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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 04.10.2007
Aktenzeichen: 5 Sa 184/07
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB IX, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 72 a
SGB IX §§ 81 ff.
SGB IX § 81 Abs. 4
SGB IX § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
SGB IX § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4
SGB IX § 81 Abs. 4 Satz 3
SGB IX § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 184/07

Verkündet am 04.10.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 04.10.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 01.03.2007, AZ: öD 1 Ca 1477 a/06, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger aufgrund dessen Schwerbehinderung einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen.

Der am ....1948 geborene Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger seit dem 01.02.1984 als Krankenpfleger zuletzt in der Chirurgischen Ambulanz des Kreiskrankenhauses R. zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 2.500,00 beschäftigt.

Der Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 50 % schwerbehindert. Seit dem 24.04.2006 ist er fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Der Kläger leidet an einer koronaren Herzkrankheit, aufgrund derer er sich im Jahre 2004 einer Bypassoperation unterziehen lassen musste sowie einer chronisch obstruktiven Atemswegserkrankung (chronisches Asthma). Aufgrund dieser Erkrankungen kann er keine körperlich schweren Arbeiten mehr verrichten. Der Arbeitsmedizinische Dienst der Beklagten gab am 04.07.2006 folgende Stellungnahme ab (Bl. 12 d. GA.):

"Herr A. stellte sich zuletzt am 06.06.2006 in unserer Abteilung vor. Der Entlassungsbericht der letzten stationären Behandlung liegt vor.

Herr A. ist in Folge chronisch-internistischer Erkrankungen für seine bisherige Tätigkeit in der Chirurgischen Ambulanz nicht einsatzfähig. Es besteht Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Arbeit ohne Stressbelastung vollschichtig im Früh- und Spätdienst, keine Nachtdiensttauglichkeit."

Im Ambulanzbereich der Psychiatrie sind insgesamt 4 Arzthelferinnen tätig, wovon 2 Teilzeitkräfte diese Tätigkeit nur in der Vertretung (Urlaub, Krankheit) übernehmen. Von den übrigen 2 hauptsächlich im Ambulanzbereich eingesetzten Arzthelferinnen, ist eine ebenfalls Teilzeit beschäftigt und zwar mit 25 Wochenstunden. Deren Tätigkeitsbeschreibung sieht wie folgt aus:

1. Sekretariat 30 %

Terminverlegung für Assistenzärzte und Chefarzt, Telefondienst, Korrespondenz, Postwesen (Ein- und Ausgang), Zugangsdaten für die Stationen vorbereiten.

2. Aufnahme 15 %

Empfang, Dienstarzt organisieren, Verteilung auf Station, Fertigen der Patientenmappen, Datenpflege, Auskünfte.

3. Ambulanz 30 %

Karteiführung, Abrechnungen, Injektionen, Blutentnahmen

4. Funktionsdienst 15 %

EEG, Blutentnahme für teilstationäre Patienten

5. Schreibdienst 10 %

Schreibtätigkeiten, (Briefe, Atteste, Bescheinigungen).

Die Arbeitsbeschreibung der letzten im Ambulanzbereich eingesetzten Arzthelferin, der Chefarztsekretärin Frau G. (Ganztagskraft) gestaltet sich wie folgt (Bl. 47 d. GA.):

Sekretariatstätigkeiten (20 %):

- Sekretärin Prof. R., Ass.-Ärzte, Psychologen, 6 Stationen

- Aufnahme von Patienten

- Archiv

- Autovermietung

- Organisation von Veranstaltungen (Symposien)

- Information (1. Anlaufstelle nach Parkdeck)

Institutsambulanz (60 %):

- Spritzen, Blutabnahmen, EEGŽs, Formalitäten

- Komplette Abrechnung der Institutsambulanz

EEGŽs (10 %)

Erstellen von Arztbriefen (10 %)

- Schreibkraft vor Ort.

Der Kläger arbeitete von 1976 bis 1979 in der Fachklinik für Psychiatrie und Neurologie in D.. Hier wurde ihm bescheinigt, dass er die somatisch/pflegerischen und die psychiatrisch/pflegerischen Aufgaben zuverlässig und vernünftig ausgeführt habe.

