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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.11.2006
Aktenzeichen: 1 ME 166/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 VI 1
VwGO § 80a II
VwGO § 80a III 2
1. Zur Frage, ob es eines "Aussetzungsantrages" des Begünstigten gem. § 80a Abs. 3 Satz 2 iVm § 80 Abs. 6 VwGO bedarf, wenn die Bauaufsichtsbehörde dem Landwirt zum Vorteil Dritter Einschränkungen aufgibt und die gleichzeitig angeordnete sofortige Vollziehbarkeit dann wieder aufhebt.

2. Zum materiellen Entscheidungsmaßstab bei einem Antrag des Begünstigten gem. § 80a Abs. 2 VwGO.

3. Zur Anwendung der "Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen" der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München - Weihenstephan vom Juni 1999 auch auf Rinderbestände, die mehr als 500 Tiere umfassen.


Gründe:

Die Antragsteller möchten erreichen, dass die Anordnung des Antragsgegners vom 1. August 2005, der Beigeladene habe seinen Bestand an Rindern auf 260 Kühe oder andere Rinder und Kälber zu reduzieren, wieder mit Sofortvollzug versehen wird.

Ihre Grundstücke liegen in einem im Wesentlichen nordsüdlich gelegenen, leicht geschwungenen Tal. Darin verlaufen ein kleiner Wasserlauf, die E., sowie eine Straße gleichen Namens. Dem Antragsteller zu 1 gehört ein Haus, in dem er eine kleine Pension betreibt, den Antragstellern zu 2 und 3 ein Wohngrundstück südlich davon.

Nördlich davon werden zwei landwirtschaftliche Gehöfte mit Tierhaltung betrieben. An diese schließt sich das Betriebsgelände des Beigeladenen an. Dabei ist das Gebäude des Antragstellers zu 1 rund 330 m, das Haus der Antragsteller zu 2 und 3 gut 500 m vom Betriebsgrundstück des Beigeladenen entfernt. Dieser hält in einem Gebäudekomplex, der sich beiderseits des E. baches erstreckt, Kühe und Rinder. Östlich des E. baches steht sein Wohnhaus mit südlich anschließendem Laufstall mit verschiedenen Liegebuchten und -flächen, Strohlager und Futtergasse. Durch einen Laufgang damit verbunden sind die westlich des Gewässers und des zuvor beschriebenen Komplexes stehenden Baulichkeiten. Im Süden ist dies ein sehr lang gestrecktes Bauwerk mit Boxenlaufstall- und Liegebereichen für Rinder. Daran schließt sich in einem im Wesentlichen quadratischen Gebäude ein sog. Melkkarussell an. Darüber, wie viele Tiere dort mit Genehmigungen und wie viele ungenehmigt gehalten werden, herrscht zwischen den Beteiligten Streit.

Die Antragsteller sind auf den Antragsgegner verschiedentlich zugetreten, um diesen zur Reduktion der Tierzahlen zu bewegen. Am 19. April 2004 erhoben sie Klage mit dem Ziel, den Antragsgegner zum Einschreiten gegen die Tierhaltungen des Beigeladenen und der südlich davon gelegenen landwirtschaftlichen Gehöfte zu veranlassen, insbesondere die Tierzahlen auf das genehmigte Maß zurückzuführen und sicherzustellen, dass die Vorschriften der GIRL eingehalten werden.

Durch Bescheid vom 1. August 2005 gab der Antragsgegner dem Beigeladenen unter Anordnung des Sofortvollzuges auf, den auf seiner Hofstelle gehaltenen Tierbestand von derzeit deutlich mehr als 500 Tieren auf deren 260 bzw. die entsprechende Zahl von Großvieheinheiten zu reduzieren. Die Maßnahme solle bis spätestens zum 4. Oktober 2006 abgeschlossen, die Zwischenschritte dokumentiert und Nachweise vorgelegt werden. Dem Beigeladenen wurde ein Aufschub für den Fall versprochen, dass er das im Jahre 2004 begonnene Verfahren zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des vorhandenen Tierbestandes wieder vorantreibe.

Der Beigeladene erhob Widerspruch und machte insbesondere geltend, entgegen der Annahme des Antragsgegners betreibe er die Tierhaltung in vollständiger Übereinstimmung mit erteilten Genehmigungen.

