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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 26.05.2005
Aktenzeichen: 4 TaBV 27/04
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 25 I 2
BetrVG § 29
Erscheint ein arbeitsunfähig erkranktes Mitglied des Betriebsrats zur Sitzung des Betriebsrats, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es an der Teilnahme wegen Krankheit nicht verhindert ist.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 4 TaBV 27/04

Verkündet am 26. Mai 2005

Im Beschlussverfahren mit den Beteiligten

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 26. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats (Bet. zu 2.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 2. September 2004 - 2 BV 22 d/04 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsteller (Beteiligter zu 1.) vom im Betrieb der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 3.) gebildeten Betriebsrat (Antragsgegner und Beteiligter zu 2.) wirksam als freigestelltes Betriebsratsmitglied abberufen worden ist.

Der Antragsteller ist durch Verhältniswahl zum freigestellten Betriebsratsmitglied des 15köpfigen Betriebsrats gewählt worden.

Auf seiner Sitzung vom 23. März 2004 beschloss der Betriebsrat mit 11 Ja- und 3 Nein-Stimmen bei 0 Enthaltungen die Abberufung des Antragstellers von der Freistellung. Die Arbeitgeberin forderte daraufhin den Antragsteller mit Schreiben vom 2. April 2004 unter Bezug auf diesen Beschluss auf, am 5. April 2004 die Arbeit wieder aufzunehmen.

Der Antragsteller hat unter dem 5. April 2004 beim Arbeitsgericht Elmshorn ein Beschlussverfahren mit dem Antrag auf Feststellung eingeleitet, die am 23. März 2004 erfolgte Abwahl sei nichtig und unwirksam.

Am 7. April 2004 entschied der Betriebsrat, über die Angelegenheit "Freistellungen" in einer weiteren Sitzung am 27. April 2004 nochmals zu beschließen.

Der Antragsteller ist seit dem 7. April 2004 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. An den während seiner Erkrankung bis zum 27. April 2004 stattfindenden Betriebsratssitzungen nahm er nicht teil. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller am 20. April 2004 das ebenfalls freigestellte Betriebsratsmitglied K... anrief und mitteilte, er werde trotz seiner Erkrankung am 27. April 2004 an der Sitzung teilnehmen.

Die Betriebsratsvorsitzende lud anstelle des Antragstellers das Ersatzmitglieder P... M... zu dieser Betriebsratssitzung ein, der im Übrigen auch anstelle des Antragstellers als dessen Ersatzmitglied an den vorherigen Sitzungen teilgenommen hatte.

Der Antragsteller erschien am 28. April 2004 zur Betriebsratssitzung. Die Vorsitzende stellte fest, er sei auch für diesen Tag arbeitsunfähig erkrankt gemeldet, er sei nicht stimmberechtigt. Der Antragsteller erklärte, er habe eine Einladung erhalten und dem Betriebsrat mitgeteilt, dass er an der Sitzung dieses Tages teilnehmen werde. Um 12:10 Uhr unterbrach die Betriebsratsvorsitzende die Sitzung, um insoweit Rechtsrat einzuholen. Nach Fortsetzung der Sitzung stellte die Vorsitzende nochmals fest, dass zur Betriebsratssitzung ordnungsgemäß geladen und der Antragsteller nicht stimmberechtigt sei, da er aus krankheitsbedingten Gründen keine Ladung erhalten habe. Daraufhin verließ der Antragsteller ebenso wie die 3 weiteren ordentlichen Betriebsratsmitglieder K... , Ka... und C... das Sitzungszimmer des Betriebsrats. 12 Betriebsratsmitglieder verblieben im Sitzungszimmer, darunter auch das Ersatzmitglied M... . Der Antrag, den Antragsteller von der Freistellung abzuberufen, erhielt bei 12 ausgegebenen Stimmzetteln 12 Ja-Stimmen. Ausweislich des Protokolls dieser Sitzung wurde sodann die Abberufung des Antragstellers von seiner Freistellung festgestellt. In der Sitzung des Betriebsrates vom 27. April 2004 wurde beraten und beschlossen neben der Neuregelung der Freistellung auch über Fragen der Personalanforderungen, des Bedarfs für Entwicklungsprojekte, eine fristlose Kündigung, eine Einstellung, eine Entfristung, die Einführung neuer Arbeitszeiten, eine Versetzung, die Urlaubsvereinbarung 2004 sowie über die unter Aktuelles aufgeführten Punkte. Der Antragsteller wehrt sich auch gegen diese Abberufung.

