Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 292/08
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 lit. c
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 72 a
ZPO § 519
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 1
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2
KSchG § 9
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2
BGB § 314 Abs. 2
BGB § 314 Abs. 2 Satz 2
BGB § 323 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 292/08

Verkündet am 27.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 27.11.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 9. Juni 2008, Az. 2 Ca 165 b/08, wird zurückgewiesen.

2. Die hilfsweise erhobene Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten aus personenbedingten Gründen.

Der 40-jährige, ledige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 02.05.2007 als stellvertretender Leiter der Abteilung Mietebuchhaltung zu einem derzeitigen Monatsgehalt von € 4.000,00 brutto beschäftigt.

Am 18.07.2007 (Bl. 30 d. A.) wandte sich der Kläger an die Justitiarin der Beklagten mit der Bitte um Mitteilung, ob jeweils einzelne Rechnungen pro Wirtschaftseinheit erstellt werden müssten oder eine Sammelrechnung ausreiche. Nachdem er auf weitere Anfrage vom 24.07.2007 (Bl. 29 d. A.) keine Antwort erhalten hatte, entwickelte sich folgende E-Mailkorrespondenz vom 26.07.2007 (Bl. 28 f. d. A.):

Kläger an Justitiarin L...: "Hallo Frau L...,

auch auf meine zweite Mail habe ich bis heute keine Antwort erhalten. Da die vorstehende Frage eine juristische ist, mit eventuell mietrechtlichen Auswirkungen, und Sie meines Wissens hier im Hause dafür zuständig sind, habe ich mich an sie gewandt. Sollte meine Information diesbezüglich falsch sein, bitte teilen Sie mit den entsprechenden Ansprechpartner mit.

Sollte ich bis zum 30.07.2007, 8:00 Uhr keine Antwort erhalten, werde ich mich diesbezüglich an die Geschäftsleitung wenden."

Leiter der Rechtsabteilung B... an Kläger: "Sehr geehrter Herr Z...,

sollten Sie mit der Beantwortung einer an die Rechtsabteilung gestellten Anfrage unter ,Termindruck' geraten, wenden Sie sich bitte zunächst an mich."

Kläger an Leiter der Rechtsabteilung B...: Sehr geehrter Herr B...,

vielen Dank für Ihre zukünftig eventuelle anfallende ,Unterstützung'.

Mir war nicht bekannt, dass Sie in B... der ,Chefjustitiar' sind, sonst hätte ich mich in der unten stehenden Angelegenheit an Sie gewandt."

Mit E-Mail vom 11.10.2007 (Bl. 33 d. A.) wies der Leiter der Buchhaltung H... den Kläger zum Thema "haushaltsnahe Dienstleistungen" unter Fristsetzung bis zum 31.10.2007 an, dass "alle Rechnungen 2007 korrekt gebucht werden" und "alle eingehenden Rechnungen nach dem neuen System aufgeteilt werden". Der Kläger antwortete hierauf wie folgt:

"Hallo Herr H...,

bevor ich am 18.09. in Urlaub ging, habe ich Ihnen dies Thema zur weiteren Bearbeitung übertragen. Mein Eindruck ist, dass in meiner Abwesenheit nicht daran gearbeitet wurde.

Wenn die J... schon Meilen voraus ist, und das Thema so eilig ist, warum wurde in meiner Abwesenheit mit der J... kein Termin ausgemacht, damit sie uns schulen können?

Wir wären dann schon weiter und eine Terminierung zum 31.10. wäre dann realistisch.

Ferner wollten Sie sich um die entsprechenden Unterlagen von Herrn N... kümmern. Liegen die Unterlagen vor? Eine entsprechende Mail habe ich nicht bekommen."

Herr H... reagiert wie Folgt:

"Hallo Herr Z...,

... Am Tag vor Ihrem Urlaub gaben Sie mir einen anderen Vorgang, der ausschließlich die P... betraf und nichts mit dem Aufteilen und richtigen Verbuchen der Rechnungen zu tun hatte.

Ebenfalls gehört es zu ihren Aufgaben, Informationen zusammenzutragen, wie sich das Thema am schnellsten umsetzen lässt, abwarten bis jemand Zeit hat bringt uns nicht voran.

