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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.04.2005
Aktenzeichen: 1 LB 270/02
Rechtsgebiete: BGB, BauGB, NGO, VwVfG


Vorschriften:

BGB § 125
BGB § 177 I
BGB § 184 I
BauGB § 24 I Nr. 1
BauGB § 28 II 2
NGO § 63 II
VwVfG § 46
1. Der Verwaltungsakt, mit dem das gemeindliche Vorkaufsrecht ausgeübt wird, stellt eine öffentlich-rechtliche Verpflichtungserklärung dar.

2. Zu der Frage, ob § 63 Abs. 2 NGO 1982, der die handschriftliche Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung durch Gemeindedirektor und Ratsvorsitzenden unter Beifügung des Dienstsiegels vorschreibt, als Regelung der Vertretungsbefugnis oder als Formvorschrift einzuordnen ist und welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die genannte Vorschrift nach sich zieht.


Tatbestand:

Der Kläger wendet sich im Wesentlichen mit der Behauptung, das sei formunwirksam geschehen, gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte.

Der Kläger ist Eigentümer des im Gemeindegebiet der Beklagten, einer Inselgemeinde, gelegenen Flurstücks 84/5 der Flur 9 der Gemarkung C. (Mittelstraße 10). Das auf dem Grundstück stehende Gebäude wurde früher als Kur- und Freizeitheim "F." genutzt. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des am 15. März 1991 bekannt gemachten Bebauungsplans D "Ortsmitte" der Beklagten. Dieser setzt für das Grundstück eine Nutzung als "Sondergebiet für Familienerholung" fest. Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans dient das Sondergebiet der Unterbringung zweckgebundener Fremdenbeherbergungsbetriebe. Zulässig sind danach Familienerholungsstätten, Kinder- und Jugendheime in Verbindung mit Familienerholungsstätten, Wohnungen für Pflege-, Betreuungs-, Aufsichts- und Bereitschaftspersonal beziehungsweise für Betriebsleiter sowie Anlagen und Einrichtungen für gesundheitliche, soziale, kulturelle und sportliche Zwecke als Zubehör zu Familienerholungsstätten.

Am 13. Februar 1997 beschloss der Rat der Beklagten, den Bebauungsplan D "Ortsmitte" zu ändern - 2. Änderung -, um durch Neufassung der das Sondergebiet für Familienerholung betreffenden textlichen Festsetzungen die Umwandlung von sozialen Zwecken dienenden Familienerholungsstätten in kommerzielle Beherbergungsbetriebe zu verhindern.

Mit notariellem Vertrag vom 28. Juni 1998 verkaufte der Kläger das Grundstück Mittelstraße 10 für einen Kaufpreis von 600.000,-- DM einschließlich 35.000,-- DM für Inventar an die GbR C., die Klägerin des Parallelverfahrens 1 LB 271/02.

Auf Anfrage des Gemeindedirektors der Beklagten teilte die Käuferin mit, sie beabsichtige, das Objekt nach Renovierung und Modernisierung "in der bisherigen Form, als Pension" weiter zu nutzen. Der Rat der Beklagten beschloss am 13. August 1998, von einem Vorkaufsrecht im öffentlichen Interesse Gebrauch zu machen.

Mit einem von ihrem Gemeindedirektor unterschriebenen Bescheid vom 26. August 1998 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Ausübung des Vorkaufsrechts. Zur Begründung führte sie aus: Der Bebauungsplan D setze auf dem Grundstück des Klägers eine Nutzung für "öffentliche Zwecke", nämlich für Familienerholungsstätten, fest. Ihr Ziel sei es, Familienerholungsstätten mit sozialer Ausrichtung, die sich in bestimmten Bereichen des Gemeindegebietes langjährig etabliert hätten, zu erhalten. Diesem Ziel diene auch die in Angriff genommene 2. Änderung des Bebauungsplanes D. Die Ausübung des Vorkaufsrechts diene der Sicherung der genannten Festsetzung des Bebauungsplanes D. Damit sei die Ausübung des Vorkaufsrechts aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit gerechtfertigt.