Wegen des diesbezüglichen streitigen Vortrages, der geäußerten Rechtsauffassungen und der gestellten Anträge wird Bezug genommen auf I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Antragstellers überwiegend stattgegeben und festgestellt, dass seine Abwahl am 23. März 2004 und 27. April 2004 unwirksam gewesen sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug genommen.

Der Betriebsrat hat gegen den ihm am 4. November 2004 zugestellten Beschluss am 22. November 2004 mit Fax- und Originalschriftsatz Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 22. Januar 2005 - am 20. Januar 2005 mit Faxschriftsatz und am 24. Januar 2005 mit Originalschriftsatz begründet.

Der Betriebsrat trägt vor:

Seine Vorsitzende habe bei der Ladung der Mitglieder zur Sitzung des 27. April 2004 von einer Amtsunfähigkeit des Antragsstellers ausgehen müssen. Er habe seit seiner Krankheit bis zum 26. April und danach nicht an den regelmäßigen Betriebsratssitzungen teilgenommen. Er verhalte sich widersprüchlich, wenn er einerseits aufgrund seiner Erkrankung seinen regelmäßigen Verpflichtungen aus dem Mandat nicht nachkomme, im Einzelfall aber an ausgewählten Sitzungen teilnehme. Seine Ladung zur Sitzung am 27. April 2004 sei aufgrund seiner Erkrankung und der damit verbundenen Amtsunfähigkeit nicht erforderlich gewesen. Seine Vorsitzende sei von der Arbeitgeberin darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Antragsteller fortlaufend seit dem 7. April 2004 arbeitsunfähig erkrankt sei. Der Antragsteller habe nie selbst seine Verhinderung bzw. dessen voraussichtliches Ende ihm - Betriebsrat - mitgeteilt. Dazu sei er nach § 29 Abs. 2 Satz 5 BetrVG verpflichtet gewesen. Seiner Vorsitzenden und seinem stellvertretenden Vorsitzenden habe keine Information darüber vorgelegen, dass er ausnahmsweise am 27. April 2004 teilnehmen werde. Es könne der Antragsteller nicht mit der Behauptung gehört werden, er sei "nach Absprache mit seinem Hausarzt" zwar arbeitsunfähig erkrankt, jedoch nicht amtsunfähig gewesen. Diese Behauptung habe er weder durch Attest noch in anderer Form belegt. Seine überraschende Anwesenheit am 27. April 2004 reiche für die Annahme der Wiederherstellung der Amtsfähigkeit nicht aus. Seine - des Betriebsrats - Vorsitzender sei es mangels ausreichender medizinischer Kenntnisse nicht möglich gewesen, die "punktuelle" Amtsfähigkeit des Antragstellers am 27. April 2004 festzustellen. Er habe weder sein Kommen ordnungsgemäß angekündigt, noch dem Gremium insgesamt die Möglichkeit gegeben, sich auf seine Anwesenheit einzustellen. Zudem habe er sich auf die Sitzung auch überhaupt nicht vorbereiten können. Um sich kompetent an den vielschichtigen und komplexen Sitzungsbeschlüssen zu beteiligen, sei eine vorherige Einarbeitung in die Tagesordnungspunkte erforderlich gewesen. Das Ersatzmitglied P... M... sei ab 7. April 2004 mit Beginn der Arbeits- und Amtsunfähigkeit des Antragstellers bis auf weiteres in den Betriebsrat nachgerückt.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Aufhebung der Beschlüsse des Arbeitsgerichts Elmshorn - 2 BV 22 d/04 - vom 2. September 2004 die Anträge des Antragstellers aus den Antragsschriften vom 5. April und 3. Mai 2004 zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin schließt sich diesen Anträgen an.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller trägt vor:

Er sei am 27. April 2004 nicht durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit an der Ausübung seines Betriebsratsmandats gehindert gewesen. Der Umstand, dass er davor an den Sitzungen nicht teilgenommen habe, spreche nicht gegen seine Amts-fähigkeit am 27. April 2004. Es liege nicht in der Entscheidungsbefugnis der Vorsitzenden des Betriebsrates, ob er tatsächlich verhindert sei oder nicht. Er habe auch bereits am 20. April 2004 dem Betriebsratsmitglied K... mitgeteilt, dass er trotz bestehender Krankschreibung an der Sitzung am 27. April 2004 teilnehmen werde. Jedenfalls mit seiner Anwesenheit sei klargestellt, dass er an diesem Tag nicht verhindert gewesen sei. Er sei auch über die Tagesordnungspunkte informiert gewesen. Der Informationsstand des Ersatzmitgliedes P... M... sei nicht besser und umfangreicher gewesen, zumal dieser auch erst am Morgen des 27. April 2004 zu der Sitzung eingeladen worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien, insbesondere der geäußerten Rechtsauffassungen, wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Beschwerde gewechselten Schriftsätze.

