Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 03.06.2008
Aktenzeichen: 5 TaBV 2/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
1. Dem Betriebsrat steht bei der Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. Das Mitbestimmungsrecht dient vornehmlich der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges.

2. Ändert der Arbeitgeber eine bestehende Vergütungsordnung ohne Mitwirkung des Betriebsrats derart, dass er die Eingangsvergütungen in prozentual unterschiedlicher Höhe absenkt, kann der Betriebsrat die Zustimmung zur geplanten Eingruppierung verweigern. Die Änderung der abstrakten Mindestdifferenzen zwischen den Gehältern der einzelnen Vergütungsgruppen stellt einen Eingriff in die innerbetriebliche Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit der Vergütungsordnung dar und löst somit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 5 TaBV 2/08

Verkündet am 03.06.2008

Im Beschlussverfahren

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 03.06.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 21.11.2007, Az.: öD 5 BV 116 b/07, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung zweier Mitarbeiterinnen.

Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt drei psychiatrische Einrichtungen in Schleswig-Holstein. Der Antragsgegner ist der bei der Arbeitgeberin gebildete 14-köpfige Betriebsrat. Die Antragsgegnerin beschäftigt an den drei Standorten N..., H... und K... insgesamt ca. 1.800 Mitarbeiter. Bis zum 03.01.2005 firmierte die Arbeitgeberin unter dem Namen p...-G... in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Die p...-G... war gemäß § 10 Abs. 1 Fachklinikgesetz zur Anwendung des Bundesangestellten-Tarifvertrags (BAT) in ihren Einrichtungen verpflichtet und gruppierte die Mitarbeiter in die tarifliche Vergütungsgruppenordnung ein. Die Landesverordnung über den Formwechsel und die Veräußerung der p...-Gruppe vom 13.10.2004 (GVOBl. Schl.-Holst., Seite 401) regelte die Umwandlung der Arbeitgeberin in eine gGmbH. Mit Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, die am 04.01.2005 erfolgte, vollzog sich der Formwechsel. Mit Vollzug des Formwechsels entfiel die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Anwendung des BAT auf neu eintretende Beschäftigte gemäß Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Umwandlung psychiatrischer Einrichtungen und Entziehungsanstalten vom 24.09.2004 (GVOBl. Schl.-Holst., Seite 350).

Ab dem 04.01.2005 gruppierte die Arbeitgeberin neu eingestellte Mitarbeiter nicht mehr in die Vergütungssystematik des BAT ein und berief sich darauf, die Gehälter individuell ohne Anlehnung an eine Vergütungsordnung auszuhandeln. In einem vorherigen Beschlussverfahren (ArbG Lübeck: 1 BV 62/05 = LAG Schleswig-Holstein: 4 TaBV 49/05) hatte der Betriebsrat u.a. beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, seine Zustimmung zur Eingruppierung der neu eingestellten Arbeitnehmerinnen D... und P... einzuholen und im Falle der Verweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Mit Beschluss vom 03.11.2006 gab das Arbeitsgericht den Anträgen statt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 18.05.2006 zurück. Das seitens der Arbeitgeberin eingeleitete Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht erklärten die Beteiligten für erledigt, nachdem die Arbeitgeberin eine in ihren Einrichtungen anzuwendende "Mindestentgelttabelle A... P... gGmbH" (im Folgenden: Entgelttabelle, Bl. 9 f. d.GA.) entwickelt hatte und das hier streitgegenständliche Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet hatte.

Die in der Entgelttabelle festgelegten Vergütungsgruppen sowie deren jeweiligen Stufen und Entwicklungsstufen entsprechen der Systematik der Vergütungsordnungen zum TV-L bzw. TVÜ-L. Die Arbeitgeberin senkte indessen die jeweiligen Eingangsstufen der einzelnen Vergütungsgruppen im Verhältnis zur tariflichen Vergütung in prozentual unterschiedlicher Höhe ab. Die Absenkung erfolgte in einem Korridor von ca. 12 % bis ca. 40 %.

