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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 25.09.2008
Aktenzeichen: 4 Sa 382/07
Rechtsgebiete: ArbGG, RDG, TVöD


Vorschriften:

ArbGG § 72 a
RDG § 6 Abs. 2
TVöD § 6 Abs. 2
TVöD § 6 Abs. 2 S. 1
TVöD § 7 Abs. 6
TVöD § 7 Abs. 7
TVöD § 8 Abs. 2
TVöD § 9 Abs. 1 S. 1
TVöD § 9 Abs. 1 S. 2 b
TVöD § 9 Anhang B
TVöD § 9 Anhang B Abs. 1 S. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 382/07

Verkündet am 25.09.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 25.09.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 14.06.2007 - 5 Ca 351 c/07 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 468,38 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.03.2007 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge) trägt zu 41 % die Beklagte und zu 59 % der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Vergütung von behaupteter Mehrarbeit und dabei um die Frage, wie hoch der Anteil von Bereitschaftszeiten an der Arbeitszeit des Klägers ist.

Der Kläger ist seit dem 1. Januar 1986 bei der Beklagten beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin als Rettungsassistent tätig, und zwar in der Rettungswache E. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TVöD Anwendung. Der Kläger arbeitete zuletzt mit der Hälfte der tariflichen Arbeitszeit, also im November und Dezember 2006 mit 19,25 und ab Januar 2007 mit 19,5 Stunden.

Die Beklagte in der Rechtsform einer gGmbH übernahm vom Kreis P. den Rettungsdienst und Krankentransport. Sie muss den Rettungsdienst nach den landesrechtlichen Vorschriften des schleswig-holsteinischen Rettungsdienstgesetzes gemäß § 6 Abs. 2 RDG unter Beachtung der Gebote der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit erbringen.

Seit dem 1. November 2006 arbeitet der Kläger nach einem Dienstplan, der eine wöchentliche durchschnittliche Dienstzeit von 24 Stunden für ihn vorsieht. Grundlage des Dienstplans ist der Rahmendienstplan, den die Einigungsstelle mit Spruch vom 23. Oktober 2006 beschloss. Gemäß Ziffer 8 des Spruches basieren die Rahmendienstpläne auf der tariflichen Sonderregelung Anhang zu § 9 B TVöD VKA für Rettungsdienste, wobei Bereitschaftsdienste in den ausgewiesenen Schichten nicht enthalten sind. Erläuternd wird im Spruch der Einigungsstelle zu dem Rahmendienstplanturnus darauf hingewiesen, dass die Schichten auf Arbeitszeit inklusive Bereitschaftszeit basieren. Diese Betriebsvereinbarung (Spruch der Einigungsstelle) trat am 1. November 2006 in Kraft.

Der Kläger erhielt für November und Dezember 2006 Vergütung nach der Tarifgruppe EG 6 und der Tarifstufe 6 auf der Grundlage einer Teilzeit von 19,25 Stunden. Ab Januar 2007 zahlt die Beklagte dem Kläger Arbeitsvergütung auf der vorgenannten tariflichen Grundlage mit einer Teilzeit von 19,5 Stunden.

Der Kläger meint, die von ihm über 19,25 beziehungsweise 19,5 Stunden hinaus erbrachten Arbeitszeiten seien als Mehrarbeit zu vergüten, und zwar basierend auf einer Arbeitszeit von 24 Stunden wöchentlich.

Der Kläger erstellte Tätigkeitsnachweise auf einem Formular der Beklagten für die Monate November 2006 bis Januar 2007 einschließlich. Mit der von ihm vorgenommenen Auswertung seiner Tätigkeitsnachweise gelangt der Kläger zu einer Auslastung von 91,9 Prozent. Wegen der Einzelheiten seiner Tätigkeitsnachweise und der vom Kläger vorgenommenen Auswertung wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Kopien (Bl. 27 - 44 d. A.).

Ein auf Veranlassung des Landrates des Kreises P. von der F. Dr. S. im März 2007 vorgelegtes Wirtschaftlichkeitsgutachten kommt - bezogen auf die Rettungswache E. - zu einer durchschnittlichen Arbeitsleistung der hauptamtlichen Rettungskräfte von 64,1 Prozent, mithin zu einer durchschnittlichen täglichen Bereitschaftszeit von 3,5 Stunden. Diese Kalkulation des mittleren Umfanges an Arbeitsleistung und der mittleren Arbeitsbereitschaft bezieht sich auf alle in der Rettungswache E. anfallende Schichten. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Gutachtens wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 127 d. A.).