Ab Mitte 2006 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm einen leidensgerechten Arbeitsplatz im Unternehmen der Beklagten zuzuweisen. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger während eines Gespräches am 22.05.2006 (Bl. 14 d. GA.) aufgrund der Stellungnahme der Ärztin des Arbeitsmedizinischen Dienstes vom 02.05.2006 (Bl. 13 d. GA.) angeraten, Erwerbsunfähigkeitsrente zu beantragen. Es fand sodann am 07.09.2006 eine Arbeitsplatzbegehung der Poststelle u. a. unter Beteiligung eines Mitarbeiters vom Integrationsamt des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Beklagten, zweier Betriebsräte, des Schwerbehindertenvertreters statt. Im Protokoll wurde abschließend festgehalten (Bl. 21 d. GA.):

"Herr A. gesteht zu, dass ihm der genaue Umfang der Tätigkeiten in der Poststelle so nicht bekannt war und akzeptiert, dass aus gesundheitlichen Gründen ein Einsatz für ihn dort nicht in Frage kommt."

Am 18.09.2006 fand mit ähnlichem Teilnehmerkreis eine Arbeitsplatzbegehung der Inneren Ambulanz sowie des EKG-Bereichs statt. In dem gefertigten Protokoll steht auszugsweise (Bl. 22 d. GA.):

"Der Leiter des Arbeitsmedizinischen Dienstes Herr P. trägt vor, dass er bei einem Einsatz von Herrn A. in der Inneren Ambulanz die hierfür erforderliche körperliche Belastbarkeit nicht gewährleistet sieht. Gerade in diesem Bereich muss bei Notfallpatienten mit koronaren Beschwerden innerhalb kürzester Zeit mit körperlichem Einsatz reagiert werden können. Ein Einsatz im Schrittmacher-OP bzw. Herzkathederlabor stellt aus der Sicht von Herrn P. für Herrn A. eine zu große körperliche Belastung dar, da bei diesen Einsätzen zwischen 5 und 6 Stunden im Stehen eine Röntgenschürze zu tragen ist. ... Insgesamt bewertet er die Tätigkeit in der Inneren Ambulanz als weniger belastend, als die Tätigkeit des bisherigen Arbeitsplatzes des Herrn A. in der Chirurgischen Ambulanz. ...

Herr A. selbst bestätigt die Aussage des Betriebsarztes Herrn P., dass das Tragen der Röntgenschürze für ihn aufgrund seiner asthmatischen Beschwerden nicht leistbar ist.

Am Ende des Austausches über eine Möglichkeit des Einsatzes von Herrn A. im EKG-Bereich bleiben zwei konträre Auffassungen im Raum. Herr A. wie auch der Betriebsrat ist der Auffassung, dass für ihn ein geeigneter Arbeitsplatz für den EKG-Bereich geschaffen werden könnte, auch wenn dieser nach erneuter Bestätigung der Pflegedienstleitung keine Ganztagsstelle ausfüllt. Dem entgegen stehen die Aussagen von Herrn S., Herrn P. und Frau S., dass aus Gründen des Gesundheitsschutzes für die übrigen Pflegekräfte das derzeitige Rotationsverfahren zwingend beizubehalten ist. ...

Auf Nachfrage von Herrn H., warum im Archiv von 5 Mitarbeitern denn überhaupt noch ein Leistungsträger dort eingesetzt ist, entgegnet Frau S., dass 5 Arbeitsplätze des Archivs vom Grunde her in ihrer Gesamtheit für durchschnittlich leistungsfähige Mitarbeiter angelegt sind. Da aber wie bereits ausgeführt, der Verwaltungsbereich im Krankenhaus naturgemäß der kleinste ist, können leistungsgeminderte Beschäftigte zum Beispiel aus dem Pflegebereich, nur auf wenigen Arbeitsplätzen innerhalb der Verwaltung eingesetzt werden, ohne dass es zu dauerhaften Leistungseinschränkungen in diesen Arbeitsbereichen kommt. Die Effektivität des Archivs leidet nicht unter der Arbeitsbelastung sondern auch unter den Leistungseinschränkungen seiner Mitarbeiter. Aus diesem Grunde wird es in keinem Fall zu einem weiteren Einsatz von einem leistungsgeminderten Beschäftigten in diesem Arbeitsfeld kommen. Diese Auffassung wird durch den Betriebsarzt unterstützt. Aus den genannten Gründen wird auf eine Arbeitsplatzbegehung verzichtet. ..."

