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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 15.11.1990
Aktenzeichen: 5 Sa 335/89
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BAT, KSchG, KreisO


Vorschriften:

ZPO § 543
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 2 S. 1
BAT § 8
BAT § 8 Abs. 1 S. 1
BAT § 9
BAT § 9 Abs. 1
BAT § 9 Abs. 2
BAT § 54 Abs. 1
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 Ziff. 2
KSchG § 9
KSchG § 10
KreisO § 7
KreisO § 44 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Sa 335/89

Verkündet Lt. Sitzungsprotokoll am 15. November 1989

IM NAMEN DES VOLKES! URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat die V. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 1989 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und die ehrenamtlichen Richter ...und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen der Klägerin sowie des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 29.06.1989 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen beide Parteien je zur Hälfte.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 13.02.1989 beendet worden ist bzw. durch dessen fristgemäße Kündigung vom 28.03. mit dem 30.09.1989.

Die 1949 geborene Klägerin nahm am 16.04.1980 ihre Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Gesundheitsamt des Beklagten auf. Zum 10.12.1984 ist sie in das Straßenverkehrsamt versetzt und dem allgemeinen Sehreibdienst zugewiesen worden.

Im Schreibdienst wird mit einem Textverarbeitungssystem gearbeitet, dem zahlreiche Bildschirmarbeitsplätze zugeordnet sind. Das System ist, um Texte voneinander abgegrenzt speichern zu können, in vier Ebenen unterteilt: Die Benutzerebene ist für den Schreibdienst vorgesehen, die Supervisorebene für die Schreibdienstleiterin sowie die Technikerebene für den Techniker; die Landratsebene ist dem Landrat vorbehalten. Zugang zu den einzelnen Speicherebenen besteht jeweils nur über ein besonderes Kennwort. Die einzelnen Kennwörter sind auf einer Diskette gespeichert und befinden sich unter Verschluß. Das Kennwort für den Schreibdienst vergibt die Schreibdienstleiterin.

Nachdem die Klägerin im Frühjahr/Sommer 1988 in das Textverarbeitungssystem eingewiesen worden war, konnte sie vormittags ab etwa 11.30 Uhr aus ihrem Arbeitszimmer in einen anderen Raum wechseln und dort an dem Bildschirmarbeitsplatz 02 tätig werden; in diesem Raum hatte noch eine andere Angestellte ihren Arbeitsplatz. Die Sekretärin des Landrates hat einen Einzelarbeitsplatz in dessen Vorzimmer.

Im Januar 1989 fiel auf, daß einige Texte auf der Landratsebene ungewöhnlich oft bearbeitet worden waren. Ende Januar wurde die Organisationsabteilung des Beklagten hiervon in Kenntnis gesetzt; diese ermittelte am 1., 2. und 3. Februar, daß Texte des Landrats vom Bildschirm 02 abgerufen wurden. Der Beklagte veranlaßte, daß, sobald eine Anmeldung von dem Bildschirm 02 auf der Landratsebene festgestellt wurde, Mitarbeiter nachschauen sollten, wer gerade an diesem Bildschirm arbeitete. Hierbei wurde die Klägerin wiederholt auf diesem Arbeitsplatz gesehen. Am 07.02.1989 wurde parallel zu dem Bildschirmarbeitsplatz 02 ein sogenannter Schleppbildschirm installiert, auf dem der von dem Bildschirm 02 aufgerufene Text mitgelesen werden konnte. Über diesen Schleppbildschirm wurde am 08.02. wiederholt festgestellt, daß von dem Bildschirmarbeitsplatz 02, der jetzt die Nr. 08 hatte, Texte aus der Landratsebene aufgerufen wurden. Eine Nachschau ergab, daß die Klägerin an diesem Arbeitsplatz saß; daß sie Texte aus der Landratsebene eingesehen hat, ist nicht erkannt worden. Am 09.02.1989 wurden auf dem Bildschirm 08 mehrfach Textaufrufe auf der Landratsebene festgestellt; abredegemäß unterrichtet betraten daraufhin drei Mitarbeiter das Arbeitszimmer der Klägerin, die sogleich an ihrem Bildschirmgerät die sogenannte Menü-Taste drückte, um den aufgerufenen Text vom Bildschirm zu entfernen. Nachdem die Taste "Bearbeiten fortsetzen" gedrückt worden war, erschien auf dem Bildschirm ein Text des Landrats.

Eine Dienstanweisung für den Gebrauch des Textverarbeitungssystems, insbesondere über die Einsichtnahme gespeicherter Texte hat bei dem Beklagten seinerzeit nicht bestanden. Mit Schreiben vom 13.02.1989 hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen schwerwiegenden Vertrauensbruchs fristlos aufgekündigt, mit Schreiben vom 28.03. fristgemäß zum 30.09.1989. Der Personalrat ist gehört worden.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Während sie in die Bedienung des Textverarbeitungssystems eingewiesen worden sei, habe man sie nicht über die unterschiedlichen Ebenen unterrichtet. Es gebe auch keine Dienstanweisung, die es verbiete, sich in die anderen Ebenen des Systems einzuschalten. Man habe sie auch nicht auf die Konsequenzen hingewiesen, die eine Angestellte treffen könnten, die die Texte einer anderen Ebenen aufrufe. Sie habe keine geheimhaltungswürdigen Texte eingesehen und somit keinen schwerwiegenden Vertrauensbruch begangen. Ihr Verhalten hätte durch eine Abmahnung ausreichend geahndet werden können.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen des Beklagten vom 13.02. und 20.03.1989 nicht beendet worden ist sowie den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen:

Die Klägerin sei im Rahmen der Schulung auf den pyramidenartigen Aufbau des Textsystems hingewiesen worden und auch darauf, daß hierdurch lediglich ein Zugriff von einer höheren auf eine niedrigere Ebene möglich sei, nicht aber umgekehrt. Die Klägerin habe in unbefugter Weise in Schreiben des Landrats, die teilweise geheimhaltungsbedürftig gewesen seien, Einsicht genommen und dies mehrfach. Dadurch habe sie gegenüber dem Beklagten einen schweren Vertrauensbruch begangen.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 29.06.1989 nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungs- und Weiterbeschäftigungsbegehren der Klägerin - teilweise - dahingehend entsprochen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 13.02.1989 nicht beendet worden ist und den Beklagten verurteilt, die Klägerin während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses bis zum 39.09.1989 zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Gegen dieses ihr am 14.07.1989 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.07.1989 Berufung eingelegt und diese am 14.08.1989 begründet.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 12.07.1989 zugestellte Urteil am 03.08.1989 Berufung eingelegt und diese, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.10.1989 verlängert worden war, am 15.09.1989 begründet.

Die Klägerin trägt vor:

Aufgrund von Informationen, die sie erst nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils erhalten habe, bestünden Zweifel daran, ob der Personalrat vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 28.03.1989 überhaupt ordnungsgemäß mitgewirkt habe. An der Erörterung im Mitwirkungsverfahren hätten sich der Dienststellenleiter bzw. sein Vertreter und die gesamte Personalvertretung zu beteiligen. Vorliegend sei nicht die gesamte Personalvertretung beteiligt worden; es sei nur der Personalratsvorsitzende informiert worden. Im übrigen sei die Erörterung nicht mit dem Dienststellenleiter erfolgt. Die Mitglieder der Personalvertretung hätten allenfalls einen Vortrag ihres Vorsitzenden erhalten.