Der Kläger hat die Feststellungen des Gutachtens in Frage gestellt und behauptet, der Anteil der tatsächlichen Arbeitsleistung sei deutlich höher und belaufe sich auf eine Auslastung von 91,9 Prozent. Es sei deshalb nicht ersichtlich, dass in seine Arbeitszeit Bereitschaftszeiten in nicht unerheblichem Umfange fielen. Die in den Tätigkeitsnachweisen ausgewiesenen Tätigkeiten habe er tatsächlich erbracht (Beweis: Zeugnis des Wachleiters N. W.). Er habe deshalb Anspruch auf Vergütung von 24 Stunden und nicht lediglich 19,25 beziehungsweise 19,5 Stunden wöchentlich, weshalb die überschießende Stundenzahl zu vergüten und mit einem Zuschlag in Höhe von 30 Prozent zu versehen sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.119,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab 01.03.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe nicht 24 Stunden volle Arbeitszeit geleistet. Es fielen Bereitschaftszeiten in nicht unerheblichem Umfang an, was aufgrund von Erfahrungswerten festgestellt worden sei. Die im Wirtschaftlichkeitsgutachten genannten Zahlen seien zutreffend. Sie bestreite, dass der Kläger die in den Tätigkeitsnachweisen angegeben Arbeiten auch tatsächlich erbracht habe. Zeiten der Fortbildung seien für die Bewertung, ob erheblicher Bereitschaftszeiten anfielen, nicht heranzuziehen. Die Ergebnisse des Wirtschaftlichkeitsgutachtens seien auch auf den Kläger anwendbar, und zwar selbst dann, wenn er in einzelnen Schichten mit einer größeren Arbeitsbelastung konfrontiert worden sei. Die Mitarbeiter rollierten über alle Schichten, würden also sowohl in einsatzstarken als auch in einsatzschwächeren Schichten eingesetzt werden.

