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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 05.12.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 358/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 426 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1
1. Mit der Formulierung "brutto = netto" in einem Abfindungsvergleich wird objektiv nur zum Ausdruck gebracht, dass der vereinbarte Abfindungsbetrag vom Arbeitgeber ungekürzt ausgezahlt werden soll. Es ist durch Auslegung zu ermitteln, wer von den Parteien die auf die Abfindung anfallende Steuer zu tragen hat. Grundsätzlich ist im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung.

2. Behält der Arbeitgeber keine oder zu wenig Lohnsteuer ein, bleibt er als Haftungsschuldner dem Finanzamt zur Zahlung verpflichtet. Erfüllt er später freiwillig die Steuerforderung, entsteht in diesem Augenblick ein Rückerstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer (§ 426 Abs. 2 Satz 1 BGB).


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 358/06

Verkündet am 05.12.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 05.12.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter .. als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 08.06.2006 (3 Ca 1144/05) abgeändert, soweit es die Klage abgewiesen hat. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.549,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.11.2005 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückabtretung der an die Klägerin abgetretenen Steuererstattungsansprüche aus der Steuerfestsetzung für 2002.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz.

Von den Kosten der Berufung trägt der Beklagte 2/5 und die Klägerin 3/5.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin wegen an das Finanzamt geleisteter Zahlungen Ansprüche gegen den Beklagten zustehen.

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der M... G... eG W.... Der Beklagte war bei ihr seit 1991 als angestellter Geschäftsführer tätig. Die Genossenschaft kündigte das Arbeitsverhältnis im Mai 2001. In dem von dem Beklagten angestrengten Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Flensburg (3 Ca 761/01) schlossen die Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagte am 25.09.2001 einen Vergleich, der auszugsweise wie folgt lautet:

"§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Das zwischen der Firma und H... E... bestehende Arbeitsverhältnis wird im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung der Firma aus betriebsbedingten Gründen mit dem 30.06.2002 beendet.

§ 2 Vergütungsfortzahlung und Freistellung

Die Firma verpflichtet sich, bis zum 30.06.2002 die regelmäßige monatliche Vergütung in Höhe von DM 15.566,00 brutto weiter zu zahlen.

Herr E... wird mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von der Arbeit freigestellt. Soweit der Mitarbeiter während der Arbeitsfreistellung anderweitige Einkünfte bezieht, werden diese nicht auf die Vergütungsfortzahlung angerechnet.

§ 3 Abfindung

Die Firma verpflichtet sich, Herrn E... in entsprechender Anwendung von §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von DM 90.000,00 (brutto = netto) zu zahlen. Hiervon ist ein Betrag in Höhe von DM 70.000,00 am 01.07.2002 fällig. Ein weiterer Betrag in Höhe von DM 20.000,00 ist am 01.07.2003 fällig.

Herrn E... wird gestattet, von dem ersten, am 01.07.2002 fälligen Abfindungsbetrag bis zu dem gesetzlichen Höchstbetrag in Höhe von DM 37.488,00 für eine Direktversicherung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzuzahlen. Herr E... wird die genaue Höhe und das Konto, auf das einzuzahlen ist, der Firma rechtzeitig vor dem Fälligkeitstag benennen.

§ 4 Ausgleich für Weiterbeschäftigungszusage

Die Parteien stellen übereinstimmend fest, dass durch die Fusion per 01.04.2001 zwischen der Firma mit der O... M... e.G. der von der Firma bei Arbeitsvertragsschluss zugesicherte Anspruch auf eine fünfjährige Weiterbeschäftigung grundsätzlich entstanden ist. Zur Abgeltung dieses bis zum 31.03.2006 geltenden Weiterbeschäftigungsanspruchs vereinbaren die Parteien hiermit, dass die Firma Herrn E... eine Abfindung in Höhe von insgesamt DM 280.000,00 (brutto = netto) zahlt, die in Raten wie folgt fällig werden:

Zum 01.07.2003 DM 55.000,00

Zum 01.07.2004 DM 75.000,00

Zum 01.07.2005 DM 75.000,00

Zum 01.07.2006 DM 75.000,00"

Die Klägerin zahlte die gemäß Vergleich bis zum 01.07.2004 fälligen Raten ungekürzt an den Beklagten aus. Für die erste Abfindungsrate in Höhe von 70.000,00 DM errechnete die Klägerin Lohnsteuer in Höhe von 20.549,18 € und überwies diesen Betrag am 21.01.2003 an das Finanzamt H... (vgl. Bl. 78 - 80 d. A.).

