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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 5 TaBV 45/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 78 a
1. Auch dringende betriebliche Gründe können eine Weiterbeschäftigung des nach § 78 a Abs. 2 BetrVG übernommenen Auszubildenden i. S. v. § 78 a Abs. 4 BetrVG unzumutbar machen. Dabei sind an die Unzumutbarkeit der Übernahme nach dem Wortlaut und Sinn und Zweck des § 78 a BetrVG strengere Anforderungen zu stellen als an die dringenden betrieblichen Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG (LAG München, Beschl. v. 12.10.2005 - 9 TaBV 30/05 -).

2. Die Weiterbeschäftigung ist dem Arbeitgeber danach grundsätzlich dann unzumutbar, wenn kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit seiner durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation beschäftigt werden kann (BAG, Beschl. v. 12.11.1997 - 7 ABR 73/06 -).

3. Sofern der Arbeitgeber die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung gemäß § 78 a Abs. 4 BetrVG mit der Streichung bislang vorhandener Stellen begründet, hat er darüber hinaus die Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit dieser unternehmerischen Entscheidung aufzuzeigen.

4. Wenn in einer Betriebsvereinbarung der Stellenplan genau festgeschrieben ist und dieser von den Betriebsparteien nur einvernehmlich abgeändert werden kann, ist es dem Arbeitgeber verwehrt, sich im Rahmen von § 78 a Abs. 4 BetrVG auf einen von der Geschäftsführung einseitig beschlossenen Stellenabbau zu berufen.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 5 TaBV 45/05

Verkündet am 21.03.2006

Im Beschlussverfahren

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 21.03.2006 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 29.09.2005, Az.: 3 BV 64/05, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Der 21-jährige Antragsgegner wurde bei der Antragstellerin in der Zeit vom 01.09.2002 bis zum 09.06.2005 zum Industriemechaniker, Fachrichtung Betriebstechnik, ausgebildet. Das Ausbildungsverhältnis endete aufgrund erfolgreich abgelegter Abschlussprüfung am 09.06.2005. Zu jenem Zeitpunkt war er Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Mit Schreiben vom 18.05.2005 hatte er die Übernahme in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis in seinem erlernten Beruf nach § 78 a BetrVG beantragt (Bl. 8 d.GA.). Die Antragstellerin lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 22.05.2005 ab, da alle unbefristeten Arbeitsplätze besetzt seien bzw. durch die vorhandene Personaldecke besetzt werden könnten (Bl. 9 d.GA.). Gleichzeitig bot sie ihm nach erfolgreicher Abschlussprüfung einen auf 12 Monate befristeten Arbeitsvertrag an. Dieses Angebot, welches die Antragstellerin allen Auszubildenden nach bestandener Abschlussprüfung unterbreitet, beruhte auf einer mit dem Betriebsrat vereinbarten Regelungsabsprache vom 10.07.1997 i. d. F. vom 17.02.1999 folgenden Inhalts (Bl. 10 f. d.GA.):

"Auszubildende mit erfolgreichem Abschluss werden zunächst für 12 Monate in ein Arbeitsverhältnis übernommen, das ihrem Berufsbild entspricht.

Besteht danach für dieses Berufsbild kein Personalbedarf, wird geprüft, ob eine Verwendungsmöglichkeit in sonstigen Bereichen entsprechend der erworbenen Qualifikation besteht.

Stellt sich nach eingehender Prüfung heraus, dass kein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden ist, endet das Arbeitsverhältnis."

Am 09.06.2005 nahm der Antragsgegner das Angebot der Antragstellerin auf Abschluss eines Jahresvertrags unter dem Vorbehalt "der rechtlichen Prüfung" an. Der Antragsgegner wird seitdem in der Schlosserei beschäftigt.

