Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 05.02.2008
Aktenzeichen: 6 Ta 22/08
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5 Abs. 1
Ein Krankenhaus- oder Klinikaufenthalt allein rechtfertigt noch keine nachträgliche Zulassung. Maßgebend ist, ob der Arbeitnehmer durch die Krankheit objektiv daran gehindert war, eine Klage zu formulieren oder sein Recht auf andere Weise wahrzunehmen. Entscheidend ist ferner, ob die Behandlungssituation Außenkontakte (auch telefonischer Art) ausschloss oder jedenfalls in unzumutbarer Weise erschwert hat.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 6 Ta 22/08

05.02.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein ohne mündliche Verhandlung am 05.02.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Scholz beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 22.11.2007 - 3 Ca 1522 b/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der 1954 geborene Kläger trat am 01.12.1991 als Elektroniker in die Dienste der Beklagten. Bei ihr sind fünf Vollzeitkräfte, eine Teilzeitkraft sowie neun geringfügig Beschäftigte tätig. Der Kläger ist mit einem Grad von 80 % schwerbehindert.

Nachdem das Integrationsamt des Kreises P. am 27.06.2007 die Zustimmung zur Kündigung des Klägers erteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10.07.2007 zum 31.01.2008. Der Geschäftsführer der Beklagten übergab dem Kläger das Kündigungsschreiben im Klinikum E.... Dort befand sich der Kläger in der Zeit vom 24.06. bis 02.08.2007 aufgrund einer Suchttherapie in stationärer Behandlung. Ab dem 02.08.2007 war der Kläger im Haus E... in W... untergebracht, bevor er Mitte September 2007 zur Rehabilitation in die Klinik in L... überstellt wurde.

Mit Klageschrift vom 27.08.2007, die am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangen ist, wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung und beantragt gleichzeitig die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.

Zur Begründung hat er ausgeführt, bei Übergabe des Kündigungsschreibens habe er dessen Auswirkungen nicht überblicken können. Aufgrund seines Gesundheitszustandes sei er nicht in der Lage gewesen, sich rechtsanwaltlicher Hilfe zu bedienen. Erst am 23.08.2007 habe ihm ein Mitarbeiter des Hauses E... darauf hingewiesen, dass er eventuell gerichtliche Schritte gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einlegen müsse.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22.11.2007 den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe nicht im Einzelnen dargetan und glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet an der Klageerhebung gehindert war. Allein das Vorliegen eines Krankenhaus- oder Klinikaufenthaltes rechtfertige noch keine nachträgliche Zulassung. Vielmehr hänge dies von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass die Behandlungssituation Außenkontakte jeglicher Art ausgeschlossen oder in unzumutbarer Weise erschwert habe.

Gegen diesen ihm am 04.12.2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 18.12.2007 sofortige Beschwerde eingelegt, die er nicht weiter begründet hat. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zwar zulässig, inbesondere ist die an sich statthafte Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Begründung der Beschwerde ist - wie § 571 Abs. 1 ZPO zeigt - keine Zulässigkeitsvoraussetzung.

In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu Recht abgewiesen.

1. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist auf Antrag des Arbeitnehmers die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach der erfolgten Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Dieser Antrag ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig und muss gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.

Der Kläger befand sich in der Zeit vom 24.06. bis 31.07.2007 im Klinikum E.... Dort wurde stationär eine Suchttherapie durchgeführt. Zur Begründung seines Antrags beruft sich der Kläger darauf, er habe nicht gewusst, dass eine Kündigungsschutzklage erforderlich gewesen sei. Er habe die Auswirkungen der Kündigung nicht überblickt. Ferner hat er geltend gemacht, er sei gesundheitlich nicht imstande gewesen, sich rechtsanwaltlicher Hilfe zu bedienen.

Dieser im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht weiter vertiefte Vortrag vermag eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht zu rechtfertigen. Der Kläger hat nicht im Einzelnen dargetan und glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet an der Klageerhebung gehindert war. Das Vorliegen eines Krankenhaus- oder Klinikaufenthalts rechtfertigt für sich betrachtet noch keine nachträgliche Zulassung. Vielmehr hängt dies von den konkreten Einzelfallumständen ab. Maßgebend ist, ob der Arbeitnehmer durch seine Krankheit objektiv daran gehindert war, eine Klage zu formulieren oder sein Recht auf andere Weise, z. B. durch Beauftragung Dritter oder telefonische Übermittlung der Klage an das Arbeitsgericht, wahrzunehmen. Entscheidend ist ferner, ob die Behandlungssituation Außenkontakte (auch telefonischer Art) ausschloss oder jedenfalls in unzumutbarer Weise erschwert hat (LAG Düsseldorf 19.09.2002 - 15 Ta 343/02 - NZA-RR 2003, 78; LAG Köln 01.03.2006 - 3 Ta 23/06 -). Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der klägerische Vortrag diesen Anforderungen nicht genügt. Es fehlt Sachvortrag des Klägers dazu, inwieweit schriftliche oder telefonische Außenkontakte während des Klinikaufenthalts unmöglich oder eingeschränkt waren. Dass ihm telefonische oder schriftliche Kontaktaufnahmen untersagt waren oder er gesundheitlich dermaßen eingeschränkt war, dass er solche nicht wahrnehmen konnte, ist seinem Vorbringen nicht zu entnehmen. Er behauptet zwar, gesundheitlich nicht imstande gewesen zu sein, sich rechtsanwaltlicher Hilfe zu bedienen. Das schließt aber nicht aus, dass er sich an andere Personen (Angehörige, Klinikpersonal usw.) wenden konnte, um sich um die Wahrnehmung seiner Rechte zu kümmern. Offenbar hat er sich zu einem späteren Zeitpunkt an einen Mitarbeiter des Hauses E... gewandt. Warum er dies nicht bereits während seines Aufenthaltes im Klinikum E... konnte, erschließt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht.

Der Umstand, dass der Kläger bei Zugang des Kündigungsschreibens dessen Auswirkungen nicht überblickt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Unkenntnis vom Kündigungsschutzverfahren und der dabei einzuhaltenden Klagefrist ist grundsätzlich vorwerfbar, weil heute jeder Arbeitnehmer die Grundzüge des Kündigungsschutzrechts und insbesondere die dabei zu beachtende Klagefrist kennen muss oder sich diese Kenntnis alsbald nach Zugang der Kündigung bei einer zuverlässigen Stelle verschaffen muss (LAG Köln 26.11.1999 - 11 Ta 348/99 - LAGE KSchG § 5 Nr. 97; Sächsisches Landesarbeitsgericht 23.07.1998 - 9 Ta 193/98 -NZA 1999, 112; Schaub/Linck 12. Auflage § 139 Rnr. 6).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Eine Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.

Ende der Entscheidung

Zurück