Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.06.2004
Aktenzeichen: 1 KN 296/03
Rechtsgebiete: NBauO, NGO


Vorschriften:

NBauO § 56 I
NBauO § 97 I
NGO § 6 I
1. Eine örtliche Bauvorschrift, deren Geltungsbereich sich unter Ausklammerung der alten Dorflage und von wenigen Randbereichen nahezu vollständig auf den dichter bebauten Siedlungsbereich erstreckt, ist noch "für bestimmte Teile des Gemeindegebiets" im Sinne des § 56 Abs. 1 NBauO erlassen, wenn es sich um eine flächenmäßig kleine Gemeinde handelt, deren bebauter Ortsbereich relativ kompakt und fussläufig erreichbar ist.

2. Überträgt die Gemeinde die gestalterische Absicht, den alten Dorfkern mit einer großen Zahl erhaltenswerter Häuser schützen zu wollen, in ein angrenzendes Gebiet, das deutlich größer ist als die alte Ortslage, müssen auch in diesem Siedlungsbereich nicht nur vereinzelt und nicht nur in Übergangszonen schutzwürdige Gebäude vorhanden sein.

3. Vorschriften zur Sicherung von inseltypischen Stilelementen bilden in ihrer Gesamtheit noch kein schlüssiges Konzept zur Wahrung einer landschaftsgebundenen Bauweise, wenn die erhebliche Regelungsdichte in den einzelnen Bestimmungen zur Konformität ohne gestalterische Spielräume bei der Bauausführung führt.


Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Normenkontrolle gegen die Baugestaltungssatzung II - BGS II - der Antragsgegnerin, deren Gestaltungsvorschriften ihm verwehren, ein von ihm beabsichtigtes Bauvorhaben durchzuführen.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks J. 23 (Flurstücke 15/19 und 15/25), das im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin liegt und 617 qm groß ist. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 13 "K." der Antragsgegnerin, der für das Baugrundstück allgemeines Wohngebiet festsetzt. Der Antragsteller möchte das Baugrundstück mit einem Doppelhaus der Fertighausfirma HUF bebauen, das aus einer Glasfachwerkkonstruktion besteht und auf gemauerte Außenwände verzichtet.

Die Antragsgegnerin ist eine ostfriesische Inselgemeinde. Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 23. Oktober 1985 die Baugestaltungssatzung für den Ortskern - Zone 1 - BGS I -. Der Geltungsbereich dieser örtlichen Bauvorschrift erfasst im Wesentlichen die Grundstücke beiderseits der Straßen Noorderloog und Süderloog (bis Einmündung Straße Kark) im alten Dorfkern der Inselgemeinde. Mit der Satzung wird das Ziel verfolgt, die Straßenbilder der beiden historischen Straßenzüge, die die alte Dorflage mit den inseltypischen und den Dorfkern prägenden Gebäuden umfassen, und den dazwischen liegenden Kirchplatz zu schützen und zu erhalten. Nach der Begründung zu der Satzung sind von den dort vorhandenen 85 Gebäuden 53 Häuser Dorfbild prägend, 42 Gebäude sind Einzeldenkmale oder Teil eines unter Denkmalschutz stehenden Ensembles. Es könne zwar nicht von einem einzigen Inselhaustypus gesprochen werden. Die vorhandenen Gebäude seien vielmehr im Wesentlichen vier Bauperioden mit spezifischen Baustilen zugehörig. Sämtliche Epochen kennzeichne die grundsätzliche Übereinstimmung der ausschlaggebenden architektonischen Elemente wie Maßstäblichkeit, Proportionen der einzelnen Gebäude zueinander (Gebäudehöhe/Dachform) und Art und Farbe der Materialien. Neben dem Schutz und Erhalt der alten Bausubstanz diene die Satzung dem Zweck, Neubauten und Umbauten in den Bestand einzugliedern, damit der Gesamteindruck nicht gestört oder nachteilig beeinflusst werde.

Die BGS I enthält u.a. Vorschriften zur maximalen Trauf- und Firsthöhe der Gebäude, zur Ausbildung der Dächer, zur Dachneigung und zu Art und Umfang von Dachaufbauten, zur Ausbildung der Fenster- und Türöffnungen und zum Verhältnis der Öffnungen zum Mauerwerk, zu den zu verwendenden Materialien und zur Farbgebung.

Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 2. April 2003 die Aufstellung einer Baugestaltungssatzung II - BGS II -, die mit Ausnahme des Geltungsbereichs der BGS I nahezu den gesamten übrigen bebauten Bereich der Inselgemeinde erfasst. Ziel der Planung sei es, ein einheitliches Ortsbild herzustellen und damit den Charakter Spiekeroogs als Inseldorf zu festigen. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung gingen keine Anregungen ein. Der Rat der Antragsgegnerin beschloss die BGS II am 20. August 2003 als Satzung. Der Ratsbeschluss wurde am 30. September 2003 im Amtsblatt für den Landkreis Wittmund bekannt gemacht. Der Veröffentlichung war ein Lageplan über den Geltungsbereich der Satzung beigefügt. Die Skizze soll mit Hilfe von Querschraffuren die Reichweite der örtlichen Bauvorschrift verdeutlichen. Der Plan enthält keinen Nordpfeil und ist nicht maßstabsgerecht. Der westliche Teil des Geltungsbereichs der Satzung ist im Lageplan "abgeschnitten".