Damit wir nun endlich weiterkommen, habe ich als Abteilungsleiter Buchhaltung die Frist bis zum 31.10.07 gesetzt.

Ich gehe davon aus, dass Sie die vorgenannten Zusammenhänge gegenüber den Mitarbeitern, die auf Ihrer Mail auf cc waren, in welcher Form auch immer, richtig darstellen.

Im Übrigen hätte ich es begrüßt, wenn Sie mich persönlich darauf angesprochen hätten,

dass Sie ein Problem mit meiner Anweisung haben.

Wir hatten uns ja auch schon mehrfach über die Frage des Stils unterhalten. ..."

Der Kläger erwiderte wie folgt:

"Hallo Herr H...,

... Wollen Sie eine strikte Trennung der Bereiche?

Dass das Aufteilen und richtige Verbuchen während meiner Abwesenheit noch offen gewesen ist, darüber waren Sie informiert.

Während meiner Abwesenheit gehörte die weitere Verfolgung zu Ihren Aufgaben.

Meine Frage bezüglich der J... haben Sie nicht beantwortet.

Hätten Sie während meiner Abwesenheit einen Termin mit der J... ausgemacht, dann wären wir schon weiter und eine Terminierung zum 31.10. wäre dann realistisch.

Wenn Sie etwas zu kritisieren haben, dann können wir gerne darüber unter vier Augen diskutieren. Aber nicht als Mail mit Cc: Frau R.../Frau R.... ..."

Am 28.11.2007 schrieb der Kläger an den Niederlassungsleiter K., Dr. S..., dass die Buchhaltung in letzter Zeit viele Rechnungen zweier Mitarbeiter erhalte, die nicht richtig kontiert worden seien und fragte an, ob da noch Schulungsbedarf bestünde. Dr. S... riet dem Kläger, sich direkt mit den beiden Mitarbeitern in Verbindung zu setzen, um das Problem "an den Wurzeln zu packen". Darauf antwortete der Kläger ohne Anrede (Bl. 36 d. A.):

"Die Einarbeitung neuer Verwalter ist die Aufgabe der NL!

Hier muss ein erfahrener Verwalter die beiden mal einweisen. Falls dann doch noch Klärungsbedarf besteht, steht selbstverständlich die Fachabteilung zu Verfügung.

Wir haben bereits mit den beiden Kollegen gesprochen, jedoch ohne Erfolg"

Der Niederlassungsleiter Dr. S... erwidert daraufhin, dass selbstverständlich die Niederlassung die Einarbeitung der Verwalter vornehme, es indessen zweckmäßiger sei, wenn bei Problemen der Vorkontierung sich die Buchhaltung direkt klärend einschalten würde. Im Übrigen verwahrte sich Herr Dr. S... dagegen, dass der Kläger derartige Mails mit derart großem Verteilerkreis verschicke. Hierauf antwortet der Kläger wie folgt:

"Guten Morgen Herr Dr. S...,

in der Sache ließe sich noch einiges sagen, aber ich denke wir haben genug anderes zu tun.

Es tut mir leid, dass Sie mich telefonisch nicht erreichen konnten, aber in Sachen Rückruf ihrerseits war es auch in letzter Zeit ,etwas holprig'. ..."

Mit Schreiben vom 02.11.2007 (Bl. 48 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er seine Probezeit erfolgreich abgeschlossen habe, sodass sich nunmehr sein Urlaubsanspruch auf 30 Arbeitstage pro Jahr erhöht. Das Monatsgehalt werde mit Wirkung ab dem 02.11.2007 (von € 3.600,00) auf € 4.000,00 brutto erhöht. Nachdem die Beklagte dem Abteilungsleiter H... zum 14.12.2007 gekündigt hatte, teilte sie der Belegschaft mit, dass der Kläger die kommissarische Leitung der Buchhaltung übernehme.

Mit Schreiben vom 10.01.2007 (Bl. 7 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 31.03.2008.

Hiergegen hat der Kläger am 28.01.2008 vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhoben.

