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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 06.05.2009
Aktenzeichen: 5 Ta 91/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 148
BGB § 615
Die Aussetzung eines Rechtsstreits über Annahmeverzugslohn gemäß § 148 ZPO kommt erst dann in Betracht, wenn die Vorgreiflichkeit des Kündigungsschutzverfahrens durch das Gericht positiv festgestellt werden kann (LAG Thüringen Beschl. v. 27.06.2001 - 6/9 160/00). In Anbetracht des in arbeitsgerichtlichen Verfahren ganz allgemein (§ 9 Abs. 1 ArbGG) und nicht nur bei Bestandsstreitigkeiten (§ 61 a Abs. 1 ArbGG) geltenden Beschleunigungsgrundsatzes hat das Arbeitsgericht den anhängigen Vergütungsprozess zumindest soweit voranzutreiben, dass die konkrete Entscheidung letztlich nur noch von der im Vorprozess zu klärenden Rechtsfrage (hier: Bestand des Arbeitsverhältnisses) abhängig ist. Erst dann setzt die Ermessensentscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ein.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 5 Ta 91/09

06.05.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 06.05.2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 26.03.2009, Az.: 5 Ca 315/09, aufgehoben.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Hauptsacheverfahren im Wesentlichen über Verzugslohnansprüche, nachdem das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des Klägers mit Urteil vom 22.01.2009 (1 Ca 2736/08) stattgegeben hatte. Das Kündigungsschutzverfahren ist zurzeit in zweiter Instanz anhängig (5 Sa 65/09).

Das Arbeitsgericht hat die Parteien in der Güteverhandlung unter Fristsetzung aufgefordert, zur beabsichtigten Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO Stellung zu nehmen.

Der Kläger hat der angekündigten Aussetzung widersprochen und sich auf den arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz berufen. Im Zuge der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte unstreitig in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befinde, zudem verfüge er über keine Ersparnisse und müsse den Lebensunterhalt für seine vierköpfige Familie bestreiten.

Die Beklagte hat der Aussetzung des Verfahrens zugestimmt. Die Zahlungsklage sei vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängig, da sie unstreitig Zeiträume nach Ablauf der Kündigungsfrist betreffe. Im Übrigen sei der Unterhalt des Klägers in Zukunft auch abgesichert, da er zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung mit Wirkung ab dem 13.03.2009 im Rahmen eines Prozessbeschäftigungsverhältnisses weiterbeschäftigt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26.03.2009 den Rechtsstreit nach § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits (5 Sa 65/09) ausgesetzt. Der maßgebliche Zweck des § 148 ZPO sei die Prozessökonomie und damit die Vermeidung doppelter Prüfung derselben Streitfragen und nicht allein die Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen. Dies führt in arbeitsgerichtlichen Verfahren in aller Regel dazu, dass Klagen auf Vergütung, die vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängig sind, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits auszusetzen seien. Der Kläger habe kein besonderes Beschleunigungsinteresse dargelegt, insbesondere nicht eine Vereitelung der Vergütungsansprüche. Auch habe der Kläger Arbeitslosengeld und Wohngeld bezogen.

Gegen diesen ihm am 30.03.2009 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 09.04.2009 sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Kläger trägt vor,

die Aussetzung des Verfahrens widerspreche dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz. Das Arbeitsgericht habe das Verfahren zumindest bis zur Entscheidungsreife ggf. durch konkrete Auflagen fördern und vorantreiben müssen. Erst nach vollständiger Aufklärung des Sachverhalts hätte das Arbeitsgericht prüfen können, ob es ggf. einer Aussetzung der Vergütungsklage bedurft hätte. Die Vereitelung der Vergütungsansprüche liege auf der Hand, da die Beklagte mehrfach auf ihre desolate wirtschaftliche Situation und drohende Insolvenz hingewiesen habe. Er sei auch wirtschaftlich auf den Lohn angewiesen und müsse sich nicht vorrangig auf die Geltendmachung "öffentlicher Hilfe" verweisen lassen. Im Übrigen könnte er in einem ausgesetzten Verfahren keine weiteren Ansprüche klagerweiternd einführen, sondern müsste mit neuem Kostenaufwand eine neue Zahlungsklage anhängig machen.

