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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: 1 KN 151/04
Rechtsgebiete: NDG


Vorschriften:

NDG § 14
NDG § 16
NDG § 20a
1. Ein Sondergebiet "Kur" kann auch dann festgesetzt werden, wenn dort erheblichen Umfangs "nur" gewohnt werden soll. Es ist nicht erforderlich, dass die ein Kurgebiet ausmachenden Einrichtungen alle in diesem Sondergebiet vorhanden sind.

2. Zum Schutz von Deichen und Dünen.

3. Zur Behandlung des verstärkten Verkehrsaufkommens, das mit der Einrichtung eines Sondergebietes "Kur" verbunden ist.


Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 158 "ahoi-Bad" der Stadt B.. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Wehrbergsweg 37/39, das schräg gegenüber der durch den Bebauungsplan festgesetzten Zufahrten zu der Tiefgarage der geplanten Wohnanlagen sowie zum Parkplatz für das im Bereich des Bebauungsplanes gelegene ahoi-Bad liegt. Gegen diesen wendet sie im Wesentlichen ein, die darin geschaffene Möglichkeit, mehrgeschossige Wohnbauten zu errichten, sei nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt und stelle sich zudem, da als "Kurgebiet" deklariert, als Etikettenschwindel dar. Außerdem habe die Antragsgegnerin die Nutzungskonflikte, die sich namentlich im Hinblick auf den zu erwartenden zusätzlichen Lärm ergäben, im Plan nicht ausreichend bewältigt.

In seiner Sitzung am 9. Oktober 2003 fasste der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 158 "ahoi-Bad" und beschloss gleichzeitig die frühzeitige Bürgerinformation sowie die öffentliche Auslegung seines Entwurfs. Am 1. November 2003 wurde der Zeitpunkt für die Bürgeranhörung vom 10. November 2003 bekannt gemacht und am 8. November 2003 die öffentliche Auslegung in der Zeit vom 19. November bis zum 23. Dezember 2003. Die Antragstellerin machte mit Schreiben vom 22. Dezember 2003 Bedenken geltend. Sie wies darauf hin, dass der Plan städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen, die dazu dienen sollten, ein lebensfähiges örtliches Gemeinwesen zu schaffen, widerspreche. Die durch die Ratsherren, die Verwaltung und die Presse verbreiteten Erklärungen ließen klar und eindeutig erkennen, dass allein aus wirtschaftlichem Interesse gehandelt werde und das Grundstück deshalb durch die Ausweisung besser vermarktet werden solle. Notwendig sei vielmehr eine verträgliche Verkehrsanbindung für das ahoi-Bad. Am 18. März 2004 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 158 als Satzung. Am 19. Mai 2004 wurde er bekannt gemacht.

