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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 19.10.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 279/04
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
ZPO § 286 Abs. 1 S. 1
ZPO § 398 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 242
Eine Abmahnung enthält grundsätzlich einen Kündigungsverzicht bezogen auf das in der Abmahnung gerügte Fehlverhalten. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn der Abmahnung nach dem Empfängerhorizont zu entnehmen ist, dass sich der Kündigungsberechtigte das Recht zur Kündigung wegen des gerügten Fehlverhaltens unter bestimmten Voraussetzungen doch noch vorbehält.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 279/04

Verkündet am 19.10.2004

In dem Rechtsstreit

pp.

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 19.10.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Otten-Ewer als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter Peter Raabe als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter Martin Möllers als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 4. Mai 2004, Az. 6 Ca 2640/02, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien führen einen Kündigungsrechtsstreit.

Der 43-jährige Kläger ist verheiratet und drei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Er ist seit dem 13.12.2000 als LKW-Fahrer bei der Beklagten zu einem Monatslohn von € 2.556,46 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesrahmentarifvertrag für das Bauwesen Anwendung.

Mit Schreiben vom 05.07.2002 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass es aus innerbetrieblichen Gründen nicht möglich sei, ihm zusammenhängend fünf Wochen Urlaub zu gewähren. Er erhalte vom 15.07. - 02.08.2002 Urlaub und habe folglich am Montag, den 05.08.2002 seine Arbeit wieder aufzunehmen (Bl. 17 d. GA.). Am 08.07.2002 fand in Anwesenheit des Zeugen H... ein Gespräch zwischen den Parteien statt, in welchem nochmals streitig über die Länge des dem Kläger bewilligten Sommerurlaubs gesprochen wurde. Der genaue Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger trat am 15.07.2002 seinen Urlaub an und fuhr mit seiner Familie in sein Heimatland K.... Unter dem 18.07.2002 übermittelte die Beklagte dem Kläger ein Schreiben folgenden Wortlauts (Bl. 10 d. GA.):

"Abmahnung

Sehr geehrter Herr S...,

am 08. Juli 2002 ist Ihnen durch Herrn J... brieflich mitgeteilt worden, dass Sie aus betrieblichen Gründen lediglich 3 und nicht die von Ihnen gewünschten 5 Wochen Urlaub erhalten können. Daraufhin beschimpften Sie in unsachlicher und unflätiger Form Herrn J... (Zeuge Herr M... H...) und erklärten, dass Sie sich im K... nochmals 4 bis 6 Wochen krankschreiben ließen, womöglich noch länger. Herr J... würde sich noch wundern. Wir könnten Ihnen sodann kündigen, Sie würden uns jedoch vor Gericht dann sehr lange Ärger machen. Sodann verließen Sie das Büro mit den Worten, Sie würden nunmehr 5 Wochen in Urlaub gehen.

Mit Ihrem Verhalten haben Sie in schwerwiegender Weise gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Ganz abgesehen davon, dass Sie sich während des Gesprächs im Ton vergriffen haben, stellt die Drohung, sich krankschreiben zu lassen oder den Urlaub eigenmächtig zu verlängern, einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag dar.

Daher mahnen wir Sie hiermit ab und weisen Sie darauf hin, dass Sie bei einem erneuten Verstoß gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten mit arbeitsvertraglichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen müssen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass Sie ihre Drohung wahr machen und Ihre Arbeit am 05. August 2002 nicht wieder aufnehmen."

Am 01.08.2002 rief der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten an und teilte ihm mit, dass er krank sei. Ausweislich eines Attestes aufgrund des Jugoslawisch - Deutschen Abkommens über Soziale Sicherheit war der Kläger vom 01.08.2002 bis voraussichtlich 16.08.2002 arbeitsunfähig (Bl. 8 d. GA.). Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 05.08.2002 fristgemäß zum 20.08.2002 (Bl. 3 d. GA.). Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 21.08.2002 Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Lübeck erhoben.

