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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.07.2009
Aktenzeichen: 1 LA 103/07
Rechtsgebiete: BauGB, NBauO


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
NBauO § 54
NBauO § 75
NBauO § 77
1. Das "Zeitmodell", welches das BVerwG zu § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB entwickelt hat, ist nicht anzuwenden, wenn die Frage beantwortet werden soll, wie lange eine Nutzungsunterbrechung dauern darf, ohne dass die Legalisierungswirkungen einer Baugenehmigung entfallen.

2. Es bleibt unentschieden, wie lange eine Nutzungsunterbrechung ohne Schaden für die Baugenehmigung maximal dauern darf.


Gründe:

Die Beklagte weigert sich mit Rücksicht auf zwei in den Jahren 1948 und 1978 für das Grundstück der Beigeladenen zu 2. erteilte Baugenehmigungen, gegen die dort nunmehr vom Beigeladenen zu 1. betriebene Kfz-Werkstatt einzuschreiten. Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darum, ob die Legalisierungswirkungen der erteilten Genehmigungen durch Nutzungsunterbrechungen erloschen sind und auf welchen Zeitraum es dabei ankommt.

Die Grundstücke der Klägerin (Flurstück 115/10, Flur 4 der Gemarkung G.) und der Beigeladenen zu 2. (Flurstück 155/8 derselben Flur) liegen nebeneinander im Geltungsbereich des Bebauungsplanes der Beklagten Nr. 30, der für sie allgemeines Wohngebiet als Nutzungsart festsetzt. Für die südlich bzw. östlich angrenzenden Bereiche setzt dieser reines Wohngebiet als zulässige Nutzungsart fest.

Das Grundstück der Klägerin ist zur Östringer Straße hin mit einem Wohnhaus sowie in seinem rückwärtigen Teil mit einer Garage bebaut, welche den südwestlichen Abschluss eines größeren Nebengebäudekomplexes darstellt. Das südwestlich angrenzende Grundstück der Beigeladenen zu 2. stellt das Eckgrundstück zwischen der Östringer und der in spitzem Winkel auf sie treffenden Haneschstraße dar. Zur letztgenannten Straße orientiert steht darauf ein Wohngebäude, auf der Grenze zum Grundstück der Klägerin das größere Werkstattgebäude, um dessen Nutzung die Beteiligten hier streiten. Für dessen Errichtung hatte die Beklagte unter dem 1. September 1948 eine baupolizeiliche Genehmigung zur "Erweiterung der Schmiede und Wagenhalle" erteilt. Mit Bauschein vom 3. Februar 1978 erteilte sie "H. I. " aus J. die Baugenehmigung zur "Nutzungsänderung einer Schmiede in Verbindung mit einer Wagenbauwerkstatt zu einer Autoreparaturwerkstatt mit Abstellplatz für Neufahrzeuge ohne Veränderung der baulichen Anlage". Die Nebenbestimmung "Va-2" lautet: "Die Genehmigung zur Nutzungsänderung des störenden Betriebes im 'Allgemeinen Wohngebiet' erfolgt unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes. Sollte der Betrieb der Autoreparaturwerkstatt zu unzumutbaren Belästigungen für die Anwohner führen, bleiben weitere Forderungen zur Abstellung der Belästigung ausdrücklich vorbehalten."

Wohl Anfang 1996 bezog der Kfz-Mechaniker K. L. das Gebäude und betrieb dort ein Kraftfahrzeugreparaturgewerbe. Ein Jahr später eröffnete er zusammen mit seinem Schwager, Herrn M. N. in dem Gebäude außerdem einen Zweiradhandel ("O. "), in dem Fahrräder sowie italienische Motorroller und Motorräder der 125er-Klasse verkauft und gewartet wurden. Zum 1. Januar 2001 verlegte Herr L. den Kraftfahrzeugreparaturbetrieb auf das Grundstück P. Straße 274 und meldete dieses Gewerbe auf dem hier interessierenden Grundstück Haneschstraße 1 zum 31. Juli 2001 ab. Der Zweiradhandel "O. " wurde zum 30. Juni 2001 abgemeldet und stellte nach Darstellung der Klägerin in der Zeit vom Januar bis Juli 2001 die einzige Nutzung des streitigen Gebäudes dar. Mit dem Auszug der Kraftfahrzeugwerkstatt L. wurden alle technischen Einbauten wie Bühne und elektrische Installationen restlos abgebaut sowie Werkzeuge und Geräte vollständig entfernt.