In seinem Kündigungsschreiben vom 28.03.1989 nehme der Beklagte auf die Gründe des Schreibens vom 13.02.1989 Bezug, mithin auf verhaltensbedingte Gründe. Auffällig sei, daß die Kündigungserklärung vom 28.03.1989 sechs Wochen und fünf Tage nach dem letzten die Kündigung begründenden Vorfall ausgesprochen worden sei. In analoger Anwendung des § 626 Abs. 2 S 1 BGB sei eine Erklärungsfrist von 2 Wochen einzuhalten. Der Beklagte habe da gegen sechs Wochen verstreichen lassen, so daß die Klägerin davon habe ausgehen dürfen, daß eine ordentliche Kündigung nicht mehr in Betracht komme.

Die Kündigung des Beklagten sei sozial ungerechtfertigt; der Kündigungsgrund sei nicht geeignet, ein rund neun Jahre bestehendes Arbeitsverhältnis zu beenden. Mit dem ihr vorgeworfenen Fehlverhalten, sich unter Verwendung des für ihre Bearbeiterebene nicht vorgesehenen Paßworts "St" in die sogenannte Landratsebene eingeschaltet zu haben, habe die Klägerin keine Geheimhaltungsvorschrift verletzt. Sie habe allenfalls etwas neugierig ihrer Kollegin, der Sekretärin des Landrats, "über die Schulter geschaut". Bei der Einweisung in das System sei, wie die Zeugin Frau P ausdrücklich bekundet habe, von einer Landratsebene nicht die Rede gewesen sei. Nichts anderes habe die Schreibdienstleiterin gesagt. Um das Verhalten der annehmen zu können, hätte es einer klaren Kompetenzabgrenzung hinsichtlich des Datenzugriffs und klarer dienstlicher Anweisungen bedurft. Beides sei nicht vorhanden gewesen. Im übrigen habe es neben den angeblichen Eingriffen der Klägerin weitere unbefugte Einsichtnahmen gegeben; die dafür verantwortlichen Personen seien jedoch nicht ermittelt worden. Das Paßwort "St"' sei daher einer nicht bekannten Vielzahl von Mitarbeitern des Beklagten geläufig gewesen. Hinzuweisen sei darauf, daß die Klägerin im Rahmen ihrer Schreibdienstaufträge häufig auch mit Schreiben und Vorgängen konfrontiert worden sei, die der Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung unterlägen hätten. Als Arzthelferin habe sie in ganz intime und vertrauliche gesundheitliche Vorgänge der Patienten Einsicht nehmen können. Diese Geheimnisse habe sie aufgrund ihrer Verpflichtungen Dritten nicht offenbaren dürfen. Vorliegend habe sie - ausgehend vom Vortrag des Beklagten - in die Landratsebene des Textverarbeitungssystems Einblick genommen; daß sie von Informationen, die der Vertraulichkeit oder gar Geheimhaltung unterlägen, Dritten gegenüber Gebrauch gemacht habe, behaupte noch nicht einmal der Beklagte. Schließlich behaupte dieser auch nicht, daß die Klägerin überhaupt geheime Vorgänge zur Kenntnis genommen habe.

Im übrigen sei die ordentliche Kündigung schon deshalb unwirksam, da der Beklagte es versäumt habe, die Klägerin abzumahnen. Der Beklagte habe, wie er vortrage und die Zeugen bekundeten, am 31.01.1989 zum ersten Mal Kenntnis davon erlangt, daß die Klägerin unbefugte Einsichtnahme in die Landratsebene des Textsystems genommen habe; der Beklagte hätte die Klägerin daher mündlich oder schriftlich spätestens am 01.02.1989 abmahnen können; auch in den folgenden Tagen sei hierzu Zeit und Gelegenheit gewesen. Bezeichnenderweise habe der Beklagte offenbar keinerlei Anstalten gemacht, die anderen Mitarbeiter dingfest zu machen, die die Schreiben der Landtagsebene gelesen hätten. Es sei offensichtlich nur darum gegangen, der Klägerin kündigen zu können.

Die Kündigung verstoße auch gegen § 1 Abs. 2 Ziff. 2 KSchG; denn es sei dem Beklagten ohne weiteres möglich, die Klägerin an einem anderen Arbeitsplatz innerhalb der umfangreichen und breitgefächerten Kreisverwaltung bzw. in dieser angegliederten Körperschaften zu beschäftigen.

Tatsächlich habe die Klägerin mit Ausnahme des Vorgangs am 09.02.1989 zu keiner Zeit in die Landratsebene des Textverarbeitungssystems Einblick genommen. Keiner der Zeugen habe jemals gesehen, daß die Klägerin auf dem Bildschirmgerät 02 bzw. 08 Texte der Landratsebene eingesehen habe. Das erstinstanzliche Verfahren habe auch die Erkenntnis gebracht, daß vom Arbeitsplatz der Klägerin Dritte die Landratsebene abgerufen hätten; zumindest am 03.02.1989 sei das der Fall gewesen. Mit der Diskrepanz zwischen den Aussagen des Zeugen M und den anderer Zeugen setzte das Arbeitsgericht sich nicht auseinander. Wenn die Aussage des Zeugen M zutreffe, daß der Text zwei bis drei Minuten eingeschaltet gewesen sei, und der Zeuge etwa 30 Sekunden nach dem erstmaligen Einschalten des Textes bei der Klägerin im Zimmer gestanden habe, könne die Aussage des Zeugen T nicht richtig sein; denn darin hätte er zweieinhalb Minuten zusammen mit der Klägerin den Text aus der Landratsebene lesen können das habe er aber nicht Die Feststellung des Arbeitsgerichts, die Klägerin hätte erkennen müssen, daß es sich bei den Schreiben um solche des Landrats handele, sei falsch.

Der Klägerin sei auch die Bedeutung des Kennbuchstaben "L" nicht bekannt gewesen. Nach dem Beweisergebnis könne die Klägerin allenfalls fünfmal am Bildschirm angetroffen worden sein, von dem aus kurz zuvor unberechtigter Weise die Landratsebene aufgerufen worden sei. Das Passwort "S" habe die Klägerin von der Mitarbeiterin K erfahren, ebenfalls der Zeuge B am 09.02.1989. Die Klägerin habe keinen persönlichen Nutzen aus den von ihr angeblich in Erfahrung gebrachten Informationen gezogen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichte Elmshorn vom 29.06.1989 (1 c Ca 228/89) aufzuheben, soweit es die Klage abweist und gemäß den im Termin zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht gestellten Anträge der Klägerin zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

1. die Berufung der Klägerin vom 11.08.1989 wird zurückgewiesen

2. auf die Berufung des Beklagten vom 02.00.1989 wird unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 29.06.1989 die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Beklagte trägt vor:

Nicht gehört werden könne die Klägerin mit ihrer unsubstantiierten Behauptung, aufgrund von Informationen, die ihr erst nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils zugegangen seien, bestünden Zweifel daran, daß der Personalrat vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung am 28.03.1989 ordnungsgemäß mitgewirkt habe. Dieser Einwand, den die Klägerin erstmals 4 1/2 Monate nach Ausspruch der Kündigung bringe, sei verwirkt und im übrigen verspätet. Unabhängig davon habe der Beklagte das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Die Gruppenvertretung der Angestellten im Personalrat sei mit Schreiben vom 14.03.1989, abgegangen am 16.03.1989, über die beabsichtigte ordentliche Kündigung der Klägerin informiert worden. Der Personalrat habe mit Schreiben vom 23.03.1989 das Hauptamt dahingehend informiert, daß die Gruppenvertretung der Angestellten das Begehren am 21.03.1989 zur Kenntnis genommen und keine Bedenken gegen eine ordentliche Kündigung der Klägerin geäußert haben. Im übrigen habe es bei Ausspruch der ordentlichen Kündigung gar keiner neuen Anhörung des Personalrats mehr bedurft; denn nach der Rechtsprechung reiche die wirksame Anhörung zur außerordentlichen Kündigung auch zur ordentlichen Kündigung aus, wenn der Personalrat (Betriebsrat) ausdrücklich und vorbehaltlos der außerordentlichen Kündigung zugestimmt habe.