Mit Bescheid vom 20. Februar 2006 hob der Antragsgegner die sofortige Vollziehbarkeit der Anordnung vom 1. August 2005 mit der Begründung wieder auf, es spreche einiges für die Art und Weise, in der die erteilten Baugenehmigungen nach Auffassung des Beigeladenen ausgelegt werden sollten. Insbesondere komme in Betracht anzunehmen, ungeachtet der Grüneintragungen habe das Maximum dessen genehmigt werden sollen, was unter Wahrung tierschutzrechtlicher Aspekte in den Räumlichkeiten untergebracht werden könne. Treffe das zu, dürfe der Beigeladene insgesamt 754 Tiere bzw. 580,5 Großvieheinheiten (GV) halten. Bedenken gegen die Gülleausbringung bestünden nicht mehr, nachdem die Landwirtschaftkammer mit Schreiben vom 14. Oktober 2005 ausdrücklich erklärt habe, dafür stünden ausreichende Flächen zur Verfügung. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass eine unmittelbare Nachbarin ihre Klage auf Einschreiten zurückgezogen und ein benachbart wohnendes Ehepaar erklärt habe, es komme dort nicht zu belästigenden oder gar schädlichen Geruchseinwirkungen. Schließlich komme hinzu, dass die Existenz des Betriebes gefährdet wäre, müsse der Beigeladene innerhalb der Frist der Verfügung vom 1. August 2005 nachkommen.

Daraufhin haben die Antragsteller am 16. März 2006 beim Verwaltungsgericht beantragt, die sofortige Vollziehbarkeit der bau- und immissionsschutzrechtlichen Verfügung vom 1. August 2005 (wieder) anzuordnen.

Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit der hier angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt: Es bleibe unentschieden, ob die Antragsteller nicht zuvor gem. § 80a Abs. 3 Satz 2 iVm § 80 Abs. 6 VwGO beim Antragsgegner um neuerliche Anordnung der sofortigen Vollziehung hätten nachsuchen müssen. Der nach § 80a Abs. 2 VwGO statthafte Antrag bleibe jedenfalls aus materiellen Gründen ohne Erfolg. Die sofortige Vollziehbarkeit sei nur dann anzuordnen, wenn der vom Adressaten der Verfügung eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben werde und außerdem der durch sie begünstigte Dritte ein besonderes Interesse an ihrer sofortigen Vollziehbarkeit habe. Hier fehle es schon an Ersterem. Eine Durchsicht der nunmehr vollständig vorliegenden Genehmigungsvorgänge ergebe, dass für die östlich des E. baches stehenden Gebäude Genehmigungen erteilt worden seien, kraft derer der Beigeladene erheblichen Umfangs Tiere halten dürfe. Dies habe der Antragsgegner bei Erlass seiner Verfügung vom 1. August 2005 nicht beachtet und habe zur Folge, dass diese aller Voraussicht nach als rechtswidrig aufzuheben sei.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde der Antragsteller, welcher der Beigeladene entgegentritt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Eine wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die geltend gemachten Gründe beschränkte Prüfung ergibt, dass das Verwaltungsgericht den Eilantrag zu Recht abgelehnt hat.

Der Eilantrag ist nach § 80a Abs. 2 VwGO grundsätzlich statthaft. Diese Vorschrift erfasst die - nicht eben häufig auftretende (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Komm., § 80a Rdnr. 29), hier aber gegebene - Sachlage, in der eine Behörde eine Verfügung erlässt, die den Adressaten zum Vorteil eines bestimmten Dritten belastet. Wird die Vollziehung dieses Bescheides durch die Suspensivwirkung des/eines vom Adressaten dagegen eingelegten Rechtsbehelfs gehemmt, kann der Dritte auf der Grundlage dieser Vorschrift versuchen, einstweilig deren Durchsetzung zu erwirken. Versagt sich die Behörde einem mit dieser Zielrichtung gestellten, nach dem Wortlaut des § 80a Abs. 2 VwGO erforderlichen Antrag des Begünstigten, kann dieser gem. § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO das Gericht mit dem Ziel anrufen, eine solche Anordnung zu treffen.