Im Archiv werden derzeit drei Teilzeitkräfte beschäftigt. Mit Schreiben vom 08.09.2006 teilte die Beklagte dem Kläger zur Besetzungslage im Archiv Folgendes mit (Bl. 24 d. GA.):

"Der Stellenschlüssel für das Archiv ist mit zwei Vollzeitkräften ausgewiesen, derzeit sind dort insgesamt 1,78 Vollzeitkräfte tätig. Eine der Mitarbeiterinnen ist 57 Jahre alt und ist seit dem 01.10.2005 bis einschließlich 30.09.2011 im Altersteilzeit - Teilzeitmodell dort tätig. Eine andere Einsatzmöglichkeit für sie in dem kleinen Verwaltungsbereich des Krankenhauses E. existiert nicht. Eine weitere Mitarbeiterin ist 35 Jahre alt und aufgrund der Schließung des Betriebskindergartens in E. dorthin umgesetzt worden. Sie ist mit der Hälfte der wöchentlichen tariflichen Arbeitszeit beschäftigt. Der dritte Mitarbeiter ist 55 Jahre alt und mit 30 Stunden die Woche (0,78 VK) im Archiv tätig. Er ist bereits aus persönlichen Gründen aus einem anderen Verwaltungsbereich in das Archiv umgesetzt worden. Ergänzend hierzu hat eine Mitarbeiterin des Archivs, die bis zum Beginn ihrer Zeitrente ganztags dort eingesetzt war, einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz im Archiv. Die Zeitrente ist derzeit bis zum 30.11.2006 bewilligt, die Mitarbeiterin ist 27 Jahre alt und schwerbehindert. Eine weitere ganztags beschäftigte Mitarbeiterin des Archivs ist seit dem 01.03.2006 aus der Lohnfortzahlung und hat einen Antrag auf Verrentung gestellt. Sie ist 60 Jahre alt. Auch diese Mitarbeiterin hat zunächst einen Anspruch auf ihren alten Arbeitsplatz, sollte der Antrag auf Verrentung abgelehnt werden. Im Ergebnis sind damit nicht nur alle im Archiv vorhandenen Arbeitsplätze besetzt mit Mitarbeitern, die anderweitig nicht einsetzbar sind, sondern es sind auch noch zwei weitere Mitarbeiterinnen des Archivs im 'Hintergrund' vorhanden, die einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz dort haben."

Mit seiner am 07.08.2006 erhobenen Klage hat der Kläger die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes im Bereich der Psychiatrischen Ambulanz ersatzweise in der Chirurgischen Ambulanz geltend gemacht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.03.2007 die Klage abgewiesen. Eine Beschäftigung des Klägers in der psychiatrischen Ambulanz als Arzthelfer scheide aus, weil der Kläger nicht über die dort erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfüge. Die Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten (Arzthelferin) und der eines Krankenpflegers unterscheide sich in wesentlichen Punkten. Neben den pflegerischen und medizinischen Kenntnissen würden auch in erheblichem Umfang betriebswirtschaftliche Kenntnisse vermittelt. Der Arbeitgeber sei auch im Kontext der Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes nicht verpflichtet, sein Anforderungsprofil für die einzelnen Stellen aufzugeben. Im Übrigen seien die Stellen in der psychiatrischen Ambulanz auch alle besetzt. Ein Ringtausch mit dem Kläger sei aufgrund der unterschiedlichen Ausbildungen nicht möglich. Auch im Bereich der chirurgischen Ambulanz könne der Kläger nicht mehr leidensgerecht beschäftigt werden. Einen Arbeitsplatz mit den vom Kläger noch möglichen Tätigkeiten gebe es hier nicht. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuschnitt eines eigenen Arbeitsplatzes entsprechend seines eingeschränkten Leistungsvermögens. Soweit sich der Kläger auf eine mögliche Umstrukturierung der dortigen Arbeitsplätze berufe, sage er nichts anderes, als dass die Arbeitsplätze mit dem konkret von ihm begehrten Zuschnitt momentan nicht existierten.