Wegen des streitigen Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat am 11.03.2003 durch Vernehmung des Zeugen H... darüber Beweis erhoben, ob der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten am 08.07.2002 beschimpft und zudem angekündigt habe, dass er sich zur Verlängerung seines Urlaubs im K... krankschreiben lassen werde. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Vernehmungsprotokolle vom 11.03.2003 und vom 14.10.2003 verwiesen (Bl. 44 - 46, 118 - 121 d. GA.). Des Weiteren hat das Arbeitsgericht eine schriftliche Zeugenaussage gem. § 377 Abs. 3 ZPO des den Kläger im K... behandelnden Arztes Dr. H... D... eingeholt. Wegen des dem Kläger mitgeteilten Beweisthemas wird auf Bl. 133 d. GA. und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, d. h. des Inhalts der ärztlichen Stellungnahme des Zeugen D..., auf Bl. 158 - 160 d. GA. verwiesen. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.05.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter Vernehmung des Zeugen H... feststehe, dass der Kläger eine eigenmächtige Urlaubsnahme und unberechtigte Krankschreibung angedroht habe, nachdem die Beklagte die Bewilligung eines fünfwöchigen Urlaubs abgelehnt hatte. Die Aussage des Zeugen sei in sich stimmig und widerspruchsfrei und damit glaubhaft. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen werde noch dadurch gestützt, dass dieser auch angesichts des vom Kläger gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen Falschaussage vor Gericht in seiner zweiten Vernehmung am 14.10.2003 in gleicher Weise wie bei seiner Vernehmung am 11.03.2003 ausgesagt habe. Die Drohung, sich im Urlaub krankschreiben zu lassen, sofern kein längerer Urlaub gewährt werde, rechtfertige grundsätzlich den Ausspruch einer Kündigung. Die Beklagte habe ihrerseits dem Kläger auch keine Veranlassung gegeben, sich in der Weise zu verhalten, wie er es zur Überzeugung der Kammer im Gespräch am 08.07.2002 getan habe. Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen spreche zudem das aggressive und unkontrollierte Verhalten des Klägers in der mündlichen Verhandlung, in der er sowohl das Gericht als auch die Gegenseite beschimpft habe. Schließlich habe er im Nachgang des Prozesses auf die telefonische Mitteilung der Entscheidung dem Vorsitzenden mit Strafanzeige gedroht sowie seinen Prozessbevollmächtigten in haltloser Weise beschimpft und auch diesem rechtliche Schritte angedroht. Angesichts dessen könne letztlich dahingestellt bleiben, ob der Kläger tatsächlich im Urlaub erkrankt sei.

Gegen dieses ihm am 07.06.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.06.2004 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese am 19.07.2004 begründet.

Der Kläger trägt vor,

dass er am 08.07.2002 keine Krankschreibung angekündigt habe. Die gegenteilige Aussage des Zeugen H... sei nicht glaubhaft und der Zeuge selbst nicht glaubwürdig. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts über die Vernehmung des Zeugen H... sei grob fehlerhaft. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht dem Umstand, dass die zweite Aussage des Zeugen H... trotz des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens wegen Falschaussage deckungsgleich mit der ersten gewesen sei, ausschlaggebende Bedeutung für die Glaubwürdigkeit des Zeugen beigemessen. Die hohe Übereinstimmung der beiden Aussagen spreche vielmehr für eine konstruierte Aussage. Im Übrigen sei er auch tatsächlich im K... erkrankt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 04.05.2004, Az: 6 Ca 2640/02, abzuändern, soweit es die Klage gegen die ordentliche Kündigung vom 05.08.2002 abgewiesen habe. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 05.08.2002 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt

das angefochtene Urteil. Insbesondere sei der Zeuge H... glaubwürdig. Die hiergegen gerichteten Vorwürfe des Klägers seien nicht nachvollziehbar. Der Zeuge habe die Behauptungen der Beklagten zum Gesprächsinhalt vom 08.07.2002 voll bestätigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache konnte sie indessen keinen Erfolg haben.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Die streitgegenständliche Kündigung vom 05.08.2002 ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Ankündigung bzw. Drohung mit einer Krankheit für den Fall, dass ein (längerer) Urlaub nicht gewährt wird, grundsätzlich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung zu bieten, zumindest aber ein sozialer Rechtfertigungsgrund für eine ordentliche Kündigung ist (BAG, Urt. v. 17.06.2003 - 2 AZR 123/02 -, AP Nr. 13 zu § 543 ZPO 1977). Der Arbeitnehmer droht damit nämlich an, die erstrebte Genehmigung bzw. Verlängerung des Urlaubs notfalls auch ohne Rücksicht darauf erreichen zu wollen, ob eine künftige Arbeitsunfähigkeit auch tatsächlich vorliegt. In der Krankheitsandrohung liegt eine Nötigung, die grundsätzlich geeignet ist, das für das Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauensverhältnis nachhaltig zu zerstören. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es nicht, da durch diese Pflichtverletzung der Vertrauensbereich tangiert ist. Der Vertrauensbereich ist demnach vor allem tangiert, wenn sich der Arbeitnehmer bewusst und gewollt über Anweisungen des Arbeitgebers hinwegsetzt bzw. konkreten Anordnungen zuwider handelt oder strafbare Handlungen zulasten des Arbeitgebers begeht. Das Vertrauen in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ist in solchen Fällen zerstört und kann auch durch den Ausspruch einer Abmahnung nicht wieder hergestellt werden. Bei der eigenmächtigen Urlaubsnahme durch Ankündigung einer Arbeitsunfähigkeit ist dies der Fall. Das Vertrauen des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer weisungsgemäß seine Arbeit wieder aufnimmt, ist in solchen Fällen regelmäßig nicht mehr vorhanden.