§ 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO verweist unter anderem auf § 80 Abs. 6 VwGO. Die Anwendung dieser Vorschrift führt (aller Voraussicht nach) nicht zu einem den Antragstellern nachteiligen Ergebnis. Es entspricht zwar ständiger, wenngleich unverändert umstrittener Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts, Rechtszugangsvoraussetzung eines auf § 80a VwGO gestützten gerichtlichen Eilantrages sei, dass sich der Antragsteller zuvor ohne Erfolg oder ohne dessen rechtzeitige Bescheidung mit einem Aussetzungsantrag an die Behörde gewandt hat (vgl. zusammenfassend z. B. Senatsbeschluss v. 8.7.2004 - 1 ME 167/04 -, NVwZ-RR 2005, 69 = BauR 2004, 1596 = NdsRpfl. 2004, 299; zu den Gebührenfolgen vgl. Senatsurt. v. 31.5.2005 - 1 LB 48/05 -, NordÖR 2005, 313 = NdsRpfl. 2005, 291). Diese Pflicht, deren Nichterfüllung durch eine erst nach Antragstellung nachgeholte Ablehnung des Aussetzungsantrages nicht geheilt werden kann (Zugangsvoraussetzung; s. dazu z. B. OVG Koblenz, B. v. 15.4.92 - 6 B 10344/92 - DVBl. 92, 1296 = DÖV 1992, 976), steht dem Eilantrag (aller Voraussicht nach) aber nicht entgegen. Denn diese Pflicht traf hier nicht etwa die Antragsteller, sondern - nachdem der Antragsgegner im Bescheid vom 1. August 2005 die sofortige Vollziehung angeordnet hatte - den Beigeladenen. Dieser hatte ihr (offenbar) genügt; denn der Antragsgegner hat mit dem streitauslösenden Bescheid vom 20. Februar 2006 die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 1. August 2005 (wieder) ausgesetzt. Eines neuerlichen Antrages gem. § 80 Abs. 2 VwGO - nunmehr der Antragsteller - bedurfte es auch nach Sinn und Zweck des § 80a VwGO nicht (mehr). Denn der Antragsgegner hatte gleich durch zwei Entscheidungen verdeutlicht, wie er sich hinsichtlich der Frage verhalten wolle, ob der Beigeladene die Zahl seiner Tiere schon vor Bestandskraft der Verfügung vom 1. August 2005 zu reduzieren habe. Sinn und Zweck des durch § 80 Abs. 6 VwGO angeordneten Zwischenverfahrens, die (Bauaufsichts-)Behörde vor Anrufung des Verwaltungsgerichts und zu dessen Entlastung über die sofortige Vollziehbarkeit von ihr angeordneter Maßnahmen befinden zu lassen, ist damit erfüllt.

Der Antrag hat (jedenfalls) aus materiellen Gründen keinen Erfolg. Die Prüfung hat sich an folgenden Überlegungen auszurichten:

Hinsichtlich des Beurteilungsmaßstabes verweist der Gesetzgeber (über § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO) auf § 80 Abs. 5 VwGO. In Anwendung dieser Vorschrift beantwortet der Senat die Frage, ob eine Maßnahme schon vor rechtskräftiger Bescheidung eines dagegen eingelegten Rechtsbehelfs soll befolgt werden müssen, in aller Regel nach dem Ergebnis einer Vorausbeurteilung der materiellen Rechtslage. Lässt sich bei der im Eilverfahren grundsätzlich nur summarisch möglichen Überprüfung der Sachlage verlässlich absehen, dass der Rechtsbehelf ohne Erfolg bleiben wird, überwiegt in aller Regel das Vollzugsinteresse. Umgekehrt setzt sich der Grundsatz des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dass belastende Anordnungen erst nach rechtskräftiger Bescheidung des dagegen eingelegten Rechtsbehelfs befolgt werden müssen, - vorbehaltlich ergänzender Interessenabwägung - insbesondere dann durch, wenn eine solche Überprüfung ergibt, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird.

Diese Grundsätze bedürfen hier einschränkender Konkretisierung. Denn es geht in diesem Verfahren nicht um den Rechtsbehelf des Beigeladenen als Adressaten der belastenden Anordnung vom 1. August 2005, sondern um das Bestreben der Antragsteller, eine diesen belastende Maßnahme nicht nur im Grundsatz zu erhalten, sondern sogar vor rechtskräftiger Bescheidung des dagegen eingelegten Rechtsbehelfs, d. h. sofort vollzogen zu sehen. Klage- und Eilantrag können daher nur in dem Maße Erfolg haben, wie die Antragsteller kraft eigenen öffentlichen Baurechts verlangen können, dass die getroffene Maßnahme aufrechterhalten bleibt. Das ist nichts anderes als die Prüfung, die anzustellen wäre, wenn entweder der Antragsgegner oder das Verwaltungsgericht die Verfügung vom 1. August 2005 aufhöbe. Ausschlaggebend ist mithin, ob das öffentliche Baurecht den Antragstellern einen Anspruch auf Einschreiten zumindest des Inhalts vermittelt, dass die Verfügung vom 1. August 2005 aufrechterhalten wird. Im Eilverfahren hinzukommen muss im Falle, dass die Befolgung der Verfügung zu endgültigen, irreparablen Folgen zu führen vermag, ob diese wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls verantwortet werden können.