Eine analoge Anwendung des § 626 Abs. 2 BGB komme nicht in Betracht. Der Beklagte habe auch nicht das Recht verwirkt, die Klägerin wegen der hier in Frage stehenden Vorkommnisse nach der außerordentlichen Kündigung noch ordentlich zu kündigen.

Die Kündigung sei auch sozial gerechtfertigt. Der Klägerin werde vorgeworfen, daß sie über Tage, wenn nicht Wochen hinweg sich mittels des ihr nicht zugewiesenen password "S" in die Landratebene eingeschaltet und dort nicht nur einen Tag aus dem Terminkalender, sondern sämtliche Post des Landrats gelesen habe. Es liege auf der Hand, daß die vom Landrat persönlich bearbeiteten Vorgänge überwiegend von einiger Wichtigkeit oder politischen Brisanz seien. Absolut unpassend sei der Vortrag der Klägerin, sie habe ihrer Kollegin, der Sekretärin des Landrats, allenfalls etwas neugierig über die Schulter geschaut. In einem solchen Falle hätte die Sekretärin des Landrats die Klägerin mit aller Schärfe darauf hingewiesen, solcherlei Einsichten zu unterlassen, und außerdem selbstverständlich sofort den Landrat sowie das Hauptamt informiert. Außerdem hätte die Sekretärin dann gewußt, daß und wer ihr über die Schulter schaue. Vorliegend sei hingegen etwa ab Januar 1989 nur klar gewesen, daß unbefugt Einsichtnahmen in Dokumente des Landrats genommen worden seien, während erst habe ermittelt werden müssen, wer diese Einsichtnahmen vornehme. Durch die Beweisaufnahme sei bewiesen, dass die Klägerin nicht nur am 09.02.1989, sondern auch mehrfach am 08.02.1989 und in den Tagen davor Einsichtnahme in die Dokumente des Landrats genommen habe.

Nicht vorgetragen worden sei, daß die Klägerin hieraus persönlich hohen Nutzen gezogen habe. Nicht bekannt sei, warum die Klägerin sich die Kenntnis von Landratsdokumenten verschafft habe. Allein der Umstand, daß die Klägerin Einsichtnahme in geheimhaltungsbedürftige Schreiben des Landrats genommen habe und somit theoretisch in der Lage gewesen sei, dieses Wissen an dritte Personen weiterzugeben, rechtfertige die durchgeführte Sanktion. Nicht erforderlich sei, daß aus dieser Vorgehensweise dem Beklagten erst ein Schaden entstehen müsse, bevor mit dem Mittel der Kündigung reagiert oder die Klägerin überhaupt erst abgemahnt werden dürfe. Ihre Unschuld könne die Klägerin nicht damit begründen daß sie im Rahmen der Schulung nicht über den Schutz der Landratsebene aufgeklärt worden sei und es auch keine entsprechenden Dienstanweisungen im Hause des Beklagten gebe. Im Rahmen der Schulung seien die Mitarbeiter des Schreibdienstes, darunter die Klägerin, darauf hingewiesen worden, daß der Schreibdienst die unterste Stufe der Pyramide belege und die Mitarbeiter hier nur ein bestimmtes Kennwort benutzen dürften. Die Zeugin P. habe weiterhin klargestellt, daß zwar ein Zugriff von der höheren zur jeweils unteren Ebene, nicht aber umgekehrt möglich sei. Aus dem Schreiben der Klägerin vom 14.02.1989 an den Kreisausschuß, als sie anwaltlich noch nicht vertreten gewesen sei, ergebe sich, daß ihr durchaus bewußt gewesen sei, daß es nicht nur eine Landratsebene, sondern darüber hinaus auch ein eigenes password für diese Ebene gebe; sie spreche ausdrücklich von einem Irrtum sowie von der Absicht, unverzüglich auf diesen Irrtum reagieren zu wollen.

Da Frau M. der Zeugin S. im Sommer 1988 kein neues Kennwort mitgeteilt habe, dieser vielmehr das Kennwort durch den Zeugen K. in Abwesenheit jeglicher dritter Personen übermittelt worden sei, stehe fest, daß sich die Klägerin das fragliche Kennwort auf unredliche Weise verschafft haben müsse.

Das erstinstanzliche Urteil sei zu der unzutreffenden Wertung gekommen, daß dem Beklagten kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB zur Seite gestanden habe. Da die Klägerin sich das Kennwort nur auf unredliche Weise verschafft haben könne und über Tage hinweg unbefugt Dokumente aus der Landratsebene gelesen habe, habe sie einen eklatanten Vertrauensbruch unabhängig davon begangen, ob sie diese Kenntnisse an dritte Personen weitergegeben habe. Allein die Gefahr der Weitergabe an die Öffentlichkeit müsse dem Arbeitgeber das Recht einräumen, mit aller Schärfe auch unter Berücksichtigung des ultima-ratio-Prinzips gegen einen solchen Mitarbeiter vorzugehen, mithin die fristlose Kündigung auszusprechen. Der wiederkehrende Verstoß der Klägerin in Form unbefugter Einsichtnahme in ihr nicht zugängliche Dokumente sei als ein Vertrauensbruch zu werten, der die für die Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensgrundlage zerstört habe. Überdies habe die Klägerin, wie sich aus ihrer Einlassung ergebe, schuldhaft gehandelt. Die Klägerin habe trotz des bei ihr vorhandenen Unrechtsbewusstseins, wie sich aus ihrer Einlassung vom 14.02.1989 gegenüber dem Kreisausschuß ergebe, über Tage hinweg fremde Geheimnisse gebrochen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten vom 02.08.1989 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszuge wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitend gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Ergänzend wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Akte 1b Ca 1646/84 des Arbeitsgerichts Elmshorn hat vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Klägerin sowie des Beklagten sind zulässig. Sie sind der Beschwer nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache konnten sie keinen Erfolg haben.

In Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Urteil ist die Berufungskammer der Auffassung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung des Beklagten gemäß Schreiben vom 13.02.1989 beendet worden ist, sondern durch die mit Schreiben vom 28.03.1989 ausgesprochene fristgemäße Kündigung mit Ablauf des 30.09.1989. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.09.1989 geendet hat, kommt der Hilfsantrag des Beklagten, das Arbeitsverhältnis gemäß den § 9, 10 KSchG aufzulösen, nicht mehr zum Tragen. Der Antrag der Klägerin, sie während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses weiterzubeschäftigen, hat sich durch das prozeßbeendende Berufungsurteil erledigt.

1. Durch die fristlose Kündigung des Beklagten gemäß Schreiben vom 13.02.1989 ist das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst worden.

Mit dem erstinstanzlichen Urteil geht die Berufungskammer davon aus, daß es dem Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der Interessen beider Parteien nicht unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis der Klägerin bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.09. 1989 fortzusetzen - § 626 Abs. 1 BGB, 54 Abs. 1 BAT -.