Vom Kläger in seinen Tätigkeitsnachweisen angebende Positionen wie "Gespräch WL", "diverser Schriftverkehr", "Telefonate" könnten von ihr so nicht überprüft werden. Die Zeiten für Fortbildungen umfassten ca. 30 Stunden pro Jahr, so dass sie bei einer Gesamtbetrachtung keine nennenswerte Bedeutung hätten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird Bezug genommen auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung auf § 9 Anhang B TVöD hingewiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 16. August 2007 zugestellte Urteil am 13. September 2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis 16. November 2007 am 15. November 2007 mit Fax- und am 16. November 2007 mit Originalschriftsatz begründet.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 9 Anhang B TVöD lägen nicht vor. Die Beklagte habe bisher nicht nachweisen können, dass Bereitschaftszeiten von mindestens 25 Prozent der gesamten Tätigkeit vorlägen. Das Wirtschaftlichkeitsgutachten sei nicht nachvollziehbar, insbesondere sei nicht erkennbar, aufgrund welcher Informationen und Datenlage die ausgewiesenen Zahlen ermitteln worden seien. Er sei ausschließlich im Tagesdienst eingesetzt worden. Was seine tägliche Arbeitsleistung angehe, so müsse zudem berücksichtigt werden, dass er zuständig sei für einen Auszubildenden, der vor Ort in der Rettungswache sein Anerkennungsjahr absolviere. In dem ersten halben Jahr laufe dieser Ausbildende mit ihm mit und er - Kläger - stehe die ganze Zeit über für Fragen und Erläuterungen zur Verfügung. Daneben müsse er ebenso wie seine Kolleginnen und Kollegen häufig Praktikanten informieren und anleiten. Wegen der Erläuterungen des Klägers zu den einzelnen Tätigkeitsnachweisen für die Zeit vom 3. November 2006 bis Ende Januar 2007 wird Bezug genommen auf den Inhalt seines Schriftsatzes vom 13. November 2007 (Bl. 95 - 99 d. A.). Der Kläger rügt zudem, dass das Wirtschaftlichkeitsgutachten nicht konkret seine Arbeitsleistung bestimme, sondern auf statistischen Erwägungen beruhe. 10 Minuten Splitterzeit pro Schicht seien zudem zu knapp bemessen. Die Beklagte berücksichtige bei ihren Berechnungen zudem lediglich Einsatzzeiten zuzüglich Rüstzeit, MPG-Checkzeit und Splitterzeit. Überhaupt keine Berücksichtigung fänden die von ihm auszuübenden Tätigkeiten wie EDV-Arbeiten, Kontrolle der Transportscheine und ISE-Eingabe, weitere von den Rettungsassistenten auszuführende Reinigungsarbeiten und schließlich die Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten und die eigene Fortbildung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 14. Juni 2007 - 5 Ca 351 c/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.119,02 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.03.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, dass § 9 Anhang B TVöD bereits deshalb anwendbar sei, weil dies ausdrücklich in Ziffer 8 des Spruches der Einigungsstelle festgelegt worden sei. Die Bereitschaftszeiten seien im Übrigen auch nicht unerheblich. Aus dem Wirtschaftlichkeitsgutachten ergebe sich eine durchschnittlich tägliche Bereitschaftszeit von 3,5 Stunden. Das Gutachten berücksichtige sämtliche Tätigkeiten, die im Rahmen einer Schicht für einen Rettungsassistenten anfallen könnten. Der Umfang von anfallenden Bereitschaftszeiten könne zudem aufgrund von Erfahrungswerten festgelegt werden. Soweit der Kläger zudem in seinen Tätigkeitsnachweisen Bezug nehme auf Tätigkeiten, die er nicht mit einer Einsatznummer belege, bestreite sie vorsorglich, dass der Kläger diese Tätigkeiten in dem angegebenen Umfang erbracht habe. Es seien die Angaben des Klägers im Übrigen deshalb nicht zu verwerten, weil der Zeitraum zu kurz gewählt worden sei. Wegen § 6 Abs. 2 TVöD müsse ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde gelegt werden. Der Kläger sei - wie jeder andere Mitarbeiter auch - im Rahmen der Dienstpläne in allen Schichten beschäftigt.

Das Berufungsgericht hat der Beklagten mit Beschluss vom 28. Februar 2008 aufgegeben, nachvollziehbar unter Berücksichtigung des Zeitraumes vom 1. November 2006 bis 30. September 2007 darzulegen, dass der Kläger unter Zugrundelegung plausibler Erfahrungswerte die tariflich geschuldete Arbeitszeit von 19,25 beziehungsweise 19,5 Stunden nicht überschritt, wobei aufzuzeigen sei, wie sich durchschnittlich die Einsatzzeiten (Stunden) des Klägers verteilten. Die Beklagte hat dazu eine Auswertung für die Zeit vom 1. November 2006 bis 30. September 2007 vorgelegt, ausweislich derer der Kläger in diesem Zeitraum eine Anwesenheitszeit von insgesamt 752,89 Stunden gehabt haben soll, worauf 516,12 Stunden Arbeitsleistung und 236,77 Stunden Arbeitsbereitschaft anfielen, mithin die tatsächliche Arbeitsleistung durchschnittlich 68,6 Prozent betragen soll. Der Aufstellung ist zu entnehmen, dass der Kläger im Erhebungszeitraum bei insgesamt 64 angefallenen Schichten 60 Schichten im Tagdienst absolvierte und lediglich für 4 Nachschichten eingeteilt wurde.

Der Kläger meint, die Erhebungen der Beklagten zur tatsächlichen Arbeitsbelastung seien nicht zutreffend, denn sie berücksichtigten nicht sämtliche anfallende Tätigkeiten. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie nur zum Teil Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung weiterer 161,27 EUR brutto jeweils für November und Dezember 2006 und auf weitere 145,84 EUR brutto für Januar 2007. Die weitergehende Klage ist unbegründet. Der Kläger hat nicht substantiiert darlegen können, darüber hinaus vergütungspflichtige Mehrarbeit geleistet zu haben.