Dagegen erhob der Kläger am 9. September 1998 Widerspruch, den er wie folgt begründete: Die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts lägen nicht vor. Der Bebauungsplan D setze für das streitbefangene Grundstück keine Nutzung für öffentliche Zwecke fest. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertige im Übrigen nicht die Ausübung des Vorkaufsrechts.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2000 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 11. Februar 2000 Klage erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat: Der Bebauungsplan D setze in dem Sondergebiet keine Nutzung für öffentliche Zwecke fest. Das Sondergebiet diene der Unterbringung von zweckgebundenen Fremdenbeherbergungsbetrieben, insbesondere seien Familienerholungsstätten zulässig. Eine Gemeinbedarfsfläche werde nicht festgesetzt. Abgesehen davon, dass Familienerholungsstätten nicht zu den Gemeinbedarfsflächen zählten, fehle für die Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche auch die erforderliche exakte Zweckbestimmung.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 13. Januar 2000 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat Bezug auf die Ausführungen ihres Widerspruchsbescheides genommen und ergänzend erwidert: Die Nichtbeachtung von § 63 Abs. 2 NGO a.F. führe nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides, mit dem das Vorkaufsrecht ausgeübt worden sei. Dieser Fehler sei gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich, weil er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei von ihrem Rat beschlossen worden. Dieser Beschluss habe ausgeführt werden müssen. Der Kläger sei auch zu der Ausübung des Vorkaufsrechts angehört worden.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 24. Januar 2002 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte sei wegen Verstoßes gegen die für Verpflichtungserklärungen der Gemeinde geltende Form- und Vertretungsvorschrift des § 63 Abs. 2 NGO a.F. unwirksam. Zur wirksamen Ausübung hätte es in dem Bescheid vom 26. August 1998 zwingend der Unterschriften von Gemeindedirektor und Ratsvorsitzendem sowie der Beifügung eines Dienstsiegels bedurft. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts habe es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung gehandelt. Angesichts eines nicht unerheblichen Verpflichtungsvolumens von insgesamt 600.000,-- DM hebe sich das Grundstücksgeschäft aus dem Bereich der einfachen Geschäfte der laufenden Verwaltung heraus. Die von der Beklagten abgegebene öffentlich-rechtliche Verpflichtungserklärung sei nicht rechtsverbindlich, und zwar unabhängig davon, ob § 63 Abs. 2 NGO a.F. als Formvorschrift oder als Vertretungsregelung ausgelegt werde. Im Falle der Einstufung als Formvorschrift liege eine Verletzung von § 63 Abs. 2 NGO a.F. vor, die gemäß § 125 BGB, der gemäß § 62 VwVfG auch auf öffentlich-rechtliche Erklärungen anwendbar sei, zur Unwirksamkeit der angefochtenen Erklärung führe. Bei Annahme einer Vertretungsregelung sei die abgegebene öffentlich-rechtliche Verpflichtungserklärung wegen des fehlenden zweiten Vertreters der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 177 BGB zunächst schwebend unwirksam gewesen und mit Ablauf der für die Ausübung des Vorkaufsrechts normierten Zweimonatsfrist endgültig nichtig geworden. § 46 VwVfG sei nicht anwendbar. Diese Vorschrift beziehe sich nur auf wirksame, wenn auch rechtswidrige Verwaltungsakte, die an gewissen Form- und Verfahrensfehlern litten. Der Bescheid vom 26. August 1998 sei jedoch aus den vorgenannten Gründen nichtig.