Ein Mitte 2002 auf der Grundlage eines zum 1. Juli 2002 abgeschlossenen Mietvertrages (Lager und Werkstatt) unternommener Versuch der Fa. Q., das Werkstattgebäude wieder in Gebrauch zu nehmen und dort eine Fertigung für LKW-Schiebeverdecke in Vertretung eines italienischen Herstellers zu etablieren, wurde nach dem Tod des Vaters des Mieters abgebrochen.

Ende 2003 beobachtete die Klägerin, dass in dem streitigen Werkstattgebäude Anstalten getroffen wurden, dieses wieder als Werkstatt zu nutzen. Mitarbeiter der Beklagten nahmen daraufhin am 8. Januar 2004 eine Ortsbesichtigung vor und fanden bestätigt, dass der Beigeladene zu 1. mit der Einrichtung einer Kfz-Reparaturwerkstatt begonnen hatte. Unter anderem waren der Fußboden erneuert und zwei Hebebühnen sowie ein Bremsenprüfstand eingebaut worden. Der Beigeladene zu 1. erklärte an Ort und Stelle, weitere Einrichtungen wie einen Kompressor, eine Viersäulenhebebühne, Werkbänke und einen Achsenmessstand einbauen zu wollen. Zur Darstellung der beabsichtigten Tätigkeit aufgefordert, erklärte er mit Fax vom 12. Januar 2004, in der streitigen Halle Motoren, Getriebe, Bremsen, Auspuffe, Fahrwerke und Elektronik instand setzen zu wollen. Außerdem sollten dort Klimaanlagen, Standheizungen, Navigationssysteme und jegliche Art von elektronischem Zubehör nachgerüstet werden. Er wolle Haupt- und Abgasuntersuchungen durchführen und mit Fahrzeugersatzteilen sowie Reifen, Felgen usw. handeln. Es würden keine Arbeiten durchgeführt, die eine erhöhte Lärm- und Emissionsbelastung der Nachbarschaft zur Folge hätten, wie dies etwa bei Durchführung von Lackierarbeiten sowie der Reparatur großer Unfallschäden sowie bei Spachtel- und Schleifarbeiten der Fall wäre.

Auf neuerliche Aufforderung einzuschreiten, lehnte das die Beklagte mit Verfügung vom 3. August 2004 und im Wesentlichen dem Argument ab, die in Rede stehenden Tätigkeiten seien von den erteilten Genehmigungen umfasst. Den Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 17. März 2005 unter Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides zurück.

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage der Klägerin mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:

Die in Rede stehende Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei zwar in einem allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig, genieße jedoch einen aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gespeisten Bestandsschutz. Die Beendigung der früheren Werkstattnutzung führe hier nicht dazu, dass die Genehmigungen ihre Wirkungen verloren hätten. Die Kammer folge dabei allerdings nicht mehr, wie noch in einem anderen Eilverfahren (- 2 B 13/05 -; das dazu gehörende Beschwerdeverfahren wurde zum Aktenzeichen 1 ME 191/05 geführt), dem Zeitmodell, welches das Bundesverwaltungsgericht für die Anwendung der jetzt in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltenen Regelung entwickelt und in seinem Urteil vom 18. Mai 1995 (- 4 C 20.94 -, BVerwGE 98, 235 = BauR 1995, 807 = DVBl. 1996, 40 = BRS 57 Nr. 67) auf die Frage übertragen habe, wie lange eine Nutzungsunterbrechung dauern dürfe, ohne dass erteilte Genehmigungen ihre Legalisierungswirkungen verlören. Danach sei es so, dass sich in dem hier ausschlaggebenden dritten Jahr nach Nutzungsunterbrechung die Darlegungslast zum Nachteil des Bauherrn verkehre und dieser dartun müsse, die Verkehrsauffassung habe noch immer mit einer Wiederaufnahme der nur unterbrochenen Nutzung gerechnet. Solange diese nicht mit einem Verfall des Gebäudes einhergehe, könne der Bestandsschutz vielmehr noch länger andauern. Denn es sei nicht einzusehen, weshalb der Adressat eines Bauscheins nach § 77 NBauO volle drei Jahre Zeit habe, diesen auszunutzen, derjenige aber, der das - mit entsprechendem finanziellen Aufwand - getan habe, im dritten Jahr Besonderheiten solle darlegen müssen. Dementsprechend erlöschten die Regelungswirkungen einer erteilten und ausgenutzten Baugenehmigung frühestens nach drei Jahren und brauche der Begünstigte im dritten Jahr auch keine Besonderheiten geltend zu machen, um sich diese Wirkungen zu erhalten. Hier sei das Gewerbe Kfz-Reparatur - ungeachtet des Umstandes, dass es erst zum 31. Juli 2001 abgemeldet worden sei - erst im Laufe des Januar 2001 faktisch eingestellt worden. Schon Ende 2003 und damit vor Ablauf der genannten drei Jahre habe aber die Klägerin selbst Arbeiten bemerkt und der Beklagten mitgeteilt, welche auf dessen Wiederaufnahme gedeutet hätten. Ein Anspruch einzuschreiten bestehe daher schon deshalb nicht, weil die in Rede stehende Tätigkeit von einer immer wirksamen Baugenehmigung um-/erfasst sei.