II.

Die Beschwerde des Betriebsrates ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung den Anträgen des Antragstellers stattgegeben. Die Beschwerdekammer schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts vollumfänglich an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen darauf Bezug. Die Argumente des Betriebsrats in der Beschwerde rechtfertigen keine abändernde Entscheidung. Der Beschluss vom 27. April 2004 zur Abberufung des Antragstellers von seiner Freistellung ist unwirksam, weil die Teilnahme des Ersatzmitgliedes P... M... an der Beschlussfassung nicht rechtmäßig war.

1. Gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG rückt das Ersatzmitglied bei zeitlicher Verhinderung des Mitglieds des Betriebsrates nach, und zwar für die Zeit der Verhinderung. Das Ersatzmitglied M... hätte an der Sitzung vom 27. April 2004 nicht teilnehmen dürfen, weil der Antragsteller als ordentliches Mitglied selbst nicht verhindert war, an der Sitzung teilzunehmen.

2.

Ein Betriebsratsmitglied ist zeitweilig verhindert, wenn es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen seine amtlichen Funktionen nicht ausüben kann (Oetker in GK-BetrVG, § 25 Rdnr. 16; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 25 Rdnr. 6; Buschmann in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, § 25 Rdnr. 15). Maßgebend ist daher, ob und dass ein Betriebsratsmitglied seine amtlichen Funktionen nicht wahrnehmen kann; die Dauer der Verhinderung und deren Vorhersehbarkeit sind dagegen unerheblich. Es muss daher gesichert sein, dass das Betriebsratsmitglied seine amtlichen Funktionen nicht wahrnehmen kann. Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit besteht eine Vermutung für die Amtsunfähigkeit des Betriebsratsmitglieds. Jedenfalls liegt in der Regel eine zeitweilige Verhinderung vor, wenn ein Betriebsratsmitglied sich krankmeldet und der Arbeit fernbleibt (Oetker in GK-BetrVG, § 25 Rdnr. 18; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 25 Rdnr. 7). Allerdings muss die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht zur zeitweiligen Verhinderung des Betriebsratsmitgliedes führen (BAG, Urt. v. 15. November 1984 - 2 AZR 341/83 -).

3.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist von einer Verhinderung des Antragstellers am 27. April 2004 nicht auszugehen.

a.

Richtig ist zunächst die Auffassung des Betriebsrates, seine Vorsitzende sei gehalten gewesen, das Ersatzmitglied zu dieser Sitzung zu laden. Das ergibt sich daraus, dass der Antragsteller seit dem 7. April 2004 arbeitsunfähig erkrankt war und auch an den regelmäßig stattfindenden Betriebsratssitzungen nicht teilnahm. Zwar ist es insoweit auch zutreffend, dass der Antragsteller eigentlich gem. § 29 Abs. 2 Satz 5 BetrVG erst nach zugegangener Einladung verpflichtet gewesen wäre, seine Verhinderung anzuzeigen. Entscheidend ist aber, dass der Antragsteller von den regelmäßig stattfindenden Betriebsratssitzungen wusste. Denn in der Geschäftsordnung hat der Betriebsrat geregelt, er trete an jedem 2. Arbeitstag der Woche um 12:00 Uhr zu einer Sitzung zusammen. Es kann davon ausgegangen werden, dass dem Antragsteller diese Geschäftsordnung bekannt ist und er daher von den Betriebsratssitzungen wusste. Wenn er dann während seiner Arbeitsunfähigkeit seit 7. April 2004 bis zum 26. April 2004 an keiner Sitzung teilnahm, so durfte die Betriebsratsvorsitzende aus ihrer Sicht und unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes davon ausgehen, der Antragsteller werde auch am 27. April 2004 nicht zur Sitzung erscheinen, weshalb sie zur Ladung des Ersatzmitgliedes M... berechtigt war.

b.