Dem dagegen gerichteten Zulassungsantrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 15. Oktober 2002 (1 LA 66/02) gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO stattgegeben. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor: Der unstreitig vorliegende Verstoß gegen § 63 Abs. 2 NGO a.F. führe nicht zur Unwirksamkeit des Bescheides vom 26. August 1998, und zwar unabhängig von der Bewertung dieser Norm als Formvorschrift oder als Vertretungsregelung. Bei Annahme einer Formvorschrift sei der Verstoß nach § 46 VwVfG unbeachtlich. Die Verletzung des § 63 Abs. 2 NGO a.F. habe die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst. Der Rat habe vor der Ausübung des Vorkaufsrechts am 13. August 1998 beschlossen, dass das Vorkaufsrecht auszuüben sei. § 125 BGB sei nicht über § 62 VwVfG anwendbar. § 62 VwVfG gelte nur für öffentlich-rechtliche Verträge, nicht aber für Verwaltungsakte. Die Nichtigkeit ergebe sich auch nicht unmittelbar aus § 63 Abs. 2 NGO a.F. Diese Vorschrift diene ausschließlich dem Schutz der Gemeinde vor einer unbedachten, übereilten oder nicht durch die befugten Organe geprüften Begründung von Verbindlichkeiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei ein Verstoß gegen § 63 Abs. 2 NGO a.F. beziehungsweise vergleichbare Vorschriften anderer Bundesländer unbeachtlich, wenn die Abgabe der Verpflichtungserklärung in der Sache der Beschlussfassung des materiell für die Willensbildung zuständigen Organs der Gemeinde entspreche. Wie bereits ausgeführt, habe der Rat vor Erlass des Bescheides vom 26. August 1998 beschlossen, das Vorkaufsrecht sei auszuüben. Andere Nichtigkeitsgründe, etwa nach § 44 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG oder § 44 Abs. 1 VwVfG, seien nicht gegeben. Werde § 63 Abs. 2 NGO a.F. als Regelung der Vertretungsbefugnis angesehen, liege kein Rechtsverstoß vor. Aufgrund des vorliegenden Ratsbeschlusses, der mit der Ausübung des Vorkaufsrechts lediglich ausgeführt worden sei, sei sie der Sache nach ordnungsgemäß vertreten worden. Bei Einordnung ihres Vorgehens als Rechtsverstoß gegen § 63 Abs. 2 NGO a.F. käme § 46 VwVfG zum Zuge. Andere verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Fehler weise der Bescheid nicht auf.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer - vom 24. Januar 2002 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert: Der Bescheid der Beklagten sei nach § 125 BGB unwirksam. Diese Vorschrift sei wegen des Verweises in § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB auf die Vorschriften der §§ 504 ff. BGB a.F. analog anwendbar. Es stelle sich deshalb nicht die Frage, ob § 125 BGB über § 62 VwVfG anwendbar sei. Im Übrigen sei der Wortlaut des § 63 Abs. 2 NGO a.F. eindeutig, wonach formwidrige Erklärungen nicht rechtsverbindlich seien. Eine Beschränkung der Nichtigkeitsfolge ergebe sich nur bei privatrechtlichen Erklärungen. In einem solchen Fall enthalte die Bestimmung eine materielle öffentlich-rechtliche Beschränkung der Vertretungsmacht. Bei öffentlich-rechtlichen Erklärungen seien die Förmlichkeiten des Kommunalrechts dagegen als echte Formvorschriften zu verstehen. Bei Annahme einer Vertretungsregelung scheide die Anwendbarkeit von § 177 Abs. 1 BGB aus. Die schwebende Unwirksamkeit könne nur durch Genehmigung geheilt werden. Die Genehmigung sei indes gemäß § 184 Abs. 1 BGB nur die nachträgliche Zustimmung, so dass unerheblich sei, ob der Ratsbeschluss vor Erlass des angegriffenen Bescheides vorgelegen habe. Wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 26. August 1998 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2000 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die formellen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts sind nicht gegeben.