Gegen dieses ihm am 22.03.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 23.04.2007, beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 16.05.2007 begründet.

Der Kläger behauptet,

er könne in der psychiatrischen Ambulanz arbeiten. Er habe drei Jahre in der Fachklinik für Psychiatrie und Neurologie in D. gearbeitet. Er sei im Umgang mit schwierigen, insbesondere mit post-traumatisierten, Patienten geübt. Aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung könne er dort gewisse pflegerische Aufgaben (Blutentnahmen, Injektionen, Sprechstundendurchführung, Tresenarbeit) ohne Schwierigkeiten erledigen. Er sei sowohl aus gesundheitlichen als auch aus ausbildungstechnischen Gründen in der Lage, sämtliche im Tatbestand des angefochtenen Urteils genannten Aufgabenfelder einer Arzthelferin in der psychiatrischen Ambulanz auszuführen. Er sei aber auch in der Lage in der chirurgischen Ambulanz zu arbeiten. Vorliegend sei die Beklagte bereits ihrer Verpflichtung zur Feststellung der verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten nicht nachgekommen. Die arbeitsmedizinische Stellungnahme vom 04.06.2006 sei von ihm auch nicht akzeptiert und für richtig gehalten worden. Die Beklagte sei darlegungs- und beweispflichtig, welche Tätigkeiten der Kläger unter Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung und seiner Erkrankungen seit Anerkennung seiner Schwerbehinderung noch verrichten könne. Sie habe nicht einmal durch Umorganisation versucht, ihn, den Kläger, leidensgerecht zu beschäftigen. Der Arbeitgeber sei jedoch verpflichtet, durch Umorganisation einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu schaffen, an dem der vertragliche Beschäftigungsanspruch erfüllt werden könne. Die chirurgische Ambulanz verfüge über drei Arbeitsgänge und Untersuchungs- und Behandlungsräume, in denen alle Patienten der Abteilungen Unfallchirurgie, Allgemeinchirurgie, Gefäßchirurgie und Urologie versorgt würden. Vormittags fänden in der Unfallchirurgie Sprechstunden statt. Es müssten Verbände gewechselt und Wunddesinfektion durchgeführt werden. Nachmittags bis abends fänden Vorstellungssprechstunden der einzelnen Fachgebiete statt. Die in diesem Rahmen anfallenden Tätigkeiten könne er problemlos übernehmen. Lediglich in den Hauptunfallräumen, in die die per Krankenwagen eingelieferten Unfallpatienten gebracht würden, könne er aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht arbeiten. Zudem sei es ihm möglich im Archiv zu arbeiten. Er könne sowohl die Mikroverfilmung der Patientenakten, den interstationären Aktentransport als auch die Sortierung der Krankenakten erledigen. Die gebündelt abzuholenden Krankenakten könnten unter Zuhilfenahme von Transportgerätschaften ins Archiv transportiert werden. Zudem sei ihm zur Kenntnis gelangt, dass eine Erzieherin, die nach Schließung des Krankenhauskindergartens für ein Jahr in den städtischen Kindergarten abgeordnet worden sei, zurückkomme und dann im Archiv eingesetzt werde. Daraus ergebe sich, dass im Archiv mindestens ein Vollzeitarbeitsplatz vorhanden sei, auf dem er beschäftigt werden könne. Die Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass ihr eine derartige Umorganisation unzumutbar sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm, dem Kläger, einen leidensgerechten Arbeitsplatz im Sinne des § 81 Abs. 4 SGB IX im Bereich der psychiatrischen Ambulanz zuzuweisen, an welchem folgende Tätigkeiten verrichtet werden können: die psychiatrisch-somatisch-pflegerischen Aufgaben, Blutentnahmen, Injektionen; ersatzweise dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz in der chirurgischen Ambulanz zuzuweisen, an dem folgende Tätigkeiten verrichtet werden: Verbände legen, Blutentnahmen, OP-Vorbereitungen (evtl. mit EKG), Sprechstunden durchführen, Gips und Tapeverbände anlegen sowie Tresenarbeit; ersatzweise dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz im Bereich Krankengeschichtenarchiv zuzuweisen, an dem folgende Tätigkeiten verrichtet werden können: Mikroverfilmung der Patientenakten, interstationärer Aktentransport, Sortierung der Krankenakten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt

das angefochtene Urteil. Der Kläger übersehe die von ihr angestellten Bemühungen, für ihn, den Kläger, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu finden. Der Kläger verfüge weder über eine langjährige Berufserfahrung noch über aktuelle Kenntnisse im Bereich der psychiatrischen Ambulanz. Vielmehr habe er sei 1984 in der chirurgischen Ambulanz gearbeitet. Ihm fehle die erforderliche berufliche Qualifikation, um dort eingesetzt zu werden. Psychiatrisch-somatisch-pflegerische Aufgaben fielen in der psychiatrischen Ambulanz nicht an. Der Kläger könne aber auch nicht leidensgerecht in der chirurgischen Ambulanz eingesetzt werden. Die dort anfallenden Tätigkeiten könnten nicht auf die vom Kläger gewünschten Teilbereiche beschränkt werden. Die darüber hinausgehenden Tätigkeiten müssten dann von den übrigen Pflegern mit erledigt werden. Dies sei im Arbeitsalltag jedoch nicht darstellbar. Vielmehr müssten alle Mitarbeiter in der Lage sein, die dort anfallenden Arbeiten jeweils allein und aus eigener Kraft zu verrichten. Im Übrigen gebe es im Krankenhaus noch weitere Arbeitnehmer, die ebenfalls Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz hätten. Der Kläger könne auch nicht verlangen, dass anderen Arbeitnehmern gekündigt werde, um für ihn einen leidensgerechten Arbeitsplatz freizumachen. Die Beklagte bezweifelt zudem, dass der Kläger die Mikroverfilmung im Archiv, die von hoher Konzentration und Zeitdruck gekennzeichnet sei, leisten könne. Auch sei es dem Kläger nicht möglich, die schweren Aktenbündel zu transportieren. Ungeachtet dessen seien auch sämtliche Arbeitsplätze im Archiv besetzt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 04.10.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf leidensgerechte Beschäftigung zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder Anspruch auf leidensgerechte Beschäftigung in der psychiatrischen Ambulanz (I.), noch in der chirurgischen Ambulanz (II.), noch in dem Krankengeschichtenarchiv (III.).

I. Der Kläger hat keinen Anspruch, im Bereich der psychiatrischen Ambulanz beschäftigt zu werden.

1. Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX hat ein schwerbehinderter Mensch gegenüber seinem Arbeitgeber Anspruch auf Beschäftigung, bei der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann. Der Arbeitgeber erfüllt diesen Anspruch regelmäßig dadurch, dass er dem Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zuweist. Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer die damit verbundenen Tätigkeiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen, so führt dieser Verlust nach der Konzeption der §§ 81 ff. SGB IX nicht ohne weiteres zum Wegfall des Beschäftigungsanspruches. Der Arbeitnehmer kann Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben und, soweit der bisherige Arbeitsvertrag diese Beschäftigungsmöglichkeit nicht abdeckt, auf eine entsprechende Vertragsänderung (BAG, Urt. v. 14.03.2006 - 9 AZR 411/05 -, AP Nr. 11 zu § 81 SGB IX m. w. Rspr.-Nachw.). Um eine behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen, ist der Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX auch zu einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation verpflichtet. So kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer verlangen, dass er nur mit leichteren Arbeiten beschäftigt wird, sofern im Betrieb die Möglichkeit zu einer solchen Aufgabenumverteilung besteht (BAG, Urt. v. 28.04.1998 - 9 AZR 348/97 -, AP Nr. 2 zu § 14 SchwbG 1986). Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen zudem Anspruch auf Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen. Der Arbeitgeber ist jedoch dann nicht zur Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen verpflichtet, wenn ihm die Beschäftigung unzumutbar oder eine solche nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist, § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX. Der Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, für den schwerbehinderten Menschen einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (BAG, Urt. v. 10.05.2005 - 9 AZR 230/04 -AP Nr. 8 zu § 81 SGB IX; BAG, Urt. v. 04.10.2005 - 9 AZR 632/04 -, zit. n. Juris).