Hiergegen richtet sich der auf die Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 VwGO gestützte Zulassungsantrag der Klägerin, dem die Beklagte und die Beigeladene zu 2. entgegentreten.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Die angegriffene Entscheidung weicht nicht von der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Mai 1995 (- 4 C 20.94 -, BVerwGE 98, 235 = BauR 1995, 807 = DVBl. 1996, 40 = BRS 57 Nr. 67) ab. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar in dieser Entscheidung angenommen, die Frage, wie lang die Wirkungen einer Baugenehmigung trotz zwischenzeitlicher Vakanz andauerten und dieser Nutzung "ohne Rücksicht auf die planungsrechtliche Situation Bestandsschutz verleiht", beantworte sich nach den Grundsätzen, welche es als Orientierungshilfe für die Handhabung des (jetzigen) § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB insbesondere in seiner Entscheidung vom 25. März 1988 (- 4 C 21.85 -, BRS 48 Nr. 138) entwickelt habe. Dieses "Zeitmodell" sei "auf die Beurteilung der Fortdauer des Bestandsschutzes übertragbar". Dementsprechend sei Folgendes maßgeblich: Im ersten Jahr nach Nutzungsaufgabe/Zerstörung des Bauwerks rechne die Verkehrsauffassung stets mit dem Wiederaufbau/der Wiederaufnahme der Nutzung. Im zweiten Jahr gelte dafür eine - allerdings widerlegliche - Regelvermutung. Nach Ablauf des zweiten Jahres kehre sich diese Vermutung um. Die Verkehrsauffassung sehe die Grundstückssituation nach so langer Zeit nicht mehr für eine Neuerrichtung offen; der Bauherr habe daher besondere Gründe dafür darzulegen, dass die Zerstörung des Gebäudes resp. die Wiederaufnahme der Nutzung noch keinen als endgültig erscheinenden Zustand herbeigeführt habe.

Von dieser Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht aber zwischenzeitlich mit der Folge so deutlich abgerückt, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts, auch im dritten Jahr brauche der Bauherr keine besonderen Gründe für die Wiederaufnahme der genehmigten Nutzung anzuführen, sich in der Sache nicht mehr als Abweichung darstellt. Die wesentliche Stütze dieser Auffassung hatte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 25. März 1988 (- 4 C 21.85 -, ZfBR 1988, 195 = NVwZ 1989, 667 = BRS 48 Nr. 138) im Wesentlichen in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesehen. Eine Anwendung dieser Vorschrift führe dazu, dass der Bestandsschutz für eine bestimmte Art von Nutzung nicht notwendig mit deren faktischer Beendigung ende. Sie räume dem Berechtigten vielmehr zum Schutze des Vertrauens in den Fortbestand einer bisherigen Rechtsposition je nach den konkreten Einzelumständen eine gewisse Zeitspanne ein, innerhalb derer der Bestandsschutz nachwirke und noch Gelegenheit bestehe, an den früheren Zustand anzuknüpfen. Allerdings überwiege das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der veränderten bebauungsrechtlichen Ordnung, wenn der Berechtigte erkennbar von dem Bestandsschutz keinen Gebrauch mehr machen wolle. Das sei der Fall, wenn er eine Nutzung aufnehme, die außerhalb der Variationsbreite der genehmigten liege und erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden solle.