Auf der Lohnsteuerkarte des Beklagten für das Jahr 2002 war zwar die komplette an ihn bis Ende Juni 2002 gezahlte Vergütung ausgewiesen, nicht aber die in diesem Jahr gezahlte erste Abfindungsrate. Das Finanzamt H... setzte die Einkommensteuer des Beklagten für das Jahr 2002 mit Bescheid vom 23.07.2003 (Bl. 96 d. A.) auf 8.426,00 und den Solidaritätszuschlag auf 284,02 € fest. Die im Jahr 2002 gezahlte Teilabfindung blieb bei der Festsetzung unberücksichtigt. Der Beklagte hatte seiner Steuererklärung eine Anlage (Bl. 99 d. A.) beigefügt, in der er auf die Versteuerung der Abfindung durch die Klägerin hinwies. Die von der Klägerin Anfang 2003 an das Finanzamt geleistete Zahlung in Höhe von 20.549,18 € berücksichtigte das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid des Beklagten für das Jahr 2002 nicht als Vorauszahlung zu seinen Gunsten. Die von der Klägerin beantragte Rückzahlung dieses Betrags lehnte das Finanzamt ab (vgl. K 8 = Bl. 77 d. A.). Mit Schreiben vom 21.05.2007 (Bl. 228 d. A.) teilte das Finanzamt der Klägerin mit, dass der Einkommensteuerbescheid des Beklagten für das Jahr 2002 erst nach rechtskräftiger Entscheidung im streitigen Verfahren geändert werde. Erst nach Klärung der Frage der Brutto- oder Nettoversteuerung werde eine Erstattung erfolgen. Ergänzend wies das Finanzamt darauf hin, dass eine Erstattung erst nach Verrechnung (§§ 226, 46 AO)mit eventuell offenen Steuerforderungen gegenüber dem Beklagten in Betracht komme.

Mit Schreiben vom 16.06.2005 wiesen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Beklagten darauf hin, dass er im Ergebnis für die Abführung der Steuern zuständig sei und von der am 01.07.2005 geschuldeten Rate demgemäß 20.549,00 € abgezogen würden (Anlage K 2 = Bl. 11 d. A.). Hierauf erklärten die vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 20.06.2005, dass aus dem Vergleich unverzüglich die Vollstreckung betrieben würde, wenn es zur Einbehaltung von Teilen der fälligen Vergleichszahlung käme. Am 23.07.2005 brachten die vormaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten gegenüber der Klägerin ein vorläufiges Zahlungsverbot über 20.549,00 € aus. Mit Anwaltsschreiben vom 04.11.2005 (Anlage K 6 = Bl. 74 d. A.) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er bereits mit Schriftsatz vom 25.10.2005 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt habe, gerichtet auf die Pfändung der Ansprüche der Klägerin gegen die B... H...- und V... AG. Zur Vermeidung der Kontopfändung zahlte die Klägerin daraufhin am 07.11.2005 20.996,-- € auf das Konto des Beklagten. Dieser Betrag beinhaltete die Abfindungssumme, gegen die die Klägerin die Aufrechnung erklärt hatte, sowie Zinsen für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis zum 07.11.2005 in Höhe von 447,47 €. Die Klägerin wies den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 03.11.2005 (Anlage K 7 = Bl. 75 f d. A.) darauf hin, dass die Zahlung nur zwecks Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und mit Rückforderungsvorbehalt erfolgen werde.

Der Beklagte gab in den Jahren 2003 und 2004 in seinen Einkommensteuererklärungen die in diesen Jahren an ihn gezahlten Teilabfindungen an. Streitig ist, ob er auf die gezahlte Abfindung Einkommensteuer an das Finanzamt gezahlt hat.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe in den Jahren 2003 und 2004 auf die erhaltenen Teilabfindungen Einkommensteuer gezahlt. Mit den von ihr im Januar 2003 gezahlten 20.549,-- € seien Steuerforderungen des Finanzamts gegen den Beklagten ausgeglichen worden. Er sei also von Steuerschulden befreit worden. Bei Abschluss des Vergleichs habe Einigkeit bestanden, dass der Beklagte als Arbeitnehmer die Steuern für die Abfindungsbeträge zu zahlen habe. Von dieser Verteilung der Steuerlast sei sowohl der Beklagte als auch sein damaliger Prozessbevollmächtigter ausgegangen. Diese Sichtweise entspreche im Übrigen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie zahlreicher Landesarbeitsgerichte. Danach würden Abfindungsbeträge grundsätzlich brutto geschuldet. Soweit auf die Abfindung infolge der Überschreitung der Freibeträge Steuern anfielen, gingen diese zu Lasten des Arbeitnehmers. Die in arbeitsgerichtlichen Prozessvergleichen übliche Kennzeichnung des Abfindungsbetrages als "brutto = netto" bedeute keine vertragliche Übernahme der steuerlichen Folgen durch den Arbeitgeber. Mit dieser Formulierung werde objektiv lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der vereinbarte Abfindungsbetrag vom Arbeitgeber zunächst ungekürzt an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden solle. Wer die auf die Abfindung anfallenden Steuern letztlich zu tragen habe, lasse die Formulierung nicht erkennen. Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden sei und sich auch nicht eindeutig aus den näheren Umständen, die zu der Vereinbarung geführt haben, der Wille der Parteien ergebe, die Steuerschuld besonders zu regeln, lasse die Klausel "brutto = netto" die gesetzliche Regelung unberührt, wonach der Arbeitnehmer Steuerschuldner sei.

Zur Zahlung der auf die erste Rate der Abfindung anfallenden Steuern an das Finanzamt sei es infolge einer irrtümlichen Auslegung des Vergleichs durch den G... N... e.V. als steuerlichen Berater der Klägerin gekommen. Dies könne nicht als Indiz dafür gewertet werden, dass die Parteien bei Abschluss des Vergleichs davon ausgegangen seien, dass die Klägerin die Steuern für die Abfindungen zu tragen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 20.996,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.11.2005 zu zahlen, hilfsweise,

1. den Beklagten zu verurteilen, einen Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung der berichtigten Lohnsteuerbescheinigung zu stellen,

2. den sich aus der Steuerfestsetzung für 2002 ergebenden Erstattungsbetrag abgabenrechtlich wirksam an die Klägerin abzutreten,

3. den danach an 20.549,00 € noch fehlenden Betrag an die Klägerin zu zahlen, sobald der berichtigte Steuerbescheid für 2002 vorliegt.

Der Beklagte hat den Hilfsantrag zu 2. unter Protest gegen die Kostenlast anerkannt und im Übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, auch in den Jahren 2003 und 2004 gegenüber dem Finanzamt auf die Steuerpflicht der Klägerin für die Abfindung hingewiesen zu haben. Nach dem Vergleich habe die Klägerin die Abfindungen netto geschuldet und die darauf entfallenden Steuern zusätzlich zahlen müssen. Auf die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung komme es nicht an, sondern auf das tatsächlich Vereinbarte. Der Beklagte habe sich zu einer Gesamtabfindung in Höhe von 370.000,00 DM nur unter der Voraussetzung bereitgefunden, dass die Klägerin die anfallenden Steuern trägt. Bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.03.2006 hätte ihm noch ein Gesamtgehalt in Höhe von mehr als 700.000,00 DM zugestanden. Diese Verteilung der Steuerlast habe der damalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit den Vertretern der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Vorfeld des Vergleichs getroffen. Sie habe im Vergleich ihren Niederschlag gefunden, wie die unterschiedliche Sprachregelung in § 2 einerseits (brutto) und in §§ 3 und 4 andererseits (brutto = netto) zeige. Der Beklagte sei von der Entrichtung der Steuern durch die Klägerin ausgegangen. Auch sie habe den Vergleich so verstanden, wie ihre Vergleichsabwicklung in den Jahren 2002 bis 2004 zeige.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12.09.2005 (Bl. 42 f d. A.) seinem vormaligen Prozessbevollmächtigten den Streit verkündet. Dieser ist auf Seiten des Beklagten beigetreten und hat beantragt,

den Hauptantrag der Klägerin abzuweisen.

Zu den Hilfsanträgen hat der Streithelfer keine Anträge gestellt.

Das Arbeitsgericht hat auf das Anerkenntnis des Beklagten diesen verurteilt, den sich aus der Steuerfestsetzung für das 2002 ergebenden Erstattungsbetrag abgabenrechtlich wirksam an die Klägerin abzutreten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestehe kein Ausgleichsanspruch der Beklagten aufgrund gesamtschuldnerischer Haftung der Parteien für die Lohnsteuer. Auch aus Bereicherungsrecht oder wegen Geschäftsführung ohne Auftrag sei der Beklagte nicht zur Zahlung an die Klägerin verpflichtet.

Gegen das ihr am 18.07.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.08.2006 eingelegte Berufung der Klägerin, die sie - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.10.2006 - am 18.10.2006 begründet hat.

Sie meint, die Parteien hätten eine Bruttoabfindungsvereinbarung getroffen, so dass der Klägerin ein Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehe. Das Arbeitsgericht habe die steuerliche Rechtslage verkannt. Die Steuerschuld des Beklagten sei mit Zufluss der Teilabfindung im Jahre 2002 entstanden und durch die Zahlung des Betrags in Höhe von 20.549,18 € seitens der Klägerin getilgt worden. Die getilgte Steuerschuld belaufe sich auf 9.383,56 €. Die weiteren 11.165,62 € seien mit anderen Steuerschulden des Beklagten verrechnet worden.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 08.06.2006 (3 Ca 1144/05) abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 20.549,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.11.2005 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückabtretung der bereits mit Anerkenntnisurteil vom 08.06.2006 abgetretenen Steuererstattungsansprüche.

Hilfsweise,

2. den Beklagten zu verurteilen, einen Antrag auf Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2002 unter Berücksichtigung der besonderen Lohnsteuerbescheinigung der Klägerin für den Beklagten vom 31.03.2006 zu stellen,

weiterhin hilfsweise,

3. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin das Recht einzuräumen, gegen die Bescheidung des Antrages des Beklagten nach Klageantrag 2. im Namen des Beklagten und auf Kosten der Klägerin Einspruch und alle gerichtlichen Rechtsmittel zu erheben und zu betreiben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass sich die Klägerin im Vergleich verpflichtet hat, die auf die Abfindung entfallenden Steuern zu tragen. Deshalb habe die Klägerin den streitigen Betrag zu Recht an das Finanzamt gezahlt. Ein Ausgleichsanspruch bestehe nicht. Das würde auch bei Vereinbarung einer Bruttoabfindung gelten. Entweder habe die Klägerin den umstrittenen Betrag "zu Recht" an das Finanzamt abgeführt, dann mag hierdurch eine Steuerschuld des Beklagten getilgt worden sein, oder sie habe den entsprechenden Betrag zu Unrecht abgeführt, dann wäre dadurch auch keine Steuerschuld des Beklagten getilgt worden. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 sei bestandskräftig und die Steuerschuld des Beklagten damit abschließend festgestellt. Durch die streitgegenständliche Zahlung sei keine Steuerschuld des Beklagten getilgt worden.

Der Beigetretene meint, die Klägerin möge einen Bereicherungsanspruch gegen das Finanzamt haben, den sie jedoch nicht geltend gemacht habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Im Termin am 23.05.2007 hat die Klägerin ihren Antrag zu 4. aus dem Schriftsatz vom 18.10.2006 zurückgenommen.

Die Kammer hat im Termin am 05.12.2007 Beweis durch Vernehmung des Zeugen Dr. G... K... erhoben. Der Zeuge ist gemäß Beweisbeschluss vom 23.05.2007 vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach dem Wert der Beschwer statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Beklagte hat den im Tenor genannten Betrag an die Klägerin zu zahlen, allerdings nur Zug um Zug gegen Rückabtretung der an die Klägerin abgetretenen Steuererstattungsansprüche aus der Steuerfestsetzung für das Jahr 2002.

1. Die Klägerin kann von dem Beklagten Erstattung der Anfang des Jahres 2003 an das Finanzamt in Höhe von 20.549,19 € gezahlten Steuern verlangen. Soweit durch diese Zahlung eine Steuerschuld des Beklagten für das Jahr 2002 erloschen ist, ergibt sich der Anspruch aus § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB und soweit die Zahlung über die Steuerschuld für 2002 hinausgeht aus § 812 Abs. 1 BGB. Im Einzelnen:

a) Nicht die Klägerin, sondern der Beklagte hat die Steuern auf die geleisteten Abfindungszahlungen zu tragen. Bei der unter §§ 3 und 4 im Vergleich vom 25.09.2001 vereinbarten Abfindung handelt es sich nicht um eine Nettoabfindung. Das bedeutet, dass der Beklagte als Arbeitnehmer die hierauf entfallenden Steuern zu tragen hat.