Am 10.07.1997 schlossen die Betriebsparteien die Betriebsvereinbarung "Betriebstechnik" zur Optimierung der Organisation der Betriebstechnik (= BV, Bl. 101-105 d.GA.). Hierin vereinbarten die Betriebsparteien u. a., dass sich die Anzahl der Mitarbeiter in allen Bereichen aus dem Stellenplan Anlage 3 ergebe, Nr. 8.6 BV. Nach Nr. 9.1 BV ist diese Anlage Teil der Betriebsvereinbarung. In Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung ist geregelt, dass die Betriebsvereinbarung mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende, jedoch erstmals zum 31.12.1998 kündbar ist und solange fort gilt, bis eine neue Regelung diese ersetzt. Die Betriebsvereinbarung ist inzwischen gekündigt worden. Eine neue Regelung haben die Betriebsparteien bislang nicht getroffen.

Die Anlage 3 zur Betriebsvereinbarung "Betriebstechnik" enthält den "Stellenplan Betriebstechnik" (Bl. 106 d.GA.), der für den Bereich Schlosser 43 Arbeitsplätze vorsieht.

Jeweils im September 2004, März 2005 und Juli 2005 begannen die Freistellungsphasen von drei sich in Altersteilzeit (Blockmodell) befindlichen Industriemechanikern der Abteilung Schlosserei. Nach dem Stellenbesetzungsplan der Antragstellerin sollten die Arbeitsplätze dieser ATZ-Arbeitnehmer nach Ende ihrer jeweiligen Arbeitsphasen nicht wieder besetzt werden. Daneben befindet sich in der Schlosserei der Mitarbeiter K... in "regulärer" Altersteilzeit (durchgängige Teilzeitarbeit), dessen Arbeitsverhältnis am 31.01.2007 enden wird. Nach dem Personalbedarfsplan der Antragstellerin soll dessen Arbeitsplatz ebenfalls nicht wieder besetzt werden.

Am 09.06.2005 hat die Antragstellerin beim Arbeitsgericht beantragt,

1. festzustellen, dass zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner mit Ablauf der Ausbildungszeit am 09.06.2005 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht begründet wird,

hilfsweise

2. das mit dem Antragsgegner gemäß § 78 a BetrVG begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Wegen des weiteren, insbesondere streitigen Vorbringens der Beteiligten in erster Instanz wird auf Ziff. I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses einschließlich der dortigen Inbezugnahmen verwiesen.

Mit Beschluss vom 29.09.2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Der Antrag zu Ziff. 1 sei bereits deshalb unbegründet, weil ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen Antragstellerin und Antragsgegner bereits kraft Gesetzes nach § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG entstanden sei. Hiergegen spreche auch nicht der Abschluss des auf 12 Monate befristeten Arbeitsverhältnisses. Dieses überlagere das gesetzlich entstandene Arbeitsverhältnis nur in dem Sinne, dass die vereinbarte Befristung nur in dem Falle der gerichtlichen Auflösung des gesetzlichen Arbeitsverhältnisses zum Tragen komme. Auch der Hilfsantrag auf Auflösung des gesetzlichen Arbeitsverhältnisses sei unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Auflösung nach § 78 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 2 BetrVG könnten nicht festgestellt werden. Die Antragstellerin habe die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Antragsgegners nicht schlüssig dargetan. Sie könne sich insoweit auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie im Juni 2004 beschlossen habe, im Bereich der Schlosserei von den 44 Arbeitsplätzen vier freiwerdende Arbeitsplätze dauerhaft nicht wieder zu besetzen. Auf den Einwand des Betriebsrats, dass diese Personalplanungen mit ihm nicht abgestimmt worden seien und nach wie vor ein unveränderter Personalbedarf vorhanden sei, hätte die Antragstellerin substantiiert zum Bedarf in der Schlosserei und der Organisation der verschiedenen Schichten vortragen müssen. Dies gelte umso mehr ob des Umstandes, dass zudem der Mitarbeiter Z..., der neben seiner Ausbilderfunktion auch Schlosserarbeiten verrichtet habe, zum 01.07.2005 ohne entsprechenden Ersatz in eine andere Abteilung versetzt worden sei. Zudem solle der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers K..., dessen Arbeitsverhältnis am 31.01.2007 ende, nicht wieder besetzt werden. Bei einem derartig drastischen Personalabbau könne sich der Arbeitgeber jedenfalls dann nicht ohne weiteres auf den Wegfall von Stellen berufen. Es obliege ihm darzulegen, dass er tatsächlich nicht mehr genügend Arbeit habe, um den ehemaligen Auszubildenden dauerhaft weiter zu beschäftigen.