Der Bebauungsplan Nr. 158 "ahoi-Bad" ersetzt den bisher für das Gebiet geltenden Bebauungsplan Nr. 48. Im mittleren Teil seines Gebietes befindet sich das ahoi-Bad, im westlichen Bereich des Gebietes ein Mutter-Kind-Erholungsheim, ein kleiner Campingplatz und ein 7- bis 8-geschossiges Appartementhaus. Im östlichen Teil des damaligen Plangebietes liegt der ehemalige Kindergarten, der derzeit für eine Segelschule genutzt wird, ein Gebäude der Lesehalle mit verschiedenen dem Kurbetrieb dienenden Nutzungen, der Parkplatz für das ahoi-Bad sowie eine Wiese, die in Spitzenzeiten als Parkplatz genutzt wird. Ziel des Planes Nr. 158 ist es, die Fläche östlich des ahoi-Bads für eine Bebauung planungsrechtlich vorzubereiten. Auf der Grundlage einer Projektstudie schloss die Antragsgegnerin mit der Beigeladenen einen städtebaulichen Vertrag, der die bauvorbereitenden Leistungen regelt und die Aufstellung des hier angegriffenen Bebauungsplanes betrifft. Der Plan setzt ein Sondergebiet Kur, das in die Teile Kur 1 Buchst. A bis C sowie Kur 3 gegliedert ist. Das Gebiet Kur 1 A bis C erfasst das ahoi-Bad, die westlich liegende Fläche sowie östlich vom ahoi-Bad einen Parkplatz für das ahoi-Bad und eine Buswendeanlage mit Haltestelle, die an den Wehrbergsweg angrenzt. Das Gebiet Kur 3 erfasst das nordöstliche Gebiet. Dort ist entsprechend der Planung der Beigeladenen eine bebaubare Fläche für insgesamt 5 Gebäude mit 4 Geschossen festgesetzt. Die Zufahrten zu Parkplatz, Buswendeanlage und Gebäudekomplex sind vom Wehrbergsweg aus vorgesehen. In den textlichen Festsetzungen ist unter Nr. 1.2 das Kurgebiet SO Kur 3 folgendermaßen beschrieben: "1. Betriebe und Einrichtungen für den Kur- und Erholungsaufenthalt, 2. Nichtgroßflächige Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, 3. Wohnungen und Wohngebäude und 4. Gebäude und Räume für freiberuflich Tätige und solche Gewerbetreibende, die ihren Beruf in ähnlicher Weise ausüben." Der Plan enthält darüber hinaus ein Plangebiet Teil B, auf dem die externen Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft vorgesehen sind. Zu den Auswirkungen des zu erwartenden Verkehrs durch die "neue" Nutzung sowie den insgesamt entstehenden Lärmimmissionen hatte die Antragsgegnerin Gutachten eingeholt, die zum Bestandteil der Begründung gemacht wurden. Die Verkehrsuntersuchung des Ingenieurbüros F. vom August 2003 kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Verkehr durch den Wegfall des derzeit nutzbaren Behelfsparkplatzes und die Reduzierung des Parkplatzes für das ahoi-Bad erheblich reduzieren werde und daher trotz der neuen Nutzung eine Abnahme des Verkehrsaufkommens zu erwarten sei. Die Verkehrsuntersuchung legt eine Nutzung des Parkplatzes des ahoi-Bads mit 150 Stellplätzen zugrunde sowie für das geplante Gebäudeensemble östlich des ahoi-Bads eine Bruttogeschossfläche von 13.000 m², mit 102 Wohneinheiten in den Größen von 55 m² bis 160 m² sowie 425 m² Gewerbefläche. Die schalltechnische Untersuchung der Ingenieure G., H., I. vom 26. August 2003 kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Geräuschbelastung tags um 1 dB(A) bis 2 dB(A) erhöhen werde, in der Nacht dagegen nahezu unverändert bleibe. Damit liege die errechnete Grenzwertüberschreitung in einer Größenordnung, die im Allgemeinen als nicht messbar bezeichnet werde. Für die geplante Wohnanlage empfiehlt das Gutachten Lärmminderungsmaßnahmen durch passiven Schallschutz im Hinblick auf den von der Nutzung des ahoi-Bades sowie des dazugehörenden Parkplatzes ausgehenden Lärm. Ebenfalls Bestandteil der Planbegründung ist der Grünordnungsplan der J. vom August 2003, der Maßnahmen für die Kompensationsfläche Plangebiet Teil B vorsieht.

Am 4. Juni 2004 hat die Antragstellerin den Normenkontrollantrag gestellt. Zu dessen Begründung trägt sie vor: Der Plan verstoße gegen § 1 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 BauNVO. Das sogenannte Sondergebiet Kur 3 unterscheidet sich nicht "wesentlich" von den in §§ 2 bis 9 BauNVO genannten Baugebieten. Vorgesehen seien im östlichen Bereich des Planes 5 4-geschossige Gebäude, in denen die Wohnnutzung dominieren werde. Damit erhalte das Wohnen im Verhältnis zu den sonstigen Nutzungen ein eindeutiges Übergewicht, so dass sich das festgesetzte Sondergebiet Kur nicht von einem Wohngebiet unterscheide. Ein solches Wohngebiet sei nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt, der das Gebiet als Sondergebiet Kur darstelle. Darüber hinaus sei auch ein Abwägungsfehler hinsichtlich der zu beachtenden Küstenschutzbestimmungen festzustellen, weil der angegriffene Bebauungsplan eine Bebauung in der Schutzzone zulasse. Aus der Planbegründung ergebe sich nicht, dass von den Ausnahmemöglichkeiten nach § 16 Abs. 2 NDG Gebrauch gemacht sei. Die Verkehrsbelastung für die nähere Umgebung sei im Rahmen der Abwägung nur unzureichend berücksichtigt worden. Die vorgenommene Abwägung genüge nicht dem Gebot der Konfliktbewältigung.