1. Gemäß § 7 Abs. 6 TVöD sind Mehrarbeit die Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten zu leisten haben. Die Bezahlung dieser Mehrarbeit erfolgt nach § 8 Abs. 2 TVöD, wobei - was der Kläger als Teilzeitbeschäftigter verkennt - Zuschläge nicht anfallen, da die Mehrarbeit gemäß § 7 Abs. 6 TVöD keine Überstunde gemäß § 7 Abs. 7 TVöD ist.

Ebenso wie für das Vorliegen von Überstunden hat der Kläger auch die Darlegungslast für das Vorliegen von Mehrarbeit gemäß § 7 Abs. 6 TVöD. Der Arbeitnehmer, der die Vergütung von Mehrarbeit fordert, muss ebenso wie bei dem Begehren zur Vergütung von Überstunden im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt ferner voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. Der Arbeitnehmer muss dabei darlegen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob in einem Zeitraum Arbeitsleistungen erbracht wurden, trifft den Arbeitnehmer nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Er muss darlegen, welche geschuldete Tätigkeit er ausgeführt hat. Dies gilt auch dann, wenn streitig ist, ob Arbeitsleistung oder Bereitschaftsdienst angefallen ist. Für das Vorliegen von Bereitschaftszeiten - die hier streitig sind - gilt nichts anderes. Je nach der Einlassung des Arbeitgebers besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (vgl. dazu grundsätzlich BAG, Urteil v. 29.05.2002 - 5 AZR 370/01 -, zit. nach JURIS, Rn. 19; BAG, Urteil v. 09.03.2005 - 5 AZR 385/02, zit. nach JURIS, Rn. 40).

2. Die Beklagte hat den Kläger aufgrund der Vorgaben des Dienstplanes zur Arbeit herangezogen, und zwar mit einer Anwesenheitszeit von 24 Stunden wöchentlich.

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit des Klägers sind daher unstreitig. Streitig ist zwischen den Parteien der Anteil der tariflichen Bereitschaftszeiten. Da die Beklagte sich insoweit auf § 9 Anhang B TVöD beruft, hat sie im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast substantiiert zum Vorlegen von Bereitschaftszeiten vorzutragen. Denn dabei handelt es sich um einen Umstand, der in ihrer Sphäre liegt. Sie hat vorzutragen, aufgrund welcher Erfahrungswerte und Erhebungen sie meint, es lägen Bereitschaftszeiten in nicht unerheblichem Umfang vor.

Bereitschaftszeiten sind in § 9 Abs. 1 S. 1 TVöD definiert als "Zeiten, in denen sich die / der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbstständig, gegebenenfalls auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeit überwiegen. Die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 2 b TVöD und § 9 Anhang B Abs. 1 S. 6 TVöD ist dahin zu verstehen, dass nicht im Einzelnen täglich gemessen wird, wie viele Bereitschaftszeiten anfallen, sondern dass der Umfang der Bereitschaftszeiten für den Ausgleichszeitraum des § 6 Abs. 2 TVöD nach Erfahrungswerten, mangels Erfahrungswerten durch eine Prognose, geschätzt wird (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TVöD, § 9 Rn. 12; Breier/Dassau/Kiefer, TVöD, § 9 Rn. 8). Liegen Erfahrungswerte nicht vor, sind zur Bestimmung, ob und in welchem Umfang Bereitschaftszeiten wöchentlich in der ausgeübten Tätigkeit vorliegen, über einen bestimmten Feststellungszeitraum Aufzeichnungen über die Arbeitsbelastung zu führen, das heißt darüber, in welchem Umfang Vollarbeitszeiten und Zeiten ohne Arbeitsleistung vorliegen (Sickert in Bepler/Böhle, Martin, Stöhr, TVöD, § 9 Rn. 28).

3. Die Beklagte hat sich zur Begründung der Anwendbarkeit des § 9 Anhang B TVöD bezogen auf den Inhalt des Wirtschaftlichkeitsgutachtens der F. Dr. Sch. GmbH, welches eine durchschnittliche Arbeitsleistung von 64,1 Prozent ausweist. Mit den Werten dieses Gutachtens genügt die Beklagte nicht ihrer Vortragspflicht im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Denn die Erhebungen dieses Gutachtens beziehen sich nicht konkret auf die Arbeitsleistung des Klägers, sondern bestehen auf generellen statistischen Erhebungen. Es wurde nicht in Auftrag gegeben, um die Arbeitszeit des Klägers zu bemessen. Die in diesem Wirtschaftlichkeitsgutachten für die Rettungswache E. vorgenommene Kalkulation des mittleren Umfangs an Arbeitsleistung und der mittleren Arbeitsbereitschaft ist bezogen auf die Arbeitsleistung des Klägers nicht aussagekräftig. Denn das Gutachten geht von einem gleichmäßigen Rollieren der im Rettungsdienst der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter zwischen allen Schichten aus. Die im Gutachten ermittelten Werte berücksichtigen sämtliche in der Rettungswache E. anfallende Schichten.