Mit Beschluss vom 29.04.2009 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. U.a. hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass bereits in der Güteverhandlung zum Ausdruck gekommen sei, dass die Voraussetzungen des Verzugslohnanspruchs, insbesondere die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Klägers während des ggf. bestehenden Verzugslohnzeitraums, streitig werden könnten. Sowohl Zeitpunkt als auch Inhalt der richterlichen Auflagen stünden im Ermessen des Gerichts. Solange ein Verfahren ausgesetzt sei, bedürfe es jedoch entsprechender Auflagen nicht.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.

Auch in der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung in diesem Verfahren ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits ausgesetzt wird. Die Entscheidung über die Aussetzung steht nicht im Belieben der Parteien, sondern obliegt dem Gericht. Damit stellt das Gesetz die Aussetzung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts (BAG Urt. v. 26.09.1991 - 2 AZR 132/91 -, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 10; BAG Urt. v. 17.06.2001 - 2 AZR 587/02 -, EzA BGB § 626 Nr. 6 ,Verdacht strafbarer Handlung'). Dem Gericht steht bei der Anordnung der Aussetzung mithin ein Ermessensspielraum zu, wobei sich das Ermessen in den gesetzlichen Grenzen zu halten und sich an den gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift auszurichten hat. Das Gericht ist lediglich befugt zu prüfen, ob das Arbeitsgericht die gesetzliche Grenze des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Das Beschwerdegericht kann insoweit sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens desjenigen Gerichts setzen, dessen Entscheidung angefochten wird (Hessisches LAG Beschl. v. 07.08.2003 - 11 Ta 267/03 -, NZA-RR 2004, 264). Unzulässig ist eine Aussetzung dann, wenn der Rechtsstreit ohne Klärung der in vorgreiflichen Prozess maßgeblichen Rechtsfrage entscheidungsreif ist (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., Rn. 4 zu § 148). Dies ist immer dann der Fall, wenn die Klage bereits wegen Unschlüssigkeit abweisungsreif ist.

Bei der Ermessensausübung sind einerseits der mit § 148 ZPO beabsichtigte Zweck, die doppelte Prüfung derselben Streitfrage in verschiedenen Prozessen zu vermeiden (Prozessökonomie), aber auch die Vorschriften der einschlägigen Prozessordnung zu berücksichtigen. Für das arbeitsgerichtliche Verfahren bedeutet dies, dass die in §§ 9 Abs. 1 S. 1 und 61 a Abs. 1 ArbGG niedergelegten Grundsätze zur Beschleunigung zu berücksichtigen sind. Maßgeblich sind dabei immer die Umstände des Einzelfalles. Dabei wiegt der Beschleunigungsgrundsatz umso schwerer, je länger der Prozess durch eine Aussetzung verzögert werden kann (LAG München Beschl. v. 22.02.1989 - 7 Sa 25/89 -, LAGE § 148 ZPO Nr. 20). Zu unterscheiden ist auch, ob es sich bei dem zur Aussetzung anstehenden Verfahren um eine Bestandsschutzstreitigkeit, die dem besonderen Beschleunigungsgrundsatz gemäß § 61 a Abs. 1 ArbGG unterliegt, oder um eine Lohnklage, die "nur" dem allgemeinen Beschleunigungsgrundsatz nach § 9 Abs. 1 ArbGG unterliegt, handelt.

Das Beschwerdegericht ist auf die Überprüfung beschränkt, ob die Voraussetzungen der Entscheidung für eine Aussetzung des Verfahrens verkannt worden sind oder das Arbeitsgericht die Grenzen des Ermessens überschritten hat.