2. Die Voraussetzungen einer behinderungsgerechten Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX im Bereich der psychiatrischen Ambulanz liegen hier nicht vor. Dabei kann unterstellt werden, dass der Kläger rein körperlich in der Lage wäre, die dort anfallenden Tätigkeiten zu erledigen. Indessen fehlen dem Kläger - worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat - die für diese Stelle erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse. Der Kläger ist ausgebildeter Krankenpfleger, während in der psychiatrischen Ambulanz unstreitig medizinische Fachangestellte mit mehrjähriger einschlägiger Berufserfahrung tätig sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich das Anforderungsprofil für eine Stelle festlegt. Der Kläger hat auch in der Berufungsinstanz nicht dargelegt, inwieweit er trotz seiner berufsfremden Ausbildung die in der psychiatrischen Ambulanz in erheblichem Umfang anfallenden betriebswirtschaftlichen Büroarbeiten wie Abrechnung und Sekretariatsarbeiten gleichwohl erledigen kann. Diesbezüglich kann er sich auch nicht mit Erfolg auf seine Tätigkeit in der Landesklinik in D. berufen. Er ist dort unstreitig nicht mit Verwaltungsaufgaben, sondern ausschließlich als Krankenpfleger mit pflegerischen Aufgaben betraut gewesen ist. Der Vortrag des Klägers, er sei sowohl aus gesundheitlichen als auch aus ausbildungstechnischen Gründen in der Lage, sämtliche in der Stellenbeschreibung genannten Aufgabenfelder einer Arzthelferin in der psychiatrischen Ambulanz auszuführen, ist unsubstantiiert. Es bleibt insbesondere völlig offen, ob er die Abrechnungsvorschriften und -programme kennt, ob er über EDV-Kenntnisse verfügt, ob er Arztbriefe nach Diktat schreiben kann. Die fehlenden Kenntnisse sind auch nicht durch eine angemessene Fortbildung zu erreichen. Der Kläger verkennt, dass insoweit nicht nur eine Fortbildungsmaßnahme zur Auffrischung einmal erworbener Kenntnisse erforderlich ist, sondern eine Umschulung zur Arzthelferin. Hierzu ist die Beklagte aber im Rahmen von § 81 Abs. 4 SGB IX nicht verpflichtet.

II. Der Kläger kann aber auch nicht von der Beklagten beanspruchen, in der chirurgischen Ambulanz beschäftigt zu werden. Dies gilt auch unter Beachtung des besonderen Beschäftigungsanspruchs nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX.

1. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung nicht mehr in der Lage ist, die in der chirurgischen Ambulanz anfallenden körperlich schweren Arbeiten auszuüben. So kann er insbesondere Patienten nicht anheben oder gar tragen. Es ist ihm auch nicht möglich, eine Röntgenschürze zu tragen.