Der Kläger wurde jedoch - wie die von der Beklagten vorgelegten Erhebungen zeigen - in der Zeit vom 1. November 2006 bis 30. September 2007 nahezu ausschließlich in der Tagesschicht eingesetzt. Von insgesamt in diesen Zeitraum anfallenden 64 Schichten absolvierte der Kläger 60 Tagschichten. Die Tagschichten wiederum haben - wie bereits die Erhebungen im Wirtschaftlichkeitsgutachten (Bl. 127 d. A.) ausweisen - eine deutlich höhere Auslastung als die Nachtschichten. So beträgt die Auslastung des RTW 34 - 83 - 01 sonntags bis donnerstags in der Zeit von 9.00 bis 19.00 Uhr 82,8 Prozent, während die Auslastung an denselben Tagen in der Zeit von 19.00 bis 6.00 Uhr nur 41,4 Prozent betrifft. Vergleichbare Werte finden sich in der Aufstellung des Wirtschaftlichkeitsgutachtens (Bl. 127 d. A.) auch für die übrigen RTW. Wenn die Beklagte daher den Kläger nahezu ausschließlich in der Tagschicht einsetzt, so muss zwangsläufig seine Arbeitszeit zu einer höheren Auslastung führen als bei einem Mitarbeiter, der rollierend in Tag- und Nachtschicht eingesetzt wird. Wegen der fehlenden Gleichförmigkeit bei der Schichteinteilung ist mithin nicht gewährleistet, dass die im Wirtschaftlichkeitsgutachten vorgenommene Kalkulation der Arbeitsbereitschaftzeiten beziehungsweise Bereitschaftszeiten auch auf den Kläger zutrifft. Hierzu hätte es einer konkreten Betrachtung der Tätigkeit des Klägers bedurft (vgl. dazu für den TV-DRK vom 31. Januar 1984 und das Vorliegen von Arbeitsbereitschaften: BAG, Urteil v. 09.03.2005 - 5 AZR 385/02 -, zit. nach JURIS, Rn. 29, 32).

4. Die Beklagte genügt jedoch mit dem von ihr in der Berufung verlangten Vortrag zur Auslastung in der Zeit vom 1. November 2006 bis 30. September 2007 ihrer Mitwirkungspflicht im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Denn dort hat sie konkret bezogen auf den Kläger zu dessen tatsächlicher Auslastung vorgetragen und gelangt zu dem Ergebnis, dass diese 68,6 Prozent betrug. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten in der Aufstellung (Bl. 167, 168 d. A.) sind substantiiert und genügen den Anforderungen im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. In der Aufstellung werden ausgewiesen die Anzahl der Einsätze pro Schicht und die durchschnittliche Einsatzzeit. Diese Daten wurden wiederum ermittelt aufgrund der detailierten Aufstellung über sämtliche Einsätze innerhalb dieser Zeit, an denen der Kläger beteiligt war (Anlage B6, Bl. 169 ff d. A.). Die Aufstellung berücksichtigt weiterhin die MPG Checkzeit sowie sonstige Zeiten, Rüstzeiten und Splitterzeiten. Die diesbezüglichen Angriffe des Klägers gegen die Feststellungen der Beklagten für die Zeit vom 1. November 2006 bis 30. September 2007 greifen nicht durch. Soweit es um die Splitterzeiten geht, verkennt der Kläger, dass dort eine Splitterzeit pro Einsatz ausgewiesen wurde. Insoweit ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte den Zeitraum auf 10 Minuten pro Einsatz begrenzt. Für die Feststellung, bis zu welcher Zeitdauer eine Wartezeit als unerhebliche Splitterzeit zu werten ist, kommt es im Einzelfall auf das jeweilige Tätigkeitsbild an (Sickert in Bepler, Böhle, Martin, Stöhr, TVöD, § 9 Rn. 7 am Ende). So müssen sicherlich Splitterzeiten von nur wenigen Minuten (zwei bis drei Minuten) als sogenannte Verschnaufpausen außen vor bleiben, weil sie nicht geeignet sind, einen Zustand der Entspannung herbeizuführen (Sickert in Bepler, Böhle, Martin, Stöhr, TvöD, a.a.O.). Nach Ablauf von 10 Minuten ist aber auch bei dem Tätigkeitsbild eines Rettungssanitäters vom Eintritt des Zustandes der Entspannung auszugehen. Auch die genannten Daten für die Rüstzeiten und für den MPG-Check und die sonstigen Zeiten erscheinen dem Berufungsgericht als nachvollziehbar und plausibel. Der Kläger hat diese nicht substantiiert angegriffen.