Von dieser Auffassung, gestützt auf Art. 14 Absatz 1 Satz 1 GG, d. h. bundesrechtlich motiviert den Zeitraum zu ermitteln, in dem eine einmal erteilte Baugenehmigung noch dem Begünstigten positive Rechtswirkungen entfaltet, hat sich das Bundesverwaltungsgericht nur zwei Jahre später in seinem Urteil vom 7. November 1997 (- 4 C 7.97 -, ZfBR 1998, 158 = DVBl. 1998, 587 = NVwZ 1998, 735 = BauR 1998, 533 = BRS 59 Nr. 109) gelöst. Darin hat der 4. Revisionssenat anerkannt, er habe die Unterscheidung zwischen der Bestandskraft einer erteilten Baugenehmigung und dem "Bestandsschutz" in der Vergangenheit vielfach nicht stets mit der gebotenen Strenge getroffen. Als Beispiel nennt er ausdrücklich seine Entscheidung vom 18. Mai 1995 (- 4 C 20.94 -, aaO), hinsichtlich derer die Klägerin Divergenz rügt. Das Bundesverwaltungsgericht meint jetzt, man müsse differenzieren. Gehe es um die Frage, wie lang eine Baugenehmigung noch eine dem Betreffenden günstige (bzw. seinem Nachbarn nachteilige) Legalisierungswirkung entfalte, richte sich die Beantwortung ausschließlich nach dem insoweit maßgeblichen Landesrecht. Der Landesgesetzgeber bestimme durch sein Landesbauordnungsrecht, ggf. auch das Verwaltungsverfahrensrecht darüber, wie lang eine Baugenehmigung trotz Nutzungsunterbrechung/-aufgabe noch gültig sein/bleiben solle. Denn mit solchen Regelungen habe er als der durch Art. 14 Absatz 1 Satz 2 GG nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung dazu Berufener das Grundeigentum inhaltlich ausgestaltet und dabei seine Reichweite der aufgrund landesrechtlicher Bestimmungen zu erteilenden Baugenehmigung bestimmt. Dass es insoweit in den Bundesländern zu unterschiedlichen Lösungen kommen könne, sei in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes eingeschlossen. Ein Rückgriff auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sei unstatthaft. Für einen unabhängig von dieser landesrechtlichen Regelung, d. h. auf der Grundlage von Art. 14 Absatz 1 Satz 1 GG zu bestimmenden "Bestandsschutz" sei insoweit kein Raum. Erst die davon zu trennende Frage, ob und inwieweit eine Nutzung, die einst genehmigt oder in Einklang mit dem seinerzeit geltenden Baurecht betrieben worden war, sich gegen Veränderungen des öffentlichen Baurechts behaupten kann (wenn man so will: "eigentlicher Bestandsschutz"), sei bundesrechtlicher Natur.

Damit hat das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 7. November 1997 - 4 C 7.97 - seine unter dem 18. Mai 1995 - 4 C 20.94 - entwickelte Auffassung aufgegeben (ebenso BW-VGH, Urt. v. 4.3.2009 - 3 S 1467/07 -, LS BauR 2009, 1182, Langtext bislang nur JURIS, dort Rdnr. 31). Die Annahme einer Divergenz kommt damit nicht (mehr) in Betracht.