2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen H... steht auch zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger der Beklagten in dem strittigen Gespräch am 08.07.2002 aus Verärgerung über die verweigerte Urlaubsverlängerung damit gedroht hat, sich für den beantragten Verlängerungszeitraum krankschreiben zu lassen.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die durchgeführte erstinstanzliche Beweisaufnahme zur Vernehmung des Zeugen H... und die seitens des Arbeitsgerichts vorgenommene Beweiswürdigung im Ergebnis auch nicht zu beanstanden. Die Berufungskammer konnte ihre Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vornehmen, ohne den in erster Instanz zweimal gehörten Zeugen H... gemäß § 398 Abs. 1 ZPO erneut vernehmen zu müssen. Eine solche erneute Vernehmung ist u. a. dann geboten, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders als die Vorinstanz beurteilen oder die protokollierten Aussagen anders verstehen oder ihr ein anderes Gewicht beimessen will (BAG, Urt. v. 26.09.1989 - 3 AZR/89 -, AP Nr. 3 zu § 398 ZPO; BGH, Urt. v. 08.09.1997 - II ZR 55/96 -, NJW 1998, 384; LAG Berlin, Urt. v. 26.10.2001 - 6 Sa 1125/01 -, zit. n. Juris).

Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass das Gericht, d. h. die Kammer des Arbeitsgerichts, die Äußerungen des Klägers in dem mit dem Vorsitzenden nach Verkündung des Urteil geführten Telefonats denklogisch nicht zum Gegenstand seiner Beweiswürdigung und Entscheidung machen konnte. Diese nach der Verkündung des Urteils gewonnenen Eindrücke über das Verhalten des Klägers hätten mithin nicht in die Entscheidungsgründe des Urteils einfließen dürfen. Ungeachtet dessen ist die Beweiswürdigung aufgrund des Inhalts der Vernehmungsprotokolle sowie der in den Entscheidungsgründen wiedergegebenen Eindrücke der Kammer aus den mündlichen Verhandlungen - die vom Kläger mit der Berufung im Übrigen nicht bestritten worden sind - nicht zu beanstanden.

b) Der Zeuge H... hat die Beweisfrage, ob der Kläger am 08.07.2002 angekündigt hat, dass er sich zur Verlängerung seines Urlaubs im K... krankschreiben lassen werde, eindeutig und in sich widerspruchslos bejaht. Er hat den Verlauf des Gesprächs und die zunehmende Verärgerung des Klägers chronologisch und bildhaft beschrieben, ohne dass in dieser Kernaussage Widersprüche aufgetreten sind. Die Aussage deckt sich im Übrigen auch mit der unstreitigen Tatsache, dass der Kläger aufgrund des ihm zugesandten Schreibens vom 05.07.2002 nochmals am 08.07.2002 wegen seines für fünf Wochen beantragten Urlaubs bei der Beklagten vorgesprochen habe. Der Kläger hat auf Seite 2 in dem Schriftsatz vom 20.09.2002 (Bl. 21 d. GA.) selbst eingeräumt, dass er sich seit längerer Zeit auf einen fünfwöchigen Urlaub mit seiner Familie eingestellt habe und somit über die Urlaubsablehnung enttäuscht gewesen sei. Vor diesem Hintergrund fügt sich die Aussage des Zeugen H... zum weiteren Gesprächsverlauf (Verärgerung und Ankündigung einer Arbeitsunfähigkeit) nahtlos an. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass er sodann die Planungen für einen fünfwöchigen Urlaub rückgängig und etwa die Rückflugtickets umgebucht hat. Dies hätte aber nahe gelegen, wenn er - wie er vorträgt - die Anweisungen der Firmenleitung bzgl. der Urlaubsgewährung akzeptiert hätte. Die Aussage des Zeugen H... ist mithin glaubhaft.