1. Dadurch, daß die Klägerin am 09.02.1989 wiederholt unbefugt Einblick in einen Text des Landrats genommen hat, hat sie ihre. arbeitsvertraglichen Pflichten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses verletzt. Danach war sie verpflichtet, in Arbeitsbereiche keinen Einblick zu nehmen, die ihr nach den Umständen erkennbar verschlossen waren. Die Klägerin hat allerdings nicht gegen Pflichten verstoßen, die im Arbeitsvertrag vom 16.04.1980 festgelegt bzw. im BAT geregelt sind, sondern gegen die allgemeine Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis.

a) Nach § 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrages war die Klägerin verpflichtet,

die übertragenen Arbeiten entsprechend den gesetzlichen Vorschriften, den Bestimmungen der Arbeitsordnung sowie den allgemeinen und besonderen Dienstanweisungen des Arbeitgebers und seiner Bevollmächtigten gewissenhaft und ordnungsmäßig ... durchzuführen.

Diese Vereinbarung hat die Klägerin nicht verletzt. Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben entsprechend den geltenden Bestimmungen sowie den Weisungen des Beklagten ausgeführt. Dadurch, daß sie unbefugt Texte aus der Landratsebene abrief, hat sie nicht gegen gesetzliche Vorschriften oder Dienstanweisungen des Beklagten verstoßen. Bis zum 9. Februar 1989 hat eine Dienstanweisung des Beklagten, die Mitarbeitern des Schreibdienstes die unbefugte Einsichtnahme in Texte aus einer anderen Ebene des Textverarbeitungssystems untersagt, nicht bestanden.

b) Gegen Regelungen des BAT, der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar ist - § 2 Satz 1 Arbeitsvertrag - hat die Klägerin durch die unbefugte Einsichtnahme in Texte aus der Landratsebene ebenfalls nicht verstoßen.

In § 8 BAT heißt es u. a.:

1) Der Angestellte hat sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird. Er muß sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.

(2) Der Angestellte ist verpflichtet, den dienstlichen Anordnungen nachzukommen...

An den öffentlichen Dienst und seine Angehörigen sind - ohne Rücksicht auf den Status im Einzelfall - seit jeher erhöhte Anforderungen hinsichtlich Pflichtbewußtsein und vorbildliches Verhalten gestellt worden. Maßgebend ist insoweit die jeweils aktuelle Verhaltenserwartung des "durchschnittlichen Staatsbürgers", die sich sowohl auf das dienstliche als auch auf das außerdienstliche Verhalten bezieht - vgl. Uttlinger/Breier, BAT, Teil 1, Stand 1. Dezember 1976, § 8 Erläuterung 2 -. Vom öffentlichen Dienst wird ein angemessenes Verhalten gegenüber dem Publikum und in der Öffentlichkeit erwartet. Die Erwartung bezieht sich nicht auf das interne dienstliche Verhalten. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung hat die Klägerin nicht mißachtet, ebensowenig, wie ausgeführt, dienstliche Anordnungen des Beklagten.

In § 9 BAT heißt es u. a.

(1) Der Angestellte hat über Angelegenheiten der Verwaltung

... deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder auf Weisung des Arbeitgebers angeordnet ist, Verschwiegenheit zu bewahren.

(2) Ohne Genehmigung des Arbeitgebers darf der Angestellte von dienstlichen Schriftstücken, Formeln, Zeichnungen, bildlichen Darstellungen, chemischen Stoffen oder Werkstoffen, Herstellungsverfahren, Maschinenteilen oder anderen geformten Körpern zu außerdienstlichen Zwecken weder sich noch einem anderen Kenntnis, Abschriften, Ab- oder Nachbildungen, Proben oder Probestücke verschaffen. Diesem Verbot unterliegen die Angestellten bezüglich der sie persönlich betreffenden Vorgänge nicht, es sei denn, daß deren Geheimhaltung durch Gesetz oder dienstliche Anordnung vorgeschrieben ist.

Daß gemäß § 9 Abs. 1 BAT hinsichtlich der Texte, die die Klägerin aus der Landratsebene eingesehen hat, Geheimhaltung vorgesehen bzw. angeordnet war, haben die Parteien nicht vorgetragen. Vorgeworfen wird der Klägerin auch nicht Bruch der Verschwiegenheit über Angelegenheiten der Verwaltung, sondern lediglich, daß sie in ihr nicht zugängliche Texte unbefugt Einblick genommen hat.

Gegen die in § 9 Abs. 2 normierte Pflicht zur Zurückhaltung bezüglich dienstlicher Unterlagen hat die Klägerin ebenfalls nicht verstoßen. Sie hat zwar ohne Genehmigung des Beklagten in dienstliche Schriftstücke Einblick genommen; daß diese Einsichtnahme aber zu außerdienstlichen Zwecken erfolgt ist, steht nicht fest. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, daß sie allein aus Neugier in Texte des Landrats Einsicht genommen habe.

Der Beklagte hat zwar vorgetragen, daß gerade im Jahre 1989 aufgrund von Indiskretionen diverse hochbrisante Themen an die Öffentlichkeit gelangt seien, ohne daß feststehe, wie dies habe geschehen können. Hinsichtlich der Texte aus der Landratsebene, deren Einsichtnahme der Klägerin konkret vorgehalten wird, wird dieser Vorwurf aber nicht erhoben.

c) Verletzt hat die Klägerin jedoch die sie aus dem Arbeitsverhältnis treffende allgemeine Treuepflicht.

In jedem Arbeitsverhältnis, insbesondere auch in denen des öffentlichen Dienstes, hat der Arbeitnehmer die Pflicht, sich nach besten Kräften für das Interesse des Arbeitgebers und das Gedeihen der Verwaltung bzw. des Betriebes einzusetzen und alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber abträglich sein könnte - vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 6. Aufl. 1987, § 53 I 1 -. Gegenstand dieses als Treuepflicht bezeichneten Pflichtenkreises sind zahlreiche Verpflichtungen, insbesondere Obhuts-, Rücksichts-, Informations- sowie Unterlassungspflichten, die für den Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes neben der Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT bestehen - vgl. Böhm/Spiertz ' BAT, Teil I Stand Januar 1987, § 8 Rdnr. 3 -. Die arbeitsvertragliche Treuepflicht des Arbeitnehmers besteht darin, daß er sich nach besten Kräften für die Interessen des Arbeitgebers und der Dienststelle einzusetzen hat Böhm/Spiertz, a.a.O. Vorbem. Abschnitt III (§§ 6 - 14 BAT), Rdnr. 33 -.

Diese Nebenpflicht ist im Entwurf eines Arbeitsgesetzbuches - § 7 Abs. 1 -, der im wesentlichen die derzeit herrschende Meinung in der Rechtsprechung wiederholt, wie folgt definiert - so Schaub, a.a.O. -:

Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, seine Rechte so auszulegen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann.

Diese Treuepflicht ist wie der Grundsatz von Treu und Glauben eine Verhaltenspflicht; ihr Umfang und Grenzen können nicht abstrakt definiert werden, sondern sind nach den jeweiligen Umständen des einzelnen Arbeitsvertrages unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu bestimmen. Im allgemeinen ist die Treuepflicht nach herrschender Meinung im öffentlichen Dienst gegenüber dem Privatdienst erheblich gesteigert - Schaub, a.a.O., § 53 I 3, 5 -.

Aus dieser Treuepflicht folgt, daß der Arbeitnehmer nicht unbefugt in Bereiche des Arbeitgebers eindringen darf, die ihm erkennbar verschlossen sind. Er darf sich insbesondere in einem Textverarbeitungssystem eine Textebene, zu der er im Rahmen seines Aufgabenbereichs keinen Zugang hat, nicht zugänglich machen

Diese Unterlassungspflicht der Klägerin bezog sich hinsichtlich des Textverarbeitungssystems auf die Texte in der Landratsebene, da diese nur über ein besonderes Kennwort, das nur bestimmten Personen bekannt war, eingesehen werden konnte.