Für das sonach maßgebliche Landesrecht hat der Senat Folgendes entschieden (vgl. zum Folgenden B. v. 7.3.2000 - 1 M 482/00 -, OVG-Datenbank und JURIS, sonstige Vnb; Urt. v. 22.3.2001 - 1 L 4487/99 -, BRS 64 Nr. 164 = NdsVBl. 2002, 22; Langtext auch JURIS und OVG-Datenbank): Das von den damaligen Antragstellern zitierte, vom Bundesverwaltungsgericht in seinen Entscheidungen vom 21.8.1981 (- IV C 65.80 -, BRS 38 Nr. 99) und vom 18. Mai 1995 (- 4 C 20.94 -, aaO) entwickelte Zeitmodell habe seine Bedeutung zur Beurteilung der Frage, wie lange eine aufgegebene Nutzung die Eigenart der näheren Umgebung noch präge, durch die oben zitierte Entscheidung vom 7. November 1997 (- 4 C 7.97 -, aaO) verloren. Die Beantwortung dieser Frage richte sich nunmehr ausschließlich nach den Regelungen des Landesbauordnungsrechts. Ein unmittelbarer Rückgriff auf Art. 14 Absatz 1 Satz 1 GG sei nicht mehr zulässig. Das Landesbauordnungsrecht enthalte in § 77 NBauO eine Regelung, welche nach ihrem Wortlaut die Aufgabe einer genehmigten Nutzung/ihre Unterbrechung zwar nicht ausdrücklich erfasse. Jedoch rechtfertigten es Gründe des Bodenrechts (vgl. dazu auch Schmaltz, DVBl. 2000, 828 <829>, Anm. zum Beschluss des ThürOVG vom 29.11.1999 - 1 EO 658/99 -, DVBl. 2000, 826), diese Vorschrift auf Fälle der Nutzungsunterbrechung zu übertragen. Daher sei die Dreijahresfrist uneingeschränkt, d. h. nicht mit den inhaltlichen Einschränkungen anzuwenden, welche das Bundesverwaltungsgericht in seinem für die Anwendung von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB entwickelten "Zeitmodell" nach seiner vorstehenden Darstellung gerade für das dritte Jahr enthält. Anders sei es, wenn die Nutzung endgültig aufgegeben worden sei, indem das Bauwerk nicht nur vorübergehend, sondern längere Zeit in anderer als der genehmigten Weise genutzt worden sei (vgl. dazu Senatsurteil vom 22.3.2001 - 1 L 4487/99 -, aaO).

Es ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, ob der Senatsbeschluss vom 7. März 2000 - 1 M 482/00 - nach den Ausführungen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 7. November 1997 (- 4 C 7.97 -, aaO) gemacht hat, für alle Zeit das Richtige getroffen hat, d. h. als "der Weisheit letzter Schluss" anzusehen ist. Auch hier sind möglicherweise Gesichtspunkte des materiellen Bundes-Bodenrechts (§ 15 Abs. 1 BauNVO, § 34 BauGB) mit denen des Landes-Bauordnungs- und -verwaltungsverfahrensrechts miteinander verquickt worden. Reduzierte beispielsweise der Landesbauordnungs-Gesetzgeber die Geltungsdauer einer Baugenehmigung (insoweit noch über § 73 Abs. 1 MBO hinausgehend) auf ein Jahr, dann hätte eine Nutzungsunterbrechung von 18 Monaten - eine Beibehaltung des § 69 Abs. 4 und 5 NBauO unterstellt - zunächst einmal nur zur Folge, dass sich die Wiederaufnahme der Nutzung dem Genehmigungsverfahren zu stellen hätte, wenn man sich insoweit bei einer Nutzungsunterbrechung weiterhin an die Vorschrift über die "Ausnutzungsdauer" einer einmal erteilten Baugenehmigung hielte. Davon zu trennen könnte dann die in dem nunmehr erforderlichen Genehmigungsverfahren zu beantwortende materiellrechtliche Frage sein, ob die Grundstückssituation noch immer von der (mit der Folge der Genehmigungspflicht unterbrochenen) Nutzung beeinflusst ist. Sie könnte daher unverändert den für die Anwendung von § 34 BauGB maßgeblichen Rahmen prägen oder eine dem Bauherrn nachteilige Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO ausschließen. Zumindest könnte sie dazu führen, dass dem Bauherrn ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung von den Vorschriften des jetzt geltenden öffentlichen Baurechts zusteht, welche nunmehr "eigentlich" zur Baurechtswidrigkeit der in Rede stehenden Nutzung führen. All das muss sich nicht zwangsläufig in zeitlicher Übereinstimmung mit den Legalisierungswirkungen einer Baugenehmigung für eine (zwischenzeitlich unterbrochene) Nutzung decken.