Die BGS II enthält - wie die BGS I - konkretisierende Vorschriften u.a. zur Trauf- und Firsthöhe (§ 2), zu den Dächern (§ 3), zu den Materialien (§ 5), zu Fenstern und Türen (§ 6) und zur Farbe (§ 12).

Zur Begründung der Satzung wird ausgeführt, die örtliche Bauvorschrift schaffe für die Umgebung des Ortskerns die rechtliche Grundlage, um den städtebaulichen Charakter zu schützen und gleichzeitig Neubauten und Umbauten in den Bestand so einzugliedern, dass der Gesamteindruck nicht störend wirke. Im Geltungsbereich befänden sich teilweise ortsprägende Gebäude. Die den Dorfkern umgebenden Gebäude passten sich in der Maßstäblichkeit und Gestaltung den Gebäuden im Ortskern an. Der Schutz in Form einer Gestaltungssatzung werde deshalb in abgeschwächter Form zur BGS I auch auf diesen Bereich übertragen. Auf wesentliche Bestandteile der Begründung aus der BGS I könne insofern verwiesen werden.

Der Antragsteller hat am 28. Oktober 2003 die Normenkontrolle eingeleitet.

Die Antragsgegnerin hat die BGS II am 28. Mai 2004 neu bekannt gemacht. Darauf hat der Antragsteller sein Antragsbegehren auf die neu bekannt gemachte Satzung umgestellt (Antrag zu 1.). Weiter begehrt er festzustellen, dass die am 30. September 2003 verkündete Satzung unwirksam war (Antrag zu 2.).

Zur Begründung seiner Anträge trägt er vor:

Die Satzung sei in formeller Hinsicht nicht wirksam. Die Ermächtigungsnorm für die örtliche Bauvorschrift werde in der Satzung nicht genannt. Die Antragsgegnerin habe nach Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses für die Satzung den Geltungsbereich ohne gesonderten Beschluss um den Planbereich des Bebauungsplanes Nr. 13 "K.", in dem sein Baugrundstück liege, erweitert. Eine Beteiligung der Träger öffentlicher Belange habe nicht stattgefunden. Wegen der Datumsangabe am Ende der Begründung bestehe der Verdacht, dass sie nachträglich verfasst worden sei. Die örtliche Bauvorschrift sei auch materiell rechtswidrig. Sie schränke den Eigentümer in seiner Baufreiheit unzumutbar ein. Bei Befolgung der örtlichen Bauvorschrift sei es unmöglich, ein zeitgemäßes und technisch hochwertiges Haus zu bauen, das den Bedürfnissen der Bevölkerung entspreche und zudem den inseltypischen Charakter widerspiegele. Es widerspreche den gesetzlichen Vorgaben, den Geltungsbereich der Satzung auf das gesamte bebaute Gemeindegebiet auszudehnen. Ein Konzept zur Verwirklichung städtebaulicher oder baugestalterischer Absichten habe die Antragsgegnerin für den Geltungsbereich der Satzung nicht dargelegt. Die Einheitlichkeit des Ortsbildes sei kein zulässiges Ziel einer Baugestaltungssatzung. Eine inseltypische Bebauung sei wegen der unterschiedlichen baugestalterischen Eigenart der Häuser nicht vorhanden. Die Inselhäuser böten aufgrund ihrer Architektur und der verwendeten Materialien ein buntscheckiges Bild. Die Begründung zu der Satzung sei mangelhaft, weil sie auf die Begründung zu der BGS I verweise und nicht aus sich heraus verständlich sei. Da die einzelnen Gestaltungsvorschriften gar keine oder nur eine unvollständige Begründung enthielten, sei nicht nachvollziehbar, welchem städtebaulichen Ziel sie dienten. Für den Fortsetzungsfeststellungsantrag (Antrag zu 2.) sei das Rechtsschutzinteresse gegeben. Die erste Bekanntmachung der Satzung sei fehlerhaft. Die verschiedenen Schraffuren in dem veröffentlichten Lageplan ließen den Geltungsbereich der Satzung kaum erkennen. Mangels klarer Abgrenzung der Geltungsbereiche von BGS I und II unterfielen einzelne Grundstücke beiden Gestaltungssatzungen.

Der Antragsteller beantragt,

die vom Rat der Antragsgegnerin am 20. August 2003 beschlossene Bauge-staltungssatzung II Spiekeroog, verkündet am 28. Mai 2004, für nichtig zu erklären, festzustellen, dass die vom Rat der Antragsgegnerin am 20. August 2003 beschlossene Gestaltungssatzung II Spiekeroog, verkündet am 30. September 2003, nichtig gewesen ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

beide Anträge zurückzuweisen.