Die Antragstellerin beantragt,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 18. März 2004 beschlossenen Bebauungsplan Nr. 158 "ahoi-Bad" für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie erwidert: Die Antragstellerin verkenne, dass die im Plangebiet festgesetzten Nutzungen dem besonderen Mischungsverhältnis im Sinne des § 11 BauNVO entsprächen. Im Hinblick auf die Eigenart des festgesetzten Gebietes sei das gesamte Sondergebiet in den Blick zu nehmen. Durch den Ausschluss nicht privilegierter Wohnnutzung im Sondergebiet Kur 1 sei sichergestellt, dass das Wohnen im Verhältnis zu den sonstigen Nutzungen kein Übergewicht erhalte. Weitere Feinsteuerung könne darüber hinaus im bauaufsichtlichen Verfahren gemäß § 15 BauNVO vorgenommen werden. Damit sei der Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan entwickelt, da er tatsächlich ein Kurgebiet in diesem Sinne vorsehe. Der Plan habe die einzuhaltenden Küstenbestimmungen abwägungsfehlerfrei in die Abwägung einbezogen. Am 15. Januar 2004 sei in einem Erörterungstermin, an dem der B. Deichverband sowie die obere Deichbehörde teilgenommen hätten, abgestimmt worden, dass die Festsetzung der Baugrenze zwischen der Lesehalle und dem geplanten Haus so zurückgenommen werde, dass ein Abstand von 15 m zum jetzigen Bestand der Lesehalle eingehalten werde. Damit werde die deichseitige Bauflucht der benachbarten Gebäude aufgegriffen. Mängel hinsichtlich der Einschätzung der Verkehrssituation seien ebenfalls nicht erkennbar. Das Verkehrsgutachten sei sorgfältig und mit den richtigen Schlussfolgerungen erarbeitet worden. Zwar sei es richtig, wenn die Antragstellerin darauf hinweise, dass es infolge der Reduzierung der Stellplätze für das ahoi-Bad zu einem erhöhten Parkplatzsuchverkehr kommen könne. Insoweit sei jedoch zu berücksichtigen, dass das Verkehrskonzept K. dazu Maßnahmen vorsehe von denen einige bereits umgesetzt worden seien. Die erforderlichen Maßnahmen könnten und würden getroffen, soweit und sobald es erforderlich sei. Eine solche Verfahrensweise sei Ausdruck einer erlaubten und angebrachten planerischen Zurückhaltung. Die Verkehrsverhältnisse in K. würden sich nicht verschlechtern, sondern im Ergebnis verbessern.

Die Beigeladene verteidigt den Plan, ohne einen Antrag zu stellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Planaufstellungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Zwar ist die Antragstellerin nicht Eigentümerin eines im Plangebiet selbst belegenen Grundstücks, jedoch liegt ihr Grundstück an der Straße, über die der Zufahrtsverkehr zum östlichen Teilgebiet des Bebauungsplans laufen wird. Das Grundstück liegt darüber hinaus schräg gegenüber der durch den Bebauungsplan festgesetzten Zufahrt zum Parkplatz für das ahoi-Bad, zu der Tiefgarage der geplanten Wohnanlage und dem durch den Bebauungsplan festgesetzten Buswendeplatz. Damit ist die Antragstellerin nicht nur von dem Zufahrtsverkehr für Wohnanlage und Parkplatz betroffen, sondern auch von dem zusätzlich zu dem bisher vorhandenen Verkehr hinzutretenden Busverkehr. Ihr Interesse, durch zusätzlichen Verkehrslärm nicht belästigt zu werden, ist in diesem Rahmen abwägungserheblich. Dagegen spricht nicht, dass die Antragsgegnerin darauf verweist, der vorhandene Lärm werde sich gegenüber dem derzeit vorhandenen Lärm durch die Reduzierung des Parkplatzes für das ahoi-Bad sogar verringern. Ob das der Fall ist, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Normenkontrollantrags. Zudem kommt es insoweit nicht darauf an, ob sich tatsächlich spürbare Lärmpegelerhöhungen ergeben. Auch die Abwehr einer geringen Lärmzunahme kann zum Abwägungsmaterial gehören (BVerwG, Beschl. v. 18.3.1994 - 4 NB 24/93 -, BRS 56 Nr. 30; Beschl. v. 6.12.2000 - 4 BN 59/00 -, zitiert nach Juris; Beschl. v. 19.8.2003 - 4 BN 51/03 -, BauR 2004, 1132).

Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet.

Die Zweifel der Antragstellerin daran, ob der Plan aus dem Flächennutzungsplan entwickelt ist, greifen nicht durch. Der Flächennutzungsplan sieht ein Kurgebiet vor. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin das Plangebiet als Sondergebiet Kureinrichtungen festgesetzt. Die Zweifel der Antragstellerin beziehen sich darauf, ob die Festsetzung Kurgebiet gerechtfertigt ist angesichts der tatsächlich für das östliche Teilgebiet des Plans bezweckten Nutzung. Diese Zweifel beziehen sich aber auf die Rechtfertigung der gewählten Festsetzung und die damit verbundene Abwägungsentscheidung. Die gewählte Festsetzung jedenfalls entspricht dem Entwicklungsgebot.

Der angegriffene Bebauungsplan verstößt nicht gegen das Abwägungsgebot. Danach sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Abwägung ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (- IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309). Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt und muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit der einzelnen Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Diesen Anforderungen genügt die Planung der Antragsgegnerin.

Der Bebauungsplan leidet, entgegen der Ansicht der Antragstellerin, nicht an einem Abwägungsmangel hinsichtlich der Festsetzung Sondergebiet Kur 3 in seinem östlichen Teil. Die für diesen Teil gewählte Festsetzung Sondergebiet mit der Zweckbestimmung "Kurgebiet" (SO Kur 3) erweist sich nicht deshalb als "Etikettenschwindel", weil sie hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, einen Bereich für Dauerwohnen zu schaffen mit einem nur geringfügigen Anteil gewerblicher Einrichtungen. Als "Etikettenschwindel" ist eine Planung zu bezeichnen, bei der eine bestimmte Festsetzung im Bebauungsplan gewählt wird, um ein "stimmiges Konzept einzuhalten", obwohl die Gemeinde andere städtebauliche Absichten hegt (Urt. d. Sen. v. 24.4.2002 - 1 K 1948/00 -, ZfBR 2002, 689). Die gewählte Festsetzung Sondergebiet für Kureinrichtungen nach § 11 Abs. 2 BauNVO verlangt eine mindestens gleichmäßige Durchmischung von Wohnen und Kur- oder ähnlichen Einrichtungen; denn ein Sondergebiet nach § 11 BauNVO muss sich von den sonstigen Baugebieten der §§ 2 bis 9 BauNVO wesentlich unterscheiden. Ein wesentlicher Unterschied in diesem Sinne liegt vor, "wenn ein Festsetzungsgehalt gewollt ist, der sich keinem der in §§ 2 ff. BauNVO geregelten Gebietstypen zuordnen und der sich deshalb sachgerecht auch mit einer auf sie gestützten Festsetzung nicht erreichen lässt" (BVerwG, Urt. v. 29.9.1978 - 4 C 30.76 -, BVerwGE 56, 283; Beschl. v. 1.12.1994 - 4 NB 29.94 -, Buchholz 406.12 § 10 BauNVO Nr. 3 und Juris; Beschl v. 20.5.2003 - 4 BN 57.02 -, NVwZ 2003, 1259; Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 11 Rdn. 7). Das hier für den östlichen Teilbereich des Bebauungsplans festgesetzte Sondergebiet Kur 3 unterscheidet sich bei isolierter Betrachtung zwar nicht wesentlich von einem allgemeinen Wohngebiet. Es soll nach der Konzeption der Beigeladenen, die der Planung zugrunde gelegt wurde und in das Abwägungsergebnis eingeflossen ist, ein Komplex mit mehr als 100 Wohnungen zur Dauerwohnnutzung entstehen mit einem geringfügigen Anteil von Läden und gewerblicher Nutzung im Erdgeschossbereich der Gebäude. Diese isolierte Betrachtung ist indes nicht angezeigt. Schon wenn man nur auf den Bereich des angegriffenen Planes selbst abstellt, ist der Anteil, welcher für das "allgemeine" Wohnen festgesetzt worden ist, mit dem Charakter eines Sondergebietes "Kur" zu vereinbaren. Vorauszuschicken ist insofern, dass allgemeine Wohnnutzung mit dem Charakter eines Sondergebietes "Kur" entgegen erstem Anschein durchaus zu vereinbaren ist. In einem Sondergebiet "Kur" dürfen nicht nur die unmittelbar mit dem Kuren in Verbindung stehenden Einrichtungen wie namentlich ein Kurbad, ein Kurmittelhaus etc. untergebracht werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr in der oben schon zitierten Entscheidung vom 29. September 1978 (- 4 C 30.76 -, BVerwGE 56, 283, 286 f.) die Entscheidung des erkennenden Senats vom 15. Dezember 1975 - I OVG A 42/74 - (V.n.b.) nicht beanstandet. Darin hatte es der Senat als mit § 11 BauNVO vereinbar angesehen, dass in einem Sondergebiet "Kur" bis zu 30 v.H. der zulässigen Geschossfläche zur (allgemeinen) Wohnnutzung zugelassen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch bei einem solchen Gebiet die oben genannten Anforderungen an einen substantiellen Unterschied zu den in §§ 2 ff. BauNVO geregelten Baugebieten als erfüllt angesehen und ausgeführt, in dem fraglichen Gebiet sollten nach dem Willen der Gemeinde in eigenartiger Weise einerseits Wohnnutzung und andererseits eine spezifische gewerbliche Nutzung, nämlich die Nutzung durch Betriebe des Beherbergungsgewerbes gemischt werden. Das sei eine bauliche Nutzung, die ihrer Art nach unter keine der in den §§ 2 ff. BauNVO geregelten Gebietstypen falle und zur Zulässigkeit ihrer Festsetzung als Sondergebiet führe.