Einem schrankenlosen Einfluss des öffentlichen Bodenrechts auf eine erteilte Baugenehmigung steht außerdem entgegen, dass eine einmal erteilte Baugenehmigung einen starken Schutz genießt. Das zeigen nicht nur die Regelungen des § 99 NBauO, welche es sehr weitgehend ausschließen, ihre Legalisierungswirkungen entschädigungslos wieder zu beseitigen, sondern auch die Ausführungen, die das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer Vollstreckungsgegenklage gegen ein Urteil gemacht hat, mit dem die Bauaufsichtsbehörde rechtskräftig zur Erteilung einer Baugenehmigung verurteilt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.2001 - 4 C 10.01 -, BVerwGE 117, 44 = NVwZ 2003, 214 = BRS 65 Nr. 102 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 3.2.1984 - 4 C 39.82 -, BVerwGE 69, 1 = BRS 42 Nr. 170 und Urt. v. 14.4.1978 - IV C 96 und 97.76 -, NJW 1979, 995). Danach genießt eine einmal erteilte Baugenehmigung sogar größeren Schutz als ein rechtskräftiges Verpflichtungsurteil. Bedenkt man zudem, dass es gerade die Gemeinde wegen der Pflicht, Bauanträge bei ihr einzureichen (§ 71 NBauO), in der Hand hat, ein Vorhaben mit dem Mittel der Veränderungssperre bis zu 4 Jahre lang entschädigungslos zu verhindern, zeigt auch dies den starken Umfang, in dem eine nun einmal erteilte Baugenehmigung auch gegen Veränderungen des öffentlichen Baurechts "immun" ist. Nicht jede Veränderung des öffentlichen Baurechts kann daher geeignet sein, die Legalisierungswirkung einer bestandskräftigen Baugenehmigung entfallen zu lassen.

Zudem ist es im Anschluss an die Überlegungen, die insbesondere Uechtritz (DVBl. 1997, 347, 348; zustimmend, allerdings noch weitergehend <gar keine zeitliche Grenze> Graf, ZfBR 2006, 215, 217) angestellt hat, überlegenswert, den Zeitraum, den ein Bauherr die Nutzung unterbrechen darf, ohne der ihn schützenden Wirkungen "seiner" Baugenehmigung verlustig zu werden, länger zu bestimmen, als dies in § 77 NBauO für die Ausnutzung einer erteilten Genehmigung geregelt worden ist. Denn die Überlegung hat einiges für sich, derjenige, der die Genehmigung schon ausgenutzt habe, sei im Falle der Nutzungsunterbrechung schützenswerter als derjenige, der den Bauschein noch nicht einmal zu verwirklichen unternommen habe. Ob dies dann allerdings so weit geht, wie dies Graf (aaO) favorisiert, ist ebenfalls zweifelhaft. Dann würden die Wirkungen einer Baugenehmigung praktisch erst bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 NBauO entfallen können. Die (dann allerdings nicht zu einem in allen Fällen gleich langen Zeitraum führende) Lösung könnte darin liegen, beim Begriff der Nutzungsunterbrechung anzusetzen. Die von Graf (aaO, S. 219) favorisierte Lösung, der Bauherr könne die Nutzung ohne Schaden für seine Baugenehmigung unbegrenzt lang unterbrechen, dürfte mit dem Wortsinn der "Unterbrechung" nicht zu vereinbaren sein. Als Unterbrechung anzusehen ist nur eine vorübergehende, d. h. einen überschaubaren Zeitraum einnehmende Einstellung der genehmigten Tätigkeit. Das könnte letztlich dann doch wieder zu einem "Zeitmodell" zurückführen, welches die Verkehrsauffassung einerseits und den Geltungsanspruch neuen öffentlichen Baurechts andererseits als mit ausschlaggebende Topoi ansieht. Allerdings müsste dieser Zeitraum länger als die Geltungsdauer einer noch nicht ausgenutzten Baugenehmigung und außerdem länger sein als im Falle des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Denn dem "alsbald" wohnt nach dem Wortsinn eher ein "sofort" als nur ein "vorübergehend" inne.