Sie erwidert: Die BGS II sei formell wirksam verabschiedet worden. Wie aus dem überreichten Vorgang ersichtlich, sei das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden. Die Begründung zu der Satzung sei nicht nachgeschoben, sondern als Bestandteil der BGS II am 20. August 2003 verabschiedet worden. Soweit die Begründung ein anderes Datum als der Satzungstext aufweise, habe dies drucktechnische Gründe. Der Geltungsbereich der Satzung umfasse nicht das gesamte Gemeindegebiet. Ausgeklammert sei der Geltungsbereich der BGS I, der sich auf den historischen Ortskern beschränke. Beide Baugestaltungssatzungen erfassten den bebauten Teil des Gemeindegebietes. Wegen der relativen Kompaktheit des bebauten Ortsbereiches und der fußläufigen Erreichbarkeit der Bebauung sei es im Übrigen zulässig, die Satzung auf das gesamte bebaute Gemeindegebiet zu erstrecken, um das gestalterische Ziel zu erreichen, welches praktisch auf das gesamte bebaute Gemeindegebiet zutreffe. Mit der BGS II unternehme sie den Versuch, Teile dessen, was im eigentlichen Kernbereich durch die BGS I geschützt werde, nämlich den "friesischen Bäderarchitekturstil", in klassische Neubaugebiete zu übertragen, so dass, angesichts der räumlichen Nähe naheliegend, kein "architektonischer Bruch" entstehe. Spiekeroog lebe entscheidend von dem in der Tradition eines Inseldorfes erhaltenen Ortsbild, das Spiekeroog unverwechselbar als ostfriesische Insel ausweise. Bei Durchbrechung dieser Tradition sähe Spiekeroog wie ein x-beliebiges Dorf in anderen Landesteilen aus. Soweit der Antragsteller einzelne Gestaltungsvorschriften angreife, übersehe er, dass die Gestaltungssatzung auch Ergebnis einer Ermessensbetätigung der Gemeinde sei, die in einer "Bandbreite des Vertretbaren" die Grenzziehung selbst bestimmen dürfe, ohne hierfür begründungspflichtig zu sein. Es sei zulässig, auch bei Neubauten eine Anpassung an den friesischen Baustil dadurch zu erreichen, dass die Herstellung der Außenwände eines Gebäudes aus Ziegeln verlangt werde. Ein Haus bestehe nicht aus zwei Wänden und zwei Glasfassaden, sondern aus vier Wänden.

Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Anträge des Antragstellers sind zulässig.

Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Als Eigentümer eines nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 13 "K." mit einem Wohnhaus bebaubaren Grundstückes im Geltungsbereich der Baugestaltungssatzung II Spiekeroog vom 20. August 2003 - BGS II - kann er geltend machen, durch die Satzung an der Verwirklichung eines geplanten Bauvorhabens, das der örtlichen Bauvorschrift widerspricht, gehindert zu sein.

Für den unter 2. gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag ist das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers gegeben. Das berechtigte Interesse an einem solchen Antrag kann darin bestehen, die Geltendmachung von konkret in Aussicht genommenen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen vorzubereiten (BVerwG, Urt. v. 27.3.1998 - 4 C 14.96 -, BRS 60 Nr. 158). An der Absicht des Antragstellers, die genannten Ansprüche zivilgerichtlich verfolgen zu wollen, bestehen keine Zweifel. Der Antragsteller hat beim Landgericht Aurich mit Schriftsatz vom 30. Januar 2004 eine Klage eingereicht, mit der er Ansprüche gegen die Antragsgegnerin aus Amtshaftung und enteignungsgleichem Eingriff verfolgt. Das Landgericht hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. März 2004 - 2 O 134/04 - bis zur Entscheidung des Senats über die Normenkontrolle ausgesetzt.

Die Anträge des Antragstellers sind begründet.

Die am 28. Mai 2004 neu bekannt gemachte BGS II ist aus materiellen Gründen nichtig. Ihr fehlt ein für den gesamten Geltungsbereich der örtlichen Bauvorschrift tragfähiges Gestaltungskonzept. Wegen dieser materiellen Rechtswidrigkeit der Satzung ist auch der unter 2. gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag begründet, ohne dass es noch darauf ankommt, ob die erste Verkündung vom 30. September 2003 an einem Bekanntmachungsfehler leidet.

Die am 28. Mai 2004 bekannt gemachte BGS II der Antragsgegnerin ist nichtig. Zu dieser Rechtsfolge führen inhaltliche Fehler der Satzung. Die formellen Rügen des Antragstellers greifen nicht durch.

Der Einwand des Antragstellers, die BGS II leide an einem Bekanntmachungsfehler, hat sich erledigt. Der Neubekanntmachung ist ein Übersichtsplan beigefügt, der mehr als eine halbe Seite im Amtsblatt einnimmt. Der Geltungsbereich der örtlichen Bauvorschrift lässt sich anhand dieser Skizze einwandfrei ermitteln. Ob auch der der ersten Bekanntmachung beigefügte Kartenausschnitt die Anforderungen an eine genaue Gebietsumschreibung erfüllt, ist in der Begründung zu dem Fortsetzungsfeststellungsantrag des Antragstellers näher zu erörtern.

Die BGS II genügt entgegen der Ansicht des Antragstellers dem Zitiergebot. Nach Art. 43 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung ist in Rechtsverordnungen die Rechtsgrundlage anzugeben. Entsprechendes gilt für örtliche Bauvorschriften nach den §§ 56 und 97 NBauO. Denn bei diesen handelt es sich um Rechtsverordnungen in Satzungsform (Urt. d. Sen. v. 12.4.2000 - 1 K 5694/98 -, BRS 63 Nr. 39). Die BGS II bezieht sich in der Einleitung auf die genannten Vorschriften der NBauO. Hierbei handelt es sich um die Angabe der besonderen gesetzlichen Ermächtigungsnorm im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 NGO für Satzungen im übertragenen Wirkungskreis. Da die örtliche Bauvorschrift entgegen der Ansicht des Antragstellers im übertragenen Wirkungskreis erlassen wird (vgl. § 97 Abs. 1 Satz 1 NBauO) kommt § 6 Abs. 1 Satz 1 NGO nicht zum Zuge.