Aus den von der Beklagten angegeben Daten (Auslastung des Klägers 68,8 Prozent) folgt allerdings, dass seine Klage bereits aufgrund der Darlegungen der Beklagten zum Teil begründet ist. Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: Bei einer wöchentlichen Anwesenheit des Klägers von 24 Stunden dürften lediglich innerhalb dieser 24 Stunden 14,5 Stunden Vollarbeit und 9,5 Stunden Bereitschaftszeiten anfallen. Denn dann würde der Kläger bei einer Faktorisierung der Bereitschaftszeiten die tariflich geschuldete Arbeitszeit von 19,25 Stunden nicht überschreiten, wobei natürlich zu beachten ist, dass ab 1. Januar 2007 die tariflich geschuldete Arbeitszeit für den Kläger um eine viertel Stunde pro Woche gestiegen ist. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass der Anteil der Vollzeit bezogen auf die Gesamtarbeitszeit (14,5 Stunden zu 24 Stunden) nur 60,4 Prozent betragen darf.

Nach den Aufstellungen der Beklagten beträgt der Anteil der Vollarbeit an der Arbeitszeit des Klägers jedoch 68,6 Prozent. Mit anderen Worten: Selbst nach den Darlegungen der Beklagten ist der Anteil der Vollarbeit an der gesamten Arbeitszeit höher als jener, der eingehalten werden müsste (60,4 Prozent), damit die tariflich geschuldete Arbeitszeit nicht überschritten wird. Darauf folgt, dass der selbst nach den Darlegungen der Beklagten zusätzliche Anteil von 8,2 Prozent (68,6 Prozent zu 60,4 Prozent) gemäß § 7 Abs. 6 TVöD in Verbindung mit § 8 Abs. 2 TVöD als Mehrarbeit zu vergüten ist. Dies bedeutet, dass das Entgelt des Klägers um 13,57 Prozent steigen muss. Die Prozentzahl ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen 60,4 Prozent und 68,6 Prozent (60,4 Prozent ./. 100 = 68,6 Prozent ./. x). 13,57 Prozent von 1.188,47 EUR sind wiederum 161,27 EUR, auf die der Kläger für jeweils November und Dezember 2006 zusätzlich Anspruch hat. Für Januar 2007 reduziert sich der zusätzliche Anspruch angesichts der gestiegenen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit auf 145,84 EUR brutto. Denn ausgehend von einem tariflichen Entgelt in Höhe von 1.188,47 EUR beträgt bei einer 19,25 Stundenwoche das Gehalt 14,35 EUR pro Stunde (19,25 Stunden pro Woche x 4,3 = 82,77 Stunden/Monat; 1.188,47 EUR ./. 82,77 Stunden = 14,35 EUR/pro Stunde). Infolge der Erhöhung der tariflichen Arbeitszeit hat der Kläger wiederum 1,075 Stunden pro Monat mehr zu arbeiten (0,25 Stunden x 4.3). Folglich sind von dem oben ermittelten Betrag in Höhe von 161,27 EUR brutto für die vorherigen Monate November und Dezember 2006 15,43 EUR brutto abzuziehen (14,35 EUR brutto/Stunden x 1,057/Monat).

Damit beträgt ab Januar 2007 der zusätzlich zu zahlende Betrag 145,84 EUR brutto.