Allerdings führt die Ladung des Ersatzmitgliedes und dessen Anwesenheit am 27. April 2004 nicht dazu, dass der ebenfalls anwesende Antragsteller von der Betriebsratssitzung des 27. April 2004 ausgeschlossen war. Insoweit ist allein darauf abzustellen, ob er tatsächlich verhindert war. Dies war er an diesem Tag nicht. Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestanden, der Antragsteller sei am 27. April 2004 aufgrund bestimmter gesundheitlicher Umstände - geistige Störung - nicht in der Lage gewesen, inhaltlich an der Sitzung teilzunehmen. Der Umstand, dass er - wie der Betriebsrat behauptet - wegen der fehlenden Unterlagen sich nicht ordnungsgemäß auf die Betriebsratssitzung habe vorbereiten können, führt nicht dazu, dass er nicht tatsächlich in der Lage war, an der Sitzung teilzunehmen. Zwar ist es richtig, dass gerade die Regeln über die ordnungsgemäße Ladung und Mitteilung der Tagesordnung gewährleisten sollen, dass die Betriebsratsmitglieder rechtzeitig über den Gegenstand der Sitzung informiert werden und sich entsprechend vorbereiten können. Das Betriebsverfassungsgesetz kennt jedoch keine Norm, die es zulässt, ein nicht ordnungsgemäß vorbereitetes Betriebsratsmitglied als tatsächlich verhindert anzusehen und damit von der Sitzung auszuschließen. Anderenfalls wäre der oder die Vorsitzende des Betriebsrates gehalten, bei Feststellung fehlender oder mangelhafter Vorbereitung einzelner Betriebsratsmitglieder auf die Sitzung diese gegebenenfalls von der Sitzung auszuschließen und ein Ersatzmitglied zu bestellen. Für die Frage der Verhinderung stellt das Betriebsverfassungsgesetz aber gerade nicht auf eine wie auch immer objektiv genügende Vorbereitung ab. Unabhängig davon ist dem Antragsteller aber auch nicht nachzuweisen, nicht ordnungsgemäß vorbereitet gewesen zu sein. Denn er hat darauf hingewiesen, seine Frau sei auch Mitglied des Betriebsrates und er sei über deren Ladung informiert gewesen über die Tagesordnungspunkte. Zudem sei er bereits seit 6 Jahren freigestelltes Betriebsratsmitglied, weshalb er den Betrieb und die Belange der Belegschaft sehr gut kenne und insoweit wie jedes anderes Betriebsratsmitglied auch aufgrund seiner vorhandenen Kenntnisse informiert über die Tagesordnungspunkte hätte beraten und beschließen können.

c.

Auch die Voraussetzungen einer rechtlichen Verhinderung liegen nicht vor. Eine solche rechtliche Verhinderung des Antragstellers ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Betriebsratsvorsitzende zunächst beanstandungsfrei das Ersatzmitglied M... zur Sitzung geladen hat. Dies bedeutet lediglich, dass es nicht zu beanstanden gewesen wäre, wenn das Ersatzmitglied M... im Falle der tatsächlichen Abwesenheit des Antragstellers am 27. April 2004 an der Sitzung teilgenommen hätte, obwohl der Antragsteller tatsächlich an diesem Tag vielleicht nicht verhindert gewesen wäre. Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich darauf hingewiesen, dass in der Regel auch dann eine zeitweilige Verhinderung vorliegt, wenn ein Betriebsratsmitglied sich krank meldet und der Arbeit fern bleibt, selbst wenn sich später herausstellt, dass es nicht arbeitsunfähig erkrankt war und deshalb unberechtigt der Arbeit ferngeblieben ist (BAG, EzA, § 15 KSchG n. F. Nr. 36). Ist aber - wie hier - das ordentliche Mitglied trotz vorheriger ordnungsgemäßer Ladung des Ersatzmitglieds wider Erwarten zu Beginn der Betriebsratssitzung anwesend, so ist es damit trotz der vorherigen ordnungsgemäßen Ladung des Ersatzmitglieds nicht rechtlich gehindert, an der Sitzung teilzunehmen. Denn es ist dann aus den oben bereits dargelegten Gründen eben tatsächlich nicht mehr verhindert und es gibt keinen objektiven Grund, statt seiner nun trotzdem das Ersatzmitglied teilnehmen zu lassen. Spätestens durch seine tatsächliche Anwesenheit ist die Vermutung widerlegt, seine Arbeitsunfähigkeit führe zur Amtsunfähigkeit. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Betriebsratsvorsitzende keine offenkundigen Anhaltspunkte dafür hat, der Erschienene sei beispielsweise aufgrund seiner Erkrankung geistig nicht in der Lage, der Sitzung zu folgen. Solche Anhaltspunkte lagen - wie bereits ausgeführt - am 27. April 2004 jedoch nicht vor. Insoweit geht es auch nicht darum, dass die Betriebsratsvorsitzende überfordert gewesen wäre, an diesem Tag eine medizinische Beurteilung abzugeben. Entscheidend ist allein, dass der Antragsteller anwesend war und es keine offenkundigen Anhaltspunkte dafür gab, dass er gesundheitlich nicht in der Lage gewesen wäre, an der Sitzung ordnungsgemäß teilzunehmen.