Ein Verfahrensfehler liegt nicht deshalb vor, weil der Geltungsbereich der Satzung während des Aufstellungsverfahrens um das Plangebiet des Bebauungsplanes Nr. 13 "K." erweitert worden ist. Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, mit dem Aufstellungsbeschluss einen "fertigen" Entwurf vorzulegen. Es ist gerade der Sinn des Aufstellungsverfahrens, einen Entwurf zu erarbeiten, der auch Entwicklungen während des Planverfahrens berücksichtigt. Es begegnet deshalb keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin während des Aufstellungsverfahrens das Plangebiet räumlich erweitert hat. Diese Erweiterung hat vor der öffentlichen Auslegung des Entwurfs in der Zeit vom 9. Juli 2003 bis zum 8. August 2003 stattgefunden, so dass weder eine Wiederholung der Verfahrensschritte vor der Aufnahme der Flächen des Bebauungsplanes Nr. 13 in den Geltungsbereich (Aufstellungsbeschluss, Verfahren der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BauGB) noch eine erneute Auslegung gemäß §§ 3 Abs. 2 und 4 Abs. 1 BauGB erforderlich war. Eine erneute Auslegung (ggf. im vereinfachten Verfahren) ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 1. Halbs. und § 4 Abs. 4 BauGB nur bei nachträglichen Änderungen oder Ergänzungen gesetzlich vorgeschrieben.

Eine Beteiligung der Träger öffentlicher Belange hat ausweislich des vorgelegten Vorganges stattgefunden. Der Verfahrensakte (vgl. Vorlage vom 12.8.2003 mit Ergänzung) ist zu entnehmen, dass mehrere Hinweise von Trägern öffentlicher Belange eingegangen sind, die der Rat der Antragsgegnerin zur Kenntnis genommen hat.

Manipulationen hinsichtlich der Begründung zu der Satzung sind nicht feststellbar. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. NBauO i.V.m. § 9 Abs. 8 BauGB ist der Satzung eine Begründung beizufügen. Es handelt sich um eine zwingende Verfahrensvorschrift. Die Begründung muss von der Beschlussfassung des Rates mitumfasst sein (Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl., Loseblattsammlung Stand: August 2003, § 9 RdNr. 94). Nach dem Protokoll der Ratssitzung vom 20. August 2003 hat der Rat der Antragsgegnerin die BGS II nebst Begründung beschlossen. Zweifel daran, dass dem Rat bei der Beschlussfassung die Begründung zu der Satzung vorgelegen hat, lassen sich nicht aus der Datumsangabe "8.9.2003" am Ende der Begründung herleiten. Unter diesem Datum wird lediglich bestätigt, dass die Begründung zusammen mit der BGS II ausgelegen hat und vom Rat in seiner Sitzung am 20. August 2003 beschlossen worden ist.

Die BGS II ist aus materiellen Gründen unwirksam , weil für den Satzungsbereich ein Konzept, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht, nicht erkennbar ist. Nach § 56 Abs. 1 NBauO können die Gemeinden, auch über die Anforderungen der §§ 14, 49 und 53 hinausgehend, durch örtliche Bauvorschrift für bestimmte Teile des Gemeindegebietes in Bezug auf in den Nrn. 1 bis 8 näher genannte Gegenstände Einzelheiten regeln, um bestimmte städtebauliche, baugestalterische oder ökologische Absichten zu verwirklichen oder um die Eigenart oder den Eindruck von Baudenkmalen zu erhalten oder hervorzuheben. Die genannte gesetzliche Vorschrift gestattet den Gemeinden, eine "positive Baupflege" zu betreiben (OVG Lüneburg, Urt. v. 29.4.1986 - 6 A 147/84 -, BRS 46 Nr. 120). Die Antragsgegnerin bezieht sich in der Begründung zur BGS II auf die BGS I für den alten historischen Dorfkern. Zur Begründung dieser älteren Satzung beruft sich die Antragsgegnerin auf die Schutzwürdigkeit der beiden historischen Straßenzüge Süder- und Noorderloog mit ihren zahlreichen inseltypischen und Dorfbild prägenden Gebäuden. Zum Erhalt dieses in Jahrhunderten gewachsenen Dorfkerns und zur Eingliederung von Neu- und Umbauten sei es erforderlich, die in den verschiedenen abgrenzbaren Bauepochen immer wiederkehrenden Elemente der Maßstäblichkeit, der Proportionen der Gebäude zueinander (Gebäudehöhe/Dachform) und der Art und Farbe der Materialien beizubehalten. Diese Erwägungen rechtfertigen es unzweifelhaft, Baubeschränkungen in der BGS I für den räumlich abgegrenzten historischen Ortskern zu erlassen. Die in die Begründung zur BGS I aufgenommene Bilddokumentation belegt anschaulich, dass die alte Dorflage überwiegend aus Ortsbild prägenden Gebäuden besteht, die vier wesentliche Bauperioden mit spezifischen Baustilen verkörpern und für Spiekeroog typische Bauformen und Baumaterialien dokumentieren. Die durchgeführte Ortsbesichtigung hat die hohe Schutzwürdigkeit des eng umgrenzten alten Dorfkerns bestätigt. Der Senat hat die beiderseits der Straßen Norderloog und Süderloog liegenden und im Wesentlichen bebauten Grundstücke in Augenschein genommen. In der Mehrzahl sind die auf den Grundstücken aufstehenden Gebäude den in der BGS I näher erläuterten vier Bauperioden, 1. des frühen 18. Jahrhunderts (sog. Schwimmdachhaustypus), 2. der Zeit etwa zwischen 1800 und 1865, 3. der Gründerzeit 4. der Zeit zwischen 1912 und 1925 mit Mansarddächern, zuzuordnen. Es gibt zwar auch einige landschaftsuntypische "Ausreißer". Im Wesentlichen wird der Ortskern aber durch inseltypische Gebäude geprägt, an denen die vergangenen Bauepochen ablesbar sind.