Diese Unterlassungspflicht entfällt nicht deshalb, weil eine Dienstanweisung insoweit nicht bestand. Daß eine Schreibkraft, die in einem Textverarbeitungssystem arbeitet, sich die Texte der Ebenen nicht zugängig macht, für deren Benutzung ihr das Kennwort nicht offiziell offengelegt worden ist, versteht sich von selbst; denn Sinn des Kennwortes ist es allein, den Zugang zu der betreffenden Ebene nur den Personen zu eröffnen, denen das Kennwort in dienstlich vorgesehener Weise mitgeteilt worden ist. Auszugehen ist davon, daß ein Arbeitnehmer nur zu den Arbeitsbereichen Zugang hat, in denen er tätig ist und die mit dieser Tätigkeit unmittelbar zusammenhängen. Will er in einen anderen Arbeitsbereich Einblick nehmen, muß er seinen Dienstvorgesetzten um Erlaubnis fragen. Läßt sich ein Arbeitsbereich nur unter besonderen Umständen betreten bzw. erreichen, z. B. mit einem besonderen Schlüssel, einem Ausweis oder einem Kennwort, so muß der Arbeitnehmer davon ausgehen, daß ihm dieser Bereich von vornherein verschlossen und nur mit ausdrücklicher Einwilligung des insoweit Berechtigten zugänglich ist. Jeder Arbeitnehmer, der keine Zugangserlaubnis hat, ist verpflichtet, derartig verschlossene Bereiche nicht zu betreten bzw. sie sich auch nicht in sonstiger Weise zu eröffnen.

Die Klägerin war sich auch darüber im klaren, daß ihr die Landratsebene, für die ein besonderes Kennwort galt, von vornherein nicht zugänglich war. Im Rahmen der Schulung für das Textverarbeitungssystem, die die Zeugin P im Frühjahr/Sommer 1988 u. a. mit der Klägerin durchgeführt hat, ist gleich zu Beginn des Lehrgangs darauf hingewiesen worden, daß zur Benutzung des Systems verschiedene Kennwörter einzugeben seien und daß diese in verschiedenen Ebenen entsprechend einer Pyramide bildlich dargestellt werden könnten. Auf der unteren sog. Benutzerebene, die für den Schreibdienst vorgesehen sei, sei das Kennwort einzugeben, auf der nächsthöheren Ebene, der Supervisor-Ebene, die für die Schreibdienstleiterin bestimmt sei, sei ein anderes Kennwort zu benutzen, schließlich auf der Technikerebene, die dem Techniker vorbehalten bleibe, wiederum ein anderes Kennwort. Den Lehrgangsteilnehmern sind die Kennworte der anderen Ebenen, wie die Zeugin weiter ausgesagt hat, nicht genannt worden. Bei der Erläuterung der Kennworte sollte der pyramidenartige Aufbau belegen, daß ein Zugang für die oberste Ebene auch auf die unteren Ebenen möglich sein sollte, nicht jedoch umgekehrt. Von der Landratsebene war während des Lehrgangs überhaupt nicht die Rede.

Aufgrund dieser Schulung mußte sich die Klägerin darüber im klaren sein, daß sie aufgrund des ihr genannten Kennworts nur zu der dem Schreibdienst vorbehaltenen Ebene Zugang hatte und auch nur haben sollte, nicht zu der weiterhin erwähnten Supervisor- oder Technikerebene, erst recht nicht zu der - gar nicht erst genannten - Landratsebene.

2. Ihre vertragliche Verpflichtung, sich die Landratsebene des Textverarbeitungssystems nicht zu eröffnen und Texte abzurufen, hat die Klägerin am 09.02.1989 vorsätzlich verletzt und sich insoweit vom 31.01.1989 an einem dringenden Verdacht ausgesetzt; hierdurch hat sie sich im übrigen auch hinsichtlich der ab Mitte Januar festgestellten Einsichtnahmen verdächtig gemacht.

a) Am 09.02.1989 ist die Klägerin dabei überrascht worden, wie sie einen Text der Landratsebene auf den ihr zugeordneten Bildschirm 02 gerufen hatte. Diese Einsichtnahme hat sie nicht bestritten.

Die Klägerin war sich auch darüber im klaren, daß sie Texte aus der Landratsebene nicht auf ihren Bildschirm holen durfte. Am 09.02.1989 hat sie, als sie von drei Mitarbeitern mit einem Text der Landratsebene auf ihrem Bildschirm in ihrem Arbeitszimmer überrascht wurde, den Text dadurch entfernt, daß sie die Menü-Taste drückte.

Ihr Unrechtsbewußtsein kommt auch in ihrem Schreiben an den Kreisausschuß vom 14.02.1989 zum Ausdruck, in dem es u. a. heißt:

Also probierte ich am 09.02.1989 mit dem Kennwort "S" ins System zu kommen, was auch gelang. Bei weiterem Probieren bemerkte ich aber, daß ein Text des Herrn Landrats auf dem Bildschirm erschien und das Kennwort "S" ganz offensichtlich zur Landtagsebene gehört.

Nachdem ich meinen Irrtum bemerkte, wollte ich unverzüglich aus dem Text des Herrn Landrats hinausgehen.

b) überdies besteht der dringende, nahezu an Gewißheit grenzende Verdacht, daß sie auch an den Vortagen Texte aus der Landratsebene auf ihren Bildschirm geholt hat, und zwar am 31.01., 01.02., 02.02., 03.02. sowie 08.02.1989. Dringend ist ein Verdacht, wenn eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung begangen hat - KR-Hillebrecht, 3. Aufl. 1989, § 626 BGB Rdn. 153 a -.

Nach Aussage des Zeugen K der am 31.01. hierüber einen schriftlichen Vermerk gemacht hat, saß die Klägerin um 11.40 Uhr an dem Bildschirm 02; um 11.45 Uhr ist dieses Gerät unter dem Kennwort des Landrats angemeldet worden.

Der Zeuge T. hat am 01.02. um 11.40 Uhr, am 02.02. um 11.45 Uhr sowie am 03.02. um 11.39 Uhr gesehen, daß der Arbeitsplatz 02 unter dem Kennwort des Landrats angemeldet war. Der Zeuge hatte die Aufgabe, das Systembenutzerverzeichnis zu überwachen und zu beobachten, wer unter welchem Kennwort arbeitete; seine Tätigkeit war speziell auf den Arbeitsplatz 02 abgestellt.

Nachdem am 07.02. in der Organisationsabteilung ein sogenannter Schleppbildschirm installiert worden war, auf dem die Texte beobachtet werden konnten, die auf den Bildschirm 02, der nunmehr die Nummer 08 hatte, gerufen wurden, stellten die Zeugen T. und K. am 08.02. fest, daß um 11.36 Uhr; 11.43 sowie 11.55 Uhr jeweils Texte der Landratsebene auf den Bildschirm 08 gerufen würden. Die Zeugen Frau E ' Frau H und T die aufgrund telefonischer Anweisung Nachschau hielten, sahen die Klägerin an diesem Bildschirm sitzen.

Nach Aussage des Zeugen K hat immer dann, wenn von diesem Bildschirmarbeitsplatz eine unbefugte Einsichtnahme in die Landratsebene festgestellt worden war und Nachschau erfolgte, die Klägerin an diesem Bildschirm gesessen.

Dem dringenden Verdacht, daß die Klägerin auch an den genannten Tagen vor dem 09.02. Einblick in die Landratsebene genommen hat, steht nicht entgegen, daß zwischen dem Anruf bei dem jeweiligen Zeugen und dessen Eintreffen im Büro der Klägerin bzw. in dem hiervon durch Glasscheiben getrennten weiteren Büro eine gewisse Zeit verging. Der Einwand der Klägerin, daß sich aus der Aussage des Zeugen M gegenüber den Aussagen anderer Zeugen zeitliche Unterschiede ergeben, greift nicht durch. Zu berücksichtigen ist hierbei, daß die Zeitangaben der Zeugen auf Schätzungen beruhen.