d.

Der Antragsteller war daher weder tatsächlich noch rechtlich verhindert, an der Sitzung teilzunehmen. Es kommt daher nicht mehr auf die streitige Frage an, ob ein Betriebsratsmitglied trotz Verhinderung das Recht hat, an einer Sitzung teilzunehmen (vgl. zum Streit Buschmann in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, § 25 Rdnr. 17). Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist dieser Streit aber ohnehin nicht nachvollziehbar. Wenn ein Betriebsratsmitglied für sich das Recht in Anspruch nimmt, an einer Sitzung teilzunehmen, dann ist zunächst davon auszugehen, dass aufgrund seiner tatsächlichen Anwesenheit das Betriebsratsmitglied wieder tatsächlich in der Lage ist, an der Sitzung teilzunehmen. Das Betriebsratsmitglied ist dann bereits nicht mehr als verhindert zu betrachten. Es stellt sich daher eigentlich gar nicht die Frage, ob ein verhindertes Betriebsratsmitglied das Recht hat, an der Sitzung dennoch teilzunehmen. Diese Frage könnte sich bezogen auf die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und damit möglicherweise im Zusammenhang stehende Amtsunfähigkeit nur dann stellen, wenn das Betriebsratsmitglied objektiv amtsunfähig wäre, subjektiv von einer Amtsfähigkeit jedoch ausgeht. In diesem Fall ist das Betriebsratsmitglied tatsächlich an der Teilnahme verhindert, hat dann aber auch kein Recht, an der Sitzung teilzunehmen. Auch dann stellt sich also die obige Streitfrage nicht. Hier bleibt es aber dabei, dass der Antragsteller objektiv nicht gehindert war, an der Sitzung teilzunehmen. Dann hat er auch ein Recht dazu.

e.

Die Beschwerdekammer will dabei nicht verhehlen, dass sie durchaus auch Probleme mit dem Verhalten des Antragstellers hat. Es ist schon äußerst erklärungsbedürftig, warum er einerseits seit 7. April 2004 an den Betriebsratssitzungen nicht mehr teilnahm, aber zu jener Sitzung erschien, in der es um seine Freistellung ging. Insoweit ist auch zutreffend der Hinweis des Betriebsrates, es stehe nicht im Ermessen eines einzelnen Betriebsratsmitgliedes, ob es an der Sitzung teilnehme oder nicht. Entscheidend bleibt aber, dass er aus den oben dargelegten Gründen am 27. April 2004 an der Teilnahme weder tatsächlich noch rechtlich verhindert war. Man mag sein Verhalten kritisieren und sich vielleicht auch Gedanken darüber machen, ob der Antragsteller denn tatsächlich überhaupt krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen ist. All dies berechtigt aber dennoch nicht seinen Ausschluss von der Betriebsratssitzung vom 27. April 2004.

f.

Wenn schließlich Betriebsrat und Arbeitgeberin darauf hinweisen, der Antragsteller sei in den vergangenen Jahren freigestellt gewesen, weshalb sich dann eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ja auch auf die Tätigkeit als freigestelltes Mitglied beziehe, so ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller nach seiner ersten Abberufung von der Arbeitgeberin zur Arbeitsleistung wieder aufgefordert wurde, weshalb die nachfolgende Krankschreibung sich nicht mehr auf seine Tätigkeit als freigestelltes Betriebsratsmitglied bezog. Deshalb darf auch nicht angenommen werden, aus seiner Krankschreibung folge zwingend die Amtsunfähigkeit.

Nach alledem ist die Beschwerde insgesamt zurückzuweisen, und zwar auch bezogen auf die Abwahl vom 23. März 2004, mit der sich die Beschwerde im Übrigen auch nicht mehr auseinandersetzt.

Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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