c) Die Kammer sieht auch keine Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen H... zu zweifeln. Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum der Zeuge H... mit seiner Aussage gelogen haben sollte. So hat der Zeuge nicht nur den schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten zum Gesprächsverlauf wiederholt, was auf eine Absprache hindeuten könnte, sondern hat zusätzlich noch ausgesagt, dass der Kläger den Geschäftsführer in dessen verbalen Angriffen schließlich geduzt und ihn als schlechten Menschen bezeichnet habe. Zudem hat der Zeuge eingeräumt, dass auf den Baustellen zwar ein "etwas lockerer" Sprachgebrauch herrsche, dass der Geschäftsführer und er über die Entgleisungen des Klägers während des Personalgesprächs dennoch sehr überrascht gewesen seien. Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen H... spricht auch, dass er in seiner zweiten Vernehmung trotz der gezielten Nachfragen und Vorhalte und des gegen ihn vom Kläger eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Falschaussage vor Gericht bei seiner ersten Aussage geblieben ist. Zu Recht hat das Arbeitsgericht insoweit darauf hingewiesen, dass der Zeuge unter dem Eindruck des gegen ihn laufenden Strafermittlungsverfahrens nochmals eine gleich lautende in sich klare und schlüssige Aussage getroffen hat, ohne die vorherigen Aussagen abzumildern oder sich in Erinnerungslücken zu flüchten.

Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen H... spricht auch nicht der Umstand, dass dieser ausgesagt hat, dass der Kläger am 08.07.2002 ebenfalls seine Verärgerung darüber zum Ausdruck gebracht hat, dass ihm kein Urlaubsgeld gezahlt worden sei. Diese Tatsche als solche wird vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt. Unstreitig ist zudem, dass bereits im Juni 2002 der Kläger den Zeugen H... und anderen mitgeteilt hat, dass er noch Urlaubsgeld von der Beklagten beanspruchen könne. Ob der Kläger in diesem Zusammenhang dem Zeugen H... einen Lohnstreifen von 2001 oder 2002 vorgelegt hat, an Hand dessen der Zeuge H... ihm erläutert habe, dass in der Urlaubskasse genau der entsprechende Betrag für den ausgewiesenen Urlaub eingezahlt worden sei, lässt sich nicht aufklären und kann nach Ansicht der Kammer auch dahingestellt bleiben. Diese zwischen dem Kläger und dem Zeugen H... streitige Tatsache fand unstreitig nicht am 08.07.2002 statt und hat damit nichts mit dem Gesprächsverlauf am 08.07.2002 zu tun. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen H... wird durch die Unstimmigkeit bzgl. des Urlaubsgeldes nach Auffassung der Kammer nicht in Frage gestellt, zumal der Kläger nicht einmal substantiiert dargelegt hat, dass der Kläger in diesem Punkt die Unwahrheit gesagt hat. Aber selbst dann, wenn sich der Zeuge über die im Juni geführten Gespräche an Hand des gezeigten Lohnzettels geirrt haben sollte, so bedeutet dies nicht, dass er zum Gesprächsinhalt vom 08.07.2002 gelogen hat.

3. Der Kündigung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18.07.2002 aufgrund des Vorfalles vom 08.07.2002 eine Abmahnung erteilt hat. Mit einer Abmahnung rügt der Arbeitgeber regelmäßig einen Pflichtverstoß (Hinweisfunktion) mit dem Hinweis, dass der Arbeitnehmer im Falle der Wiederholung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen muss (Warnfunktion). Zugleich gibt der Arbeitgeber durch den Ausspruch der Abmahnung zu erkennen, dass er dem Arbeitnehmer im vorliegenden Fall noch einmal "verzeiht", ihm mithin noch eine Bewährungschance einräumt. Es verstieße mithin gegen Treu und Glauben, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gleichwohl wegen ein und desselben Pflichtverstoßes im Nachhinein doch kündigt. In der Abmahnung ist mithin regelmäßig ein Kündigungsverzicht enthalten.