Die Anhörung des verdächtigten Arbeitnehmers, die vor Ausspruch der Kündigung erforderlich ist, wenn und soweit eine beabsichtigte Kündigung auf Verdacht gestützt wird, hat vorliegend unstreitig stattgefunden; die Klägerin hat am 13.02.1989 mit dem Landrat in Gegenwart des Personalratsvorsitzenden ein Gespräch gehabt, in dem ihr, wie sie vorträgt, Vertrauensbruch vorgeworfen worden ist.

c) Angesichts des dringenden Verdachts, daß die Klägerin seit dem 31.01. unbefugt Texte aus der Landratsebene eingesehen hat, kann der Beklagte im übrigen auch den Verdacht haben, daß die Klägerin bereits seit Mitte Januar derartige Einsichtnahmen getätigt hat. Daß der Beklagte seinen Verdacht auch auf diesen Zeitraum bezieht, bringt er in dem Kündigungsschreiben vom 13.02. dadurch zum Ausdruck, daß er der Klägerin vorhält, "zumindest an den genannten Tagen zwischen dem 31.01. und dem 09.02. Texte der Landratsebene eingesehen zu haben.

Dieser Verdacht liegt nach dem Beweisergebnis im Hinblick auf die kurze Zeitspanne nahe, in der jeweils die festgestellten Einsichtnahmen erfolgt sind, nämlich zwischen 11.30 Uhr und 12.00 Uhr.

Die Schreibdienstleiterin Frau M hat, wie sich aus ihrer Zeugenaussage ergibt, Mitte Januar 1989 festgestellt, daß Texte des Landrats alle noch einmal eingesehen worden waren. Der Zeugin fiel als ungewöhnlich auf, daß in Texte innerhalb einer Woche noch einmal Einblick genommen war, und zwar immer zum gleichen Zeitpunkt, lediglich unterschieden durch einige Minuten. Die Sekretärin des Landrats erklärte der Zeugin, daß sie nicht so oft in die Texte Einsicht genommen hätte. Anhand der Stempelkarte der Sekretärin wurde dann festgestellt, daß mehrere Texte von ihr nicht eingesehen worden sein konnten, da sie vorher gestempelt hatte und nicht mehr im Hause war.

d) Nicht bewiesen ist die Behauptung der Klägerin, daß Texte der Landratsebene über einen längeren Zeitraum hinweg von einer unbekannten Vielzahl von Personen, denen das Kennwort bekannt gewesen sei, eingesehen worden seien, ferner, daß ein unbekannter Dritter ihre jeweilige kurzfristige Abwesenheit vom Bildschirmarbeitsplatz 02 bzw. 08 ausgenutzt habe, um in die Landratsebene einzusehen.

Die Zeugin Frau S.' die Sekretärin des Landrats, hat im Termin am 24.04.1989 allerdings ausgesagt, daß sie zwar grundsätzlich von Frau R vertreten worden sei, daß aber, wenn sie sonst jemand vertreten habe, dieser die Vertretung vermutlich mit dem Kennwort des Landrats gemacht habe. In ihrer "persönlichen Erklärung" vom 21.06.1989, die der Beklagte vorgelegt hat, hat die Zeugin jedoch erklärt, daß sie diese Aussage so nicht gemacht habe; ihre Vertretung sei seinerzeit während ihrer Abwesenheit ausschließlich von Frau R übernommen worden, der auch des Kennwort des Landrats bekanntgewesen sei; ansonsten habe niemand sie vertreten; ihres Wissens sei niemandem im Rahmen ihrer Vertretung das Kennwort des Landrats bekanntgegeben worden. Ihre Aussage vor Gericht sei ihr nicht vorgelesen worden.

Nach Aussage der Zeugin Frau K' die in dem Raum ihren Arbeitsplatz hat, in dem der Bildschirm 02 steht, haben allerdings an diesem Bildschirmgerät auch andere Mitarbeiter gearbeitet. Die Klägerin hat vorgetragen, daß sie auch Frau K. an diesem Arbeitsplatz gesehen habe. Begründete Anhaltspunkte dafür, daß weitere Angestellte als die Klägerin von diesem Arbeitsplatz aus Texte aus der Landratsebene aufgerufen haben, ergeben sich aus dem Vortrag der Parteien sowie der Beweisaufnahme nicht. Nach Aussage des Zeugen K hat es, bevor der Schleppbildschirm installiert worden ist, unbefugte Einsichtnahmen in Landratstexte gegeben, die erst im nachhinein erkannt worden sind und bei denen dann keine Möglichkeit bestanden hat nachzusehen, ob die Klägerin an dem Bildschirmarbeitsplatz saß, von dem aus unbefugt Einsicht genommen worden war. Dazu, daß andere Angestellte als die Klägerin derartige Einsichtnahmen getätigt haben könnten, hat der Zeuge sich nicht geäußert. Nach Aussage des Zeugen T. ist es nicht vorgekommen, daß von einem anderen Arbeitsplatz ein Landratstext aufgerufen worden ist und auch nicht von einer anderen Person, die dann an diesem Arbeitsplatz gesessen hat.

Im übrigen steht nicht fest, daß die Klägerin am 03.02. nicht in die Landratsebene Einblick genommen haben kann. An diesem lag wurde nach Aussage des Zeuge T. um 11 .39 Uhr die Landratsebene von dem Bildschirmgerät 02 aus aufgerufen. Dieser Arbeitsplatz war für die Klägerin, wie üblich, ab 11.30 Uhr freigehalten. Die Klägerin hat die Dienststelle, wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, ausweislich der Zeiterfassungskarte erst um 12.08 Uhr verlassen. Für ihre Behauptung, daß sie an diesem Tag den Arbeitsplatzwechsel von dem Raum 209 in dem Raum 216 nicht vorgenommen habe, so daß sie in die Landratsebene, da in dem Raum 209 ein geeignetes Gerät nicht verfügbar gewesen sei, gar nicht habe eindringen können, hat die Klägerin im Berufungsverfahren Beweis nicht angetreten.

3. Unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der Interessen beider Parteien war es dem Beklagten nicht unzumutbar, trotz dieser Pflichtverletzung das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.09.1989 fortzusetzen.

a) Die Klägerin hat zwar einen schweren Vertrauensbruch gegen über dem Beklagten dadurch begangen, daß sie am 09.02.1989 wiederholt Texte aus der Landratsebene auf ihren Bildschirm gerufen hat und sich für die Zeit ab Mitte Januar insoweit einem dringenden bzw. naheliegenden Verdacht ausgesetzt hat. Der Landrat muß sich darauf verlassen können, daß seine Diktate nur den Mitarbeitern zur Kenntnis gelangen, die hierzu berechtigt sind, insbesondere seine Sekretärin.

aa) Ob die Texte, die die Klägerin abgerufen hat, einen politisch brisanten bzw. besonders wichtigen, mithin aus Sicht des Beklagten geheimhaltungsbedürftigen Inhalt gehabt haben, kann dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, daß der Landrat jederzeit Texte diktieren und einspeichern lassen kann, die einen derartigen Inhalt haben. Auszugehen ist davon, daß der Landrat, der die Erledigung einzelner Aufgaben auf Mitarbeiter übertragen kann, selbst in der Regel, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, mit Vorgängen befaßt ist, die von politischer, insbesondere kommunalpolitischer Wichtigkeit sind, und entsprechende Vermerke, Berichte oder sonstige Schreiben diktiert.