Die Beklagte hat vorgetragen,

dem Kläger fehle es an den erforderlichen Führungsqualitäten. Es fehle an Disziplin, Umgangsformen, Höflichkeit und Teamfähigkeit. Er sei nicht in der Lage, die unternehmensübliche Hierarchie zu akzeptieren. Dies zeige sich in der vorgelegten E-Mailkorrespondenz. Führungsqualitäten könnten nicht erlernt werden, sodass eine Abmahnung sinnlos gewesen wäre. Des Weiteren habe er die Autorität der Geschäftsführerin K. unterlaufen, weil er die Ablehnung seines Urlaubsantrags nicht gebilligt und sich stattdessen an den anderen Geschäftsführer gewandt habe. Die Kündigung sei mithin aus personenbedingten Gründen gerechtfertigt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09.06.2008 der Klage stattgegeben. Die Beklagte stütze die Kündigung nicht auf ein graduelles Leistungsdefizit, sondern auf das Fehlen konkreter Eigenschaften wie Mangel an Disziplin, Umgangsformen, Teamfähigkeit etc.. Ermangele es dem Arbeitnehmer an Eigenschaften, die für die von ihm geschuldete Aufgabe von bestimmender Bedeutung seien, so sei in diesem Fall eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung sozial ungerechtfertigt. Eine Abmahnung sei nur dann entbehrlich, wenn sie ausnahmsweise von vornherein keinen Erfolg versprochen hätte. Dieses anzunehmen, sei durch keine objektiven Tatsachen gerechtfertigt.

Gegen dieses ihr am 14.07.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.08.2008 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese am 12.09.2008 begründet.

Die Beklagte trägt vor,

dass eine Abmahnung stets entbehrlich sei, wenn ein Arbeitnehmer erkennbar nicht willens oder nicht in der Lage sei, sich vertragstreu zu verhalten. Inhalt und Diktion der vorgelegten E-Mailkorrespondenz ließen eine Provokanz erkennen, mit deren Billigung der Kläger in keiner Weise rechnen konnte. Es sei dem Kläger nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern ausschließlich um seine Selbstdarstellung gegangen. Zu keiner Zeit sei er bereit gewesen, sich in die Unternehmenshierarchie einzugliedern. Eine interne Korrespondenz, wie sie der Kläger mit Mitarbeitern und Vorgesetzten geführt habe, habe es in dieser Intensität und vor allem mit dieser Diktion in der Firmengeschichte der Beklagten nicht gegeben. Hieraus folge eine Hartnäckigkeit und Uneinsichtigkeit, die die Warnfunktion der Abmahnung entbehrlich machte.

Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kläger sei nicht mehr möglich. In der Zwischenzeit habe sie zwei weitere Kündigungen ausgesprochen. Das persönliche Verhältnis zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer sei irreparabel gestört. Das Verhalten des Klägers sei distanzlos und frech. Kritik beantworte der Kläger stets mit Gegenkritik.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 09.06.2008, Az. 2 Ca 165 b/08, abzuändern und die Klage abzuweisen;

hilfsweise

das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe des vom Gericht gemachten Vergleichsvorschlags, ggfs. in angemessener Höhe zum 31.03.2008 aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die hilfsweise Widerklage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt

das angefochtene Urteil. Er bestreitet die ihm zur Last gelegten Verhaltensweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 27.11.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg. Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht stattgegeben. Die hiergegen seitens der Beklagten erhobenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Lediglich ergänzend und auf die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz eingehend, wird noch auf Folgendes hingewiesen:

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kündigung nicht aufgrund personenbedingter Gründe sozial gerechtfertigt.