Gegen diesen ihr am 21.10.2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 09.11.2005 beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 23.01.2006 am 23.01.2006 begründet.

Die Antragstellerin trägt vor, die Weiterbeschäftigung des Antragsgegners sei ihr aus betrieblichen Gründen unzumutbar, da zum Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses kein freier Arbeitsplatz vorhanden gewesen sei. Insbesondere sei sie auch angesichts des § 78 a BetrVG nicht verpflichtet, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Personalbedarfsplanung werde jeweils im September des Vorjahres in Abstimmung mit der Konzernebene, der Personalabteilung und jeweiligen Abteilungsleiter von der Geschäftsführung getroffen. Die Personalbedarfsplanung für den Bereich Schlosserei habe eine Reduzierung der Kopfzahl des Stammpersonals von 44 Mitarbeitern zum Stichtag 31.07.2004 auf 40 Mitarbeiter zum 31.12.2005 vorgesehen. Diese Planung habe auch noch am 09.06.2005 Gültigkeit besessen. Die Antragstellerin benennt namentlich die in der Schlosserei per 31.07.2004 (44) bzw. 31.12.2005 (40) beschäftigten Mitarbeiter (Bl. 87 f. d.GA.). Der Personalabbau sei bedingt durch eine Reduzierung der Gesamtzahl von Maschinen. Darüber hinaus seien seit 2001 verstärkt Arbeiten an Fremdfirmen ausgegliedert worden. Die Ausgaben für Wartungsarbeiten an Fremdfirmen seien von € 4,42 Mio im Jahr 2001 auf € 6,9 Mio im Jahr 2005 gestiegen. Zusätzlich würden verstärkt Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt, die zu einer geringeren Zahl an Reparaturmaßnamen führten. Über die Personalplanung 2005 im Schlossereibereich sei der Betriebsrat in der Wirtschaftsausschusssitzung informiert worden. Der nichtbestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Antragsgegners stehe auch nicht die Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses entgegen. Diese befristete Beschäftigung beruhe ausschließlich auf der Regelungsabrede vom 10.07.1997 und erfolge bedarfsunabhängig.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.09.2005, Az.: 3 BV 64/05, abzuändern und das gemäß § 78 a Abs. 2 BetrVG mit dem Antragsgegner begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Der Antragsgegner und die Beteiligten zu 3) und 4) beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner sowie die Beteiligten zu 3) und 4) verteidigen die angefochtene Entscheidung. Weder der Betriebsrat noch der Wirtschaftsausschuss seien über die Personalplanung informiert worden. In der jährlich im Dezember stattfindenden Sitzung des Wirtschaftsausschusses habe die Antragstellerin lediglich erklärt, dass es keine größeren Personalveränderungen gebe. Der nunmehr von der Antragstellerin behauptete Stellenabbau im Bereich Schlosserei verstoße gegen die Betriebsvereinbarung "Betriebstechnik". Insoweit machen sich der Antragsgegner und die Beteiligten zu 3) und 4) die Gründe des Beschlusses vom 14.10.2005 - 6 TaBV 12/05 - zu Eigen. Ausweislich der Anlage 3 zur Betriebsvereinbarung "Betriebstechnik" werde die Sekretärin nicht im Stellenplan "Schlosserei" geführt, obgleich die Antragstellerin diese bei der behaupteten Personalplanung mitzähle. Auch habe die Antragstellerin nicht berücksichtigt, dass der Mitarbeiter Z... unstreitig seit April/ Mai 2005 in einer anderen Abteilung arbeite, also nicht mehr als Schlosser i. S. d. BV "Betriebstechnik" geführt werde. Die von der Antragstellerin aufgestellte Personalliste Schlosserei sei auch deshalb falsch, weil der dort aufgeführte Mitarbeiter K... als Teilzeitarbeitnehmer in der Produktion der SBB-Endfertigung in Halle 61 arbeite und nicht in der Schlosserei. Selbst wenn die drei Arbeitsplätze der sich nunmehr in der Freistellungsphase befindlichen Schlosser nicht wieder besetzt werden sollten, wären zumindest noch drei weitere Stellen in der Schlosserei frei, auf denen der Antragsgegner unbefristet weiterbeschäftigt werden könnte. Im Übrigen ergebe sich aus der Personalübersicht der Kostenstelle 410 mit Stand Juni 2005, dass zu diesem Zeitpunkt 39 Schlosser einschließlich des Mitarbeiters Z... und den übernommenen Antragsgegner sowie ehemaligen Auszubildenden und Jugend- und Auszubildendenvertreter R... geführt worden seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf den Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze und Verweisungen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 87 Abs. 2, 89, 66 ArbGG.