Der Bescheid der Beklagten vom 26. August 1998, mit dem die Beklagte das Vorkaufsrecht ausgeübt hat, ist nichtig. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BauGB steht der Gemeinde ein Vorkaufsrecht zu beim Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, soweit es sich um Flächen handelt, für die nach dem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche Zwecke festgesetzt ist. Die in der Vergangenheit umstrittene Frage nach der Rechtsnatur des gemeindlichen Vorkaufsrechts (vgl. hierzu W. Schrödter, in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 28 Rdn. 5 und 6) hat der Gesetzgeber im Zuge der Novellierung des BBauG 1976 dahingehend entschieden, dass das Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt auszuüben ist (vgl. jetzt § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i.V.m. § 505 Abs. 2 BGB a.F. (jetzt § 464 Abs. 2 BGB), ohne dass es weiterer Erklärungen bedarf, der Kaufvertrag zwischen der Gemeinde und dem Verkäufer zustande. Die Pflicht zur Kaufpreiszahlung entsteht. Wegen dieser Begründung von Pflichten ist der Bescheid, mit dem das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, als kommunalrechtliche Verpflichtungserklärung einzuordnen (OVG Münster, Urt. v. 9.12.1993 - 10 A 3593/91 -, BRS 55 Nr. 103; OVG Koblenz, Urt. v. 17.12.1997 - 8 A 12998/96 -, NVwZ 1998, 655, zu § 49 GO RhPf; W. Schrödter, a.a.O., § 28 Rdn. 10). Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 NGO in der Fassung vom 22. Juni 1982 (NdsGVBl. 1982, 229) - NGO a.F. - kann der Gemeindedirektor Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll, nur gemeinsam mit dem Ratsvorsitzenden abgeben. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift sind die Erklärungen nur rechtsverbindlich, wenn sie handschriftlich unterzeichnet und mit dem Dienstsiegel versehen sind. Diese Vorschrift ist in den Gemeinden, solange - wie hier bei Erlass der streitigen Bescheide der Fall - die zweigleisige Kommunalverfassung fortbesteht, nach Art. 11 Nr. 12 Satz 1 des Gesetzes zur Reform des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts vom 1. April 1996 (NdsGVBl. S. 82) weiterhin anzuwenden. Die Vorgaben des § 63 Abs. 2 NGO a.F. hat die Beklagte nicht eingehalten.

Die handschriftliche Unterzeichnung des Bescheides vom 26. August 1998 durch den Ratsvorsitzenden fehlt. Auch das Dienstsiegel ist nicht beigefügt worden. Ein Geschäft der laufenden Verwaltung, für das § 63 Abs. 2 NGO a.F. gemäß Abs. 4 der Vorschrift nicht gilt, lag nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts für ein Grundstück zum Kaufpreis von 600.000,-- DM angesichts der Größe und Finanzkraft der Beklagten nicht (mehr) den (einfachen) Geschäften der laufenden Verwaltung zuzuordnen ist.

Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 63 Abs. 2 NGO a.F. ist die Nichtigkeit der allein vom Gemeindedirektor abgegebenen Verpflichtungserklärung. Sie tritt unabhängig davon ein, ob die genannte Vorschrift als Regelung der Vertretungsbefugnis oder als Formvorschrift einzuordnen ist. Der Bundesgerichtshof vertritt die Auffassung, dass es sich bei § 63 Abs. 2 NGO a.F. oder vergleichbaren Vorschriften des Landesrechts nicht um Form, sondern um materielle Vorschriften über die Beschränkung der Vertretungsmacht handele, die dem Schutz der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und ihrer Mitglieder dienten (BGH, Urt. v. 10.5.2001 - III ZR 111/99 -, BGHZ 147, 381 = NJW 2001, 2626 m.w.N.). Danach führt ein Verstoß gegen § 63 Abs. 2 NGO a.F. nicht zwangsläufig zur Nichtigkeit des gemeindlichen Rechtshandels, sondern zur schwebenden Unwirksamkeit mit der Möglichkeit, diese durch eine nachträgliche Zustimmung zu beseitigen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Urt. v. 15.2.1996 - 5 UE 2836/95 -, ESVGH 46, 169 = NVwZ 1997, 618) hat sich dieser überwiegend zur Abgabe privatrechtlicher Verpflichtungserklärungen der Gemeinde ergangenen Rechtsprechung auch für den Fall angeschlossen, dass die Gemeinde durch öffentlich-rechtliche Verpflichtungserklärung handelt (vgl. auch VG Göttingen, Urt. v. 24.4.2002 - 2 A 2132/01 -, V.n.b.; Thiele, NGO, 7. Aufl. 2004, § 63 Anm. 3, S. 275). Soweit die verpflichtenden Erklärungen öffentlich-rechtlicher Natur sind, liegt nach anderer Ansicht eine Formvorschrift vor, deren Nichteinhaltung zur Nichtigkeit führt (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 17.12.1997 - 8 A 12998/96 -, a.a.O.; Blum, in: Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Loseblattsammlung, Stand: Dezember 2004, § 63 NGO Rdn. 43, zum Erfordernis handschriftlicher Unterzeichnung in § 63 Abs. 2 NGO n.F.). Der Senat neigt der letzteren Auffassung zu. Er muss sich in dieser Frage aber nicht festlegen. Denn nach beiden Auffassungen ist der Bescheid vom 26. August 1998 nichtig.