Das gesamte Schreibwerk des Landrats ist daher von den Mitarbeitern des Beklagten als vertraulich zu respektieren. Der Landrat ist neben dem Kreistag sowie dem Kreisausschuß Organ des Kreises; er handelt für den Kreisausschuß, den gesetzlichen Vertreter des Kreises -. §§ 7, 44 Abs. 1 KreisO für SH i. d. F. v. 11.11. 1977, GVOBL 1977, 436 -. Der Landrat kann daher erwarten, daß sein Schreibwerk von den Mitarbeitern nur mit seiner Einwilligung eingesehen wird.

Überdies sind gewisse Texte, soweit sie dienstliche Beurteilungen von Mitarbeitern enthalten, durch das Bundesdatenschutzgesetz - vom 27.01.1977, BGBL I 201 (BDSG) - geschützt. Aufgabe des BDSG ist es, durch den Schutz personenbezogener Daten vor Mißbrauch bei ihrer Speicherung, Übermittlung, Veränderung und Löschung (Datenverarbeitung) der Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange der Betroffenen entgegenzuwirken - § 1 Abs. 1 -. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person - § 2 Abs. 1 -. Hierzu gehören die Angaben in einer dienstlichen Beurteilung, die Namen, Geburtsdatum, Beruf, Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers enthält sowie bei einem qualifizierten Zeugnis Angaben über Führung und Leistung.

Geschützt sind personenbezogene Daten, die u. a. von Behörden in Dateien gespeichert werden. Für personenbezogene Daten, die wie bei einer dienstlichen Beurteilung nicht zur Übermittlung an Dritte bestimmt sind und in nicht automatisierten Verfahren verarbeitet werden, gilt von den Vorschriften des BDSG nur § 6 - § 1 Abs. 2 -. Danach hat, wer personenbezogene Daten verarbeitet, die technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Ausführung der Vorschriften dieses Gesetzes, insbesondere die in der Anlage genannten Anforderungen zu gewährleisten - § 6 Abs. 1 S. 1 -. Nach der Anlage sind die Maßnahmen zu treffen, die je nach der Art der zu schützenden personenbezogenen Daten geeignet sind, u. a.

3. die unbefugte Eingabe in den Speicher sowie die unbefugte Kenntnisnahme, Veränderung oder Löschung gespeicherter, personenbezogener Daten zu verhindern (Speicherkontrolle).

Der Beklagte hat die Speicherkontrolle der Landratsebene dadurch zu gewährleisten versucht, daß ein bestimmtes Kennwort eingeführt worden ist, das nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur einem bestimmten Kreis von Benutzern bekannt gegeben worden ist. Daß der Beklagte bei der Einführung des Kennworts nicht von dem neuesten Stand der Technik ausgegangen ist und z. B. keine Sicherungsvorkehrungen getroffen hat, um ein Durchspielen möglicher Kennwörter zu verhindern, ergibt sich aus den Vortrag der Parteien nicht - vgl. hierzu Schapper, Datenschutz und Datensicherung beim betrieblichen Einsatz von Personalcomputern, AuR 1988, 97 f. (98 f.) -.

Zur Gefahr der Weitergabe geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen an die Öffentlichkeit hat der Beklagte vorgetragen, daß gerade im Jahre 1989 aufgrund von Indiskretionen diverse hochbrisante Themen an die Öffent1ichkeit gelangt seien, ohne daß bekannt geworden sei, wie dies habe geschehen können. Nicht übersehen werden kann in diesem Zusammenhang, daß in der Öffentlichkeit ein Interesse, Texte des Landrats zu erhalten, durchaus bestehen kann, nämlich bei Medien mit regionalem Bezug sowie bei politischen Parteien des Kreises.

Das Vertrauensverhältnis der Parteien ist nicht deshalb weniger schwer belastet worden, weil der Beklagte das Kennwort nicht bereits im Januar gewechselt hat, als feststand, daß ein Unbefugter Texte aus der Landratsebene abrief. Das Interesse des Beklagten, das Kennwort für die Landratsebene einstweilen unverändert zu lassen, um festzustellen, wer unberechtigterweise Einblick nahm, ist anzuerkennen. Nicht auszuschließen war es nämlich, daß diese Person, falls das Kennwort sogleich geändert worden wäre, erneut - möglicherweise mit Erfolg - hätte versuchen können, auch dieses Kennwort zu erfahren, um wiederum, Einblick in die Texte der Landratsebene zu nehmen.

bb) Darüberhinaus ist das Arbeitsverhältnis der Parteien dadurch belastet, daß die Klägerin nicht überzeugend dargelegt hat, auf welche Weise sie Kenntnis von dem Kennwort erlangt hat.

Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, daß sie am 7. oder 8. Februar von ihrer Kollegin Frau K erfahren habe, daß sich das Kennwort geändert habe. Der Zeuge B will das Kennwort ebenfalls von der Angestellten K erfahren haben; er hat, wie sich aus seiner Aussage ergibt, am 9. Februar 1989 in einem Telefongespräch, das er mit Frau K geführt hat, erfahren, daß die Klägerin aus dem Dienst habe nach Hause gehen müssen, weil sie ein Kennwort benutzt habe, welches sie nicht habe benutzen dürfen, nämlich das des Landrats "S"

Demgegenüber hat die Zeugin Frau K in ihrer Aussage erklärt, weder die Worte gekannt noch sie der Klägerin mitgeteilt zu haben. Sie wußte nicht mehr, ob ein Herr B am 09.02. angerufen hat, der die Klägerin sprechen wollte. Sie hat, wie sie weiter ausgesagt hat, noch nicht einmal ihrem Ehemann irgendwelche Kennworte gesagt und bei ihrer Zeugeneinvernahme gefragt, wieso sie einem wildfremden Anrufer fernmündlich das Kennwort nennen sollte.

Die Schreibdienstleiterin Frau M hat, wie sich aus ihrer Zeugenaussage ergibt, Frau K. nicht gesagt, sie solle die Klägerin darüber informieren, daß nunmehr ein neues Kennwort gelte; es gab ja auch kein neues Kennwort.

b) Andererseits ist zugunsten der Klägerin davon auszugehen, daß sie die Texte aus der Landratsebene, wie sie vorträgt, nur aus Neugier eingesehen hat, nicht etwa, um sich zu bereichern oder sie Dritten zugänglich zu machen. Dafür, daß die Klägerin von ihrem Wissen doch Gebrauch gemacht hat, hat der Beklagte Beweis nicht angetreten.

Weiter ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, daß sie auf eine langjährige Behördenzugehörigkeit bei dem Beklagten zurückblicken kann. Sie hat ihre Tätigkeit dort 1980 aufgenommen und ihre Arbeit im Verlaufe der Jahre ohne sachliche Beanstandungen verrichtet; etwas anderes ist nicht vorgetragen worden. überdies hat die Klägerin, wie sie vorträgt, im Rahmen ihrer Schreibdiensttätigkeit häufig mit vertraulichen, geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen zu tun gehabt hat und im Gesundheitsamt in intime/vertrauliche Vorgänge Einsicht nehmen können. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht wird der Klägerin nicht vorgeworfen.

Die Umstände, die zur Versetzungsanordnung des Beklagten vom 07.12.1984 geführt haben und in dem Verfahren 1 b C 1646/84 verhandelt worden sind, betreffen das Verhältnis der Klägerin zu Mitarbeitern, nicht die Qualität ihrer Arbeit.