In dem Prozessvergleich haben die Parteien keine Übernahme der Lohnsteuer durch die Klägerin vereinbart.

aa) Die vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer geschuldete Vergütung ist grundsätzlich eine Bruttovergütung. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer ermitteln muss und den entsprechenden Betrag vom Bruttoarbeitslohn einzubehalten und mittels Lohnsteueranmeldung an das Finanzamt abzuführen hat (§§ 38 Abs. 3, 41a EStG). Er haftet gem. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die von ihm einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer.

Die Parteien können aber vereinbaren, dass die Vergütung netto geschuldet wird. In diesem Fall soll die Vergütung ungekürzt ausgezahlt werden. Das bedeutet aber nicht, dass dadurch die Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt geändert wird. Schuldner der Lohnsteuer ist und bleibt der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Seine Steuerpflicht entsteht zum Zeitpunkt des Lohnzuflusses (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG). Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemäß § 42d Abs. 3 EStG Gesamtschuldner. Im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander ist aber grundsätzlich allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung.

Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise der klar erkennbare Parteiwille dahin geht, die Steuerlast solle den Arbeitgeber treffen (BAG 16.06.2004 - 5 AZR 521/03 - BAGE 111, 131). Eine solche Nettolohnabrede verpflichtet den Arbeitgeber, die Steuern des Arbeitnehmers im Innenverhältnis zu tragen, die der Arbeitgeber ansonsten für den Arbeitnehmer vom Bruttoentgelt abführen müsste.

bb) Die Übernahme der Lohnsteuerschuld durch den Arbeitgeber liegt vor, wenn die Parteien eine Nettoabfindung vereinbaren. Für die behauptete Vereinbarung einer Nettoabfindung ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig. Im vorliegenden Fall ist es dem Beklagten nicht gelungen zu beweisen, dass die Klägerin die Steuerschuld auf die Abfindung tragen sollte.

Die Tatsache, dass die Parteien in dem streitgegenständlichen Vergleich formuliert haben, dass die Abfindung "brutto = netto" gezahlt wird, zwingt allein noch nicht zur Annahme einer Nettoabfindung. Mit einer solchen Formulierung wird objektiv nur zum Ausdruck gebracht, dass der vereinbarte Abfindungsbetrag vom Arbeitgeber zunächst ungekürzt an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden soll. Diese Formulierung lässt darüber hinaus nicht eindeutig erkennen, wer von den Parteien die auf die Abfindung anfallende Steuer letztlich zu tragen hat, bzw. dass die Steuerschuld abweichend vom Steuerrecht geregelt werden soll. Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und sich auch nicht eindeutig aus den näheren Umständen, die zu der Vereinbarung geführt haben, der Wille der Parteien ergibt, die Steuerschuld besonders zu regeln, lässt die Klausel "brutto = netto" die gesetzliche Regelung unberührt, wonach der Arbeitnehmer der Steuerschuldner ist. Die Klausel "brutto = netto" betrifft damit regelmäßig nur die Zahlungsmodalität. Die Parteien legen fest, dass der Abfindungsbetrag ungekürzt an den Arbeitnehmer auszuzahlen ist und dieser die darauf anfallende Lohnsteuer selbst abzuführen hat.

Bei der Auslegung, ob die Klausel "brutto = netto" ausnahmsweise zugleich auch eine vom Gesetz abweichende Regelung der Steuerschuld enthält, sind nicht nur der Wortlaut des Vergleichs, sondern auch die sonstigen Begleitumstände, die zum Vergleichsabschluss geführt haben, mit zu berücksichtigen (vgl. BAG 21.11.1985 - 2 AZR 6/85 - RzK I 9 j Nr. 2). Weder dem weiteren Wortlaut des Vergleichs noch sonstigen Umständen kann entnommen werden, dass die Klägerin die Steuerlast tragen sollte.