a) Bei fehlender körperlicher und/oder geistiger Eignung für die Ausübung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung kann grundsätzlich eine Kündigung aus personenbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 KSchG sozial gerechtfertigt sein. Ein Eignungsmangel kann darauf beruhen, dass der Arbeitnehmer von vornherein die für die vertraglich geschuldete Arbeit erforderliche fachliche Qualifikation nicht aufweist und auch in angemessener Zeit nicht erwerben kann. Ferner liegt ein Eignungsmangel vor, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft nicht in der Lage ist, die Leistung eines vergleichbaren durchschnittlichen Arbeitnehmers zu erbringen ("low performers"). Schließlich kommt auch eine persönliche Ungeeignetheit aus gesundheitlichen oder charakterlichen Gründen als personenbedingter Kündigungsgrund in Betracht. Eignungsmängel, die eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, sind mithin nur solche, die nicht auf vertragswidrigen Verhaltensweisen beruhen oder die vom Arbeitnehmer überhaupt nicht oder nicht mehr steuerbar sind. Ein personenbedingter Grund liegt dementsprechend nur vor, wenn sich der betreffende Arbeitnehmer betriebsstörend verhält, weil er sich nicht anders verhalten kann (LAG Hamm Urt. v. 29.02.1996 - 4 Sa 289/95 -, zit. n. Juris).

Demgegenüber handelt es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung i. S. v. § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 KSchG, wenn die mangelnde Eignung des Arbeitnehmers letztlich auf ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen ist. Kann mithin der Arbeitnehmer den Mangel beheben, handelt es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung mit der Konsequenz, dass nach den allgemeinen Grundsätzen eine Abmahnungsobliegenheit des Arbeitgebers besteht (KR-Griebeling, 8. Aufl., Rn. 304 zu § 1 KSchG).

b) Hieran gemessen handelt es sich vorliegend gerade nicht um eine personenbedingte, sondern um eine verhaltensbedingte Kündigung. Unstreitig besitzt der Kläger die fachliche Qualifikation eines Buchhalters. Die Beklagte stützt die streitgegenständliche Kündigung auch nicht auf fehlende fachliche Qualifikation, sondern darauf, dass dem Kläger die charakterlichen Voraussetzungen für die Führungsposition eines stellvertretenden Abteilungsleiters Mietebuchhaltung fehlten. Zum Beleg dessen beruft sie sich vornehmlich auf die im Tatbestand aufgezeigte E-Mailkorrespondenz. Inhalt und Diktion der E-Mails ließen erkennen, dass der Kläger nicht willens und in der Lage sei, sich vertragsgetreu zu verhalten und die unternehmensüblichen Hierarchien zu akzeptieren. Er sei seiner Führungsaufgabe nicht gewachsen. Die Beklagte verkennt indessen, dass Führungsmängel die verschiedensten Ursachen haben können (BAG Urt. v. 29.07.1976 - 3 AZR 50/75 -, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG ,Verhaltensbedingte Kündigung'). Die mangelhafte Kommunikation untereinander kann insbesondere auf Unkenntnis der unternehmensüblichen Hierarchien zurückzuführen sein. Insbesondere ist sie kein zwingendes Indiz für eine charakterliche Ungeeignetheit, um eine Führungsposition bekleiden zu können. Auch der Umgangston ist grundsätzlich erlernbar. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger etwa aufgrund einer cholerischen Veranlagung nicht in der Lage sei, sein Verhalten in Bezug auf Vorgesetzte, Kollegen, Untergebene und Kunden zu ändern. Insbesondere hat die Beklagte weder dargelegt noch bewiesen, dass der Kläger an einer krankhaften Charakterschwäche leidet. Die Beklagte rügt vielmehr subjektive Eignungsmängel, die grundsätzlich steuerbar sind. Damit beruft sie sich aber auf verhaltensbedingte Kündigungsgründe.

2. Die streitige Kündigung ist auch nicht aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 KSchG.

a) Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das sog. Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (BAG Urt. v. 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 -, NZA 2006, 980 ff.). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (ErfK/Oetker, 9. Aufl., § 1 KSchG Rn. 196). Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 103). Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (ErfK/Oetker, 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 199; Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 106). Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil bei der Anwendung des Prognoseprinzips.