Die Vorschrift des § 63 Abs. 2 NGO a.F. ist ihrem Wortlaut nach als Formvorschrift konzipiert. Die gesetzliche Bestimmung stellt Anforderungen an die Verpflichtungserklärung. Sie ist vom Gemeindedirektor und vom Ratsvorsitzenden handschriftlich zu unterzeichnen. Das Dienstsiegel ist beizufügen. Fehlen diese Voraussetzungen, ist die Erklärung nicht "rechtsverbindlich". Für die Regelung von Formerfordernissen bei der Abgabe kommunalrechtlicher Verpflichtungserklärungen hat der Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz (Blum, a.a.O., § 63 NGO Rdn. 43; vgl. auch Ludwig/Lange, NVwZ 1999, 136). Dagegen wird zu Unrecht vorgebracht (BGH, Urt. v. 10.5.2001 - III ZR 111/99 -, a.a.O.), mit dem Inkrafttreten des BGB seien privatrechtliche Formvorschriften der Landesgesetze außer Kraft getreten (Art. 55 EGBGB), und zur Einführung solcher Vorschriften fehle dem Landesgesetzgeber die Kompetenz (Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG). Denn in der vorliegenden Fallgestaltung geht es nicht um die Frage, welchen Rechtscharakter die in § 63 Abs. 2 NGO a.F. genannten Förmlichkeiten bei Abgabe privatrechtlicher Verpflichtungserklärungen haben. Die Beklagte hat eine öffentlich-rechtliche Verpflichtungserklärung abgegeben. Welche Anforderungen an die Form dieser Erklärung zu stellen sind, regelt § 63 Abs. 2 NGO a.F. Insoweit besteht eine originäre Gesetzgebungszuständigkeit des Landesgesetzgebers.

Die Nichtigkeit der Ausübungserklärung ergibt sich danach unmittelbar aus § 63 Abs. 2 NGO a.F. Die genannte Vorschrift dient nicht nur dem Schutz der Gemeinde vor einer unbedachten, übereilten oder nicht durch die befugten Organe geprüften Eingehung von Verbindlichkeiten (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 10.5.2001 - III ZR 111/99 -, a.a.O.), sondern im Interesse des Rechtsverkehrs auch der Klarheit und Unbestreitbarkeit gemeindlicher Erklärungen (OVG Koblenz, Urt. v. 17.12.1997 - 8 A 12998/96 -, a.a.O.). Mit den zu beachtenden Förmlichkeiten soll eine klare Beweisunterlage geschaffen und damit die Überwachung der Gemeindeverwaltung durch den Rat ermöglicht werden (Blum, a.a.O., § 63 NGO Rdn. 28). Nach außen sollen die für die Gemeinde Handelnden eindeutig erkennbar sein. Diese Funktion der Vorschrift wäre nicht mehr gewährleistet, wenn ein Verstoß gegen die Förmlichkeiten sanktionslos bliebe oder nachträglich geheilt werden könnte.