In der Sache hatte die Beschwerde indessen keinen Erfolg.

Der in zweiter Instanz nur noch verfolgte Auflösungsantrag nach § 78 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BetrVG war zulässig. Die Antragsgegnerin hat den Auflösungsantrag nach § 78 a Abs. 4 Satz 1 Hbs. 1 BetrVG fristgerecht und in der richtigen Verfahrensart (Beschlussverfahren) vor dem Arbeitsgericht gestellt.

Der Auflösungsantrag ist indessen unbegründet.

1. Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner ist im Anschluss an dessen Berufsausbildungsverhältnis kraft Gesetzes gemäß § 78 a Abs. 2 BetrVG ein Arbeitsverhältnis begründet worden. Der Antragsgegner hat unstreitig als Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung seines Ausbildungsverhältnisses mit Schreiben vom 18.05.2005 bei der Antragstellerin die Übernahme in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis beantragt. Damit sind die Voraussetzungen für die gesetzliche Rechtsfolge des § 78 a Abs. 2 BetrVG erfüllt.

Im Ergebnis zutreffend hat bereits das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die Rechtswirksamkeit des kraft Gesetzes begründeten unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht durch den Abschluss des auf 12 Monate befristeten Arbeitsvertrages berührt wurde. Der Antragsgegner hat den befristeten Arbeitsvertrag vom 09.06.2005 nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der rechtlichen Überprüfung seiner Rechte aus § 78 a BetrVG unterzeichnet. Er hat mithin erkennbar gerade nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages - konkludent - auf seine Rechte aus § 78 a Abs. 2 BetrVG verzichtet. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

2. Gemäß § 78 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BetrVG kann ein nach § 78 a Abs. 2 oder 3 BetrVG begründetes Arbeitsverhältnis wieder aufgelöst werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann.

a) Die Weiterbeschäftigung ist dem Arbeitgeber grundsätzlich dann unzumutbar, wenn zum Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses im Ausbildungsbetrieb kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit seiner durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation beschäftigt werden kann (ständige Rspr.: BAG, Beschl. v. 28.06.2000 - 7 ABR 57/98 -, zit. n. Juris; m. diversen Rspr.-Nachw.). Der Begriff der Unzumutbarkeit i. S. v. § 78 Abs. 4 BetrVG ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unabhängig von den zu § 626 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätzen zu bestimmen. Während sich die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nach § 626 BGB auf den Zeitraum der ordentlichen Kündigungsfrist bezieht, beurteilt sich die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung gemäß § 78 a Abs. 4 ArbGG nach der unbefristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