Sie ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 105; Schlachter NZA 2005, 433, 435). Nach § 1 Abs. 2 KSchG muss die Kündigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt sein. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Nach dieser Norm ist eine Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann (BAG Urt. v. 18.05.1994 -2 AZR 626/93 - EzA BGB § 611 ,Abmahnung' Nr. 31) oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG Urt. v. 10.02.1999 - 2 ABR 31/98 - BAGE 91, 30; BAG Urt. v. 21.07.1999 - 2 AZR 676/98 - AP Nr. 11 zu § 15 BBiG) . Ähnliches ergibt sich aus § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach dem § 323 Abs. 2 BGB entsprechende Anwendung findet. Nach § 323 Abs. 2 BGB ist eine Fristsetzung bzw. damit auch eine Abmahnung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt bzw. eine Kündigung rechtfertigen.

b) In Anwendung dieser Grundsätze war entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend eine Abmahnung nicht entbehrlich. Die Kammer kann der vorgelegten E-Mailkorrespondenz nicht im Ansatz den Grad der Anmaßung beimessen, wie es die Beklagte offensichtlich tut.

aa) Gerade die mit der Justitiarin L... geführte Korrespondenz ist vor dem Hintergrund, dass der Kläger diese in angemessenem Ton zweimal erfolglos um Rechtsrat gebeten hatte, durchaus verständlich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger die Mitglieder der Rechtsabteilung und deren Zuständigkeiten und Hierarchie noch nicht kannte. Dies ergibt sich eindeutig aus der E-Mail vom 26.07.2007. Der Kläger hatte nach einem "entsprechenden Ansprechpartner" gefragt. Die mit der Rechtsabteilung geführte Korrespondenz ist weder frech noch anmaßend, sondern allenfalls forsch. Inwieweit sich der Kläger überhaupt vertragswidrig verhalten haben soll, kann die Kammer nicht erkennen. Auch der Hinweis des Klägers, dass er sich - falls er keine Antwort erhalte - "diesbezüglich an die Geschäftsleitung wenden" werde, ist nachvollziehbar. Der Kläger war für seine Arbeit auf die Beantwortung seiner Frage angewiesen. Mit Petzen hat die Ankündigung mithin nichts zu tun, zumal der Kläger um die Benennung eines in der Sache zuständigen Ansprechpartners gebeten hatte.

bb) Auch die zwischen dem Leiter der Buchhaltung geführte E-Mailkorrespondenz rechtfertigt keine verhaltensbedingte Kündigung, zumindest nicht ohne vorherige Abmahnung. Insbesondere hat sich der Kläger nicht geweigert, die von ihm geforderte Arbeit zu erledigen. Zudem muss dem Kläger zugestanden werden, den aus seiner Sicht bestehenden Grund für nicht erledigte Aufgaben seinem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Beklagten ist indessen zuzugeben, dass ein Zwist zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten nicht vor der gesamten oder auch nur einem Teil der Belegschaft ausgeführt werden sollte, indem die wechselseitigen E-Mails über "Cc" einem größeren Empfängerkreis zugänglich gemacht werden. Dies gilt allerdings nicht nur für den Kläger. Im Betrieb der Beklagten sollte mehr miteinander gesprochen, denn geschrieben werden.

cc) Auch die E-Mails an den Niederlassungsleiter Dr. S... stellen keinen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar. Zwar kann dem Kläger vorgehalten werden, dass er die Zuständigkeiten der Buchhaltung einerseits und der Niederlassung andererseits zu eng voneinander abgrenzt, ohne das Unternehmensziel insgesamt im Blickfeld zu haben. Eine von Zuständigkeitsfragen losgelöste pragmatische Lösung ist häufig nicht nur die bessere, sondern auch die schnellere. Die allzu starre Sichtweise des Klägers bezüglich der Zuständigkeiten lässt gleichwohl nicht erkennen, dass der Kläger sich eine diesbezügliche Abmahnung nicht hätte zur Warnung dienen lassen.

dd) Schließlich rechtfertigt auch der Umstand, dass der Kläger sich mit seinem Urlaubsantrag nicht nur an die Geschäftsführerin K., sondern parallel auch an den zweiten Geschäftsführer B. gewandt hat, keine verhaltensbedingte Kündigung. Auch hier gilt, dass die Beklagte es selbst in der Hand hat, das Urlaubsantragsverfahren klar und eindeutig vorzugeben und bei einem Verstoß hiergegen mit einer Abmahnung zu reagieren.

