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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 07.05.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 374/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB, StGB, EGBGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b
ArbGG § 66 Abs. 1 S. 1
ArbGG § 66 Abs. 1 S. 2
ArbGG § 72 a
ZPO § 519
ZPO § 520
BGB § 199 n.F.
BGB § 255
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 291
BGB § 421
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 830
BGB § 830 Abs. 1
BGB § 830 Abs. 1 S. 1
BGB § 830 Abs. 2
BGB § 840
BGB § 840 Abs. 1
BGB § 852 a.F.
StGB § 263
StGB § 266
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 374/07

Verkündet am 07.05.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 07.05.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 04.09.2007 - 3 Ca 1583 a/06 - teilweise geändert und wie folgt gefasst:

Der Beklagte wird als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 226.926,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-punkten über dem Basiszinssatz auf 224.189,11 € seit dem 24.08.2006 und auf 2.773,00 € seit dem 26.09.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge) trägt der Beklagte 77 % und die Klägerin 23 %.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten als Gesamtschuldner Zahlung von Schadensersatz.

Die Klägerin ist eine eingetragene Genossenschaft. Gegenstand des Unternehmens ist gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung vom 12.04.2002 die Einrichtung und der Betrieb einer Funk- und Telefonzentrale zur Vermittlung von Fahraufträgen im Personenverkehr, der Abschuss von Beförderungsverträgen, der Abschluss von Vereinbarungen mit öffentlichen Verkehrsträgern sowie das Inkasso von Beförderungsentgelten. Der Genossenschaft gehören etwa 40 Taxiunternehmer an. Ihr Vorstand besteht aus 2 bis 3 Mitgliedern und ihr Aufsichtsrat aus 4 Mitgliedern.

Bei der Klägerin waren im streitbefangenen Zeitraum (1995 bis 2005) 8 bis 10 Telefondisponenten in der Funkzentrale beschäftigt, die nach geleisteten Stunden bezahlt wurden. Daneben arbeitete bei der Klägerin eine Reinigungskraft sowie die Ehefrau des Beklagten als Bürokraft bzw. Buchhalterin.

Der Beklagte war seit 1991 durchgehend Mitglied des Vorstands der Klägerin und erhielt für seine Vorstandstätigkeit Entgelt. Seiner entgeltlichen Beschäftigung lag zuletzt der Anstellungsvertrag vom 02./03.06.2003 zu Grunde (Anlage KS 1 = Bl. 16 ff. d. A.). Sein Gehalt betrug danach 2.000,-- € im Monat. Ende Januar 2006 wurde der Beklagte auf einer Generalversammlung seines Amtes enthoben.

Am 26.07.2006 fasste die Generalversammlung der Klägerin den Beschluss, gegen den Beklagten als ihr ehemaliges Vorstandsmitglied Schadensersatzansprüche gerichtlich zu verfolgen. Zuvor hatte die Klägerin bereits in dem Verfahren 3 Ca 1517 a/06 vor dem Arbeitsgericht Neumünster die Ehefrau des Beklagten, Frau S..., auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Arbeitsgericht hat Frau S... am 20.12.2006 zur Zahlung von 300.158,60 € an die Klägerin verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Frau S... war vom 01.05.1992 bis 31.05.2006 bei der Klägerin als Vollzeitkraft beschäftigt. Zunächst arbeitete sie als Bürokraft und später (auch) als Buchhalterin. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug 1.650,-- €. Als Buchhalterin war sie zuständig für die gesamte Buchhaltung, die Lohnbuchführung und alle damit zusammenhängenden Abrechnungsarbeiten.

In den Tätigkeitsbereich der Frau S... fiel auch das Inkasso der sogenannten Rechnungsfahrten und die Abwicklung des dazu gehörigen Bankverkehrs.

Anders als bei den Taxifahrten, die von dem beförderten Kunden bar bezahlt werden, ist für die Rechnungsfahrten ein besonderes Rechnungswesen eingerichtet. Die Taxiunternehmer rechnen nicht direkt mit den Kunden ab, sondern die Klägerin übernimmt für sie das Inkasso. Dazu reichen die Taxiunternehmer eine Aufstellung der für die Rechnungskunden belegten Taxifahrten bei der Klägerin ein (vgl. beispielhaft Anlage KS 2 = Bl. 19 f d. A.). Die Klägerin stellt den Kunden auf dieser Grundlage Rechnungen und zieht die Rechnungsbeträge ein. Auf Basis der eingereichten Rechnungsaufstellungen zahlt die Klägerin an die Taxiunternehmer die ihnen zustehenden Beförderungsentgelte aus. Dabei ist der Eingang der durch die Klägerin abgerechneten Beträge nicht Voraussetzung für die Auszahlung an die Taxiunternehmer. Die Auszahlung kann also durchaus vor Rechnungsbegleichung erfolgen.

Für die Abwicklung der Rechnungsfahrten unterhält die Klägerin ein Verrechnungskonto mit der Nummer 1920. Die Auszahlung an die Taxiunternehmer erfolgt durch Sammelüberweisung von dem Konto der Klägerin bei der Sparkasse N.... Zur Durchführung dieses Verfahrens wird eine Diskette erstellt, auf der sich eine Liste der an die Taxiunternehmer auszuzahlenden Beträge befindet. Neben dem Namen des Überweisungsempfängers, also des Taxiunternehmers, ist dort die Wagennummer und die Bankverbindung angegeben (vgl. beispielhaft Anlage KS 3 = Bl. 22 ff. d. A.). Die Sparkasse erhält neben dieser Diskette einen Begleitzettel. Auf dem Begleitzettel, der von 2 Vorstandsmitgliedern der Klägerin zu unterschreiben ist, sind Prüfsummen aufgeführt. Sie ergeben sich aus den addierten Bankleitzahlen, Kontonummern und Umsätzen (vgl. beispielhaft Anlage KS 4 = Bl. 27 d. A.). Schließlich wird im Rahmen des Sammelüberweisungsverfahrens ein Ausgabeprotokoll, auch Einzelnachweis genannt, erstellt (vgl. beispielhaft Anlage KS 3 = Bl. 22 ff. d. A.).

Zu den Aufgaben von Frau S... gehörte es, die Diskette mit den Daten zu erstellen, einen Begleitzettel zu fertigen und das Ausgabeprotokoll auszudrucken.

Frau S... reichte seit dem 24.09.1998 wiederholt Disketten bei der Sparkasse ein, letztmals am 01.07.2005, auf denen sie als Empfangsberechtigte mit ihrer Kontonummer aufgeführt war. Auf diese Weise veranlasste sie die Sparkasse zur Zahlung von insgesamt 175.770,83 € vom Konto der Klägerin an sich. Von diesen Manipulationen erfuhr die Klägerin am 10.04.2006. Die Sparkasse stellte den Umfang der im Zuge der Sammelüberweisungen an Frau S... geflossenen Zahlungen fest und berechnete der Klägerin hierfür 288,-- € (Anlagen KS 14 und 15 = Bl. 60 f. d. A.).

Zu den Aufgaben von Frau S... gehörte - wie dargestellt - die Lohn- und Gehaltsabrechnung. Im Zuge dessen fertigte sie auch ihre eigenen Abrechnungen. Dabei stellte sie in den Jahren 1995 bis 2005 regelmäßig sogenannte Funklohnstunden und AST-Abrechnungsstunden ein. Mit AST-Abrechnung ist die Abrechnung für das Anrufsammeltaxi gemeint. Der Vorgang fällt einmal im Monat an. Zwischen den Parteien ist streitig, ob Frau S... diese Aufgabe erledigt hat oder ob sie von anderen Mitarbeitern wahrgenommen worden ist. Unstreitig ist dagegen, dass Funklohnstunden von Frau S... in wesentlich geringerem Umfang geleistet als abgerechnet wurden. Die tatsächlich geleisteten Stunden ergeben sich aus den Dienstplänen. Auf die Gegenüberstellung der dienstplanmäßigen Stunden und der abgerechneten Stunden wird verwiesen (vgl. Anlage KS 7 = Bl. 33 ff. d. A.). Bei Abzug der nicht geleisteten aber sogar mit Zuschlägen vergüteten Funklohn- und AST-Abrechnungsstunden ergibt sich eine Differenz zum tatsächlich gezahlten Gehalt in Höhe von 119.496,74 €. Das hat das von der Klägerin beauftragte Steuerberatungsbüro ermittelt und dafür 2.485,-- € berechnet (Anlage KS 16 und 17 = Bl. 62 f. d. A.). Dem Beklagten war die Höhe der von seiner Ehefrau monatlich abgerechneten Vergütung bekannt. Er stellte ihr über die abgerechneten Gehälter Barschecks aus.

Im November 2004 fand eine Prüfung des Genossenschaftsverbandes bei der Klägerin statt. Dabei wurde auf dem Konto 1920 ein Soll in Höhe von ungefähr 120.000,--€ festgestellt. Die beabsichtigte Prüfung der in Papierform vorliegenden Taxiunternehmerabrechnungen war letztlich aber nicht möglich, weil die Abrechnungen am Tag vor der Prüfung durch einen Wasserschaden vernichtet wurden.

Die Klägerin hat gemeint, der Beklagte hafte als Gesamtschuldner neben seiner Ehefrau wegen der Veruntreuung erheblicher Beträge im Zeitraum 1998 bis 2005 im Zusammenhang mit der Inkassoabrechnung. Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe im Jahre 1998 die Praxis eingeführt, dem zweiten Vorstandsmitglied nur den für die Durchführung des Sammelüberweisungsverfahrens benötigten Begleitzettel zur Unterschrift vorzulegen, nicht aber das Ausgabeprotokoll. Die weiteren Vorstandsmitglieder hätten von der Existenz der Ausgabeprotokolle nichts gewusst. Diese Vorgehensweise habe der Beklagte eingeführt, um die Manipulationen seiner Ehefrau zu verheimlichen. An dieser Praxis habe sich erst im Sommer 2005 etwas geändert, nachdem Herr M... Vorstand geworden sei und auf Vorlage der Ausgabeprotokolle bestanden habe.

Die Klägerin sieht den Beklagten auch deshalb als Mittäter neben seiner Ehefrau an, weil er den sich fortwährend vergrößernden Fehlbestand auf dem Verrechnungskonto mit der Nummer 1920 gekannt habe. Dem sei er nicht nachgegangen, obwohl er auf nahezu allen Sitzungen darauf angesprochen worden sei. Die Klägerin hat ferner behauptet, dem Beklagten sei der Vermögenszuwachs bei seiner Ehefrau nicht verborgen geblieben. Sie hat ihm überdies vorgeworfen, er habe nicht für eine monatliche Abstimmung der Buchhaltung gesorgt. Aus all dem hat die Klägerin geschlossen, dass der Beklagte vom Vorgehen seiner Ehefrau gewusst habe. Er habe es sogar aktiv unterstützt, indem er dafür gesorgt habe, dass das zweite Vorstandsmitglied seine Unterschrift ohne Überprüfungsmöglichkeit der Einzelnachweise auf den Begleitzettel gesetzt habe. Wenn ihm die Manipulationen seiner Ehefrau tatsächlich unbekannt gewesen sein sollten, dann habe sich der Beklagte selbst nie die erforderlichen Ausgabeprotokolle vorlegen lassen, also keine ernsthafte Überprüfung der Sammelüberweisungen vorgenommen. Hätte er auf Vorlage der Ausgabeprotokolle bestanden, wäre es zu dem eingetretenen Schaden nicht gekommen. Denn Frau S... habe ihr Verhalten im Jahre 2005 aufgrund des verstärkten Kontrolldrucks geändert.

Die Klägerin hat behauptet, Frau S... sei bei ihren Manipulationen in 2 Schritten vorgegangen. Zur Erläuterung hat sie auf das Schema gemäß Anlage KS 30 (Bl. 183 d. A.) verwiesen. Dafür spreche, dass keine Dateien mit der Kombination "Taxiunternehmername/Kontonummer Frau S..." gefunden worden seien. Aber selbst wenn, wie von dem Beklagten behauptet, Frau S... in 3 Schritten vorgegangen sei, wäre bei dem (angeblichen) Wagen des Taxiunternehmers eine andere Kontonummer aufgetaucht als bei dessen sonstigen Wagen. Das wiederum hätte den Beklagten zu weiteren Nachfragen und Untersuchungen veranlassen müssen. Ihm hätte die Kontonummer seiner Ehefrau in dieser Kombination auffallen müssen. Überdies habe der Beklagte gewusst, dass der Wagen 47, den Frau S... mehrfach in Ausgabeprotokollen aufgeführt hat, nicht mehr "lief". Der Wagen sei am 27.06.2003 verkauft worden. Diese Unstimmigkeiten hätten dem Beklagten bei sorgfältiger Prüfung auffallen müssen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte hafte auch für den durch die falsche Lohnabrechnung seiner Ehefrau in der Zeit von 1995 bis 2005 entstandenen Schaden als Mittäter. Erst Anfang Januar 2006 hätten Vorstandsmitglieder Auffälligkeiten bei sogenannten Funklohn- und AST-Abrechnungsstunden festgestellt. Dies sei erst so spät geschehen, weil der Beklagte sich erfolgreich um Geheimhaltung der tatsächlichen Gehaltshöhe seiner Ehefrau bemüht habe. So hätten die übrigen Vorstandsmitglieder und der Aufsichtsrat keine Kenntnis vom insgesamt gezahlten Gehalt gehabt. Das Vorstandsmitglied K... habe sich vergeblich um Informationen bemüht. Auf der Generalversammlung am 01.07.2004 habe der Beklagte, obwohl die Genossen die monatliche Kostenbelastung hätten wissen wollen, als Gehalt nur 1.650,-- € angegeben. Die wirklichen Gehaltszahlungen habe der Beklagte stets verschwiegen, und zwar trotz der in den Sitzungen geäußerten Aufforderung, Angaben zu machen.

Für eine Mitwisser- und Täterschaft beim "Abrechnungsbetrug" spreche auch die Praxis der Gehaltsbarschecks, die unstreitig blanko von einem Vorstandskollegen unterschrieben worden sind. Indiziell spreche hierfür auch die Beteiligung des Beklagten an einem Betrug zu Lasten der HDI-Versicherung. Dieser gegenüber seien überhöhte Entgeltfortzahlungskosten geltend gemacht worden. Hinzu käme, dass der Beklagte von ungerechtfertigten Gehaltszahlungen an seine Ehefrau während deren Wiedereingliederungsmaßnahmen gewusst habe.

Entgegen der Behauptung des Beklagten habe Frau S... nicht in nennenswertem Umfang Überstunden geleistet. Auch sei es keinesfalls einfacher, angebliche Überstunden als Funklohn- oder als AST-Abrechnungsstunden zu buchen. Zweck eines solchen Vorgehens sei allein die Verschleierung der Überzahlung. Die Klägerin hat behauptet, Frau S... sei sogar oft zu spät gekommen und früher gegangen. Auch habe sie ihren Arbeitsplatz für längere Zeiträume am Tag verlassen. Ihre Präsenz habe einer 40-Stunden-Woche nicht entsprochen. Die AST-Abrechnung habe sie nicht vorgenommen. Das von dem Beklagten vorgelegte Annahmeprotokoll (Anlage B 1) bestätige keine durchgehende Arbeitsleistung. Unabhängig davon, dass Frau S... gar keine Überstunden geleistet habe, hätte der Beklagte durch geeignete Maßnahmen dafür sorgen müssen, dass etwaige Überstunden ordnungsgemäß aufgezeichnet und richtig abgerechnet werden. Stattdessen hätten er oder seine Ehefrau die gesondert geführten Stundenzettel sogar vernichtet. Dies habe der Verschleierung der rechtswidrigen Abrechnungspraxis der Frau S... gedient.

Die Klägerin hat gemeint, ihre Ansprüche seien nicht verjährt. § 34 Abs. 6 Genossenschaftsgesetz sei lediglich auf die Ansprüche aus § 34 Abs. 2 und 3 Genossenschaftsgesetz anzuwenden. Im Übrigen hat sie die Gegeneinrede der Arglist erhoben. Auf die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers könne sich der Beklagte nicht berufen, weil er kein Arbeitnehmer sondern Organperson gewesen sei. Auch könne sich der Beklagte nicht auf mangelnde Kontrolle durch andere Vorstandsmitglieder berufen. Etwaige aus Überwachungsverschulden mithaftende Vorstände würden der Klägerin gegenüber allenfalls als Gesamtschuldner haften. Zu bedenken sei auch, dass der Beklagte als entgeltlich beschäftigter Vorstand gegenüber dem nebenberuflich tätigen Vorstand eine herausgehobene Stellung gehabt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 295.105,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 292.332,86 € seit dem 24.08.2006 sowie aus 2.773,-- € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, im Rahmen des Sammelüberweisungsverfahrens sei der Diskette und dem Begleitzettel auch das ausgedruckte Ausgabeprotokoll beigefügt gewesen. Der Zeuge M... sowie dessen Ehefrau hätten häufig die auf den Zeugen entfallenden Einzelumsätze in den Ausgabeprotokollen geprüft. Andere Vorstandsmitglieder hätte das nicht interessiert. Herr M... habe das Fehlen des Ausgabeprotokolls einmal gerügt. Daraufhin habe er es immer erhalten. Im Juni 2005 habe Herr M... eine weitere Seite des Ausgabeprotokolls verlangt und auch bekommen.

Der Beklagte hat behauptet, der Kontostand auf dem Verrechnungskonto mit der Nummer 1920 habe permanent geschwankt. Die Differenzen seien durch Vorabbuchungen der Inkassoforderungen und noch nicht gebuchte Rechnungen an Kunden begründet gewesen. Der Prüfungsverband habe erklärt, das Geld stecke in den Forderungen.

Der Beklagte hat bestritten, dass er einen Vermögenszuwachs bei seiner Ehefrau habe feststellen können.

Zusammenfassend hat der Beklagte behauptet, er habe erst nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand von den Manipulationen seiner Ehefrau erfahren, sei also selbst getäuscht worden.

Er hat die Ansicht vertreten, er habe die erforderlichen Prüfungen vorgenommen. So habe er die Übereinstimmung der einzelnen Beträge mit dem Begleitzettel stichprobenartig untersucht. Er habe auch dafür gesorgt, dass die Ausgabeprotokolle den anderen unterzeichnenden Vorstandsmitgliedern vorgelegt worden seien. Seine Ehefrau habe schließlich deshalb von weiteren Manipulationen Abstand genommen, weil sie in starkem Maße psychisch belastet gewesen sei.

Der Beklagte hat behauptet, seine Ehefrau sei bei den Inkassomanipulationen in drei Schritten vorgegangen. Sie habe dafür gesorgt, dass das erste Protokoll durch das zweite überschrieben wird, was bei fast gleichzeitiger Herstellung technisch möglich sei.

Der Beklagte hat bestritten, dass er oder seine Ehefrau für das Zerstören der Belege vor Prüfung durch den Genossenschaftsverband Ende des Jahres 2004 verantwortlich gewesen seien.

Der Beklagte hat geltend gemacht, er sei stets davon ausgegangen, dass die an seine Ehefrau veranlassten Gehaltszahlungen neben dem Grundgehalt in erheblichem Umfang geleistete Überstunden abgegolten hätten. Die Überstunden seien aufgrund umfangreicher Tätigkeit entstanden. Seine Ehefrau habe täglich weit mehr als 8 Stunden gearbeitet. In den Jahren 2003 und 2004 sowie davor habe sie zwischen 06:00 und 07:30 Uhr mit der Arbeit begonnen. Teilweise habe sie sogar schon um 04:00 Uhr angefangen. Ihre Arbeit habe sie nicht vor 16:00 Uhr beendet. Die Überstunden seien vom Vorstand geduldet worden. Die vorgelegten Funkschichtpläne seien für die Arbeitszeit nicht allein maßgebend. Frau S... habe auch zwischen den in den Annahmeprotokollen dokumentierten Zeiten gearbeitet. Im Jahre 2004 sei es durch Umstellung auf ein GPS-gestütztes Datenfunkvermittlungssystem zu Mehrarbeit gekommen. Ein Jahr später sei Mehrarbeit durch die Umstellung auf Windows verursacht worden. Der Beklagte hat behauptet, seine Ehefrau habe die AST-Abrechnungsstunden tatsächlich geleistet.

Bei den Stundenzetteln habe es sich lediglich um Schmierzettel gehandelt, die nach Erfassung und Auswertung wertlos gewesen seien, spätestens aber nach Lohnzahlung ohne Einwendungen der Mitarbeiter. Der Beklagte hat behauptet, die weiteren Vorstandsmitglieder hätten sich für die Vergütungshöhe seiner Ehefrau nicht interessiert. Nach Überstunden sei auch auf der Generalversammlung am 01.07.2004 nicht gefragt worden. Seine Frau sei sogar während der Wiedereingliederungsmaßnahme über die vorgesehene Arbeitszeit hinaus tätig gewesen.

Der Beklagte hat sich auf die Haftungsprivilegierung gemäß der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesarbeitsgerichts berufen und geltend gemacht, gegen ein pflichtwidriges Verhalten spreche, dass er nicht des Amtes enthoben, stets entlastet und wiedergewählt worden sei. Zudem sei das Mitverschulden der weiteren Vorstände anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Auch sie hätten sich täuschen lassen. Alle Vorstandsmitglieder seien gleichberechtigt und gleichverantwortlich gewesen. Er selbst sei nur im Rahmen der Richtlinie des Gesamtvorstands handlungsbefugt gewesen. Die Frage der Besoldung der Vorstandsmitglieder berühre die Leitungsverantwortung und die Verantwortung für Sorgfaltspflichtverletzungen nicht.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch Vernehmung der Zeugen M... und M.... Auf das Sachverständigengutachten (Bl. 272 ff. d. A.) wird Bezug genommen, ebenso auf die in der Sitzungsniederschrift vom 01.08.2007 dokumentierten Zeugenaussagen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Der Beklagte hafte der Klägerin auf Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung seines Anstellungsvertrages sowie gemäß § 34 Abs. 2 Genossenschaftsgesetz. Eine Haftung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Mittäterschaft hat das Arbeitsgericht hingegen verneint. Zur weiteren Darstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils wird auf die dortigen Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen das ihm am 18.10.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte bereits am 06.09.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.01.2008 am 19.12.2007 begründet.

Der Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, die stichprobenartige Überprüfung der vorgelegten Unterlagen sei nicht hinreichend gewesen, weil er die Proben nicht nach variablem Muster vorgenommen habe und in einem Fall sogar ein unvollständiges Ausgabeprotokoll habe ausreichen lassen. Er, der Beklagte, habe unter Beweisantritt dargelegt, seiner Prüfungspflicht nachgekommen zu sein. Das Arbeitsgericht habe die Sorgfaltspflichten in einer vom Genossenschaftsgesetz und der Rechtsprechung nicht gedeckten Art und Weise überhöht. Der Beklagte macht geltend, Aufgaben könnten delegiert werden, mit der Folge, dass sich die Verantwortung auf die Auswahl der Personen, die Definition der Handlungsziele und eine Stichprobenkontrolle beschränke. Dem habe er genügt. Er habe als verantwortlicher Vorstand im kaufmännischen Bereich im Einverständnis mit sämtlichen Vorstandsmitgliedern seine Ehefrau mit dem System der Zahlungsfreigabe per Diskette und unter Verwendung des Begleitzettels und Ausgabeprotokolls betraut. Der Beklagte behauptet, er habe die aufbereiteten Unterlagen stichprobenartig geprüft. In unregelmäßigen Abständen habe er sich von der Übereinstimmung der kumulierten Zahlen (Bankleitzahl, Kontonummer) überzeugt und verschiedene Fahrzeuge einzelner Unternehmer darauf hin untersucht, ob die Zahlungen im Gleichklang mit deren Leistung gestanden haben. Diese Prüfung habe er vor Vorlage der Unterlagen an ein zweites Vorstandsmitglied durchgeführt. Jedenfalls aus damaliger Sicht könne ihm kein Pflichtverstoß vorgeworfen werden. Auf Grundlage der seitens seiner Ehefrau aufbereiteten, manipulierten Unterlagen sei es nicht möglich gewesen, Unstimmigkeiten zu bemerken, weil die Prüfsummen übereinstimmten und die Umsätze plausibel gewesen seien. Das Arbeitsgericht hätte seine Entscheidung nicht allein auf die Aussagen der vernommenen Zeugen stützen dürfen, weil beide ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens und ein persönliches Interesse an der Schädigung des Beklagten gehabt hätten. Der Zeuge M... habe in seiner Vernehmung zu Unrecht abgestritten, die Grundunterlagen gekannt zu haben. Er und seine Frau hätten die Unterlagen sehr wohl gekannt und geprüft. Sämtlichen Vorständen seien die Ausgabeprotokolle bekannt gewesen, da sie sich für ihre eigenen Umsätze interessiert hätten. Aus der einmaligen Freigabe eines unvollständigen Ausgabeprotokolls könne nicht darauf geschlossen werden, dass sämtliche Stichproben fehlerhaft gewesen seien. Wenn sich die Prüfungspflicht mit der Zeit verdichtet hätte, könne der Beklagte nicht für den Gesamtschaden haften.

Der Beklagte behauptet, er sei zu keiner Zeit zur Klärung des Saldos auf dem Verrechnungskonto mit der Nummer 1920 aufgefordert worden. Auch die Prüfung von Buchung und Gegenbuchung hätte wegen der zeitlichen Verschiebung (Auszahlungen in anderen Zeiträumen als Buchung der Forderung) nicht weiter geführt. Der Beklagte behauptet weiterhin, die Wagennummer 47 sei keine Nummer eines konkreten Kraftfahrzeugs, sondern die Funknummer eines Taxisunternehmers. Gleiches gelte für die Nummer 27. Unerheblich sei, welches Fahrzeug sich dahinter verborgen habe.

Der Beklagte ist ferner der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen Lohnabrechnungsschaden angenommen. Denn seine Ehefrau habe erhebliche Mehrarbeit geleistet. Das Gericht habe die Darlegungslast des Beklagten überhöht. Er habe dargelegt, dass sämtliche Vorstandsmitglieder der Klägerin gewusst hätten, dass Frau S... durchschnittlich weit mehr als 8 Stunden täglich gearbeitet und hierbei auch Tätigkeiten verrichtet habe, für die sie nicht angestellt gewesen sei. Dies sei gern geduldet worden. Die Vernehmung der hierzu benannten Zeugen H... und H... sei auch keine Ausforschung. Er habe dargelegt, dass er davon ausgehen durfte, dass seine Ehefrau zum einen erheblich mehr Aufgaben übernommen habe, als vertraglich zu leisten gewesen seien. Diese Aufgaben seien anderen Mitarbeitern stundenweise vergütet worden. Für die verschiedenen Aufgaben habe Frau S... mehr als 8 Stunden Arbeitszeit pro Tag benötigt. Die im FMS-System nicht belegten Zeiten, in denen Frau S... dennoch gearbeitet habe, entfielen auf ihre Bürotätigkeit. Die Zwischenzeiten seien größtenteils mit Arbeitsleistung ausgefüllt gewesen. Die Überlegungen des Arbeitsgerichts zur Vernichtung der Stundenzettel seien nicht nachvollziehbar und rechtlich unzutreffend.

Das Arbeitsgericht habe schließlich das Mitverschulden der übrigen Vorstandsmitglieder nicht berücksichtigt. Sowohl die Begleitzettel als auch die Blankogehaltsschecks habe jeweils ein zweites Vorstandsmitglied unterschrieben. Die nur faktische Aufgabenteilung im Vorstand führe nicht zur Entlastung der anderen Vorstandsmitglieder. Das Mitverschulden des Geschädigten an der Schadensentstehung sei von Amts wegen zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 04.09.2007 (3 Ca 1583 a/06) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe den Beklagten zu Recht zur Zahlung verurteilt, jedoch unzutreffenderweise eine deliktische Haftung als Mittäter verneint. Für eine solche Haftung spräche im Hinblick auf den Inkassoabrechnungsschaden, das bewusste Einführen und die Ausgestaltung des Verfahrens im Zusammenhang mit der Abwicklung der Sammelüberweisungen, das Verschweigen der Existenz der Ausgabeprotokolle sowie das Vorenthalten von Unterlagen und die Nichtaufklärung des über die Jahre angewachsenen Saldos auf dem Konto 1920.

Im Hinblick auf den Lohnabrechnungsschaden spräche für eine Mittäterschaft des Beklagten die Geheimhaltung der Löhne und Lohnunterlagen gegenüber Dritten, der Einsatz von Blankoschecks bei der Gehaltszahlung, die Mitwisserschaft/-wirkung bei der Lohnzahlung für die Krankheitszeiten der Frau S... und bei dem Betrug zu Lasten der HDI-Versicherung, die Hinnahme der Abrechnung von AST-Abrechnungsstunden sowie von Funklohn, die Vernichtung der Stundenzettel sowie das Bemühen, sich die Beweisversuche seiner Ehefrau bezüglich der Überstunden zu eigen zu machen.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die Abrechnungsunterlagen nicht stichprobenartig geprüft. Das belege der Umstand, dass seine Ehefrau mit den Manipulationen aufgehört habe, nachdem Herr M... in den Vorstand gewählt und erstmals die Ausgabeprotokolle verlangt habe. Bei der Prüfung hätte auffallen müssen, dass für nicht mehr existierende Wagennummern (z. B. 47) abweichende Kontonummern verwendet worden seien. Das wäre ein Grund für weitere Nachprüfungen gewesen. Der Beklagte habe gewusst, dass der Wagen mit der Nummer 47 nicht mehr gelaufen sei. Bei einer sorgfältigen Überprüfung der Ausgabeprotokolle im Zuge der jeweiligen Sammelüberweisungen hätte der Beklagte die Manipulationen seiner Ehefrau erkennen können und müssen.

Dem Beklagten sei auch vorzuwerfen, dass er das Sammelüberweisungsverfahren so organisiert habe, dass dem zweiten Vorstandsmitglied keine Ausgabeprotokolle vorgelegt worden seien. Er habe die Vorstandsmitglieder im Unklaren gelassen, dass solche Protokolle existierten. Die Überprüfung der eigenen Umsätze der Taxiunternehmer sei auch ohne Ausgabeprotokolle möglich.

Der Auszahlung für den Monat August 2005, die der Zeuge M... unterzeichnet hat, habe keine Manipulation zugrundegelegen. Dem Zeugen M..., der die letzte manipulierte Auszahlung mitunterzeichnet habe, seien keine Unterlagen vorgelegt worden.

Frau S... habe zur Tarnung der rechtswidrigen Auszahlungen an sich selbst immer Scheinforderungen von Taxiunternehmern aufgeführt (in den abgehefteten Ausgabeprotokollen), die Wagennummern betroffen hätten, die gar nicht existierten (z. B. Nr. 27). Das hätte dem Beklagten auffallen müssen. Er habe stets gewusst, mit welchen Wagen unter welcher Lizenznummer ein Taxiunternehmer gerade gefahren sei. Im Laufe der Jahre hätte der Beklagte immer mehr Veranlassung gehabt, den Ursachen des ansteigenden Fehlbetrags auf dem Verrechnungskonto mit der Nummer 1920 nachzugehen. Der Beklagte sei auf nahezu jeder Vorstandssitzung sowie Aufsichtsratssitzung nach den wachsenden Fehlbeständen gefragt worden. Dennoch sei er untätig geblieben. Der Beklagte habe sich nicht auf die Tätigkeit und die Angaben des genossenschaftlichen Prüfungsverbandes im Jahr 2004 verlassen dürfen. Erforderlich sei viel mehr gewesen, einen Monatsvergleich anzustellen zwischen den Forderungen der Taxiunternehmer und den Auszahlungen an diese.

Der Beklagte habe auch nicht vorgetragen, dass Mehrarbeit von Frau S... im abgerechneten Umfang erforderlich gewesen sei und wie er die Überprüfung der Erforderlichkeit vorgenommen haben will. Der Beklagte habe ohne Überprüfung die Lohn-und Gehaltsabrechnungen seiner Ehefrau hingenommen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht angenommen, dass der Beklagte die tatsächliche Leistung von Mehrarbeit nicht bewiesen habe. Dagegen, dass die behaupteten Überstunden tatsächlich geleistet worden seien, spreche die Bezeichnung "Funklohn", obwohl eine solche Tätigkeit tatsächlich nicht in dem Umfang geleistet worden sei, die Bezeichnung "AST-Abrechnung" obwohl nie geleistet, das betrügerische Erlangen überhöhter Entgeltfortzahlung von der HDI-Versicherung, die Abrechnung von Funklohnstunden während der Krankschreibung, die Vernichtung der Stundenzettel sowie der Versuch, durch Vorlage der Anlage B 1 vorzutäuschen, seine Frau habe zwischen dem ersten und letzten Anruf gearbeitet.

Aus diesen Umständen sowie aus dem Barscheckwesen folge, dass der Beklagte sorgfaltswidrig gehandelt habe. Zu einer weitergehenden Kontrolle durch ihn habe auch Anlass bestanden. Andere Vorstandsmitglieder hätten keine Kenntnis von der überschießenden Vergütung der Frau S... gehabt. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, den Kostenfaktor "S..." zu überwachen und zu begrenzen, sowie dafür zu sorgen, dass Überstunden richtig kontiert werden.

Das Arbeitsgericht habe den Einwand des Mitverschuldens zu Recht nicht berücksichtigt. Etwa mit haftende Vorstandsmitglieder würden neben dem Beklagten gesamtschuldnerisch haften.

Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeuginnen C... sowie F... und des Zeugen J.... Die Akte des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht Neumünster mit dem Aktenzeichen 3 Ca 1517 a/06 (Taxi ... N. eG ./. A... S...) ist beigezogen worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit b, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG, 519, 520 ZPO. Sie ist aber nur teilweise begründet.

A. Die sachliche Klagevoraussetzung eines Beschlusses der Generalversammlung, den Beklagten gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, liegt mit dem Beschluss der Versammlung vom 26.07.2006 vor.

B. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 107.915,08 € wegen der Verletzung der ihm als seinerzeitigem Vorstand der Genossenschaft obliegenden Pflichten zu, § 34 Abs. 2 S. 1 Genossenschaftsgesetz (I.). Darüber hinaus kann die Klägerin von dem Beklagten Zahlung weiterer 121.981,74 € gemäß §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 1 und 2, 840 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 266, 263 Abs. 1 StGB verlangen (II.). Anrechnen lassen muss sich die Klägerin einbehaltene Vergütungsansprüche des Beklagten in Höhe von 2.934,71 €. Die Haftung des Beklagten ist auch nicht aus den vom ihm geltend gemachten Gründen ausgeschlossen (III.)

I.

Die Ehefrau des Beklagten, Frau S..., reichte seit dem 24.09.1998 wiederholt Disketten bei der Sparkasse ein, letztmals am 01.07.2005, auf denen sie als Empfangsberechtigte mit ihrer Kontonummer aufgeführt war. Im Rahmen des Sammelüberweisungsverfahrens veranlasste sie die Sparkasse auf diese Weise zur Zahlung von insgesamt 175.770,83 € vom Konto der Klägerin an sich, ohne darauf Anspruch zu haben. Die einzelnen Überweisungsbeträge ergeben sich aus der Aufstellung gemäß Anlage KS 6 (= Bl. 31 f. d. A.).

Der Beklagte haftet für den auf diese Weise bei der Klägerin entstandenen Schaden in Höhe von 107.627,08 € und auch für die Schadensermittlungskosten in Höhe von 288,-- € als Gesamtschuldner neben seiner Ehefrau. Frau S... ist aufgrund ihres Verhaltens im Zusammenhang mit den Inkassomanipulationen zum Schadensersatz in Höhe von 175.770,83 € verurteilt worden (Arbeitsgericht Neumünster 3 Ca 1517 a/06).

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin haftet der Beklagte nicht als Mittäter gemäß § 823 Abs. 1 und 2 BGB i. V. m. §§ 263 und 266 StGB sowie §§ 830, 840 BGB.

a) Gemäß § 830 Abs. 1 S. 1 ist dann, wenn mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht haben, jeder für den Schaden verantwortlich. Die gemeinschaftliche Begehung ist im Sinne der strafrechtlichen Mittäterschaft (§ 25 StGB) zu verstehen, setzt also bewusstes und gewolltes Zusammenwirken mehrerer zur Herbeiführung eines Erfolgs voraus. Die Tatbeiträge der anderen Mittäter sind jedem Beteiligten zuzurechnen, unabhängig davon, ob er sie in den Einzelheiten gekannt bzw. den Schaden eigenhändig mit verursacht hat (BGH 24.01.1984 - VI ZR 37/82 - NJW 1984, 1226). Entscheidend ist, ob der Wille des Beteiligten auf eine Rechtsverletzung gerichtet war und dies nach außen erkennbar geworden ist. Dabei muss er die schadensstiftenden Handlungen mindestens billigend in Kauf genommen haben. In subjektiver Hinsicht ist ein gemeinschaftlicher Entschluss erforderlich. Die Mittäter müssen derartig vorsätzlich zusammenwirken, dass sich jeder Mittäter an der schadensstiftenden Handlung mit dem Willen beteiligt, sie als eigene Tat gemeinschaftlich mit den anderen zu verwirklichen (BGH 29.10.1974 - VI ZR 182/73 - BGHZ 63, 124, 126).

b) Die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte belegen nicht, dass der Wille des Beklagten darauf gerichtet war, sich an dem deliktischen Verhalten seiner Ehefrau zu beteiligen, das sie im Rahmen der Inkassoabrechnung an den Tag gelegt hat.

Unabhängig davon, wie Frau S... vorgegangen ist, hat der Beklagte keinen aktiven Beitrag geleistet. Die unmittelbar schadensstiftenden Handlungen erfolgten ohne sein Zutun.

Unstreitig lag die Inkassoabrechnung in den Händen von Frau S.... Sie erstellte die Diskette mit der Auszahlungsanweisung an die Sparkasse. Sie druckte den Begleitzettel und das Ausgabeprotokoll aus. Dabei manipulierte sie in mehreren Schritten, wobei zwischen den Parteien streitig ist, wie sie im Einzelnen vorgegangen ist. An diesen Manipulationen war der Beklagte - auch nach dem Vortrag der Klägerin - nicht unmittelbar beteiligt. Er hat weder die Diskette erstellt noch hat er den Begleitzettel oder das Ausgabeprotokoll ausgedruckt.

Seine Behauptung, auch er sei von seiner Ehefrau getäuscht worden, lässt sich nicht widerlegen. Es ist weder erkennbar, dass der Beklagte die Manipulationen seiner Ehefrau billigend in Kauf genommen hat, noch dass die beiden vorsätzlich zusammengewirkt haben.

Selbst wenn der Vortrag der Klägerin als richtig unterstellt wird, dass der Beklagte die Praxis eingeführt hat, dem zweiten Vorstandsmitglied nur den für die Durchführung des Sammelüberweisungsverfahrens benötigten Begleitzettel zur Unterschrift vorzulegen, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Ein solches Verhalten lässt nicht zwingend den Schluss zu, Kontrollmöglichkeiten hätten unterbunden werden sollen, um den Inkassobetrug zu ermöglichen. Eine Kontrolle durch die anderen Vorstände war auf diese Weise nicht zu verhindern; Nachfragen drängten sich sogar förmlich auf. Der Begleitzettel selbst lässt nämlich keine eingehende Prüfung zu. Die dort angegebenen Kontrollsummen sind für sich betrachtet aussagelos. Erst durch Addieren sämtlicher Bankleitzahlen und Kontonummern lässt sich feststellen, ob die im Begleitzettel angegebenen Kontrollsummen richtig sind. Vor Freigabe durch Unterschrift auf dem Begleitzettel hätten die Bankleitzahlen und Kontonummern addiert werden müssen, um eine Übereinstimmung mit den Angaben auf dem Begleitzettel festzustellen. Für eine gewissenhafte Prüfung hätte also konkret nach den aufzuaddierenden Zahlen gefragt werden können und müssen.

Aber selbst wenn die Ausgabeprotokolle (mit) vorgelegt worden wären, hätten die Manipulationen der Frau S... nicht ohne weiteres festgestellt werden können. Denn die Kontrollsummen stimmten auf Grund der manipulierten Ausgabeprotokolle. Ihre Nichtvorlage war deshalb keine zwingende Voraussetzung für die Durchführung und den Erfolg des Vorgehens von Frau S.... Aufgrund der geringen Aussagekraft der Kontrollsummen auf dem Begleitzettel musste zudem allen an dem Verfahren Beteiligten klar sein, dass eine Überprüfung nicht stattfindet. Vor diesem Hintergrund war stets damit zu rechnen, dass der Wunsch nach prüffähigen Unterlagen an Frau S... herangetragen wird.

Aus dem Umstand, dass der Beklagte den sich fortwährend vergrößernden Fehlbestand auf dem Verrechnungskonto mit der Nummer 1920 gekannt hat, lässt sich nicht schließen, dass er mit seiner Ehefrau gemeinsame Sache gemacht hat. Die Entwicklung des Kontos war nicht nur für ihn, sondern für alle Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder offenkundig. Denn dieses Thema ist - wie die Parteien übereinstimmend vortragen - auf den Sitzungen dieser Gremien angesprochen worden. Die bloße Kenntnis dieser Entwicklung begründet jedoch noch keine Mittäterschaft an den hierfür ursächlichen Manipulationen. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass Frau S... ihr Vorgehen sorgfältig geplant und nach außen unauffällig durchgeführt hat. Anhaltspunkte, ihr zu misstrauen, hat sie nicht geliefert. Deshalb kann das dem Beklagten selbstverständlich vorzuwerfende Unterlassen gebotener Aufklärungsmaßnahmen (siehe sogleich unter 2.) nicht schon als mittäterschaftlicher Beitrag am deliktischen Verhalten seiner Ehefrau gewertet werden.

Die Klägerin hat schließlich nicht näher dazu vortragen können, auf welche Weise der Beklagte von dem Vermögenszuwachs auf Seiten seiner Ehefrau Kenntnis erlangt hat. Dem Vortrag des Beklagten, seine Ehefrau und er verfügten über verschiedene Konten, ist sie nicht substantiiert entgegengetreten.

2. Dennoch haftet der Beklagte zumindest für einen Teil des durch seine Ehefrau verursachten "Inkassoschadens".

a) Der Beklagte hat seine Pflichten als Vorstand der Klägerin verletzt und haftet demgemäß aus § 34 Abs. 2 Genossenschaftsgesetz. Er hat entgegen § 34 Abs. 1 S. 1 Genossenschaftsgesetz nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft angewandt.

Grundsätzlich haften Vorstandsmitglieder nicht für den Erfolg, sondern für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten. Maßstab für die Bewertung der Sorgfaltspflicht und der Haftungsfrage ist, dass Vorstandsmitglieder das einem ordentlichen und gewissenhaften Vorstandsmitglied objektiv Mögliche und subjektiv Zumutbare tun müssen, um die Genossenschaft, deren Mitglieder und Gläubiger vor Schaden zu bewahren.

Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, geeignete Überwachungs- und Überprüfungsmaßnahmen in die Wege zu leiten, nachdem das Verrechnungskonto mit der Nummer 1920 Ende des Jahres 2001 einen außerordentlich hohen Fehlbestand aufwies. Die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft gebot es im vorliegenden Fall, dass der Beklagte Ende des Jahres 2001 Maßnahmen ergriff, um der bedenklichen Kontoentwicklung auf den Grund zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt reichten stichprobenartige Kontrollen keinesfalls mehr aus. Es kann deshalb als wahr unterstellt werden, dass der Beklagte die von ihm behaupteten stichprobenartigen Überprüfungen anhand der Ausgabeprotokolle vorgenommen hat. Ende des Jahres 2001 war das Konto 1920 in einem Maße verschuldet, das sich mit normalen Schwankungen nicht mehr erklären ließ. Der Abfluss belief sich zu diesem Zeitpunkt auf mehr als 68.000,-- € und lag damit oberhalb des höchsten dokumentierten Monatsumsatzes auf dem Konto. Das hätte den Beklagten veranlassen müssen, zur Überprüfung neben den Ausgabeprotokollen auch die Abrechnungen der einzelnen Taxiunternehmer heranzuziehen. Durch einen solchen Abgleich hätte festgestellt werden können, welche in den Ausgabeprotokollen aufgeführten Beträge tatsächlich von Taxiunternehmern angemeldet worden waren und ob sie berechtigt waren. Bei einer derartigen Überprüfung, die Ende des Jahres 2001 auch noch möglich gewesen wäre, weil die schriftlichen Unterlagen noch nicht vernichtet waren, hätte die Ursache der Kontoentwicklung zweifelsfrei festgestellt werden können. Damit wäre ein weiterer Geldabfluss verhindert worden.

b) Ein etwaiges Fehlverhalten von Aufsichtsrat, Prüfungsverband und/oder Aufsichtsbehörden entlastet den Beklagten als Vorstand nicht (vgl. Pöhlmann/Fandrich GenG 3. Aufl. § 34 Rn. 18).

c) Wegen dieser Pflichtversäumnis haftet der Beklagte in Höhe der ab Januar 2002 durch die fortgesetzten Manipulationen abgeflossenen Gelder. Hierbei handelt es sich um einen Betrag von 107.627,08 €. Daneben kann die Klägerin Erstattung der nachgewiesenen Schadensermittlungskosten in Höhe von 288,-- € verlangen. Die Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens (BGH 29.11.1988 - X ZR 112/87 - NJW RR 1989, 953).

d) Für den durch die Inkassomanipulationen der Frau S... vor dem 01.01.2002 verursachten Schaden haftet der Beklagte nicht, auch nicht gemäß § 34 Abs. 2 Genossenschaftsgesetz.

Für Fehler von Mitarbeitern, auch wenn es sich um deliktische Handlungen handelt, besteht nur eine Haftung nach den Grundsätzen der unzulässigen Delegation, der unzureichenden Auswahl und Organisation sowie der mangelnden Kontrolle. Die hier allein in Betracht kommende unzureichende Kontrolle seiner Ehefrau muss sich der Beklagte jedenfalls bis Ende des Jahres 2001 nicht vorwerfen lassen. Ohne besondere Anhaltspunkte ist der Vorstand nicht dazu aufgerufen, einen ins Einzelne gehenden Belegabgleich vorzunehmen und jede Einzahlung und Auszahlung zu prüfen. Er darf sich zunächst auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit der mit der Buchhaltung befassten Kraft verlassen.

Aufgrund des sorgfältig geplant und durchgeführten Vorgehens der Frau S... konnte nur eine Überprüfung der einzelnen Belege zur Aufdeckung der Manipulationen führen. Dazu bestand - wie soeben ausgeführt - erst Ende 2001 Anlass, weil zu diesem Zeitpunkt erstmals ein bedenklicher Kontostand auf dem Verrechnungskonto zu verzeichnen war.

Die Durchsicht der gleichfalls manipulierten Ausgabeprotokolle und eine Prüfung der Kontrollsummen musste dagegen ins Leere gehen. Denn die Kontrollsummen stimmten, so dass die Auszahlungen berechtigt erschienen. Die Kammer teilt vor diesem Hintergrund nicht die Ansicht der Klägerin, schon bei Durchsicht der Ausgabeprotokolle hätte die Manipulation auffallen müssen.

II.

Die Ehefrau des Beklagten war für die Lohn- und Gehaltsabrechnung zuständig. Im Zuge dessen fertigte sie auch ihre eigenen Abrechnungen. Dabei rechnete sie in den Jahren 1995 bis 2005 regelmäßig sogenannte Funklohn- und AST-Abrechnungsstunden zu ihren Gunsten ab. Unstreitig hat sie die Funklohnstunden nur in wesentlich geringerem Umfang geleistet, als von ihr abgerechnet. Auch die AST-Abrechnungsstunden hat sie nicht in dem Umfang geleistet, wie aus den Abrechnungen ersichtlich. Die Abrechnungen waren dem Beklagten ebenso bekannt wie die Dienstpläne, in denen die Funkdienste vermerkt sind.

Bei Abzug der nicht geleisteten aber sogar mit Zuschlägen vergüteten Funklohnstunden und AST-Abrechnungsstunden ergibt sich eine Differenz zum tatsächlich gezahlten Gehalt in Höhe von 119.496,74 €. Hierfür haftet der Beklagte gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB und §§ 830 Abs. 1 und 2, 840 BGB.

1. Mit der Klägerin ist die Berufungskammer der Ansicht, dass der Beklagte zumindest als Gehilfe (§ 830 Abs. 2 BGB) wenn nicht sogar als Mittäter an den Abrechnungsmanipulationen seiner Ehefrau beteiligt war.

a) Auch die Beihilfe gemäß § 830 Abs. 2 BGB ist im strafrechtlichen Sinne zu verstehen (§ 27 StGB). Erforderlich ist die vorsätzliche Unterstützung einer fremden Vorsatztat, wobei bedingter Vorsatz genügt (BGH 29.10.1974 - VI ZR 182/73 - BGHZ 63, 124). Das Ausmaß der Unterstützung spielt keine Rolle. Jede Form der Unterstützung kommt in Betracht. Einer Mitwirkung bei der Tatausführung bedarf es nicht. Für die Kausalität genügt die objektive Förderung der Haupttat durch die Hilfeleistung. Der Tatbeitrag des Gehilfen braucht für den Taterfolg nicht ursächlich zu sein. Auch ist eine Kenntnis des Täters vom Beitrag des Gehilfen nicht erforderlich (BGH 31.01.1978 - VI ZR 32/77 - BGHZ 70, 277, 287).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Beklagte seine Ehefrau bei ihren Abrechnungsmanipulationen unterstützt. Er wusste, dass die von ihr abgerechneten Stunden für AST-Abrechnung und Funklohntätigkeit mit den tatsächlich geleisteten nicht übereinstimmten. Das hat er in der Berufungsverhandlung nach der durchgeführten Beweisaufnahme eingeräumt. Seine erstinstanzlich aufgestellte und zunächst in der Berufungsinstanz aufrechterhaltene Behauptung, Frau S... habe die AST-Abrechnungsstunden tatsächlich geleistet, ist im übrigen durch Vernehmung der Zeuginnen F... und C... sowie des Zeugen J... widerlegt. Danach war es keinesfalls so, dass Frau S... zwischen 1998 und 2004 die abgerechneten AST-Abrechnungsstunden (vgl. Aufstellung Bl. 476) geleistet hat. Andere Mitarbeiter waren zuständig; der Umfang der monatlich anfallenden Arbeit war wesentlich geringer. Die Zeugin C... hat bekundet, dass ab Oktober 2004 ausschließlich sie die AST-Abrechnung vorgenommen hat. Die Zeugin und auch der Zeuge J... haben ausgesagt, dass zuvor der Zeuge J... mit der Abrechnung befasst war, und zwar bis September 2004. Der Zeuge hat weiter ausgesagt, dass er die AST-Abrechnung alleine gemacht hat, jedenfalls nach der zweimonatigen "Übernahmephase". Während dieser Zeit hat er sich die Arbeit nach seinem Bekunden mit Frau S... geteilt. Schließlich hat auch die Zeugin F... ausgesagt, dass sie die AST-Abrechnung allein gemacht hat, ohne dass Frau S... ihr geholfen hat. Übereinstimmend haben die Zeugen bekundet, dass die Arbeit an einem Tag, jedenfalls aber an zwei Tagen zu schaffen war. Die Aussagen der Zeugen sind glaubhaft, den sie waren unstreitig mit der AST-Abrechnung befasst und können sich daher zu Inhalt und Erledigung der Arbeit äußern. Die Zeugen sind auch glaubwürdig. Sie haben sich ruhig und sachlich zum Beweisthema geäußert. Eine Voreingenommenheit gegenüber dem Beklagen oder dessen Ehefrau war nicht erkennbar.

Danach steht fest, dass Frau S... die streitgegenständliche Vergütung für Funklohntätigkeit und AST-Abrechnung zu Unrecht erhalten hat. Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, seine Ehefrau habe Überstunden geleistet; diese seien aber nicht als solche abgerechnet worden, sondern als Funklohn- und AST-Abrechnungsstunden. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass Frau S... tatsächlich in erheblichem Umfang Überstunden geleistet hat. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass es einfacher sein soll, Überstunden nicht als solche abzurechnen, sondern als andere Lohnform. Mehrarbeit hätte, wenn sie denn geleistet worden wäre, als solche bezeichnet werden können. Dann wäre eine Überprüfung, ob Überstunden tatsächlich geleistet worden sind, ohne weiteres möglich gewesen. Durch das vom Beklagten akzeptierte Vorgehen seiner Ehefrau bei der Abrechnung ist eine derartige Prüfung aber unmöglich gemacht worden. Es handelt sich bei den abgerechneten Stunden offenbar um gegriffene Beträge, denn eine Rückrechnung aus den abgerechneten Vergütungsformen auf Überstunden ist nicht möglich. Weil der Beklagte um diese objektiv falsche Abrechnung durch seine Ehefrau wusste, ist zunächst davon auszugehen, dass ein Vergütungsanspruch, wie ihn die Abrechnungen glauben machen wollen, tatsächlich nicht bestanden hat.

Wenn der Beklagte nun vortragen will, der Klägerin sei kein Schaden entstanden, weil seine Ehefrau einen Überstundenvergütungsanspruch gehabt habe, so muss er diesen Anspruch darlegen und beweisen. Das ist ihm auch im zweiten Rechtszug nicht gelungen. Es reicht nicht aus, vorzutragen, die Überstunden seien aufgrund umfangreicher Tätigkeit entstanden, denn seine Ehefrau habe täglich weit mehr als 8 Stunden gearbeitet. Ebenso wenig reicht es aus, zu behaupten, in den Jahren 2003 und 2004 sowie davor habe sie zwischen 06:00 und 07:30 Uhr mit der Arbeit begonnen; teilweise habe sie sogar schon um 04:00 Uhr angefangen und ihre Arbeit habe sie nicht vor 16:00 Uhr beendet. Derjenige, der Vergütung von Überstunden fordert, muss im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet worden ist. Die pauschal wiedergegebenen Arbeitszeiten, auf die sich der Beklagte hier beruft, reichen dazu nicht aus. Die Funkschichtpläne, die für einige Zeitabschnitte vorgelegt worden sind, belegen nur punktuell die Arbeitszeit. Ihnen kann nicht entnommen werden, dass auch zwischen den einzelnen Einsätzen (in anderer Weise) gearbeitet worden ist. Auch die Tätigkeitsaufstellungen gemäß Anlage B 2 sind nicht hinreichend aussagekräftig. Überdies hat der Beklagte nicht dazu vorgetragen, welche Überstunden im Einzelnen angeordnet worden sind. Er behauptet zwar, die Überstunden seien vom Vorstand geduldet worden. Hierzu hätte aber konkret aufgezeigt werden müssen, dass Frau S... Arbeit zugewiesen worden ist, die nur unter Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet werden konnte und ihr gegenüber die Erwartung der baldigen Erledigung der Arbeit zum Ausdruck gebracht worden ist. Dies wiederum hätte bezogen auf die einzelnen Überstunden deutlich gemacht werden müssen. Keinesfalls genügt es, für einen Gesamtzeitraum darauf zu verweisen, der Vorstand habe immer gern die Arbeitsleistung entgegengenommen.

2. Der durch die Abrechnungsmanipulationen entstandene Schaden, für den der Beklagte gesamtschuldnerisch neben seiner Ehefrau haftet, beläuft sich auf 119.496,74 €. Hinzu kommen die Schadensermittlungskosten in Höhe von 2.485,-- €, die die Klägerin im Einzelnen belegt hat. Wie oben ausgeführt, sind die Kosten der Schadensfeststellung Teil des zu ersetzenden Schadens.

3. Der Zinsanspruch steht der Klägerin gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB zu.

III.

Die Haftung des Beklagten scheitert auch nicht aus anderen Gründen.

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft grundsätzlich nicht dadurch von ihrer Haftung frei werden, dass sie sich auf den arbeitsrechtlichen Grundsatz der "gefahrgeneigten Arbeit" berufen (vgl. BGH 27.02.1975 - II ZR 112/72 - VersR 1975, 612).

2. Der Umstand, dass der Beklagte in den Jahren seiner Vorstandstätigkeit regelmäßig entlastet worden ist, steht der Haftung nicht entgegen. Dass eine Entlastung erfolgt ist, nachdem die Klägerin von den hier streitgegenständlichen Forderungen erfahren hat, hat selbst der Beklagte nicht behauptet.

3. Nach allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts wird ein Schadensersatzanspruch regelmäßig nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Geschädigte sich wegen des entstandenen Vermögensnachteils auch an einen Dritten halten kann (BGH 17.02.1982 - IV AZR 284/80 - NJW 1982, 1806; 24.01.1997 - V ZR 294/95 - WM 1997, 162; 19.07.2001 - X ZR 62/00 - WM 2001, 1605). Dies gilt nicht nur dann, wenn konkurrierende Schadensersatzansprüche bestehen, sondern auch, wenn neben dem Schadensersatzanspruch ein Primäranspruch auf Leistung aus Gesetz oder Vertrag besteht. Der genannte Grundsatz folgt schon aus § 255 BGB (BGH 01.12.2005 - VI ZR 115/01 - NJW RR 2006, 194). § 255 BGB bestätigt, dass die Existenz eines Ersatzanspruchs gegenüber Dritten nicht dazu führt, eine Schadensersatzpflicht des Schädigers allein deshalb zu verneinen, weil anderweitige Ersatzansprüche gegenüber Dritten die Vermögenseinbuße ausschließen. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Geschädigte auch dann vollen Schadensersatz verlangen kann, wenn ihm zugleich ein Anspruch gegen einen Dritten zusteht. Haften die in Betracht kommenden Ersatzpflichtigen als Gesamtschuldner, kann der Gläubiger gemäß § 421 BGB nach seinem Belieben die Leistung ganz oder zu einem Teil von jedem der Schuldner fordern, ohne dass diese auf den jeweils anderen verweisen können (BGH 01.12.2005 a. a. O).

Deshalb haften die weiteren Vorstandsmitglieder der Klägerin, die ebenfalls die Begleitzettel unterschrieben haben, ggf. neben dem Beklagten. Die Klägerin kann sich also zum einen an die Ehefrau des Beklagten als unmittelbare Schädigerin wenden und daneben an die Vorstände, die durch pflichtwidriges Verhalten (Tun oder Unterlassung) die schädigende Handlung ermöglicht haben. Es ist Sache der Schuldner, unter sich auszumachen, wer von ihnen für den dem Gläubiger gebührenden Ausgleich aufzukommen hat (BGH 01.12.2005 a.a.O.).

4. Die streitgegenständlichen Ansprüche sind auch nicht verjährt.

Die Ansprüche gemäß § 34 Abs. 2 verjähren gemäß § 34 Abs. 6 Genossenschaftsgesetz innerhalb von 5 Jahren ab Entstehung des Anspruchs. Hier ergibt sich der Schaden aus den von Frau S... ab Anfang 2002 auf ihr Konto umgeleiteten Beträgen. Die ab diesem Zeitpunkt entstandenen Schadensersatzansprüche, für die der Beklagte gemäß § 34 Abs. 2 Genossenschaftsgesetz haftet, waren demnach bei Klagerhebung im September 2006 noch nicht verjährt.

Die deliktischen Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und §§ 830 Abs. 1 und 2, 840 BGB sind gleichfalls nicht verjährt. Die Sondervorschrift des § 34 Abs. 6 Genossenschaftsgesetz ist auf deliktische Schadensersatzansprüche nicht anwendbar. Vielmehr gelten für den Beginn der Verjährung gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EGBGB die § 852 BGB a.F. (für die Zeit vor dem 01.01.2002) und § 199 BGB n.F. (für die Zeit ab dem 01.01.2002). Soweit die Verjährungsvorschriften den Beginn des Verjährungslaufs an subjektive Faktoren knüpfen (§ 852 BGB a.F.: Kenntnis; § 199 BGB n.F.: Kenntnis/grob fahrlässige Unkenntnis) hat die Klägerin vorgetragen, dass die maßgeblichen Vorstandsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder von dem Inkassoabrechnungsbetrug erst im April und von den manipulierten Lohnabrechnungen im Januar 2006 erfahren haben. Dem ist der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Zur Zulassung der Revision sieht die Kammer kein Anlass. Es handelt sich um eine ausschließlich am Einzelfall orientierte Entscheidung, die sich im Rahmen der höchstrichterlich aufgestellten Grundsätze zur Haftung des Vorstands einer Genossenschaft hält.

Ende der Entscheidung

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