Die Antragsgegnerin möchte dieses auf den alten Ortskern ausgelegte Schutzkonzept zur Erhaltung von historischer Bausubstanz und Eingliederung von Neubau- und Umbauvorhaben auf den Geltungsbereich der BGS II, der nicht nur das nähere Umfeld der alten Dorflage, sondern mit wenigen Ausnahmen den gesamten bebauten Siedlungsbereich erfasst, übertragen. Nach § 56 Abs. 1 NBauO sind die durch eine örtliche Bauvorschrift erhöhten Gestaltungsvorstellungen "für bestimmte Teile des Gemeindegebietes" zulässig. Dieser gesetzlichen Vorgabe ist zu entnehmen, dass stets ein Konzept oder eine Idee eigens für die Ausgestaltung eines konkreten, überschaubaren Ortsteils bzw. eines Straßenzuges vorhanden sein und sich die örtliche Bauvorschrift daraus folgerichtig ableiten lassen muss (OVG Lüneburg, Urt. v. 29.4.1986 - 6 A 147/84 -, a.a.O.). Die städtebauliche Gestaltungsabsicht muss also an die Besonderheiten des schützendes Gebietes anknüpfen (OVG Lüneburg, Urt. v. 11.3.1983 - 6 A 47/81 - BRS 40 Nr. 151; Urt. v. 9.1.1987 - 6 A 148/84 -, BRS 47 Nr. 122) und seine Entsprechung in einer charakteristischen Prägung des zu schützenden Gebietes haben. Daran gemessen spricht gegen die Rechtmäßigkeit der Satzung nicht bereits, dass sich ihr Geltungsbereich unter Ausklammerung von wenigen Randbereichen nahezu vollständig auf den dichter bebauten Siedlungsbereich der Antragsgegnerin erstreckt.

Die BGS II ist noch mit der gesetzlichen Vorgabe, die Gestaltungsvorschrift nur für bestimmte Teile des Gemeindegebietes zu erlassen, zu vereinbaren. Im Regelfall ist eine Satzung, die praktisch das gesamte bebaubare Gemeindegebiet erfasst, nicht von der Ermächtigungsnorm gedeckt, weil der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Formulierung zum Ausdruck gebracht hat, das der Geltungsbereich grundsätzlich räumlich kleiner sein muss als das gesamte Gemeindegebiet (OVG Münster, Urt. v. 26.3.2003 - 7 A 1002/01 -, Info BRS 2003, 17). Eine Ausnahme von dieser Regel wird angenommen, wenn ein bestimmtes gestalterisches Ziel praktisch auf das gesamte Gemeindegebiet zutrifft (OVG Schleswig, Urt. v. 9.5.1995 - 1 L 165/94 -, veröffentlicht in Juris, zu einer örtlichen Bauvorschrift für Keitum). Darüber hinaus ist auch dann eine Ausnahme gerechtfertigt, wenn es sich um eine flächenmäßig kleine Gemeinde handelt, deren bebauter Ortsbereich relativ kompakt und fußläufig erreichbar ist. Die zuletzt genannte Ausnahme trifft auf die Antragsgegnerin zu, die als Inselgemeinde auf kleiner Fläche dicht besiedelt ist. Darüber hinaus ist der Antragsgegnerin einzuräumen, dass sich die BGS II nicht auf das gesamte bebaubare Gemeindegebiet erstreckt, weil sie den historischen Ortskern, der von der BGS I erfasst wird, ausklammert.

Der Antragsteller wendet auch zu Unrecht gegen die örtliche Bauvorschrift ein, sie sei nicht mehr umsetzbar, weil der Satzungsbereich weitgehend bebaut sei. Gestaltungssatzungen können "funktionslos" werden, wenn das verfolgte städtebauliche Anliegen nicht mehr zu verwirklichen ist (Urt. d. Sen. v. 12.5.1993 - 1 K 67/91 -, BRS 55 Nr. 129; OVG Münster, Urt. v. 25.8.1999 - 7 A 4459/96 -, BRS 62 Nr. 155; Wiechert, in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl. 2002, § 56 Rdnr. 9). Der Senat hat sich im Rahmen seiner Ortsbesichtigung davon überzeugt, dass die von der Antragsgegnerin verfolgten städtebaulichen bzw. baugestalterischen Absichten noch erreicht werden können. Im Geltungsbereich der Satzung sind noch einige Baulücken vorhanden, bei deren Bebauung die einzelnen Gestaltungsfestsetzungen zum Tragen kommen könnten. Außerdem erfasst die Satzung auch Um- und Ausbauten vorhandener Gebäude, die sich ebenfalls - wie Neubauten - in den vorhandenen Bestand einfügen sollen. Solche Fälle können in der Zukunft häufiger auftreten, so dass unter diesem Blickwinkel die Satzung keinen Anlass zur Beanstandung gibt.