b) Auch dringende betriebliche Gründe können eine Weiterbeschäftigung des übernommenen Auszubildenden unzumutbar machen. Dabei sind an die Unzumutbarkeit der Übernahme nach dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes strengere Anforderungen zu stellen als an die dringenden betrieblichen Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG (LAG München, Beschl. v. 12.10.2005 - 9 TaBV 30/05 -, zit n. Juris). Der Normzweck § 78 a BetrVG zielt u. a. darauf ab, die Kontinuität und Unabhängigkeit der Arbeit in der Jugend- und Auszubildendenvertretung sicherzustellen (BAG, Beschl. v. 06.11.1996 - 7 ABR 54/95 -, AP Nr. 26 zu § 78 a BetrVG; Oetker GK-BetrVG, 8. Aufl., Rn. 1 zu § 78 a). Deshalb sind an die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen strenge Anforderungen zu stellen. Dem Arbeitgeber muss die Weiterbeschäftigung schlechterdings unzumutbar sei. Die Weiterbeschäftigung ist dem Arbeitgeber danach grundsätzlich dann unzumutbar, wenn kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit seiner durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation beschäftigt werden kann (BAG, Beschl. v. 12.11.1997 - 7 ABR 73/06 -, AP Nr. 31 zu § 78 a BetrVG).

b)

aa) Ob der Arbeitgeber einen andauernden Beschäftigungsbedarf hat und mithin ein freier Arbeitsplatz für den durch § 78 a BetrVG geschützten Auszubildenden zur Verfügung steht, bestimmt sich nicht danach, ob Arbeitsaufgaben vorhanden sind, mit deren Verrichtung ein Arbeitnehmer betraut werden könnte. Welche Arbeiten im Betrieb verrichtet werden sollen und wie viele Arbeitnehmer damit beschäftigt werden, bestimmt vielmehr der Arbeitgeber durch seine arbeitstechnischen Vorgaben und seine Personalplanung (BAG, Beschl. v. 20.03.2000 - 7 ABR 57/98 -, a.a.O.). Diese von der freien Unternehmerentscheidung gedeckte Personalplanungshoheit des Arbeitgebers umfasst grundsätzlich auch die Entscheidung, durch Veränderung der Arbeitsorganisation Arbeitsplätze wegfallen zu lassen (BAG, Beschl. v. 12.11.2997 - 7 ABR 73/96 -, a.a.O.). Sofern der Arbeitgeber die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung gemäß § 78 a Abs. 4 BetrVG mit der Streichung von Stellen bzw. Personalabbau begründet, hat er darüber hinaus die Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit dieser unternehmerischen Entscheidung aufzuzeigen. Insoweit kann auf die Rechtsprechung zur sog. kündigungsnahen Unternehmerentscheidung verwiesen werden (BAG, Urt. v. 22.05.2003 - 2 AZR 326/02 -, AP Nr. 128 zu § 1 KSchG 'Betriebsbedingte Kündigung').

bb) Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die Personalabbau-Entscheidung über vier Stellen im Bereich der Schlosserei auch tatsächlich umgesetzt worden ist oder ob alle oder einige dieser gestrichenen Stellen letztlich wieder besetzt worden sind durch befristet übernommene Auszubildende. Denn für das Bestehen eines auch nach Ansicht des Arbeitgebers zu befriedigenden Beschäftigungsbedarfs und damit für das Bestehen eines freien Arbeitsplatzes kann eine Weiterbeschäftigung aufgrund eines vom Arbeitgeber (freiwillig) eingegangenen befristeten Arbeitsverhältnisses sprechen (BAG, Beschl. v. 12.11.1997 - 7 ABR 73/96 -, a.a.O.). Vorliegend beruft sich die Antragstellerin indessen auf ihre Verpflichtung zur befristeten Weiterbeschäftigung von Auszubildenden nach erfolgreicher Abschlussprüfung gemäß der Regelungsabrede vom 10.07.1997. Indessen hindert die Regelungsabrede den Arbeitgeber nicht, einen Auszubildenden nach erfolgreicher Abschlussprüfung auch bedarfsorientiert auf einer regulären Planstelle für 12 Monate befristet einzustellen. Die befristete Weiterbeschäftigungsgarantie für Auszubildende gemäß der Regelungsabrede zwingt den Arbeitgeber nicht, in jedem Fall eine neue oder freiwerdende Stelle mit einem unbefristet einzustellenden Arbeitnehmer zu besetzen, obwohl er gleichzeitig einen Auszubildenden für ein Jahr befristet einstellen muss.