Hieran gemessen liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens - jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt - nicht vor. Es steht derzeit gerade noch nicht fest, dass die Begründetheit des Vergütungsanspruchs (nur noch) von der Entscheidung des in zweiter Instanz anhängigen Kündigungsrechtsstreits abhängig ist. Die Aussetzung eines Rechtsstreits über Annahmeverzugslohn gemäß § 148 ZPO kommt erst dann in Betracht, wenn die Vorgreiflichkeit des Kündigungsschutzverfahrens durch das Gericht positiv festgestellt werden kann (LAG Thüringen Beschl. v. 27.06.2001 - 6/9 160/00 -, zit. n. Juris). In Anbetracht des in arbeitsgerichtlichen Verfahren ganz allgemein (§ 9 Abs. 1 ArbGG) und nicht nur bei Bestandsstreitigkeiten (§ 61 a Abs. 1 ArbGG) geltenden Beschleunigungsgrundsatzes hat das Arbeitsgericht den anhängigen Vergütungsprozess zumindest soweit voranzutreiben, dass die konkrete Entscheidung letztlich nur noch von der im Vorprozess zu klärenden Rechtsfrage (hier: Bestand des Arbeitsverhältnisses) abhängig ist. Erst dann setzt die Ermessensentscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ein.

Auf das vorliegende Verfahren übertragen bedeutet dies, dass - mit Ausnahme der streitigen Frage des Bestands eines Arbeitsverhältnisses - zunächst die übrigen Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs auf Annahmeverzugslohn gemäß §§ 611, 615 BGB geprüft werden müssen. So setzt der Anspruch auf Verzugslohn neben der Leistungsfähigkeit auch die Leistungswilligkeit voraus. Ferner könnte streitig sein, ob und ggf. in welcher Höhe ein anderweitiger Verdienst oder böswillig unterlassenen Verdienst anzurechnen ist. Vorliegend hat das Arbeitsgericht selbst in dem Nichtabhilfebeschluss darauf hingewiesen, dass die Beklagte in der Güteverhandlung gerade die Leistungswilligkeit des Klägers in Abrede gestellt hat. Vor diesem Hintergrund konnte das Arbeitsgericht - ohne vorherige Aufklärung des Sachverhalts - gar nicht beurteilen, ob der Kündigungsrechtsstreit überhaupt vorgreiflich für die Lohnklage ist. Denkbar ist nämlich auch, dass sich - ggf. nach einer Beweisaufnahme - herausstellt, dass der Kläger weder leistungsfähig noch leistungswillig im Verzugszeitraum war. Dann aber wäre die Klage unabhängig vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits entscheidungsreif, nämlich abweisungsreif.

Zudem ist dem Kläger aufgrund des arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatzes nicht zumutbar, dass das Arbeitsgericht aufgrund der vorzeitigen Aussetzung des Verfahrens erst nach einer rechtskräftig zugunsten des Arbeitnehmers getroffenen Entscheidung im Kündigungsrechtsstreit durch Erteilung entsprechender Auflagen und Fristen damit beginnt, den Sachverhalt (Leistungsfähigkeit, Leistungswilligkeit, Anrechnung von anderem Erwerb etc.) aufzuklären. Eine derartige Verzögerung ist auch in Anbetracht dessen nicht hinzunehmen, dass mit fortschreitendem Zeitablauf das Erinnerungsvermögen möglicher Zeugen nicht mehr gewährleistet ist.

Eine Kostenentscheidung entfällt. Die Kosten sind Kosten des Rechtsstreits insgesamt.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich (§ 574 ZPO).

§ 148 ZPO Stellung zu nehmen.Der Kläger hat der ang § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit bis zur rechtskräf § 148 ZPO sei die Prozessökonomie und damit die Ver § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung i § 148 ZPO beabsichtigte Zweck, die doppelte Prüfung §§ 9 Abs. 1 S. 1 und 61 a Abs. 1 ArbGG niedergelegt § 61 a Abs. 1 ArbGG unterliegt, oder um eine Lohnkl § 9 Abs. 1 ArbGG unterliegt, handelt.Das Beschwerde § 148 ZPO kommt erst dann in Betracht, wenn die Vor §§ 611, 615 BGB geprüft werden müssen. So setzt der

Ende der Entscheidung

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