Die Kammer hat bereits Zweifel daran, ob dem Kläger vorliegend überhaupt kündigungsrelevante arbeitsvertragliche Pflichtverstöße zur Last gelegt werden können. Jedenfalls ist die in der E-Mailkorrespondenz zuweilen zum Ausdruck kommende provokante Diktion nicht ohne vorherige Abmahnung geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Gleiches gilt für den nochmaligen Urlaubsantrag nach vorheriger Ablehnung desselben.

3. Der in zweiter Instanz gestellte Auflösungsantrag ist unbegründet.

a) Stellt das Gericht in einem Kündigungsrechtsstreit fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist, hat es nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Dabei darf indessen nicht außer Acht gelassen werden, dass nach der Intention des Kündigungsschutzgesetzes dem Arbeitnehmer Bestandsschutz und kein Abfindungsschutz gewährt wird (BAG Urt. v. 23.06.2005 - 2 AZR 256/04 -, AP Nr. 52 zu § 9 KSchG 1969). Dieser Grundsatz wird durch § 9 KSchG unter der Voraussetzung durchbrochen, dass - bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers - eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht. Da hiernach eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht kommt, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen (BAG Urt. v. 07.03.2002 - 2 AZR 158/01 - AP Nr. 42 zu § 9 KSchG 1969). Die Frage der Unzumutbarkeit ist unter Zugrundelegung der Umstände, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung über den Auflösungsantrag vorliegen, zu beurteilen. Es geht um die Würdigung, ob die zum Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung in der Tatsacheninstanz gegebenen Umstände eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit noch erwarten lassen.

b) Diese strengen Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr möglich ist. Vielmehr hat sie sich auf schlagwortartige Gründe ohne Tatsachenkern berufen. Die Beurteilung des Klägers, dass trotz der "Störungen" eine vertrauensvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich sei, sei "offensichtlich realitätsfern, "das Verhalten" des Klägers sei "krankhaft". Letztlich beruft sich die Beklagte zur Begründung des Auflösungsantrags auf die gleichen Gründe, die sie zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung vorgetragen hat. Dies allein wird dem strengen Maßstab des § 9 KSchG indessen nicht gerecht und würde letztlich zu dem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen, dass sich der Arbeitgeber bei einer sozial nicht gerechtfertigten Kündigung über den Auflösungsantrag vom Arbeitnehmer "freikaufen" könnte. Wenn sich der Arbeitgeber nicht auf andere mit den Kündigungsgründen nicht im Zusammenhang stehende weitere Auflösungsgründe beruft, muss er zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, weshalb der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung selbst nicht rechtfertigt, jedenfalls so beschaffen sein soll, dass er eine weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lässt (ErfK/Kiel, 9. Aufl., Rn. 21 zu § 9 KSchG). Eine derartige, nachvollziehbare Erklärung hat die Beklagte hier indessen nicht abgegeben. Auch der Umstand, dass die Beklagte in der Zwischenzeit zwei weitere Kündigungen ausgesprochen hat, rechtfertigt für sich allein nicht, dass eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit ausgeschlossen ist. Allein der Wille des Arbeitgebers, sich auf jeden Fall von dem Arbeitnehmer trennen zu wollen, vermag einen Auflösungsantrag noch nicht zu rechtfertigen. Dies liefe wiederum dem intendierten Bestandsschutz des Kündigungsschutzgesetzes entgegen.

Auch das zwischen dem Ausspruch der Kündigung und der Berufungsverhandlung gezeigte Verhalten des Klägers rechtfertigt nicht die Annahme, eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei nicht mehr möglich. Der Kläger hat sich im Laufe des Prozesses nur sachgerecht verteidigt. Die der Beklagten widersprechende Einschätzung des Klägers, das Arbeitsverhältnis könne vertrauensvoll fortgesetzt werden, ist weder realitätsfremd noch rechtfertigt sie den Schluss, dass der Kläger trotz entsprechender Hinweise der Beklagten den unternehmensüblichen Umgangs- und Führungsstil künftig nicht beachten wird.

4. Nach alledem war die Berufung unbegründet und damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG. Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück