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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 6 Sa 452/08
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
BGB § 311 Abs. 1
BGB §§ 421 ff.
BGB § 781
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 Sa 452/08

Verkündet am 27.05.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 27.05.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 15.07.2008 - 1 Ca 1715/08 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Zahlung.

Die Beklagte war im Sommer 2007 im Rahmen des Bauvorhabens E... 398 in H... als Generalübernehmerin tätig. Der Kläger war dort seit dem 27. oder 28.08.2007 mit sechs weiteren Arbeitskollegen mit gewerblichen Tätigkeiten im Trockenbau beschäftigt. Ihrer Arbeit lag eine mündliche Vereinbarung mit Herrn N... zugrunde. Dieser teilte den Arbeitnehmern mit, es werde im Auftrag einer Firma L... gearbeitet. Der Kläger und seine Arbeitskollegen kannten Herrn N... als Vorarbeiter der Firma L....

Mitte September 2007 erfuhren der Kläger und seine Arbeitskollegen, dass sie bei der Sozialversicherung nicht angemeldet worden waren. Sie fuhren nach B... und sprachen bei der Geschäftsführung der Firma L... vor. Dort wurde ihnen mitgeteilt, die Firma L... sei im Rahmen dieses Bauvorhabens nie beauftragt worden und Herr N... sei bei dieser Firma nicht (mehr) angestellt.

Der Kläger und seine Arbeitskollegen wandten sich daraufhin an den Geschäftsführer der Beklagten, der mit Herrn N... bekannt war. Sie übersandten diesem Stundenaufstellungen der Arbeitnehmer für August und September 2007 (Anlagen A 5 und A 6 = Bl. 14 - 15 d. A.) sowie eine Abrechnung der sich daraus ergebenden Vergütungen (Anlage K 1 = Bl. 3 d. A.). Diese versah der Geschäftsführer der Beklagten mit dem Stempel der Beklagten und seiner Unterschrift. Auf der Abrechnung heißt es "MfG bestätigt". Auf ihr finden sich ferner Telefonnummern des Geschäftsführers der Beklagten und die Bankverbindung des Klägers.

Die Ansprüche des Klägers und seiner Arbeitskollegen belaufen sich nach dieser Abrechnung auf 15.472,50 €. Die Arbeitskollegen des Klägers haben ihre Forderungen an den Kläger abgetreten.

Herr N... zahlte im Oktober 2007 auf die Forderung 2.000,-- € in bar. Weitere 1.000,--€ sind in Hamburg bar auf das Konto des Klägers eingezahlt worden.

Der Kläger hat behauptet, durch die Unterschrift unter die Abrechnung (Anlage K 1) habe die Beklagte ein Schuldanerkenntnis abgegeben. Deshalb sei sie zur Zahlung des Betrags verpflichtet. Der Geschäftsführer der Beklagten habe die Aufstellung mit dem Hinweis unterzeichnet, er wolle diesen Betrag direkt zahlen. Dementsprechend seien die 1.000,-- € am 05.12.2007 an den Kläger gezahlt worden, und zwar von der Beklagten.

Am 05.10.2007 habe man die Bauarbeiten am Bauvorhaben eingestellt und die Stundenaufstellungen dem Geschäftsführer der Beklagten per Telefax übersandt. Dieser habe zuvor gesagt, er sorge dafür, dass der Kläger und seine Kollegen ihr Geld bekämen. Telefonisch habe der Geschäftsführer erklärt, falls Herr N... nicht zahle, werde er die entsprechende Zahlung leisten.

Ca. 14 Tage später habe man sich dann in Berlin noch einmal getroffen. Auch in diesem Gespräch habe der Geschäftsführer der Beklagten erklärt, er werde die ausstehenden Zahlungen übernehmen. Er habe noch einen Betrag in Höhe von 20.000,-- € gegenüber Herrn N... einbehalten.

Die von der Beklagten genannte Firma A...GmbH sei ihm, dem Kläger, völlig unbekannt. Sie habe nichts mit dem Bauvorhaben E... zu tun. Er habe aber gehört, man könne bei dieser Firma "Rechnungen kaufen".

Die Beklagte hat behauptet, sie habe die Firma H... B... beauftragt, die sich wegen der Trockenbauarbeiten wiederum an die Firma A... GmbH gewandt habe. Die Firma A... GmbH habe auch drei Rechnungen gestellt (Bl. 10 - 12 d. A.), die von ihr, der Beklagten, beglichen worden seien. Deshalb sei der Vortrag des Klägers, bei der Firma A... GmbH könne man "Rechnungen kaufen", unverständlich.

Als es offenbar Auseinandersetzungen zwischen der A... GmbH und dem Kläger und seinen Arbeitskollegen gegeben habe, seien der Kläger und seine Kollegen auf sie zugekommen und hätten gebeten, die Anwesenheitszeiten gegen zu zeichnen. Eine erste Aufstellung (Anlage 4 = Bl. 13 d. A.) habe ihr Geschäftsführer nicht unterzeichnet, weil sie vom Betrag her mit den Rechnungen der A... GmbH nicht in Einklang zu bringen gewesen sei. Später seien ihrem Geschäftsführer die Stundenabrechnungen für August und September 2007 (Anlage 5 und 6 = Bl. 14 - 15 d. A.) übersandt worden mit der Bitte, die sich daraus ergebende Anwesenheit der Personen gegen zu zeichnen. Auf diese Weise hätten die Arbeitnehmer der A... GmbH ihre Anwesenheitszeiten nachweisen wollen. Die Zahlenwerke einschließlich der Stundenaufstellungen habe ihr Geschäftsführer sodann zum Nachweis gegenüber der A... GmbH bestätigt. Gleichzeitig habe er auf einem Zettel unterhalb des Stempels seine Telefonnummer und die Mobilfunknummer notiert, um ggf. Rückfragen der A... GmbH unmittelbar zu klären. Ein Schuldanerkenntnis sei dies nicht.

Die Beklagte oder deren Geschäftsführer hätten an den Kläger auch keinerlei Zahlungen geleistet. Ihr Geschäftsführer habe gegenüber Herrn N... interveniert und diesem erklärt, er erwarte, dass die auf dem Bauvorhaben eingesetzten Arbeitskräfte auch tatsächlich bezahlt würden. Ihr Interesse sei ausschließlich gewesen, dass die Arbeit fortgesetzt werde.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien und ihrer Anträge im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe durch Unterschrift ihres Geschäftsführers unter die Anlage K 1 kein Schuldanerkenntnis abgegeben. Sie habe auch keinen Schuldbeitritt erklärt.

Gegen das ihm am 18.11.2008 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 17.12.2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18.02.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 18.02.2009 begründet.

Der Kläger meint, durch die Unterzeichnung der als Anlage K 1 vorgelegten Abrechnung seien nicht die Arbeitsstunden, sondern die Zahlungsbeträge bestätigt worden. Dafür spreche die Gegenzeichnung der Abrechnung durch alle Beteiligten. Bei einer bloßen Bestätigung der Arbeitsstunden hätte es zudem nicht der Angabe der Bankverbindung bedurft. Der Zusatz "MfG" habe keinen Erklärungswert. Die Beklagte habe auch nicht bestritten, dass ihr Geschäftsführer nach Fertigstellung der Arbeiten 1.000,-- € an den Kläger habe zahlen lassen. Für den Inhalt des Gesprächs in Berlin - etwa zwei Wochen nach dem 05.10.2007 - beruft sich der Kläger auf das Zeugnis des Herrn M....

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 11.11.2008, Az. 1 Ca 1715/08, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.472,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und betont, dass die "Bestätigung" zur Klärung von Differenzen zwischen dem Kläger und seinem Auftraggeber gedient hätte. Die Bestätigung der rechnerischen Richtigkeit sei nicht mit der Erklärung verbunden, die Beträge bezahlen zu wollen.

Der Geschäftsführer der Beklagten habe in Abstimmung mit dem Auftraggeber des Klägers die vorgetragenen Zahlungen geleistet, um Weiterungen zu vermeiden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b, 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

1. Unstreitig hat zwischen der Beklagten und dem Kläger sowie seinen Kollegen kein Arbeitsverhältnis bestanden, das Grundlage der streitgegenständlichen Lohnforderung sein könnte.

2. Die Beklagte haftet dem Kläger nicht aufgrund eines schriftlichen Schuldanerkenntnisses. Weil es an einer bestehenden Schuld fehlt, hätte es eines konstitutiven Anerkenntnisses bedurft. Ein solches hat die Beklagte nicht abgegeben.

a) Mit seiner Unterschrift auf der zusammen mit den Stundenzetteln übersandten Abrechnung (Anlage K 1) hat der Geschäftsführer für die Beklagte kein Anerkenntnis im Sinne von § 781 BGB erklärt. Bei einem Schuldanerkenntnis gemäß dieser Vorschrift handelt es sich um einen Vertrag, mit dem das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird. Seiner Rechtsnatur nach ist das konstitutive (oder selbständige) Schuldanerkenntnis ein einseitig verpflichtender Schuldvertrag, der eine neue abstrakte Forderung begründet, die regelmäßig schuldverstärkend neben die ursprünglich kausale Verpflichtung tritt. Durch das Anerkenntnis soll unabhängig von dem bestehenden Schuldverhältnis eine neue selbständige Verpflichtung geschaffen werden, selbst wenn der ursprüngliche Anspruch nicht (mehr) besteht oder sich gegen einen Dritten richtet. Ein solches Schuldanerkenntnis liegt aber nur dann vor, wenn die übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, d. h. von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll (BGH 14.01.2008 - II ZR 245/06 - NJW 2008, 1589). In dem Versprechen muss der Leistungswille des Schuldners zum Ausdruck gekommen sein. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung der Erklärungen zu ermitteln. Die Auslegung, ob die Vertragsparteien sich auch über die selbständige Natur des Versprechens einig geworden sind, hat bei dem Wortlaut der Erklärungen zu beginnen. Die Auslegung darf sich aber nicht auf den Wortlaut beschränken, sondern muss alle Umstände des Falles berücksichtigen. Dazu gehören vorangegangene Verhandlungen ebenso wie Anlass und Zweck der Erklärungen sowie im Zweifel die Interessenlage beider Seiten (BGH 18.05.1995 - VII ZR 11/94 - NJW-RR 1995, 1391). Von der Zwecksetzung her kann auf den Abstraktionswillen der Parteien hindeuten, wenn mit Hilfe des Schuldanerkenntnisses die Rechtsverfolgung erleichtert werden soll, indem der Gläubiger den Anspruch unter Befreiung von jeder weiteren Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Schuldgrundes ggf. im Urkundsprozess verfolgen kann (sog. Klageerleichterungszweck; vgl. Staudinger/Marburger, a.a.O., vor §§ 780-782 Rdn. 10).