Das bedarf hier aber keiner vertiefenden Betrachtung, weil auch bei Zugrundelegung der im Senatsbeschluss vom 7. März 2000 (- 1 M 482/00 -, OVG-Datenbank und JURIS) genannten "uneingeschränkten" drei Jahre ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht bestehen. Solche liegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. B. v. 31. Juli 1998 - 1 L 2696/98 -, NVwZ 1999, 431 = NdsVBl. 1999, 93 = NdsRpfl. 1999, 87) erst dann vor, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis - auf dieses und nicht auf einzelne Begründungselemente kommt es dabei an - "die besseren Gründe sprechen", d.h. wenn ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Dabei dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (2. Kammer des Ersten Senats, B. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458, 1459 = NVwZ 2000, 1163 = NdsVBl. 2000, 244) die Anforderungen an die Darlegungslast der Beteiligten nicht überspannt werden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils sind daher schon dann anzunehmen, wenn es dem Zulassungsantragsteller gelingt, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen.

Das ist der Klägerin nicht gelungen. Entgegen der Annahme der Klägerin ist nicht im Wesentlichen auf den Betrieb abzustellen, den der Kfz-Mechaniker K. L. etwa im Jahre 1996 dort aufgenommen hatte. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beigeladene zu 2. im Besitze einer Genehmigung ist, welche auf die Nutzung der Halle für den Betrieb einer/jedweder Kraftfahrzeug-Werkstatt gerichtet ist. Ebenso, wie ein Privatmann ein Gebäude zum Betrieb eines Lebensmittelmarktes genehmigen lassen kann, in dem dann nacheinander verschiedene Discounter tätig sind, ohne dass bei jedem Wechsel oder bei jedweder Vakanz die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen wird, handelt es sich um eine Halle, welche dazu bestimmt ist, Kraftfahrzeuge in bestimmtem Umfang zu warten und zu reparieren. Daher liegt in der Verlagerung der Kfz-Reparaturwerkstatt L. auf das Grundstück P. Straße 274 keine als endgültig anzusehende Aufgabe der hier interessierenden Nutzung. Lediglich einer von denen, die sie betreiben konnten, hatte sie aufgegeben. Das Gebäude selbst blieb aber weiterhin als dafür genehmigt erhalten. Dass der damalige Ausnutzer der Baugenehmigung, Herr K. L., sein Inventar (Hebebühnen, Geräte, elektrische Installationen usw.) restlos abbaute, sieht die Verkehrsanschauung nicht als endgültige Aufgabe dieser Nutzung an. Nur er mag sein Gewerbe dort - zudem erst zum 31. Juli 2001 (!) - abgemeldet haben. Es verhält sich insoweit aber nur, wie sonst auch, wenn ein Geschäft (aus welchen Gründen auch immer) seine Tätigkeit in einem bestimmten Ladenlokal aufgibt. Dann nimmt der bisherige Betreiber selbst dann das gesamte Verkaufsinterieur heraus, wenn sich danach ein anderes Geschäft desselben Zweiges dort ansiedelt. Die Pflicht hierzu ergibt sich regelmäßig aus Mietrecht/dem Mietvertrag (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl. 2009, § 546 Rdnr. 6 mwN). Als endgültigen Verzicht auf die Baugenehmigung kann man dies schon deshalb nicht ansehen, weil der Eigentümer des Ladenlokals kraft ihrer dinglichen Wirkung Nutznießer und Begünstigter der Baugenehmigung ist. Der weichende Geschäftsinhaber kann die Rechtswirkungen der Baugenehmigung gar nicht "zum neuen Ladenlokal mitnehmen". Dort stellt sich vielmehr ggf. die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit neu.

Schon das führt zur Annahme, die Nutzung der hier streitigen Halle zu den beschriebenen Zwecken sei mit Auszug des Betriebes L. nicht endgültig und frühestens zu Beginn des Jahres 2001 aufgegeben worden. Denn auch die Entfernung der Gerätschaften (Bühne, Werkzeuge etc.) im Laufe des Jahres 2001 ist noch Teil der genehmigten Nutzung. Da nach den mit Zulassungsangriffen nicht attackierten Feststellungen des Verwaltungsgerichts gerade die Klägerin selbst schon Ende 2003 beobachtet und der Beklagten mitgeteilt hatte, im fraglichen Gebäude würden Vorbereitungen getroffen, die Nutzung zu reaktivieren, war die in Rede stehende Nutzung nicht länger als drei Jahre lang unterbrochen.