Die BGS II ist nichtig, weil ihr kein für den Satzungsbereich tragfähiges Gestaltungskonzept zugrunde liegt. Nach dem Programmsatz eingangs der Begründung zu der Satzung verfolgt die Antragsgegnerin mit der örtlichen Bauvorschrift die Absicht, für die Umgebung des Ortskerns von Spiekeroog die rechtliche Grundlage zu schaffen, "um den städtebaulichen Charakter zu schützen und gleichzeitig Neubauten und Umbauten in den Bestand so einzugliedern, dass der Gesamteindruck nicht störend wirkt". Nach diesem Einleitungssatz heißt es im nächsten Absatz weiter, dass sich im Geltungsbereich teilweise ortsprägende Gebäude befänden. Die den Dorfkern umgebenden Gebäude passten sich der Maßstäblichkeit und Gestaltung den Gebäuden im Ortskern an. Es werde daher der Schutz einer Gestaltungssatzung auch auf diesen Bereich in - im Vergleich zur BGS I - abgeschwächter Form übertragen. Diese Begründung der allgemeinen städtebaulichen Zielsetzung endet mit dem Verweis "auf wesentliche Bestandteile der Begründung" zu der BGS I. Gemessen daran, dass in der Begründung einer Gestaltungssatzung darzulegen ist, welcher Schutzzweck genau mit der örtlichen Bauvorschrift verfolgt wird und weshalb dieser die räumliche Ausdehnung erfordert, lassen der unverbindliche einleitende Programmsatz und auch die wenigen folgenden Sätze nicht erkennen, welches Konzept die Antragsgegnerin im Bereich der BGS II verfolgen will.

Die Antragsgegnerin wertet in ihrer Antragserwiderung die BGS II als Versuch, Teile dessen, was im alten Ortskern geschützt wird, nämlich den "friesischen Bäderarchitekturstil", in Neubaugebiete zu übertragen, um einen "architektonischen Bruch" zu vermeiden. Damit knüpft die Antragsgegnerin an den Schutzzweck der BGS I an, deren Geltungsbereich auf den alten Ortskern beschränkt ist. Ein solches "Hinüberreichen" der gestalterischen Absicht, den alten Ortskern schützen zu wollen, in ein angrenzendes Gebiet, das deutlich größer ist als die alte Dorflage, setzt voraus, dass auch in diesem Siedlungsbereich nicht nur vereinzelt und nicht nur in Übergangszonen schützwürdige Gebäude vorhanden sind. Daran fehlt es hier.

Die gestalterischen Besonderheiten, die insbesondere die beiden historischen Straßenzüge Norderloog und Süderloog auszeichnen, hat der Senat bei seiner Ortsbesichtigung im Geltungsbereich der BGS II bis auf wenige Ausnahmen nicht vorgefunden. In dem weitläufigen Geltungsbereich gibt es nur vereinzelt ortsprägende Gebäude im Sinne der einleitenden Begründung zu der BGS II (vgl. hierzu auch die Benennung einzelner Bauten in der ergänzenden Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 18. Juni 2004 im Normenkontrollverfahren). Dieser geringfügige Bestand an schützenwerten Gebäuden rechtfertigt es nicht, den gesamten Geltungsbereich der Satzung mit detaillierten Gestaltungsvorschriften zu überziehen. Der weit überwiegende Teil der im Satzungsgebiet vorhandenen Gebäude hat "Allerweltscharakter" ohne inseltypischen Bezug. Auf diesen Grundstücken ist das Ziel, die auf Spiekeroog vorhandenen historischen Baustile zu erhalten und zu schützen, nicht durchsetzbar. Dies gilt auch für den Bereich des Bebauungsplanes Nr. 13, in dem das Grundstück des Antragstellers liegt. Dieses Gebiet gehört nicht mehr zu einer "räumlich begrenzten" Übergangszone im unmittelbaren Anschluss an den Geltungsbereich der BGS I, in der wegen der Nähe des alten Dorfkernes das verfolgte städtebauliche Ziel noch sinnvoll sein könnte. Sichtbeziehungen zwischen diesem Bereich und besonders schützwürdigen Gebäuden im Geltungsbereich der BGS I sind nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung nicht vorhanden. Vielmehr markiert das in vielerlei Hinsicht gegen die Gestaltungsvorstellungen der Antragsgegnerin verstoßende Gebäude der Post (J. 22), das nicht mehr im Geltungsbereich der älteren Satzung liegt, den Übergang zwischen der alten Dorflage und dem weitläufigeren sonstigen Siedlungsbereich der Antragsgegnerin.

Der Senat hat erwogen, ob sich aus den einzelnen Satzungsbestimmungen ein gestalterisches Konzept der Antragsgegnerin ableiten lässt, das in der Begründung der Norm nur unvollständig zum Ausdruck kommt. Die Gemeinde kann im Rahmen des § 56 Abs. 1 NBauO bestimmen, dass einzelne Gestaltungselemente der überkommenen landschaftsgebundenen Bauweise auch bei Neubauten zu übernehmen sind, um zu erreichen, dass sich die Bebauung recht harmonisch in die Landschaft einfügt (Urt. d. Sen. v. 4.5.1979 - I A 66/78 -, BRS 35 Nr. 132). Bei einer Gesamtschau der einzelnen materiellen Gestaltungsvorschriften lässt sich nicht feststellen, dass der angegriffenen Satzung eine Idee des Inhalts zugrunde liegt, für die Inselgemeinde insgesamt und damit auch für den Bereich der BGS II typische und prägnante Gestaltungselemente in der Bauweise zu tradieren.