b) Der Auslegung des Arbeitsgerichts ist im Ergebnis und in der Begründung zu folgen. Zutreffend hat das Arbeitsgericht zunächst den Wortlaut der "Abrechnung" in den Blick genommen. Die einzige Erklärung der Beklagten, die sich auf dem streitgegenständlichen Schriftstück findet, lautet "MfG bestätigt". Hieraus lässt sich nicht auf den Willen des Geschäftsführers der Beklagten schließen, eine selbständige Schuld zu begründen. Durch eine Bestätigung sollen vielmehr tatsächliche Behauptungen unstreitig gestellt werden. Auch der Zusatz "MfG" findet sich eher auf Bestätigungsschreiben als auf Schuldanerkenntnissen. Die Tatsache, dass sich auf der Anlage K 1 Unterschriften des Klägers sowie seiner Arbeitskollegen finden, ändert hieran nichts. Entscheidend ist, dass der Leitungswille der Beklagten keinen hinreichenden Ausdruck gefunden hat. Es ist nicht zwingend, dass sich das "bestätigt" auf die Eurobeträge bezieht, es ist genau so gut denkbar, dass es sich auf die Stundenzettel bezieht. Die Abzeichnung von Stundenzetteln, d. h. die Bestätigung gearbeiteter Stunden, ist aber in der Regel nur ein deklaratorisches, kein konstruktives Anerkenntnis (KG 09.08.2002 - 7 U 203/01 - NZ Bau 2003, 36; KG 20.03.2009 - 7 U 161/08 -). Die weiteren Umstände des Falls rechtfertigen kein anderes Auslegungsergebnis. Die Gespräche zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten kreisten stets um die Frage, wie der Kläger und seine Kollegen ihren Lohn von Herrn N... erhalten. Auf dessen Veranlassung hatten sie auf dem Bauvorhaben in H... gearbeitet. Zum Zeitpunkt der Gespräche hatten der Kläger und seine Kollegen die Arbeit bereits eingestellt, so dass die Beklagte sie durch ein Schuldanerkenntnis nicht mehr zur Fertigstellung der Arbeit motivieren konnte oder musste.

3. Die Beklagte hat keine Schuld übernommen. Die Berufungskammer sieht durchaus die Verbindung des Geschäftsführers der Beklagten zu dem ihm bekannten Herrn N.... Dass die Beklagte einer möglichen Lohnschuld des Herrn N..., der offenbar untergetaucht ist und dem Kläger sowie dessen Kollegen den ihnen - auch nach Ansicht der Beklagten - zustehenden Lohn vorenthalten hat, beitreten wollte, lässt sich aber nicht feststellen.

a) Beim Schuldbeitritt tritt der Mitübernehmer zusätzlich neben dem bisherigen Schuldner in das Schuldverhältnis ein. Auf diese Weise werden beide Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff. BGB. Der rechtsgeschäftliche Schuldbeitritt ist gesetzlich nicht geregelt. Er ist jedoch als reiner Verpflichtungsvertrag nach § 311 Abs. 1 BGB zulässig und kann auch zwischen Gläubiger und Beitretendem abgeschlossen werden. Ein Schuldbeitritt liegt vor, wenn nach dem Willen der Vertragspartner eine selbständige Schuld begründet werden soll. Dagegen liegt kein Schuldbeitritt vor, wenn nur eine angelehnte Schuld begründet werden soll (Palandt/Grüneberg BGB 67. Aufl. vor § 414 Rn. 4).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Beklagte keiner fremden Schuld beigetreten. Schon nach dem Vortrag des Klägers liegt ein solcher Beitritt nicht vor. Der Kläger hat im Berufungstermin erklärt, anlässlich des in der zweiten Oktoberhälfte 2007 geführten Gesprächs mit dem Geschäftsführer der Beklagten habe dieser erklärt, dass Herr N... noch 20.000,-- € von ihm zu bekommen habe; falls Herr N... die Löhne nicht zahlt, würde er, also der Geschäftsführer der Beklagten, die Löhne übernehmen. Das macht deutlich, dass hier nur eine angelehnte Schuld begründet werden sollte, nicht jedoch eine selbständige. Eine Bürgschaft ist im vorliegenden Fall schon mangels erforderlicher Schriftform nicht zustande gekommen.

4. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision lagen nicht vor, § 72 Abs. 2 Nr. 1 - 3 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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