Es kommt hinzu, dass es insoweit außerdem auf die Tätigkeit ankommt, welche Herr K. L. im Jahre 1996 zusammen mit seinem Schwager M. N. dort aufgenommen hatte. Die Abteilung für den Verkauf und die Reparatur von Zweirädern liegt im Rahmen der Variationsbreite der 1978 genehmigten Nutzung. Denn ab dem Jahr 1996 (Klägerin) bzw. 1997 (so die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, Seite 2 UA) wurden dort nicht nur Fahr-, sondern auch motorisierte Zweiräder italienischer Provenienz, also Motorroller und kleinere Motorräder bis 125 cbm, vertrieben und repariert. Wenn die Beklagte für das Grundstück den Bauschein vom 3. Februar 1978 erteilte zur "Nutzungsänderung einer Schmiede in Verbindung mit einer Wagenbauwerkstatt zu einer Autoreparaturwerkstatt mit Abstellplatz für Neufahrzeuge ohne Veränderung der baulichen Anlage", dann schloss dies also auch Neufahrzeuge ein. Es wäre gekünstelt, die Aufnahme dieses Zweigs im Jahre 1996/1997 als Nutzungsänderung und/oder Aufnahme einer anderen Nutzung anzusehen. Das liegt vielmehr - ggf. mit Ausnahme des Handels mit neuen Fahrrädern - innerhalb der Variationsbreite einer Kraftfahrzeugwerkstätte. Es ist daher unerheblich, dass Herr K. L. diesen Zweig nicht allein, sondern zusammen mit seinem Schwager M. N. betrieb. Jedenfalls diese Tätigkeiten hielten auch nach der Darstellung der Klägerin in der Zulassungsantragsbegründung bis Mitte 2001 im fraglichen Gebäude an. Dementsprechend ist der Zeitraum zwischen Aufgabe dieser Nutzung und ihrer Wiederaufnahme durch den Beigeladenen zu 1. Ende 2003 noch kürzer als knapp drei Jahre.

Die Beobachtung, dass es insofern auf die Eignung der Halle zur Unterbringung von Betrieben dieser Art ankommt, wird schließlich abgerundet durch den Umstand, dass für diese Halle zum 1. Juli 2002 ein - dann allerdings nicht umgesetzter - Mietvertrag mit der Fa. Q. aus R. abgeschlossen worden war. Das zeigt, dass die Halle den vollen Zeitraum über für diese Zwecke zur Verfügung stand.

Aus den vorstehenden Gründen kommt es nicht mehr darauf an, ob der Klägerin der behauptete Anspruch auf Einschreiten unter Ermessensgesichtspunkten wirklich zustehen kann. Insofern ist lediglich kurz auf die Senatsentscheidung vom 9. Oktober 2007 (- 1 LB 5/07 -, NVwZ-RR 2008, 374) zu verweisen. Insofern könnte von Interesse sein, dass der Beigeladene zu 1. nach seinem Fax vom 12. Januar 2004 nur Arbeiten durchzuführen beabsichtigt, die keine erhöhte Lärm- und Emissionsbelastung zum Nachteil der Nachbarschaft mit sich bringt. Dieses "Versprechen" könnte hier nach Lage der Dinge durchaus einzuhalten sein, weil das fragliche Gebäude dem Grundstück der Klägerin gleichsam den Rücken zukehrt und das Mauerwerk ggf. geeignet ist, unzumutbaren Lärm vom Grundstück der Klägerin abzuhalten. Nach dem Eindruck, den die bei "Bing" einzusehenden Luftbilder vermitteln, weist die östliche Giebelwand der Halle und deren südliche Traufseite (von Interesse für die Gartennutzung der Klägerin) keine Öffnungen auf und sind die Öffnungen zum Östringer Weg, d. h. zu einer Seite hin orientiert, welche auch hinsichtlich des Grundstücks der Klägerin nicht deren "Schokoladenseite" auszumachen scheint.

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Bauschein der Beklagten aus dem Jahre 1978 die Nebenbestimmung "Va-2" enthält, wonach der Betrieb der Autoreparaturwerkstatt nicht zu unzumutbaren Belästigungen für die Anwohner führen darf und worin sich die Beklagte "weitere Forderungen zur Abstellung der Belästigung" ausdrücklich vorbehalten hatte.

Weitere Ausführungen sind zum Zulassungsantrag nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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