Die BGS II setzt sich aus einer Vielzahl von Vorschriften zur Sicherung von inselspezifischen Stilmerkmalen zusammen, die in ihrer Gesamtheit noch kein Konzept bilden. Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass eine störungsfreie Eingliederung von Neu- und Umbauten nur bei Beachtung der - bereits der BGS I zugrunde liegenden - für die Bauentwicklung auf Spiekeroog kennzeichnenden architektonischen Merkmale gewahrt sei. Dabei handelt es sich um folgende Gestaltungselemente: Eingeschossigkeit, niedrig wirkender Baukörper, geringe Traufenhöhe, rechteckiger Grundriss, Ziegelrohbau, ab 1871 auch heller Putz bzw. weiße Schlemmung, Sattel- und Krüppelwalmdächer, Ziegeldach mit (dkl.roten) Hohl- bzw. S-Pfannen, sprossengeteilte Holzfenster, gefüllte Holztüren, Giebeldreiecke (in senkrechter Anordnung) holzverbrettert, dkl.grün gestrichen, (sofern) Windfedern, weiß (auch dkl.grün) gestrichen, Traufständigkeit, Veranden. Unter dem Eindruck der durchgeführten Ortsbesichtigung ist festzustellen, dass mit den diese Gestaltungsanforderungen konkretisierenden Vorschriften der BGS II das Ziel einer harmonischen Einfügung der Neu- und Umbauten in die vorhandene Landschaft verfehlt wird.

Verantwortlich dafür ist in erster Linie die erhebliche Regelungsdichte in den einzelnen Vorschriften, die einerseits zur Konformität ohne gestalterische Spielräume bei der Bauausführung zwingt, andererseits selbst bei Wahrung aller Gestaltungsanforderungen nicht immer zu einer inseltypischen Bebauung führt. Letztere Einschätzung belegt eindrucksvoll, das bei der Beweisaufnahme in Augenschein genommene Gebäude L. 6, bei dem es sich um ein Appartementhotel handelt, das nach der Darstellung der Antragsgegnerin die Vorschriften der BGS II beachtet, insbesondere die Einschränkungen bei der Trauf- und Firsthöhe gemäß § 2 der Satzung und die Anforderungen bei der Ausbildung des Daches, bei der Dachneigung, beim Dachüberstand in § 3 der Satzung und bei den zu verwendenden Materialien in § 5 der Satzung. Trotz seiner Anpassung an die Vorgaben der BGS II erweckt das kompakte zweieinhalbgeschossige Gebäude mit seinen auskragenden Balkonen nicht den Eindruck einer inseltypischen Bebauung, sondern eines wirtschaftlichen Zweckbaus, bei dem die harmonische Abstimmung markanter Gestaltungselemente auf der Strecke bleibt.

Der Senat vermag sich auch nicht der Auffassung der Antragsgegnerin anzuschließen, dass die im Neubaugebiet M. errichteten Wohnhäuser die auf Spiekeroog anzutreffende landschaftsgebundene Bauweise fortschreiben und deshalb dem Harmoniebedürfnis Rechnung tragen. Der Senat hat bei seiner Ortsbesichtigung dort zum großen Teil Wohnhäuser angetroffen, die trotz unterschiedlicher Bauträgerschaft im Hinblick auf zahlreiche Gestaltungselemente (z.B. Dachform, Klinker, Farbgebung und Veranda) vergleichbar sind, einheitlich aussehen und sich auf die Adaption alter Gebäudevorbilder beschränken. Gerade die Einheitlichkeit als Ziel einer Baugestaltungssatzung birgt die Gefahr, in öde Gleichförmigkeit abzusinken (Urt. d. Sen. v. 4.5.1979 - 1 A 66/78 -, a.a.O., und v. 13.3.2003 - 1 KN 1310/01 -, ZfBR 2003, 54). Viele der im Wohngebiet M. errichteten Neubauvorhaben belegen, dass es zur Erreichung des städtebaulichen Ziels, insbesondere Neubauvorhaben harmonisch in das vorhandene Ortsbild einzugliedern, nicht unbedingt förderlich ist, die Gestaltungsanforderungen so engmaschig anzulegen, dass kaum noch Spielraum für eine zeitgemäße Architektur verbleibt. Nach den vorstehenden Erwägungen dürfte mehr dafür sprechen, die Baugestaltung auf wenige klassische Stilelemente, wie z.B. Sattel- bzw. Krüppelwalmdach mit roter bis rotbrauner Dacheindeckung, zurückzuführen und die Anforderungen an die Art der zu verwendenden Materialien und an die Bauausführung hinsichtlich von Fenstern, Türen und Veranden zu beschränken.