Mit Schreiben vom 19.04.2007 (Bl. 18 u. 19 d.GA.) beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Eingruppierung der Pflegeassistentin M... P... in die Entgeltgruppe 3a Stufe 2 der Entgelttabelle und die Eingruppierung der Altenpflegerin C... D... in die Entgeltgruppe 7a Stufe 2 der Entgelttabelle. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu beiden Eingruppierungsanträgen mit Schreiben vom 24.04.2007 unter Hinweis darauf, dass die Vergütungsstruktur der Entgelttabelle nicht der im Betrieb bestehenden (tariflichen) Vergütungsstruktur entspreche (Bl. 20 bis 23 d.GA.).

Am 29.06.2007 hat die Arbeitgeberin das Zustimmungsersetzungsverfahren zur entsprechenden Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen P... und D... nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor dem Arbeitsgericht eingeleitet.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Vorbringens der Beteiligten, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf Ziff. I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen.

Mit Beschluss vom 21.11.2007 hat das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen. Der Betriebsrat habe die begehrte Zustimmung zur Eingruppierung zu Recht verweigert. Durch die Anwendung der von ihr entwickelten Entgelttabelle habe die Arbeitgeberin gegen das dem Betriebsrat zustehende Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstoßen. Die vormals kraft Gesetzes bestehende tarifliche Vergütungsordnung habe jedenfalls als betriebliche Vergütungsordnung fortbestanden. Die Arbeitgeberin habe mit der Einführung der Entgelttabelle die einzelnen Entgeltgruppen nach unterschiedlichen Prozentsätzen abgesenkt und hierdurch den relativen Abstand der Vergütungsgruppen untereinander geändert. Durch das von der Arbeitgeberin entwickelte System ändere sich der relative Abstand der jeweiligen Gesamtvergütung zueinander, sodass nicht eine einheitliche und gleichmäßige Absenkung - um einen einheitlichen Prozentsatz - der Grundvergütung festgestellt werden könne, sondern sich der relative Abstand der jeweiligen Gesamtvergütung zueinander ändere. Zur Ausgestaltung des Entlohnungsgrundsatzes gehöre auch die Aufstellung des Entgeltsystems mit allen seinen Einzelheiten sowie die Bildung von Gehaltsgruppen nach bestimmten Kriterien einschließlich der isolierten Festsetzung der Wertunterschiede nach Prozentsätzen und sonstigen Bezugsgrößen. Festgesetzt werden müsse mithin auch das Verhältnis zwischen den Tarifgruppen.

Gegen diesen ihr am 18.12.2007 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 15.01.2008 beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 18.03.2008 am 06.03.2008 begründet.

Die Arbeitgeberin trägt vor,

entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts handele es sich nicht um eine Änderung der bisher im Betrieb der Antragstellerin geltenden Vergütungsordnung, sondern lediglich um eine Veränderung der mitbestimmungsfrei festlegbaren Höhe der Vergütung durch den Arbeitgeber. Sie habe bei Aufstellung der Entgelttabelle die Struktur der bisher im Betrieb geltenden Vergütungsordnung nicht verändert, sondern nur der Höhe nach herabgesetzt. Sie habe die Höhe der jeweiligen Eingangsstufe abgesenkt, hinsichtlich der prozentualen Abstände zu den Entwicklungsstufen habe sie keine Veränderungen vorgenommen. Ein Unterschied zur tariflichen Vergütungsordnung bestehe nur bezüglich der einzelnen Entgeltgruppen hinsichtlich der individuellen Höhe der Entgelte. Darüber seien auch die Abstände zwischen den Entgeltgruppen verändert worden. Die vom Arbeitsgericht vertretene Auffassung würde dazu führen, dass das Recht des Arbeitgebers auf mitbestimmungsfreie Festlegung der Lohnhöhe sich auf einen einzigen Wert in der gesamten Vergütungstabelle reduzieren würde. Dem Arbeitgeber werde hierdurch das Recht genommen, die Höhe der Vergütung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern frei festzusetzen. Dieses Recht würde auf die Festlegung eines einzelnen Tabellenwertes beschränkt. Eine solche Auffassung sei durch das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht gedeckt. Das Mitbestimmungsrecht bezwecke, dass vergleichbare Tätigkeiten vergleichbaren Entgeltgruppen zugeordnet würden. Die Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit würde beeinträchtigt sein, wenn der Arbeitgeber berechtigt wäre, einzelne Arbeitnehmer im Vergleich zu allen anderen von derartigen Entgeltbestandteilen oder Steigerungsmöglichkeiten auszunehmen. Bei der Entgelttabelle sei die Aufteilung in Grund- und Entwicklungsstufen indessen vom Tarifvertrag unverändert übernommen worden, als auch die sonstigen Vergütungsbestandteile. Demgegenüber sei der relative Abstand zwischen den Vergütungsgruppen für die Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit irrelevant. Die "Wertigkeit" einer Arbeitsleistung und die Angemessenheit der Vergütung seien nicht abhängig davon, wie eine völlig andere Tätigkeit bewertet werde. Der relative Abstand einer Vergütungsgruppe zur anderen Vergütungsgruppe sei für die Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit unerheblich. Das Recht des Arbeitgebers zur mitbestimmungsfreien Festlegung der Lohnhöhe folge aus den Grundrechten der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und des Eigentumsschutzes (Art. 14 GG). Der aufgezeigte Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG rechtfertige den Eingriff in die grundrechtlichen Gewährleistungen hinsichtlich des Rechts des Arbeitgebers zur freien Festlegung der Vergütungshöhe im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG nicht.