Es ist von der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass der Kündigungsberechtigte sowohl ausdrücklich als auch konkludent auf ein auf bestimmte Gründe gestütztes und konkret bestehendes Kündigungsrecht verzichten kann (BAG, Urt. v. 10.11.1988 - 2 AZR 215/88 -, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 'Abmahnung'; Urt. v. 09.03.1995 - 2 AZR 644/94 -, NZA 1996, 875 ff.). Eine Verzichtserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen. Danach sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte (Palandt / Heinrichs, 63. Aufl., Rn. 9 zu § 133 BGB). Ein nicht ausdrücklich, sondern in Form einer Abmahnung konkludent erklärter Verzicht auf das Kündigungsrecht kann folglich nur dann angenommen werden, wenn sich aus den Formulierungen der konkreten Vertragsrüge deutlich und unzweifelhaft ergibt, dass der Arbeitgeber den vertraglichen Pflichtverstoß hiermit als ausreichend sanktioniert und die Sache als "erledigt" ansieht (BAG, Urt. v. 06.03.2003 - 2 AZR 128/02 -, AP Nr. 30 zu § 611 BGB 'Abmahnung'). Von einem in der Abmahnung inzident enthaltenden Kündigungsverzicht ist indessen ausnahmsweise dann nicht auszugehen, wenn der Abmahnung nach dem Empfängerhorizont eindeutig zu entnehmen ist, dass sich der Kündigungsberechtigte das Recht zur Kündigung unter bestimmten, hinzutretenden Voraussetzungen doch noch vorbehält.

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Aus dem eindeutigen Wortlaut des letzten Absatzes des Abmahnungsschreibens vom 18.07.2002 ergibt sich, dass die Beklagte den mit der Abmahnung regelmäßig verbundenen Kündigungsverzicht vorliegend davon abhängig gemacht hat, dass der Kläger ordnungsgemäß am 05.08.2002 seine Arbeit wieder aufnimmt. Nur bei Wiederantritt der Arbeit am 05.08.2002 sollte der gerügte Vertragsverstoß (Drohung mit künftiger Arbeitsunfähigkeit) durch die Abmahnung ausreichend sanktioniert sein. Demgegenüber hat sich die Beklagte wegen der Drohung mit Arbeitsunfähigkeit weiterhin das Kündigungsrecht vorbehalten, falls der Kläger am 05.08.2002 - gleich aus welchem Grund - nicht zur Arbeit erscheint. Für die Beklagte war der Vorfall vom 08.07.2002 bei Ausspruch der Abmahnung mithin noch nicht "erledigt", vielmehr hat sie dem Kläger nur für den Fall eine "Bewährungschance" eingeräumt, wenn er ordnungsgemäß am 05.08.2002 wieder zur Arbeit kommt. Dies folgt auch daraus, dass die Beklagte in der Abmahnung zuvor ausgeführt hat, dass es sich bei dem gerügten Fehlverhalten ihrer Auffassung nach um einen "schwerwiegenden Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag" handele. Diese Wertung, die auf eine bestehende Kündigungsmöglichkeit nach § 626 Abs. 1 BGB hinweist, in Zusammenhang mit dem erklärten Vorbehalt stehen einem Verzicht auf das Kündigungsrecht entgegen. Das Kündigungsrecht aufgrund der bewiesenen Drohung mit Arbeitsunfähigkeit am 08.07.2002 ist mithin hier ausnahmsweise nicht durch die Abmahnung vom 18.07.2002 "verbraucht" gewesen.

4. Die streitgegenständliche Kündigung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Interessenabwägung musste vorliegend zugunsten der Beklagten ausfallen. Zwar hat das Gericht zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass der Kläger seiner Ehefrau als auch seinen drei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist. Indessen hatte der Kläger bei Ausspruch der Kündigung erst eine Betriebszugehörigkeit von 1 3/4 Jahren. Auch das bewiesene Verhalten des Klägers gegenüber dem Geschäftsführer am 08.07.2002 spricht gegen den Kläger. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Kläger die nur dreiwöchige Urlaubsbewilligung am 08.07.2002 gerade nicht kommentarlos - wie von ihm behauptet -- akzeptiert hat, sondern zudem den Geschäftsführer in unzumutbarer Art und Weise beschimpft hat. Die diesbezügliche Aussage des Zeugen H... wird auch durch das vom Kläger im Nachgang des erstinstanzlichen Verfahrens an den Tag gelegte Verhalten bestätigt Der Kläger hat nach Urteilsverkündung gegenüber dem erstinstanzlichen Vorsitzenden in ungebührlicher Weise Urteilsschelte betrieben. Der Beklagten ist es mithin angesichts der gezeigten Rechthaberei des Klägers und dessen ausfallenden und beleidigenden Art nicht zumutbar gewesen, den Kläger weiterzubeschäftigen. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers würde die betriebliche Ordnung ins. die Autorität und Weisungsberechtigung des Geschäftsführers massiv in Frage stelle. Dies ist der Beklagten nicht zumutbar.

5. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Gründe, die die Zulassung der Revision zu rechtfertigen vermöchten, sind nicht ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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