Ergibt sich danach die Nichtigkeit unmittelbar aus § 63 Abs. 2 NGO a.F., kann offen bleiben, ob eine analoge Anwendung von § 125 BGB, nach dessen Satz 1 ein Formmangel zur Nichtigkeit führt, über die den Vorschriften zum öffentlich-rechtlichen Vertrag beigefügte Verweisungsvorschrift des § 62 Satz 2 VwVfG in Betracht kommt (bejahend: OVG Koblenz, Urt. v. 17.12.1997 - 8 A 12998/96 -, a.a.O.), oder die Verweisung in § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB auf §§ 504 ff. BGB a.F. (jetzt §§ 463 ff. BGB n.F.) auch § 125 BGB erfasst, wie der Kläger meint.

Bei Annahme, § 63 Abs. 2 NGO a.F. regele die Vertretungsmacht, ist der Bescheid vom 26. August 1998 ebenfalls nichtig. Die schwebende Unwirksamkeit des Bescheides, die entweder aus einer entsprechenden Anwendung von § 177 BGB (BGH, Urt. v. 28.9.1966 - Ib ZR 141/64 -, DVBl. 1967, 375 = NJW 1966, 51; Urt. v. 4.12.1981 - V ZR 241/80 -, NJW 1982, 1036; offen gelassen im Urt. v. 10.5.2001 - III ZR 111/99 -, a.a.O.) oder unmittelbar aus den kommunalrechtlichen Vorschriften herzuleiten ist, hätte nur durch eine nachträgliche Zustimmung (vgl. § 184 BGB) beseitigt werden können. Diese Genehmigung hätte die Beklagte nur in der Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB, wonach das Vorkaufsrecht nur innerhalb von zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrages durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden kann, erteilt werden können. Die Zweimonatsfrist ist eine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf eine Heilung nicht mehr möglich ist (Hess. VGH, Urt. v. 11.2.1983 - IV OE 57/81 -, NVwZ 1983, 556; BGH, Urt. v. 15.6.1960 - V ZR 191/58 -, BGHZ 32, 375 = NJW 1960, 1805). In der genannten Frist ist die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht genehmigt worden. Die Beklagte ist noch zu Beginn des Widerspruchsverfahrens davon ausgegangen, formwirksam gehandelt zu haben. Zweifel an der formgerechten Vertretung traten nach den Verwaltungsvorgängen erst im Februar 1999 auf.

Zu Unrecht macht die Beklagte geltend, die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Vertretung der Gemeinde bei Abgabe der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungserklärung seien erfüllt, weil der Rat der Beklagten bereits vor Erlass des Bescheides vom 26. August 1998, nämlich am 13. August 1998, den Beschluss, das Vorkaufsrecht auszuüben, gefasst habe und daher eine Nachholung der Willensbildung nicht erforderlich gewesen sei. Die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts vollzieht sich in zwei Schritten. Ist die gemeindliche Aufgabe - wie hier - nicht den Geschäften der laufenden Verwaltung zuzuordnen, entscheidet zunächst der Rat darüber, ob das Vorkaufsrecht auszuüben ist. Dessen Beschluss hatte seinerzeit der Gemeindedirektor zwar gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 NGO a.F. auszuführen. Gleichwohl lässt diese Vorschrift die nachfolgende Bestimmung (§ 63 Abs. 2 NGO a.F.) darüber unberührt, in welcher Form dies im Außenverhältnis zu geschehen hat. Gerade das Nebeneinander beider Vorschriften zeigt die Richtigkeit der Annahme, dass § 63 Abs. 2 NGO a.F. nicht nur der Bewahrung der Gemeinde vor übereilten Rechtshandlungen, sondern auch dem öffentlichen Interesse an der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr dient. Aus dem zuletzt genannten Grund steht die Einhaltung der Vorschrift nicht zur Disposition der Gemeinde, sie kann nicht darauf verzichten (OVG Koblenz, Urt. v. 17.12.1997 - 8 A 12998/96 -, a.a.O.). Durch die Förmlichkeiten in § 63 Abs. 2 NGO a.F. wird sichergestellt, dass die von einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtungserklärung Betroffenen Kenntnis über den Inhalt der Verpflichtung erhalten, die für die Gemeinde Handelnden eindeutig erkennbar sind und deren Vertretungsberechtigung überprüfbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.1983 - III ZR 158/82 -, a.a.O.). Daneben gewährleistet die genannte Vorschrift, dass der Rat die Tätigkeit von Gemeindedirektor und Bürgermeister im Außenverhältnis kontrollieren kann. Führte die vorherige Zustimmung (Einwilligung) des Rates zur Ausübung des Vorkaufsrechts zur Wirksamkeit der anschließenden Ausübungserklärung, könnten die genannten Schutzzwecke nicht mehr vollständig erfüllt werden.