Auf diese zusätzlich zu bezahlende Mehrarbeit fallen jedoch keine Zuschläge an, weil Mehrarbeit gemäß § 7 Abs. 6 TVöD in Verbindung mit § 8 Abs. 2 TVöD ohne Zuschlag bleibt. Insoweit besteht ein Unterschied zu den Überstunden der Vollbeschäftigten gemäß § 7 Abs. 7 TVöD.

5. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht. Nachdem die Beklagte mit ihrer Aufstellung für die Zeit vom 1. November 2006 bis 30. September 2007 im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht bei der abgestuften Darlegungs- und Beweislast substantiiert zum Vorliegen des Anteils der Bereitschaftszeiten vorgetragen hat, war es nunmehr prozessuale Pflicht des Klägers, substantiiert zum Vorliegen weiterer Mehrarbeit vorzutragen. Ein diesbezüglicher Vortrag fehlt.

Der Vortrag des Klägers ist bereits deshalb nicht ausreichend, weil gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 TVöD für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen ist. Das heißt, nach der Neuregelung des § 6 Abs. 2 TVöD muss die regelmäßige, wöchentliche Arbeitszeit erst in einem Zeitraum von bis zu einem Jahr erreicht werden. Der Kläger genügte daher seiner Darlegungslast nicht, in dem er sich lediglich auf den Zeitraum von November 2006 bis Januar 2007 bezog.

Unabhängig davon bleibt sein Vortrag aber auch unsubstantiiert, soweit er behauptet, er habe als Rettungssanitäter einen Auslastungsgrad von 91,9 Prozent. Die von ihm insoweit vorgelegten Tätigkeitsnachweise allein reichen dafür nicht aus, weil die Beklagte die Notwendigkeit und Durchführung jener Tätigkeiten bestritten hat, die nicht mit Einsatzzahlen versehen sind. Wenn der Kläger sich insoweit zum Beispiel auf Gespräch WL, Endreinigung/Umziehen, Fahrzeugcheck, diversen Schriftverkehr, Infektion, diverse Telefonate, LRA Tätigkeit, Umziehen, Fahrzeugpflege, Stundenzettel Ausbildung beruft, so hätte er im Einzelnen detailiert für jeden von ihm angegebenen Zeitraum darlegen müssen, wieso diese Tätigkeiten nicht bereits durch die in der Aufstellung der Beklagten erwähnten Rüstzeiten und MPG-Check und sonstigen Zeiten erfasst wurden. Er hätte berücksichtigen müssen, dass die Beklagte für die Rüstzeiten für die einzelnen Schichten bestimmte Minutenzeiten erfasst und ebenso für den MPG-Check und die sonstigen Tätigkeiten zwischen 30 und 75 Minuten beachtet hat. Wenn der Kläger meint, diese Zeiten seien zu niedrig bewertet, so hätte er dazu im Einzelnen detailiert unter Darlegung der erforderlichen Tätigkeiten vortragen müssen, was er wann mit welchem zeitlichen Aufwand erledigen musste und warum dieser zeitliche Aufwand erforderlich war. Insoweit reicht es nicht aus, sich allein auf den pauschalen Beweisantritt des Wachleiters W. als Zeugen zu berufen. Eine Vernehmung dieses Zeugen kam nicht in Betracht, denn der Kläger hätte zunächst im obigen Sinne substantiiert vortragen müssen.

Nach alledem ist die Beklagte lediglich zu verurteilen, dem Kläger die Mehrarbeit zu vergüten, die sich aus ihren eigenen Auswertungen ergibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO. Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Entscheidung ist geprägt durch die Umstände des Einzelfalles und insbesondere dadurch, dass der Kläger - anders als vielleicht andere Mitarbeiter des Rettungsdienstes - nahezu ausschließlich in der auslastungsstarken Tagschicht eingesetzt wurde. Dies allein ist der Grund, warum die Beklagte zum Teil zur Zahlung verurteilt werden musste. Grundsätzliche Aussagen für die Bezahlung der anderen im Rettungsdienst tätigen Mitarbeiter lassen sich folglich aus diesem Urteil nicht ableiten, weshalb die Revision auch nicht zugelassen werden musste.

Ende der Entscheidung

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