Eine dem entsprechende Sachlage ist hier schon dann gegeben, wenn man mit der Antragsgegnerin nur auf den Bereich des angegriffenen Planes abstellt, der insgesamt als Kurgebiet festgesetzt worden und insgesamt gleichmäßig mit Wohnen und Kureinrichtungen durchmischt worden ist.

Denn die westlich angrenzenden Teilbereiche, in denen das Schwimmbad liegt (Kur 1, Bereich A) sowie das daran westlich angrenzende Sondergebiet (Kur 1, Bereich B und C), die jeweils keinen Bereich für dauerhaftes, nicht in der textlichen Festsetzung genanntes, Wohnen vorsehen, genügen den Voraussetzungen, die für ein Sondergebiet Kureinrichtungen zu erfüllen sind. Im Rahmen des § 11 BauNVO kann zwar nicht auf die Gliederungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO zurückgegriffen werden (§ 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO). Sollen Sondergebiete gegliedert werden, sind sie jeweils als eigenständiges Sondergebiet inhaltlich zu bestimmen (Boeddinghaus, BauNVO, 4. Aufl., § 11 Rdn. 8; Fickert/Fieseler, a.a.O., § 11 Rdn. 9; a.A. König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 11 Rdn. 18). Allerdings sind durch § 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO nicht die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Festsetzung von Sondergebieten eingeschränkt worden (BVerwG, Beschl. v. 20.5.2003 - 4 BN 57.02 -, NVwZ 2003, 1259). Gerade wenn die Gemeinde an die besonderen Gliederungsmöglichkeiten, die § 1 BauNVO für die sonstigen Baugebiete nach §§ 2 bis 9 BauNVO vorsieht, bei der Festsetzung von Sondergebieten nach §§ 10 und 11 BauNVO nicht gebunden ist, sondern differenzieren kann, muss nicht für jeden Teilbereich die gesamte Zweckbestimmung des Baugebietes gewahrt bleiben, wenn sich gleichzeitig die Nutzung aller Teilbereiche zusammen dem Zweck des Sondergebietes ohne weiteres zuordnen lässt (BVerwG, Beschl. v. 1.12.1994 - 4 NB 29.94 -, a.a.O.). So liegt es hier. Für den östlich gelegenen Bereich Sondergebiet Kur 3 hat die Antragsgegnerin ein Wohngebiet mit einem geringen ergänzenden Anteil von Gewerbe festgesetzt, das auch dem Zweck der Kureinrichtung dienen kann. Der westliche Bereich (Sondergebiet Kur 1), der mehr als die Hälfte des Plangebietes erfasst, lässt dagegen Wohnen nur für Personal und Betriebsinhaber und -leiter zu. Damit ist für diesen Bereich eine Dauerwohnnutzung, die nicht mit den Kureinrichtungen in Zusammenhang steht, ausgeschlossen. Schon wenn man nur den Gesamtbereich der Gebiete Kur 1 und Kur 3 betrachtet, ist daher ein insgesamt ausgewogenes Verhältnis zwischen Wohnen und Kureinrichtungen gesichert.