Gegen die Auffassung der Beklagten spricht auch, dass das gemeindliche Vorkaufsrecht erst wirksam mit Bescheid ausgeübt wird. Der vorangegangene Ratsbeschluss ist nur ein Akt der internen Willensbildung. Soll eine schwebende Unwirksamkeit des Bescheides, mit dem das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, beseitigt werden, setzt dies voraus, dass der Bescheid bereits erlassen ist. Mit einem Ratsbeschluss, der vor Erlass des Bescheides ergangen ist, kann deshalb der Rechtsverstoß nicht geheilt werden. Schließlich kann eine schwebende Unwirksamkeit nur durch Genehmigung geheilt werden (vgl. § 177 Abs. 1 BGB). Genehmigung ist indes nur die nachträgliche Zustimmung (vgl. § 184 Abs. 1 BGB). Der vor dem Bescheid vom 26. August 1998 ergangene Beschluss des Rates der Beklagten vom 13. August 1998 enthält deshalb keine wirksame Genehmigung.

Die Beklagte stützt sich zur Verteidigung ihrer Rechtsauffassung, angesichts des Ratsbeschlusses vom 13. August 1998 lägen die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Vertretung der Gemeinde vor, vergeblich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 1989 (- III ZR 100/87 -, NVwZ 1990, 403). Darin hat der Bundesgerichtshof zwar ausgeführt, dass ein Verstoß gegen Vertretungserfordernisse durch das materielle Einverständnis des Gemeinderates als des für die Willensbildung der Gemeinde maßgeblichen Beschlussorgans überwunden werden könne; dabei komme es nicht entscheidend darauf an, ob die Zustimmung der Verpflichtungserklärung vorangehe oder nachfolge. Aus der genannten Rechtsprechung kann die Beklagte indes nichts zu ihren Gunsten herleiten. Denn die Entscheidung des Bundesgerichtshofes bezieht sich auf eine privatrechtliche Verpflichtungserklärung. Hier hat die Beklagte eine öffentlich-rechtliche Verpflichtungserklärung abgegeben. Bei Abgabe einer solchen Erklärung sind nach dem Vorgesagten die Förmlichkeiten des § 63 Abs. 2 NGO a.F. zu beachten, und zwar unabhängig davon, ob die gesetzliche Bestimmung als Formvorschrift oder als Vertretungsbefugnis betrachtet wird.

Ein Verfahrens- oder Formfehler, der gemäß § 46 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG unbeachtlich sein könnte, liegt nicht vor. Nach dem Vorgesagten ist der Bescheid der Beklagten vom 26. August 1998 nach beiden Auffassungen nichtig, so dass kein Anwendungsfall von § 46 VwVfG vorliegt.

Da nach den vorstehenden Ausführungen die formellen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht gegeben sind, kommt es nicht mehr darauf an, ob die materiell-rechtlichen Anforderungen gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 BauGB erfüllt gewesen wären.

Ende der Entscheidung

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