Zwar findet sich in § 2 des Vergleichs die ausdrückliche Regelung, dass die an den Beklagten noch zu zahlende Vergütung "brutto" zu zahlen ist. Daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass der Zusatz "brutto = netto" bei den Abfindungen in §§ 3 und 4 des Vergleichs bedeutet, dass es sich um Nettobeträge handelt. Wenn es sich tatsächlich um Nettobeträge hätte handeln sollen, wäre es naheliegend gewesen, dies durch den Zusatz "netto" auszudrücken und zudem klarzustellen, dass - abweichend vom gesetzlichen Normalfall - der Arbeitgeber die Steuerlast trägt. Durch die Bezeichnung "brutto = netto" ist nicht weniger aber auch nicht mehr geregelt worden als dass der Arbeitnehmer, hier der Beklagte, die Abfindung zunächst ungekürzt ausgezahlt erhalten sollte (s.o.). Damit ist die Zahlungsmodalität für die Abfindungen anders geregelt als in § 2 des Vergleichs für die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlende Vergütung. Die Vergütung war "brutto" geschuldet. Hier war also die Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung von der Klägerin einzubehalten (vgl. § 38 Abs. 3 EStG).

Auch im Übrigen finden sich keine Hinweise darauf, dass es sich um eine Nettoabfindung handeln sollte. Zwar hat der Beklagte nachvollziehbar geschildet, er sei von einer Nettoabfindung ausgegangen, weil ihm bei einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses noch Lohnansprüche in Höhe von 700.000,00 DM (brutto) zugestanden hätten. Demgegenüber betrug die Abfindung nach §§ 3 und 4 des Vergleichs nur 370.000 DM. Zum einen kann dem Vergleich nicht entnommen werden, dass es den Parteien darum gegangen ist, den Beklagten so zu stellen, als sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für ihn mit keinerlei finanziellen Nachteilen verbunden. Zum anderen überzeugt die Argumentation des Beklagten deshalb nicht, weil der Beklagte bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auch seine Gegenleistung hätte erbringen müssen. Zudem war er länger als neun Monate freigestellt und durfte Zwischenverdienst erzielen, der nicht auf die fortgezahlte Vergütung anzurechnen war.

Die Behauptung des Beklagten, die Parteien seien sich bei Vergleichsabschluss einig gewesen, dass ihm die Abfindung ungekürzt verbleiben sollte, hat die Klägerin bestritten. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Dr. G... K... hat die Behauptung des Beklagten nicht bestätigt. Der Zeuge hat vielmehr ausgesagt, dass von vornherein klar gewesen sei, dass der Beklagte die Abfindung versteuern sollte Die Aussage ist glaubhaft, denn der Zeuge war als damaliger Prozessbevollmächtigter des Beklagten an den Verhandlungen über den Vergleich unmittelbar beteiligt. Schließlich war auch er es, der den Vergleich vor Gericht genehmigt hat. Der Zeuge hat nachdrücklich bekundet, dass er seinerzeit von einer Bruttoabfindung ausgegangen ist. Zwar sei nicht ausdrücklich darüber gesprochen worden, wer die auf die Abfindungsbeträge entfallenden Steuern entrichten sollte. Nach Darstellung des Zeugen habe es einer solchen Abrede nicht bedurft, denn es sei klar gewesen, dass der Beklagte die Steuer zu entrichten hatte. In dieser Annahme habe er sich durch die damalige Rechtsprechung bestätigt gefühlt. Er sei auch davon ausgegangen, dass sein Gegenüber, Herr Rechtsanwalt K..., das so gesehen habe.

Der Zeuge ist glaubwürdig. Er hat sich offen und unumwunden zur Beweisfrage geäußert. Dabei hat der Zeuge nicht davor zurückgeschreckt, eine für ihn - vor dem Hintergrund des vormaligen Mandatsverhältnisses und der Streitverkündung - ggf. ungünstige Aussage zu machen, sondern hat sich klar dazu geäußert, wie er die Frage der Versteuerung der Abfindung seinerzeit beurteilt hat. Widersprüche haben sich keine ergeben, die Schilderung war plausibel. Gegen seine Glaubwürdigkeit spricht nicht, dass der Zeuge bekundet hat, der Beklagte sei in dem Termin am 25.09.2001 zugegen gewesen, was im Protokoll jedoch nicht vermerkt ist. Selbst wenn diese Bekundung hinsichtlich dieses Details falsch sein sollte, berührt dies den wesentlichen Gehalt der Aussage nicht.