Es kommt selbständig tragend und vor allem hinzu, dass die o.g. sozusagen sondergebietstypische Durchmischung nicht in ein und demselben Plangebiet verwirklicht worden sein muss. Das Plangebiet liegt am Ende eines umfangreichen Areals, welches die Antragsgegnerin in ihrem Flächennutzungsplan als Sondergebietsfläche Kur dargestellt hat. In diesen anderen Bereichen liegen unter anderem das Kurmittelhaus mit der Zimmervermittlung sowie andere Kureinrichtungen. Die Antragsgegnerin war schon wegen des Umfangs dieses Gebietes nicht verpflichtet, den Geltungsbereich eines/ihres Bebauungsplans, der diese Zweckbestimmung enthält, auf das gesamte im Flächennutzungsplan als Sondergebiet Kur dargestellte Gebiet zu erstrecken. Es reicht vielmehr aus, wenn das oben genannte Mischungsverhältnis bezogen auf alle Gebiete erreicht wird, welche sich als Kurgebiete darstellen. Das ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung der Fall.

Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin liegt ein Abwägungsfehler im Hinblick auf den Küstenschutz nicht vor. Die Antragsgegnerin hat diese Problematik gesehen und in ihrer Abwägung bewältigt. Zwar war zunächst im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange von der oberen Deichbehörde (Einwendung vom 18. Dezember 2003) gerügt worden, dass der Deichschutz nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. In Gesprächen zwischen den Beteiligten ist dann jedoch die letztlich festgelegte "Schutzzone" entlang der Deich- beziehungsweise Dünenlinie als akzeptabel erarbeitet worden (vgl. Schreiben der Bezirksregierung L. vom 4. Februar 2004). Diese Lösung knüpft an die innerhalb des Ortsgebiets vorhandene Bebauung an, die einen Abstand von weniger als 50 m zum Deich hält. Insbesondere das westlich der hier neu entstehenden Bebauung liegende ahoi-Bad hält einen Abstand zu der hier den Deich ersetzenden Düne von nicht mehr als 15 m ein. Um diese Linie aufzunehmen, wurde die Baugrenze für die Neubebauung im Gebiet östlich des ahoi-Bads mit einem Abstand von 15 m zu der auf der Düne vorhandenen Lesehalle festgesetzt. Damit ist nach der Mitteilung der oberen Deichbehörde den Belangen des Hochwasserschutzes genügt. Zu berücksichtigen war in diesem Fall zusätzlich, dass in diesem Bereich der im östlichen Ortsgebiet vorhandene Deich durch eine natürliche Düne "ersetzt" ist und damit gemäß § 20 a Niedersächsisches Deichgesetz zwar die Benutzungsregelung des § 14 NDeichG, nicht aber die Abstandsregeln des § 16 NDeichG zu beachten sind. Die Anforderungen des § 16 Niedersächsisches Deichgesetz greifen deshalb in diesem Bereich nicht ein, unabhängig davon, ob die hier vorhandene natürliche Düne durch Widmung die Eigenschaft einer Schutzdüne erhalten hat (§ 20 a Abs. 1 Niedersächsisches Deichgesetz).

Abwägungsfehler hinsichtlich der Lärm- und Verkehrsbelastung der Umgebung und insbesondere des Grundstücks der Antragstellerin sind im Ergebnis nicht zu erkennen. Es sind zwar gewisse Anhaltspunkte für die Annahme zu erkennen, die Antragsgegnerin habe sich bei ihrer Abwägungsentscheidung von Umständen leiten lassen, deren Eintritt nicht verlässlich vorhergesehen werden könne. Das begründet im Ergebnis jedoch keinen Abwägungsfehler. Dazu sind folgende Ausführungen veranlasst:

Es mag durchaus zweifelhaft sein, ob die optimistische, aus der Verkehrsuntersuchung des Ingenieurbüros F. vom 28. August 2003 (dort: S. 8) gespeiste Annahme zutrifft, mit der Zeit würden sich die Besucher von K. an die Reduzierung der einst rund 270 Parkplätze am ahoi-Bad auf nunmehr nur 150 mit der Folge gewöhnt haben, dass namhafter Parksuchverkehr nicht mehr stattfinden und sich der Parkverkehr entsprechend den Einstellplätzen um ein Drittel reduzieren werde. Das stellt - erstens - möglicherweise nicht ganz realistische Anforderungen an den typischen Besucher, der (und sei es mit Rücksicht auf "quengelnde" Kinder oder seine Bequemlichkeit) zunächst eben doch versuchen wird, möglichst nahe am Spaßbad oder dem Strand zu parken. Dies beruht - zweitens - auf der durch Planfestsetzungen eben nicht verlässlich gesicherten, sondern nur erhofften Annahme, im Bereich der Einfahrt nach K. werde (auf privatem Grund) eine Art Parkleitsystem installiert werden können, welches dem Besucher die Wahrscheinlichkeit signalisiert, mit der er im Bereich des ahoi-Bades mit einem Parkplatz rechnen kann.

Selbst wenn all dies zum Vorteil der Antragstellerin als zu optimistisch und planerisch nicht gesichert angesehen würde, ergäbe sich daraus eine Verletzung des Gebotes, in der Abwägung planbedingte Konflikte auch gleich zu bewältigen, nicht. Denn die Abwägungsentscheidung beruht im Grunde auf der auch durch die schalltechnische Untersuchung Dr. I. vom 26. August 2003 erhärteten Einschätzung, dass die mit dem Planvorhaben verbundenen zusätzlichen Lärmeinbußen angesichts der Vorbelastung des Wehrbergsweges nicht in einer Weise ins Gewicht fallen, welche den mit dem Planvorhaben verbundenen städtebaulichen Vorteil, diese Fläche nutzen zu können, aufwögen, und die Gesamtbelastung noch nicht annähernd eine Stärke erreiche, welche es erforderlich mache, die Lärmsituation grundlegend zu sanieren. Diese Annahme ist im Grundsatz nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, B. v. 4.10.1991 - 4 B 162.91 -, JURIS) und wird durch die vorliegenden Gutachten gestützt. Der Ingenieur Dr. I. hat in seiner schalltechnischen Untersuchung vom 26. August 2003 (S. 13 oben) (möglicherweise selbst von Zweifeln an der Richtigkeit der F. Prognose ausgehend) ausgeführt, selbst wenn sich die künftigen Verkehrsmengen anders als vom Büro F. prognostiziert entwickeln sollten, sei zu beachten, dass die Verkehrsbelastung insgesamt nur zu einer unwesentlichen Erhöhung des gegenwärtigen Verkehrslärms führe. Erst eine Verdopplung des Verkehrsaufkommens führe zu einer als wesentlich einzustufenden Verkehrslärmerhöhung von 3 dB(A). Steige das Verkehrsaufkommen hingegen lediglich um 20 v.H., so führe dies bei ansonsten gleich bleibenden Parametern wie namentlich zulässige Höchstgeschwindigkeit, Tag-Nacht-Verteilung etc. nur zu einer Pegelerhöhung von ca. 0,8 dB(A).

