigung des Einigungsstellenverfahrens die außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Sie hat damit unverzüglich gehandelt. Die Ausschlussfrist der §§ 626 Abs. 2 BGB, 54 Abs. 2 BAT ist demnach eingehalten.

5)

Auch die Personalratsanhörung ist ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dem Personalrat ist unstreitig zwei Mal mündlich und schriftlich der gesamte Kündigungssachverhalt mitgeteilt worden (Bl. 110 bis 121 d. A.). Es ist nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht substantiiert weitergehend vorgetragen worden, welche Informationen dem Personalrat ggf. zusätzlich hätten mitgeteilt werden müssen. Auch der zeitliche Rahmen der Personalratsanhörung ist nicht zu beanstanden. Da die Beklagte vor abschließender eigener Entscheidungsfindung verpflichtet war, den Kläger zu den Verdachtsmomenten anzuhören, was am 03.03.2003 geschehen ist, konnte die Beklagte den Personalrat erst nach Abschluss der Anhörung des Klägers beteiligen.

Hätte sie ihn früher angehört, wäre dieses Verhalten rechtsfehlerhaft gewesen, da sie den dem Personalrat mitzuteilenden kündigungsrelevanten Sachverhalt noch gar nicht abschließend ermittelt hatte.

6)

Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20.06.2003 ist daher als Verdachtskündigung nach § 626 BGB, §§ 54, 55 BAT wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis des Klägers mit sozialer Auslauffrist mit Ablauf des 31.12.2003 aufgelöst. Das anders lautende Urteil des Arbeitsgerichtes Kiel war daher abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

Ende der Entscheidung

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