Für die Kammer steht mithin nicht zweifelsfrei fest, ob in der Schlosserei tatsächlich vier Arbeitsplätze weggefallen sind und somit kein Beschäftigungsbedarf für den Antragsgegner vorhanden ist. Sofern nur einer dieser vier Dauerarbeitsplätze in eine Stelle umgewandelt worden ist, die Jahr für Jahr mit einem neuen Auszubildenden entsprechend der Regelungsabrede vom 10.07.1997 für 12 Monate besetzt werden soll, handelt es sich gerade nicht um eine Stellenstreichung. Der Arbeitskräftebedarf wäre dann nach wie vor vorhanden. Zumindest die vom Antragsgegner mit der Antragserwiderung eingereichte Übersicht über die Kostenstelle 410 (Stand: Juni 2005) legt den Schluss nahe, dass sowohl der Antragsgegner als auch der ehemalige Auszubildende R... in dem Personalbedarf fest eingeplant waren. Die Kammer hat mithin Zweifel daran, ob es sich im Falle der befristeten Weiterbeschäftigung dieser beiden ehemaligen und nach § 78 a BetrVG geschützten Auszubildenden tatsächlich um eine bedarfsunabhängige Weiterbeschäftigung i. S. d. Regelungsabrede vom 10.07.1997 handelt. Diese Zweifel werden noch zusätzlich genährt durch den eher spärlichen Vortrag der Antragstellerin zur organisatorischen Durchsetzbarkeit des beschlossenen Personalabbaus. Zumindest in der Beschwerdeinstanz hätte sie aufgrund der Hinweise in dem angefochtenen Beschluss aufgrund ihrer Mitwirkungs- und Begründungspflicht (§ 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) konkret vortragen müssen, wann genau und in welchem Umfang sich der Maschinenpark reduziert und inwieweit es Änderungen in der Wartung gegeben hat, etwa durch Veränderung der Wartungsintervalle oder Beauftragung von Fremdfirmen, sodass die beschlossene Personalreduzierung gerechtfertigt war. Allein der Hinweis auf gestiegene Wartungskosten, die auf mannigfaltigen Ursachen beruhen können (erhöhter Wartungsbedarf aufgrund älterer Maschinen, Preisanstieg), lässt noch nicht den Schluss zu, der Personalbedarf in der Schlosserei sei um immerhin ein Viertel gesunken. Die Frage der organisatorischen Durchführbarkeit der Personalreduzierung angesichts der ineinander übergreifenden Schichtdienste braucht indessen nicht abschließend geklärt zu werden, da die Antragstellerin bereits aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht daran gehindert war, im Bereich der Schlosserei das Personal von 44 Stellen auf 40 Stellen abzubauen.

c) Hierauf hat bereits die 6. Kammer des hiesigen Landesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 14.10.2005 - 6 TaBV 12/05 -, der ein Parallelverfahren zugrunde lag, zutreffend hingewiesen. Dem beabsichtigten Stellenabbau im Bereich der Schlosserei steht die Betriebsvereinbarung "Betriebstechnik" vom 10.07.1997 entgegen. Die 6. Kammer hat hierzu in dem genannten, rechtskräftigen Beschluss vom 14.10.2005 ausgeführt:

"Gleichwohl kann sich die Antragstellerin auf eine etwaige Personalbedarfsplanung oder beabsichtigten Stellenabbau im Bereich der Schlosserei zur Begründung der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Antragsgegners vorliegend jedenfalls nicht berufen. Dem steht die Betriebsvereinbarung "Betriebstechnik" vom 10. Juli 1997, insbesondere die Anlage 3 als Teil dieser Betriebsvereinbarung, entgegen. Diese Betriebsvereinbarung ist zwar inzwischen gekündigt worden, gilt aber kraft vereinbarter Nachwirkung weiter, bis eine neue Regelung diese ersetzt (Nr. 9.2 der BV). Nach Nr. 8.6 der Betriebsvereinbarung ergibt sich die Zahl der Mitarbeiter in allen Bereichen aus dem Stellenplan der Anlage 3. Dort sind einschließlich eines Fachkoordinators 43 Schlosserarbeitsplätze für die verschiedenen Schichten (3-Schicht, rollierende Schicht und Normal-Schicht) ausgewiesen. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder vorgetragen worden, dass es sich dabei nicht um auf Dauer angelegte Arbeitsplätze handelt. An diese Vorgaben ist die Antragstellerin gebunden, solange die Betriebsvereinbarung durch Nachwirkung Gültigkeit hat und die Anlagen dazu nicht im gegenseitigen Einvernehmen geändert worden sind (Nr. 9.1 Satz 2 BV). In diesem Zusammenhang kann letztlich dahinstehen, ob und welche Regelungen der Betriebsvereinbarung "Betriebstechnik" der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen. Soweit es, wie hier, um die Festlegung der Belegschaftsstärke für die einzelnen Bereiche und um Personalplanung geht, kann es sich nur um freiwillige Regelungen handeln, die nur durch freiwillige Einigung der Betriebspartner zustande kommen können. Gleichwohl unterliegen auch diese Regelungen der Nachwirkung, da die Betriebspartner zulässigerweise eine solche vereinbart haben (BAG v. 28. April 1998 - AP Nr. 11 zu § 77 BetrVG 1972 "Nachwirkung"). Eine ablösende Regelung ist unstreitig - aus welchen Gründen auch immer - bislang nicht erfolgt. Die Antragstellerin hat sich damit aus für die Beschwerdekammer schwer nachvollziehbaren Gründen einer weitgehenden Beschränkung ihres unternehmerischen Handlungsspielraums unterworfen und eine bedarfsorientierte flexible Personalplanung weitgehend vereitelt. Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung des § 78 a Abs. 4 BetrVG muss sich nun die Antragstellerin diese Regelung entgegenhalten lassen.

Danach ist der Bereich Schlosserei nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin zu ihrer Personalbedarfsplanung unterbesetzt. Unter Ausschluss der Sekretärin fehlen dort wenigstens 3 Mitarbeiter, deren Altersteilzeitarbeitsverhältnisse nach dem Blockmodell in die Freistellungsphase übergehen und deren Arbeitsplätze nach dem Vortrag der Antragstellerin nicht wiederbesetzt werden sollen. So wurde bereits zum 28. Februar 2005 kurz nach Abschluss der Ausbildung des Antragsgegners der Arbeitsplatz des Mitarbeiters M... vakant. Zwei weitere Schlosserarbeitsplätze sind - von vornherein absehbar - im Sommer 2005 freigeworden. Auf den beabsichtigten Stellenabbau kann sich die Antragstellerin solange nicht berufen, wie sie an ihre eigenen Vorgaben zur Zahl der Arbeitsplätze und Mitarbeiter gebunden ist.

In dem hier maßgebenden Beurteilungszeitpunkt Anfang Januar 2005 kannte die Antragstellerin auch alle Umstände, die ihr die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Antragsgegner im Anschluss an sein Ausbildungsverhältnis als zumutbar erscheinen lassen. Der Antragstellerin waren die noch geltende Betriebsvereinbarung und die Anlage 3 bekannt. Ebenso war ihr bekannt, dass nur wenige Wochen nach Abschluss der Ausbildung des Antragsgegners der Arbeitsplatz jedenfalls eines in Altersteilzeit befindlichen Mitarbeiters der Schlosserei wegen Übergangs in die Freistellungsphase vakant und aufgrund der Betriebsvereinbarung zu besetzen sein würde. Die kurze Übergangszeit zwischen Ende der Ausbildung und dem Ende der Arbeitsphase des Mitarbeiters M... ist demgegenüber im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zu vernachlässigen. Die Antragstellerin handelte missbräuchlich, wollte sie sich unter Hinweis auf diesen nicht völlig nahtlosen Übergang ihrer selbst eingegangenen Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung entziehen. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin aufgrund der Regelungsabsprache mit dem Bet. zu 3 den Antragsgegner zunächst ohnehin befristet für ein Jahr in seinem erlernten Beruf im Bereich Betriebstechnik weiterbeschäftigen musste. Vor diesem Hintergrund war es der Antragstellerin umso mehr zumutbar, den Antragsgegner auf dem Ende Februar 2005 freiwerdenden Arbeitsplatz des Mitarbeiters M... einzusetzen und ihn deshalb von vornherein in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach § 78 a Abs. 2 BetrVG zu übernehmen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts war insoweit nicht auf den Beurteilungszeitraum Januar 2006 (Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses des Antragsgegners), sondern allein auf den Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses abzustellen. Die zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Umstände rechtfertigten die unbefristete Weiterbeschäftigung des Antragsgegners.