Berücksichtigt man dies bei der Würdigung der Tabellen zu Nr. 8 dieser schalltechnischen Untersuchung, so ergibt sich Folgendes: Selbst wenn man die 120 Parkplätze mit dementsprechend 240 An- und Abfahrten zusätzlich berücksichtigte, so führte dies angesichts der Verkehrsbelastung, welche nach den insoweit nicht zu beanstandenden Ermittlungen des Ingenieurbüros F. (die Zahlen wurden sowohl während der Haupt- als auch während der Nebensaison ermittelt) der Wehrbergsweg führt (vgl. Abbildungen 3, S. 10 des Gutachtens F. vom 28.8.2003) nicht zu wesentlichen Abweichungen. Danach beträgt die gegenwärtige Verkehrsbelastung des Wehrbergsweges im fraglichen Abschnitt während der Hauptsaison über 4.000 Kraftfahrzeuge/24 Stunden. Der zusätzliche Parksuchverkehr betrüge daher nur rund 6 v.H. Das erhöhte die von Gutachter Dr. I. ermittelten Zahlen nur so geringfügig, dass sich das Abwägungsergebnis auch bei voller Erkenntnis, die auf Seite 29 unter 7.2.4 der Planbegründung erwogenen Maßnahmen der Verkehrsleitungen würden sich künftig vielleicht doch nicht vollen Umfangs verwirklichen lassen, nicht geändert haben würde. Nach den Ermittlungen des Gutachters Dr. I. führt die gegenwärtige, sicher zu bedauernde Verkehrsbelastung des Wehrbergsweges noch nicht zu Werten, welche einen Lärmsanierungsbedarf auslösten. Das ist wohl erst bei Belastungen von etwa 70/60 dB(A) anzunehmen (vgl. Gutachten Dr. I. vom 26.8.2003, S. 27). Davon ist das Verkehrsgeschehen auch bei Hinzutreten des hier angegriffenen Planvorhabens weit entfernt.

Dasselbe ergibt sich im Übrigen, wenn man nicht nur die befestigten 120 Parkplätze berücksichtigte, welche durch das Planvorhaben entfallen, sondern die insgesamt rund 300, welche entfallen, wenn man auch die auf der bisherigen Wiesenbrache in Spitzenzeiten genutzten "Reserveparkplätze" mit berücksichtigt. Das führte dann zwar zu einer Erhöhung des Verkehrsaufkommens von rund 15 %. Die Werte in den Tabellen 8/Gutachten Dr. I. vom 26. August 2003 würden auch dann aber noch immer nicht vollständig um 0,8 dB(A) (das ist der 20%-Wert) zu erhöhen sein. Auch dann ergibt sich, dass die Verkehrsgesamtbelastung den Orientierungswert lediglich um rund 2 dB(A) überschreitet. Das ist den Anliegern des Wehrbergsweges angesichts des erheblichen städtebaulichen Interesses, das an der baulichen Nutzung dieser bisher nur unterwertig genutzten, in reizvoller Umgebung liegenden Brache besteht, - noch - zuzumuten und stellt daher keinen Verstoß gegen das Abwägungsgebot dar.

Aus den vorstehenden Gründen kann der Senat unentschieden lassen, ob die Lärmprognose ohnedies zugunsten der Antragsgegnerin zu korrigieren ist. Eine solche Annahme kommt möglicherweise mit folgender Begründung in Betracht: Selbst wenn der Parksuchverkehr zum ahoi-Bad im bisherigen Umfang ungehemmt anhielte (weil sich die Reduzierung der Parkplätze noch nicht ausreichend "herumgesprochen" hat), führte der Plan bei Lichte besehen unter Umständen nur zu einer Zunahme des Verkehrs um die 120 Einstellplätze, welche für die über 100 Wohnungen in den fünf Wohngebäuden erforderlich sind, sowie des Busverkehrs (Wendeschleife neu). Die damit verbundenen Lärmeinbußen fielen so gering aus, dass von einer nennenswerten Lärmeinbuße zu Lasten der Anlieger des Wehrbergsweges überhaupt nicht mehr die Rede sein könnte und das Abwägungsergebnis daher sozusagen "erst recht" nicht zu beanstanden wäre.

Soweit sich dagegen zusätzlich beziehungsweise neu eine Lärmbelastung aus der nunmehr geplanten Wohnbebauung im östlichen Plangebiet ergibt, konnte die Antragsgegnerin insoweit eine gewisse planerische Zurückhaltung üben und die Konfliktlösung im Einzelnen den Regelungen im Baugenehmigungsverfahren überlassen. Die Folge von Belastungen aus der Zufahrt zu den Stellplätzen der Wohnanlage sowie Lage und Ausgestaltung der Stellplätze selbst, müssen nicht im Einzelnen im Bebauungsplan geregelt sein, sondern können in der Baugenehmigung ausreichend erfasst werden. Im Lärmgutachten, das in die Abwägung eingeflossen ist, wird festgestellt, dass als Folge der im Bebauungsplan festgesetzten Maßnahmen nur eine Lärmpegelerhöhung zu erwarten ist, die unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle liegt und damit nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Anlieger des Wehrbergswegs führt.

Ende der Entscheidung

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