Die angegriffene Satzung ist auch mangelhaft, weil sie pauschal auf wesentliche Bestandteile der Begründung zu der BGS I verweist. Es bleibt offen, welche Begründungselemente der älteren Satzung wesentlich sind und deshalb übernommen werden sollen. Gegen dieses von der Antragsgegnerin als Ortsgesetzgeber praktizierte Verfahren der Bezugnahme auf die Begründung einer anderen Satzung sprechen auch deshalb Bedenken, weil die Gemeinde nach eigenem Bekunden einerseits nicht alle Baubeschränkungen aus der BGS I übernommen und andererseits den Regelungsdruck der BGS II wegen einer erhöhten Gefährdungslage verstärkt hat (z.B. bei Glasfassaden und Wintergärten). Bestehen solche sachlichen Unterschiede in der Ausgestaltung der konkretisierenden Vorschriften, scheidet ein globaler Verweis auf die Begründung einer anderen Satzung in der Regel aus.

Erweist sich danach die BGS II wegen Fehlens eines tragfähigen Gestaltungskonzepts für den Geltungsbereich der örtlichen Bauvorschrift als mangelhaft mit der Folge der Nichtigkeit der gesamten Satzung, kann dahinstehen, ob auch die einzelnen Gestaltungsvorschriften als solche in jeder Hinsicht bedenkenfrei sind. Für den Fall, dass die Antragsgegnerin eine Neufassung der Baugestaltungssatzung erwägt, erscheinen dem Senat folgende Hinweise angezeigt: Soweit mehrere Vorschriften der BGS II (vgl. § 3 Nr. 2.1 und Nr. 2.2, § 7 Satz 1 Nr. 2) auf die Einsehbarkeit von der Haupterschließungsanlage abstellen, bleibt unklar, welche Anlage maßgeblich ist, wenn das Grundstück an mehr als eine Erschließungsanlage angrenzt. Gleiches gilt, soweit nach § 13 Nr. 4 der Satzung Parabolantennen an Gebäuden nur zulässig sind, wenn sie nicht einsehbar sind. Es wird nicht deutlich, von wo aus die Antennen nicht einsehbar sein sollen. Unbestimmt ist auch die Vorgabe in § 7 Nr. 2 Satz 2 der Satzung, den Einbau eines Glasdaches in einen Wintergarten nur zuzulassen, wenn in mehr als ein Viertel der Tageszeit kein Sonnenlicht einfallen kann. Es bleibt offen, auf welche Zeiträume des Jahres bei der Ermittlung des Sonneneinfalls Bezug genommen werden soll. Bei § 4 BGS II stellt sich die Frage, ob die Bemessung der Sockelhöhe sachgerecht ist. Die Begrenzung der Sockelhöhe auf 0,5 m, gemessen zwischen Oberkante Erschließungsstraßenmitte und höchstem Punkt Oberkante Erdgeschossfußboden führt nach den Angaben des Antragstellers dazu, dass er sein Grundstück anschütten oder u.U. eine Hebeanlage einbauen muss, um einen frostfreien Abwasserabfluss in die Hauptentwässerungsanlage der Erschließungsstraße zu gewährleisten. Die dadurch entstehenden Kosten dürften mit Blick auf das Ziel der Vorschrift, eine Gebäudeansicht mit sichtbarem Kellergeschoss zu vermeiden und die Gebäudehöhe zu begrenzen, unverhältnismäßig sein. Abgesehen davon dürfte es sich bei dem weiteren Anliegen der Vorschrift, das Entstehen von Aufenthaltsräumen im Keller zu verhindern, nicht um eine Zielsetzung handeln, die mit einer Baugestaltungssatzung verfolgt werden kann.

Der Antragsteller dringt auch mit seinem Antrag zu 2. durch, festzustellen, dass die vom Rat der Antragsgegnerin am 20. August 2003 beschlossene BGS II, verkündet am 30. September 2003, nichtig gewesen ist. Der Tenor erfasst auch diesen Antrag. Der Senat verweist zur Begründung auf die vorstehenden Ausführungen zur materiellen Rechtswidrigkeit der Satzung.

Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob die erste Bekanntmachung der Satzung vom 30. September 2003 mangelhaft war. Sie dürfte aber unzureichend gewesen sein, weil der beigefügte Kartenausschnitt den Satzungsbereich nicht hinreichend erkennen lässt. Die über § 97 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. NBauO anwendbare Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB verlangt eine ortsübliche Bekanntmachung des Beschlusses der Satzung durch die Gemeinde. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist das Plangebiet genau zu umschreiben, damit der interessierte Bürger den Geltungsbereich ohne besondere Schwierigkeiten erkennen kann (BVerwG, Urt. v. 6.7.1984 - 4 C 28.83 -, BRS 42 Nr. 26). Dazu gehört, dass der räumliche Bereich, für den das neue (örtliche) Satzungsrecht in Kraft tritt, benannt wird und sich ausreichend identifizieren lässt (Gaentzsch, a.a.O. § 10 RdNr. 18). Es ist fraglich, ob die Veröffentlichung diesen Anforderungen genügt. Der der Bekanntmachung beigefügte Kartenausschnitt ist so verkleinert, dass sich der Grenzverlauf der Satzung nicht eindeutig ablesen lässt. Angesichts zahlreicher, sich teilweise überlagernder Schraffuren ist nicht zu erkennen, welche Flächen zum Geltungsbereich der im Innern des Kartenausschnitts angesiedelten BGS I und welche Parzellen zu der hier streitgegenständlichen Satzung gehören. Außerdem fehlt der zur Orientierung notwendige Nordpfeil. Unzureichend ist auch, dass der extrem verkleinerte Plan den westlichen Geltungsbereich der Satzung abschneidet.

Ende der Entscheidung

Zurück