Der Antragstellerin wird damit auch nichts Unzumutbares abverlangt. Solange die Regelungen der Betriebsvereinbarung "Betriebstechnik" einschließlich der Anlagen gelten, sind sie von der Antragstellerin zu beachten. Bislang sind ablösende Regelungen nicht getroffen worden. Soweit ersichtlich, haben die Betriebsparteien insoweit noch nicht einmal konkret verhandelt.

Die Antragstellerin ist gleichwohl nicht einer "Dauernachwirkung" der Betriebsvereinbarung ausgesetzt. Die Nachwirkungsvereinbarung kann nicht zu einer Perpetuierung des nachwirkenden Zustandes und zu unzumutbaren Bindungen führen. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Betriebspartner bei freiwilliger Vereinbarung einer Nachwirkung deren unbegrenzte Dauer gewollt haben. Es ist deshalb anerkannt, dass eine Nachwirkungsvereinbarung im Regelfall dahin auszulegen ist, dass die Nachwirkung auch gegen den Willen einer Seite beendet werden kann. Im Zweifel ist eine Konfliktlösungsmöglichkeit gewollt, die derjenigen bei der erzwingbaren Mitbestimmung entspricht. Scheitern die Bemühungen um eine einvernehmliche Neuregelung, kann danach von jedem Betriebspartner die Einigungsstelle angerufen werden, die verbindlich entscheidet (so BAG, Beschl. v. 28. April 1998, AP Nr. 11 zu § 77 BetrVG 1972 "Nachwirkung").

Sollte eine einvernehmliche Einigung zwischen den Betriebsparteien scheitern, bleibt es somit der Antragstellerin unbenommen, die Einigungsstelle einzuschalten, um auf diesem Weg eine neue Regelung zu schaffen, die den betrieblichen Verhältnissen angemessen Rechnung trägt und der Antragstellerin den notwendigen unternehmerischen Handlungsspielraum belässt und ihr insbesondere eine flexible Personalplanung ermöglicht."

Die hier entscheidende 5. Kammer schließt sich diesen Ausführungen uneingeschränkt an. Letztlich hat die Antragstellerin im Beschwerdetermin selbst erkannt, dass sie den Stellenbedarfsplan im Bereich der Schlosserei nach Nr. 9.1 der Betriebsvereinbarung "Betriebstechnik" nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat abändern kann. Rechts- oder Sachargumente gegen den Beschluss der 6. Kammer vom 14.10.2005 - 6 TaBV 12/05 - hat sie keine erhoben.

d) Es sind auch keine sonstigen, insbesondere keine in der Person oder dem Verhalten des Antragsgegners begründeten Anhaltspunkte ersichtlich, die die Weiterbeschäftigung des Antragsgegners für die Antragstellerin unzumutbar erscheinen ließen. Das nach § 78 a Abs. 2 BetrVG begründete Arbeitsverhältnis konnte mithin nicht gerichtlich aufgelöst werden.

3. Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen. Der Beschluss ergeht gerichtskostenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine gesetzlich begründbare Veranlassung, § 92 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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