b) Die Klägerin war verantwortlich für die Abführung der Lohnsteuer auf die im Jahr 2002 gezahlte Abfindung. Arbeitnehmer und Arbeitgeber haften für eine etwaige Lohnsteuernachforderung als Gesamtschuldner (§ 42 d Abs. 3 Satz 1 EStG). Behält der Arbeitgeber zu wenig Lohnsteuer ein, bleibt er als Haftungsschuldner dem Finanzamt zur Zahlung verpflichtet. Er kann nach Inanspruchnahme und Zahlung der Lohnsteuer gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Arbeitnehmer Erstattung verlangen (vgl. BGB 16.06.2004 - 5 AZR 521/03 - BAGE 111, 131). Dieser Erstattungsanspruch des Arbeitgebers folgt daraus, dass Schuldner der Steuerforderung der Arbeitnehmer ist und bleibt. Im Innenverhältnis hat der Arbeitnehmer bei einer Bruttolohnvereinbarung die Steuern allein zu tragen. Der Rückerstattungsanspruch des Arbeitgebers nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB gegen den Arbeitnehmer entsteht in dem Augenblick, in dem der Arbeitgeber aufgrund eines Haftungsbescheides oder - wie im vorliegenden Fall - freiwillig die Steuerforderung für den Arbeitnehmer erfüllt.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin am 21.01.2003 zugunsten des Beklagten 20.549,18 € an das Finanzamt H... gezahlt (Bl. 78 ff.). Seinerzeit ging sie davon aus, dass sie auf die Teilabfindung in Höhe von 70.000,00 DM Steuern in dieser Höhe zu entrichten hatte. Sie sah sich als verpflichtet an, vom Beklagten geschuldete Steuern an das Finanzamt zu zahlen. Das Finanzamt hatte bislang keine Steuerpflicht des Beklagten angenommen, sondern wartet - wie das Schreiben vom 21.05.2007 zeigt - den Ausgang des hiesigen Verfahrens ab.

Es besteht eine Steuerforderung des Finanzamts H... gegen den Beklagten, weil die im Jahr 2002 gezahlte Teilabfindung in Höhe von 70.000,00 DM als Bruttoabfindung gilt, also keine Nettoabfindung vereinbart war. Die Steuernachforderung beläuft sich auf 9.383,56 € (Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlag). Dieser Betrag ergibt sich, wenn dem aus dem Einkommensteuerbescheid des Beklagten für das Jahr 2002 ersichtlichen zu versteuernden Einkommen in Höhe von 39.614,00 € (Bl. 96 ff. d. A.) die gezahlten 70.000,00 DM hinzugerechnet werden.

Selbst wenn sich ein anderer Betrag ergeben sollte, als unter Verwendung des hiesigen Steuerberechnungsprogramms ermittelt, ändert dies nichts daran, dass der Beklagte den von der Klägerin an das Finanzamt gezahlten Betrag wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzuführen hat. Denn entweder kommt es (noch) zu einer Verrechnung der Steuernachforderungen des Finanzamts, mit der Folge, dass der Beklagte von einer Verbindlichkeit befreit wird. Damit rechnet er offenbar bei Feststellung der Steuerpflichtigkeit der weiteren Abfindungszahlungen selbst, wie die Erörterung des Werts des zurückgenommenen Klagantrags zu 4. aus der Berufungsbegründung gezeigt hat. Das Finanzamt H... hat in seinem Schreiben vom 21.05.2007 unter Hinweis auf die einschlägigen Normen der Abgabenordnung eine Verrechnung angekündigt. Oder dem Beklagten steht ein Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt zu, den nur er, nicht aber die Klägerin realisieren kann. Auch darauf hat das Finanzamt hingewiesen.

2. Die Höhe der von der Klägerin an das Finanzamt gezahlten Lohnsteuer sowie Solidaritätsabgabe ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen (Anlage K 9 = Bl. 78 - 80 d. A.).

Die Klägerin muss die ihr abgetretenen Erstattungsansprüche an den Beklagten rückabtreten, um ihm zu ermöglichen, beim Finanzamt die Erstattung zu viel gezahlter Steuern geltend zu machen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

3. Die Kostenentscheidung ist gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 und 2 ZPO begründet.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung, die die Auslegung eines zwischen den Parteien geschlossenen Prozessvergleichs betrifft.

Ende der Entscheidung

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