2. Ob der Kläger die im ersten Hilfsantrag aufgeführten Tätigkeiten alle verrichten kann, ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat behauptet, dass es sich beim Anlegen von Gips- oder Tapeverbänden an Armen oder Beinen der Patienten um eine körperlich schwere Tätigkeit handelt. Auch wenn für das erforderliche Wickeln des Verbandsmaterials Keile zum Ablegen der Extremitäten vorhanden sind, fallen hierbei gleichwohl Trage- und Hebetätigkeiten an. Entgegen seiner in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung ist der Kläger dafür darlegungs- und beweispflichtig, welche Tätigkeiten ihm aufgrund seiner Schwerbehinderung noch möglich sind. Ein Anspruch auf Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX setzt voraus, dass der nach allgemeinem Recht darlegungsbelastete Arbeitnehmer spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht eine ärztliche Bescheinigung seines behandelnden Arztes vorlegt, aus der sich Art und Weise der empfohlenen Beschäftigung, Beschäftigungsbeschränkungen, Umfang der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Dauer der Maßnahme ergeben (BAG, Urt. v. 13.06.2006 - 9 AZR 229/05 -, AP Nr. 12 zu § 81 SGB IX; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 31.08.2006 - 6 Sa 996/05 -, zit. n. Juris). Aus dem im Berufungstermin eingereichten Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit folgt, dass der Kläger befähigt ist, ständig leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Zugunsten des Klägers wird an dieser Stelle unterstellt, dass er durch Vorlage dieses Gutachtens den Beweis erbracht hat, dass er Verbände jeglicher Art legen kann.

3. Indessen existiert in der chirurgischen Ambulanz kein aus den im Antrag genannten Teilbereichen bestehender Arbeitsplatz. Zwar fallen die Tätigkeiten allesamt in der chirurgischen Ambulanz an, indessen ist der Arbeitsanfall in einer Notfallambulanz ersichtlich nicht planbar. Insoweit ist es auch nicht möglich, durch Umorganisation einen Arbeitsplatz mit gerade diesen leichten Tätigkeiten zu schaffen. Es steht weder fest, ob überhaupt, wie viele am Tag und zu welcher Uhrzeit Patienten mit dem Rettungswagen eingeliefert werden und notfallmäßig versorgt werden müssen. Der Kläger verkennt auch, dass im Rahmen der von den einzelnen Fachabteilungen angebotenen Sprechstunden ebenfalls nicht planbare, schwere pflegerische Arbeit anfallen kann, wie z. B. beim Kollabieren eines Patienten bei der Blutentnahme. In einem solchen Fall ist es organisatorisch nur unter Zeitverlusten und eventuell auch vitalen Risiken für den Patienten möglich, eine andere Pflegekraft von deren Arbeit abzuziehen und als Ersatz für den Kläger dort einzusetzen. Allein unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten kann die Beklagte nur solche Pfleger einsetzen, die die jeweils erforderlichen pflegerischen Tätigkeiten auch aus eigener Kraft heraus erledigen können.

III. Die Beklagte ist auch nicht nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX verpflichtet, dem Kläger einen Vollzeitarbeitsplatz im Archiv zuzuweisen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die in diesem Verwaltungsbereich anfallenden Arbeiten, wozu auch der Aktentransport und die Aktenablage in hochgelegene Regale zählen, körperlich bewältigen kann. Denn in diesem Bereich sind alle Arbeitsplätze besetzt. Der Stellenplan weist für den Archivbereich zwei Vollzeitarbeitsplätze aus, tatsächlich sind indessen drei Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt, die zusammen 1,78 Vollzeitkräfte ausmachen. Einer der Mitarbeiter ist schon aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen und eine weitere Mitarbeiterin aufgrund des Wegfalls ihres Arbeitsplatzes (Kindergarten) auf jenen Arbeitsplatz versetzt worden. Daneben sind diesem Bereich eine schwerbehinderte Mitarbeiterin, die derzeit eine Zeitrente bezieht, und eine weitere Mitarbeiterin, die dauerhaft arbeitsunfähig ist und einen Rentenantrag gestellt hat, zugeordnet. Die Beklagte kann diese Arbeitsplätze auch nicht durch Ausübung ihres Direktionsrechts zugunsten des Klägers freimachen. Die Mehrzahl der im Archiv tätigen Mitarbeiter ist bereits dorthin versetzt worden, weil sie anderweitig nicht mehr eingesetzt werden können. Insbesondere können diese Mitarbeiter aufgrund fehlender Berufsausbildung und/oder körperlicher Eignung nicht in der Pflege eingesetzt werden. Dies hat der Kläger nicht bestritten.

IV. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision lagen nicht vor, § 72 Abs. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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