Danach war es dem Beklagten nicht unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen - vgl. LAG Hamm, ZIP 1989, 1259 -.

II.

Die fristgemäße Kündigung des Beklagten gemäß Schreiben vom 26.03.1989 zum 30.09.1989 ist sozial gerechtfertigt - § 1 Abs. 2 KSchG -. Die fristgemäße Kündigung beruht auf Gründen in dem Verhalten der Klägerin; diese hat, wie dargelegt, ihre vertragliche Verpflichtung verletzt, sich einen Arbeitsbereich nicht zugänglich zu machen, der ihr erkennbar verschlossen war.

1) Der Einwand der Klägerin, daß Zweifel daran bestünden, ob der Personalrat vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 28.03.1988 ordnungsgemäß mitgewirkt hat, greift nicht durch.

Davon, daß der Personalrat vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß mitgewirkt hat, ist das erstinstanzliche Urteil ausgegangen. Substantiierte Gründe, warum sie den Einwand der mangelnden Mitwirkung des Personalrats erst im Berufungsverfahren bringt, ergeben sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht. Ihr Vortrag, sie habe erst im Monat Juli 1989 von einem anderen Mitarbeiter des Beklagten glaubhafte Hinweise darauf erhalten, daß die Grundsätze für eine ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats im Zusammenhang mit der Kündigung vom 26.03.1989 nicht beachtet worden seien, ist zu pauschal und nicht einlassungsfähig. Im erstinstanzlichen Verfahren war es der Klägerin unbenommen, die Ordnungsgemäßheit der Anhörung des Personalrats mit Nichtwissen zu bestreiten.

Im übrigen hätte es bei Ausspruch der fristgemäßen Kündigung einer erneuten Anhörung des Personalrats nicht bedurft. Die wirksame Anhörung zur außerordentlichen Kündigung reicht auch zur ordentlichen Kündigung aus, wenn der Betriebsrat ausdrücklich und vorbehaltslos der außerordentlichen Kündigung zugestimmt hat und einer ordentlichen Kündigung erkennbar nicht entgegengetreten wäre - so BAG, DB 1985, 655 (unter II 1) -. Mit seinem Schreiben vom 10.02.1989 hat der Personalrat des Beklagten dem Hauptamt mitgeteilt, daß gegen die beabsichtigte fristlose Kündigung der Klägerin keine Bedenken vorgebracht würden. Diese Formulierung entspricht, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, einer vorbehaltlosen Zustimmung und schließt damit den Willen des Personalrats ein, einer eventuell gleichzeitig hilfsweise beabsichtigten ordentlichen Kündigung nicht entgegentreten zu wollen.

2) Auf das vertragliche Fehlverhalten der Klägerin bzw. den insoweit bestehenden Verdacht aus der Zeit von Januar bis zum 09.02.1989 konnte der Beklagte sich bei Ausspruch der Kündigung gemäß Schreiben vom 28. März 1989 noch berufen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB für eine fristgemäße Kündigung nicht anwendbar. Diese Vorschrift gilt ausdrücklich nur für Kündigungen, die aus wichtigem Grund ausgesprochen werden. Ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis durch ein Verhalten, des einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abgeben könnte, belastet hat, soll nach Ablauf von 14 Tagen die Gewißheit haben, daß ihm sein Fehlverhalten verziehen und eine fristlose Kündigung nicht mehr ausgesprochen wird. Eine analoge Anwendung dieser Ausnahmevorschrift auf fristgemäße Kündigungen ist nicht möglich.

Die Befugnis des Beklagten zur ordentlichen Kündigung ist auch nicht verwirkt. Die Klägerin konnte sich aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Beklagten nicht darauf verlassen und entsprechend einrichten, daß eine ordent1iche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfolgen werde - vgl. KR-Becker, a.aO., § 1 KSchG Rdn. 171 -. Der Beklagte hatte nämlich seinen Willen, das Arbeitsverhältnis zu beenden, durch den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zum Ausdruck gebracht. Die Klägerin mußte damit rechnen, daß der Beklagte noch vorsorglich für den Fall, daß die fristlose Kündigung nicht durchstehen könnte, eine fristgemäße Kündigung aussprechen würde.

3) Einer Abmahnung der Klägerin vor Ausspruch der fristgemäßen Kündigung bedurfte es nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei Störungen im Leistungsbereich regelmäßig vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Auch bei einem Fehlverhalten im Vertrauensbereich bedarf es dann einer vorherigen Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest als ein nicht erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen - BAG NZA 87, 418 -. Nur bei schwerwiegenden Verstößen, die eine grundlegende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zur Folge haben, ist eine Abmahnung entbehrlich - LAG Hamm, DB 85, 49; KR-M. Wolf, Grunds. Rdn. 219 a -.

Vorliegend ist davon auszugehen, daß eine Abmahnung der Klägerin vor Ausspruch der fristgemäßen Kündigung entbehrlich war. Daß die Klägerin Texte aus der Landratsebene abgerufen hat, die ihr erkennbar nicht zugänglich waren, ist ein schwerwiegender Verstoß, der das arbeitsvertragliche Vertrauensverhältnis grundlegend erschüttert. Hierüber ist sich die Klägerin, die ausschließlich im allgemeinen Schreibdienst eingesetzt war, wegen der eindeutigen Abgrenzung ihres Aufgabengebiets auch unmißverständlich im klaren gewesen vgl. hierzu LAG Köln' DB 1983, 124 -.

Da ihr das Kennwort der Landratsebene offiziell nicht mitgeteilt worden war, konnte sie auch nicht annehmen, daß ihr Verhaften nicht vertragswidrig sei oder von dem Beklagten nicht als solches angesehen werde. In dem Schreiben der Klägerin vom 14.02.1989 kommt zum Ausdruck, daß sie ihr Verhalten als unrechtmäßig angesehen hat.

Dem Beklagten hat es auch nicht oblegen, die Klägerin abzumahnen, nachdem er am 31.01.1989 zum ersten Mal Kenntnis davon erlangt hatte, daß von dem Bildschirmgerät D2 Einsichtnahme in die Landratsebene erfolgte. Seine Entscheidung, die Klägerin auch in den nächsten Tagen nicht abzumahnen, vielmehr die sich wiederholenden Einsichtnahmen zu beobachten, ist verständlich, um nähere Umstände und mögliche Motive zu erfahren, unter denen bzw. aus denen heraus die Einsichtnahmen erfolgten.

4) Die Fristgemäße Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Klägerin als milderes Mittel auf einen anderen Arbeitsplatz hätte umgesetzt werden können. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, eine Angestellte weiterzubeschäftigen, die keine Rücksicht auf das berechtigte Interesse des Landrats nimmt, die Vertraulichkeit seines Arbeitsbereichs zu respektieren, vielmehr unbefugt in dessen ihr erkennbar nicht zugängliches Schreibwerk Einblick nimmt, auch wenn sie dies, wie sie vorträgt, aus bloßer Neugier gemacht hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus den § 92, 97 ZPO.

Entgegen der Anregung der Partei war die Revision nicht zuzulassen. Daß ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß kündigt, weil der Arbeitnehmer aus einem Textverarbeitungssystem mit einem ihm offiziell nicht mitgeteilten Kennwort Texte abruft, die ihm nicht zugänglich sind, ist keine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur eine Frage der Interessenabwägung. Der Fall ist nicht anders zu bewerten, als wenn ein Arbeitnehmer sich mit einem - in unrechtmäßiger Weise erlangten - Schlüssel Zutritt zu dem Arbeitszimmer seines Chefs verschafft und dort unerlaubt die Mappe mit den von der Sekretärin geschriebenen Texten einsieht.

Ende der Entscheidung

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