Die antragstellende Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 21.11.2007, Az.: ö.D. 5 BV 116 b/07, abzuändern und

1. die verweigerte Zustimmung des antragsgegnerischen Betriebsrates zur Eingruppierung der Pflegeassistentin M... P... in die Entgeltgruppe 3 a Stufe 2 der Entgelttabelle der A... p... gGmbH zu ersetzen,

2. die verweigerte Zustimmung des antragsgegnerischen Betriebsrates zur Eingruppierung der Altenpflegerin C... D... in die Entgeltgruppe 7 a Stufe 2 der Entgelttabelle der A... p... gGmbH zu ersetzen,

Der antragsgegnerische Betriebsrat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Betriebsrat verteidigt

den angefochtenen Beschluss. Mitbestimmungsfrei könne die Arbeitgeberin eine neue Lohnhöhe festlegen, wenn sie das nach der Tarifstruktur vorgegebene Gehaltsgefüge auf horizontaler und vertikaler Ebene um einen einheitlichen Prozentsatz absenke. In diesem Fall ändere sie das Entgeltsystem nicht. Es sei richtig, dass die Arbeitgeberin innerhalb der jeweiligen Entgeltgruppe (annähernd) - auf horizontaler Ebene - das tarifvertragliche System mit der Entgelttabelle fortführe. Der relative Abstand zwischen den Entgeltgruppen - vertikale Ebene - ändere sich durch die unterschiedliche Absenkung der Gehälter, ohne dass der Arbeitgeber es vermocht habe, darzustellen, aus welchen Gründen gleichwohl das tarifliche System beibehalten worden sei. Mitbestimmungsfrei könne der Arbeitgeber nur eine einheitliche Absenkung eines bestehenden Entgeltsystems vornehmen. Entscheide sich der Arbeitgeber indessen, ein bestehendes Entgeltsystem in unterschiedlicher Höhe abzusenken, stehe ihr eine solche Entscheidung frei, sie habe dann jedoch den Betriebsrat zu beteiligen, weil sie mit der Änderung des Entgeltsystems ein neues Entgeltsystem einführe. Der durch die Entgelttabelle abgeänderte TV-Länder sei nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb einer Berufsgruppe bzw. einer Entgeltgruppe ein bestimmter beruflicher Werdegang hinsichtlich der Vergütung vorgezeichnet werde. Die Entgeltgruppen stünden auch untereinander in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Die Tarifsystematik beinhalte folglich, dass nicht nur die Vergütungsgruppe beispielsweise eines Arztes innerhalb seiner Entgeltgruppe durch den beruflichen Werdegang bestimmt werde, sondern dass auch zugleich durch die Entgeltgruppe festgelegt werde, in welchem Verhältnis das Gehalt eines Arztes zu dem Gehalt beispielsweise eines Krankenpflegers stehe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 03.06.2008 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 89 Abs. 1, Abs. 2; 89 Abs. 2; 66 Abs. 1; 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 518; 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Beschwerde keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Zustimmungsersetzungsanträge zur Eingruppierung nach § 99 Abs. 4 BetrVG betreffend die Arbeitnehmerinnen D... und P... sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann und soll auf Ziff. II. der Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden. Lediglich ergänzend und auf die Ausführungen der Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren eingehend, wird noch Folgendes ausgeführt:

1. Der Betriebsrat hat zu Recht die beantragte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen D... und P... nach Entgeltgruppen der von der Arbeitgeberin aufgestellten Entgelttabelle gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG i. V. m. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG abgelehnt. Nach dieser Vorschrift kann der Betriebsrat seine Zustimmung u.a. verweigern, wenn die beantragte personelle Einzelmaßnahme gegen ein Gesetz verstößt. Durch die Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen in die Entgelttabelle verletzt die Arbeitgeberin die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Arbeitgeberin hat unstreitig bei Aufstellung der Entgelttabelle den Betriebsrat nicht beteiligt.

2. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin standen dem Betriebsrat bei der Aufstellung der Entgelttabelle die Mitwirkungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Die Beteiligung des Betriebsrats in diesem Bereich soll den Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten Lohngestaltung schützen. Es geht um die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges. Die innerbetriebliche Lohngestaltung soll durch die Mitbestimmung des Betriebsrates gewährleistet werden (BAG Beschl. v. 14.12.1993 - 1 ABR 31/93 -, AP Nr. 65 zu § 87 BetrVG 1972 ,Lohngestaltung'; BAG Beschl. v. 28.02.2006 - 1 ABR 4/05 -, AP Nr. 127 zu § 87 BetrVG 1972 ,Lohngestaltung').

Mitbestimmungspflichtig ist auch die Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze durch den Arbeitgeber. Dabei kommt es für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze erfolgte, ob etwa auf der Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung. Dies gilt auch dann, wenn - wie vorliegend - die Anwendung eines tariflichen Lohngefüges auf gesetzlicher Anordnung erfolgte. In allen Fällen unterliegt die Änderung der Mitbestimmung (st. Rspr. des BAG, vgl. nur: Beschl. . 28.02.2006 - 1 ABR 4/05 -, a.a.O.).

3. Hieran gemessen hat die Arbeitgeberin mit der Einführung der Entgelttabelle die bis zum 03.01.2005 bestehenden tariflichen Entlohnungsgrundsätze geändert.

a) Unstreitig hat die Arbeitgeberin bis zum 03.01.2005 die tariflichen Vergütungsgruppenordnungen der TV-Länder sowie TVÜ-Länder angewandt, wozu sie kraft Gesetzes verpflichtet war. Die bis zum 03.01.2005 neu eingestellten Mitarbeiter gruppierte sie mithin nach dem TVÜ-Länder und dem TV-Länder sowie den dazugehörigen Lohn- und Überleitungstabellen ein. Die tarifliche Gehaltsstruktur des TV-Länder ist durch 15 unterschiedliche Entgeltgruppen gekennzeichnet, die ihrerseits jeweils zwei Grundentgeltstufen und bis zu vier Entwicklungsstufen aufweisen. Daneben beinhaltet die tarifliche Gehaltsstruktur noch sonstige Vergütungsbestandteile wie Jahressonderzahlung, Urlaubsgeld, Zuschläge und Zulagen etc.. Unstreitig hat die Arbeitgeberin in der von ihr entwickelten Entgelttabelle sowohl die 15 Entgeltgruppen als auch die Unterteilung nach einem zweistufigen Grundentgelt und bis zu vier Entwicklungsstufen und der tariflichen Systematik übernommen. Insoweit erfolgte keine Änderung.

b) Indessen rügt der Betriebsrat zu Recht, dass die Beklagte mit der Entgelttabelle die Grundvergütungen der einzelnen Entgeltgruppen in prozentual unterschiedlicher Höhe gegenüber der tariflichen Vergütung abgesenkt und damit das Mitwirkungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt hat.

aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen über die Faktoren für die Lohnfindung einschließlich der Festlegung einzelner Lohngruppen zueinander sowie über das Verfahren, nach dem sich die Bestimmung des Entgelts richtet; es ist mit ihm die Struktur der Vergütung einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen zu vereinbaren. Das Mitbestimmungsrecht umfasst mithin nicht nur die Aufstellung von Vergütungsgruppen und Entwicklungsstufen, sondern auch die Verteilungsrelationen in Bezug auf die Vergütungsgruppen, mithin die Festlegung der Relationen zwischen den einzelnen Vergütungsgruppen (LAG Berlin Beschl. v. 23.11.2005 - 4 TaBV 1419/05 -, zit. n. Juris). Nicht nur die Festlegung abstrakter Eingruppierungsmerkmale, sondern auch die abstrakte Festlegung von Mindestdifferenzen zwischen den Gehältern der einzelnen Vergütungsgruppen dient gerade der innerbetrieblichen Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit. Die Herstellung der Verteilungsgerechtigkeit ist neben der Transparenz des Lohngefüges ein originärer Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (LAG Düsseldorf Beschl. v. 29.01.2008 - 8 TaBV 64/07 -, zit. n. Juris). So hat bereits das Bundesarbeitsgericht in dem Beschluss vom 14.12.1993 - 1 ABR 31/93 - (a.a.O., Rn. 39) ausgeführt, dass zur Ausgestaltung des Entlohnungsgrundsatzes "nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Aufstellung des Entgeltsystems mit allen seinen Einzelheiten sowie die Bildung von Gehaltsgruppen nach bestimmten Kriterien einschließlich der isolierten Festsetzung der Wertunterschiede nach bestimmten Prozentsätzen oder sonstigen Bezugsgrößen" gehört.

bb) Hingegen besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung der absoluten Höhe der Vergütung. Es obliegt grundsätzlich dem Arbeitgeber, darüber zu bestimmen, welches Entgeltvolumen er insgesamt für die Bezahlung der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zur Verfügung stellen will (LAG Hamm Beschl. v. 17.082007 - 13 TaBV 10/07 -, zit. n. Juris). Mithin unterliegt die prozentual gleichmäßige Absenkung der Eingangsvergütung für neu eingestellte Arbeitnehmer nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (LAG Düsseldorf Beschl. v. 29.01.2008 - 8 TaBV 64/07 -, a.a.O.). Soweit der Arbeitgeber die tariflichen Vergütungssätze jeweils um einen gleichen Prozentsatz unterschreitet, liegt hierin lediglich eine mitbestimmungsfreie Änderung der absoluten Lohnhöhe, nicht aber eine Änderung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze (BAG Beschl. v. 28.02.2006 - 1 ABR 4/05 -, a.a.O.). Durch die gleichmäßige Absenkung der Grundvergütung der einzelnen Vergütungsgruppen werden die Verteilungsrelationen zwischen den Vergütungsgruppen gerade nicht verändert. Die Verteilungsrelationen bleiben nur dann unverändert, wenn der Arbeitgeber die Löhne der Vergütungsgruppen einheitlich um einen bestimmten Prozentsatz verringert oder den Ecklohn, nach dem sich die übrigen Vergütungsgruppen richten, absenkt.

cc) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Arbeitgeberin mit der Aufstellung der Entgelttabelle indessen nicht nur die absolute Vergütungshöhe abgesenkt, sondern auch die Verteilungsgrundsätze im Verhältnis zu denjenigen der TV-Länder und TVÜ-Länder geändert.

(1) Die Arbeitgeberin verkennt insbesondere, dass es im Rahmen des Mitbestimmungsrechts des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht um die Wertigkeit und Angemessenheit der Lohnhöhe einer einzelnen Vergütungsgruppe, sondern um die Wertigkeit und Angemessenheit der Vergütungsordnung insgesamt und damit insbesondere auch um die Verteilungsgerechtigkeit geht. Die wird aber geprägt durch die Gehaltsrelationen zwischen den einzelnen Vergütungsgruppen. Die mitbestimmungsfreie Festlegung und damit auch Absenkung der Lohnhöhe bezieht sich auf die insgesamt vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellende Lohnsumme, nicht aber auf die Lohnhöhe jeder einzelnen Vergütungsgruppe. Mithin kann der Arbeitgeber die Verteilungssumme ohne Beteiligung des Betriebsrats festlegen oder ändern, nicht hingegen diese absolute Lohnhöhe nach geänderten Sätzen auf die Vergütungsgruppen verteilen. Anderenfalls würde er den abstrakten Abstand zwischen den Löhnen der einzelnen Vergütungsgruppen verändern und damit in die bestehende Lohnstruktur eingreifen.

(2) Das so verstandene Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt auch nicht die Grundrechte der Arbeitgeberin auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und Eigentumsschutz (Art. 14 Abs. 1 GG). Entgegen der im Beschwerdetermin geäußerten Ansicht kann der Betriebsrat über § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG keinen Einfluss darauf nehmen, für einzelne Arbeitnehmergruppen bzw. Vergütungsgruppen eine höhere Vergütung zu erzwingen. Vielmehr kann die Arbeitgeberin mitbestimmungsfrei die insgesamt zu verteilende Gehaltssumme festlegen oder ändern und damit auch absenken. Im Übrigen ist der Arbeitgeber auch nicht gezwungen, auf immer und ewig an den ehemals geltenden Verteilungssätzen bzw. Wertunterschieden zwischen den einzelnen Vergütungsgruppen festzuhalten. Sofern er indessen die relativen Abstände der Lohnhöhe zwischen den Vergütungsgruppen und damit die Verteilungsstruktur ändern will, kann er dies nur einvernehmlich mit dem Betriebsrat. Wenn dieser den geänderten Lohnabständen zwischen den Vergütungsgruppen nicht zustimmt, besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen, § 87 Abs. 2 BetrVG. Die durch den Spruch der Einigungsstelle erzwingbare - aus Sicht des Arbeitgebers - gerechte Verteilung der absoluten Lohnsumme auf die einzelnen Entgeltgruppen lässt die Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG unberührt. Die hierfür vom Arbeitgeber aufzuwendenden Kosten (§ 76a BetrVG) belasten ihn nicht übermäßig und beeinträchtigen dessen Eigentumsverhältnisse nicht grundlegend. Auch der verfassungsrechtlich geschützte Freiraum des Unternehmers und Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1 GG wird nicht verletzt, da die Einigungsstelle in allen Fällen, in denen der Betriebsrat mitzubestimmen hat, die Belange des Betriebs und der Arbeitnehmer gemäß § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG nach billigem Ermessen angemessen zu berücksichtigen hat (BAG Beschl. v. 16.12.1986 - 1 ABR 26/85 - AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 ,Prämie'). Inwieweit gleichwohl hierin ein unzulässiger Eingriff in Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG liegen soll, erschließt sich der Kammer nicht.

(3) Soweit sich die Arbeitgeberin in der Beschwerdeverhandlung erstmals darauf berufen hat, dass es keine festen relativen Abstände zwischen den einzelnen Vergütungsgruppen des TV-Länder gebe, weil Arbeitnehmer mit ein und derselben Tätigkeit aufgrund der Bestimmungen des TVÜ-Länder in unterschiedliche Entgeltgruppen des TV-Länder einzugruppieren seien, hilft auch dieser Einwand erkennbar nicht weiter. Die Arbeitgeberin übersieht, dass es vorliegend nicht um das Mitbestimmungsrecht bei der Eingruppierung als solche nach § 99 Abs. 1 BetrVG geht, sondern um die Vorstufe zur Eingruppierung, nämlich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung einer betrieblichen Lohnstruktur nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die für die Eingruppierung der beiden Arbeitnehmerinnen vorgesehene Entgeltgruppe ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist nur das Mitbestimmungsrecht bei Aufstellung der betrieblichen Entgelttabelle. Natürlich ist die Entgelttabelle des TV-Länder strukturell durch die Abstände der Lohnhöhe zwischen den einzelnen Vergütungsgruppen bestimmt. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Für die Auslösung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG müssen die ursprünglichen Verteilungsrelationen entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin auch nicht eigens in der Vergütungsordnung prozentual festgelegt sein. Dies ist in aller Regel nur bei Vergütungsordnungen der Fall, die die Entlohnungsstruktur auf der Basis eines Ecklohns festlegen. Sofern indessen - wie vorliegend - den einzelnen Vergütungsgruppen eine bestimmte Lohnhöhe zugeordnet ist, ergibt sich die Verteilungsrelation immanent aus den Lohnabständen zwischen den einzelnen Vergütungsgruppen.

4. Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen zum Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei Änderung der Verteilungsrelationen sind höchstrichterlich geklärt, mit der die vorliegende Entscheidung im Einklang steht. Es liegt auch kein Fall der Divergenz vor.

Ende der Entscheidung

Zurück