Schon die erste Frage ist hier zum Nachteil der Antragsteller zu beantworten. Nach dem derzeit absehbaren Stand der Dinge sprechen weitaus mehr Gründe für die Annahme, dass ihnen kein Anspruch gegen den Antragsgegner zusteht, eine Verfügung des am 1. August 2005 gefundenen Inhalts zu erlassen oder zu erhalten. Denn die von den Stallanlagen des Beigeladenen ausgehenden Immissionen sind entgegen dem Eindruck, den die Antragsteller aus ihrer Erfahrung berichten, bei der gebotenen objektiven Betrachtung aller Voraussicht nach nicht geeignet, zu ihren Lasten unzumutbare Geruchsbelästigungen hervorzurufen. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Haltung von Kühen und Rindern mit dem Schutzanspruch benachbarter Wohnnutzungen zu vereinbaren ist, orientiert sich der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. OVG Lüneburg, B. v. 6.9.1999 - 1 M 2569/99 -, Volltext JURIS, sonstige Vnb; B. v. 13.8.2001 - 1 MA 2335/01 -, Vnb, und B. in derselben Sache vom 3.12.2001 - 1 MB 2768/01 -, Volltext JURIS, sonstige Vnb; Beschl. v. 30.8.2004 - 1 LA 277/03 - NVwZ-RR 2005, 455; Beschl. v. 10.9.2004 - 1 ME 231/04 - vgl. dazu etwa auch BayVGH, Urt. v. 3.1.1995 - Az. 2 B 91.2878 -, BayVBl. 1995, 347 = NuR 1995, 364; ferner Urt. v. 23.11.2004 - 25 B 00.366 - NVwZ-RR 2005, 605 = AUR 2005, 407) an den Ergebnissen der Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen, welche die Bayerische Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München - Weihenstephan durch Zeisig und Langenegger in den Jahren 1993 und 1997 hat durchführen lassen und deren Ergebnisse im Juni 1999 als Gelbes Heft Nr. 63 der Landtechnischen Berichte aus Praxis und Forschung veröffentlicht worden sind. Deren Ergebnisse sind vor allem die Folgenden:

Bei Rinderställen sind die Geruchsschwellenentfernungen jedenfalls bei Bestandsgrößen von bis zu knapp 500 Tieren praktisch unabhängig von der Bestandsgröße. Das bedeutet, dass das den VDI-Richtlinien 3471 und 3472 (Schweine und Hühner) zugrunde liegende Prinzip, die Geruchsintensität steige mit der Größe des Tierbestandes, auf Rinder nicht, jedenfalls nicht uneingeschränkt zu übertragen ist. Die durchschnittliche Geruchsschwellenentfernung bei Kühen und Rindern ist bemerkenswert gering. Sie betrug selbst bei größeren Beständen - bei statistisch betrachtet zu vernachlässigenden, allenfalls in der Tendenz erkennbaren Unterschieden zwischen Milchviehhaltung (etwas größere Geruchsschwellenentfernung) und Mastviehhaltung - nur rund 30 m, teilweise auch weniger. Für die Klassierung "Stallgeruch deutlich wahrnehmbar" wurden sogar Entfernungen von unter 10 m festgestellt. Die Aufstallungsart ist auf die Größe der Geruchsschwellenentfernung ebenfalls von nur eingeschränkter Bedeutung. Die Geruchsschwellenentfernung wurde unter Einschluss der in den Ställen, d. h. auf dem Futtertisch oder im Trog lagernden Silage ermittelt. Die von ihr ausgehenden Emissionen sind daher in den Geruchsemissionen des Stalles enthalten und ließen sich von ihm auch nicht getrennt wahrnehmen. Lediglich einige Testgruppenleiter berichteten der Studie zufolge von ihrem Eindruck, der Stall sei intensiver zu riechen gewesen, wenn - speziell: Gras- - Silage bandförmig auf dem Futtergang verteilt abgelegt gewesen sei. Dieser subjektive Eindruck habe sich indes nicht explizit durch entsprechend vergrößerte Geruchsschwellenentfernungen des Stallgeruchs bestätigen lassen.

Gewisse Unterschiede bestehen allerdings im Hinblick auf die Art des Stalles. Während bei Ställen mit Entlüftungsvorrichtungen in 92 v. H. der Fälle jenseits einer Entfernung von 30 m keine Geruchseinträge mehr festzustellen waren, ist dies bei frei belüfteten Ställen, namentlich solchen mit Trauf-First-Be- und Entlüftung anders. Hier sind den Abbildungen 52, 53 und 54 der Weihenstephan-Untersuchung zufolge unter Einschluss der Gülle und Silagegerüche deutlich wahrnehmbare Stallgerüche (das entspricht in etwa 3 Geruchseinheiten je Kubikmeter Luft) in 90 v. H. der Fälle bis zu einer Entfernung von 35 m wahrzunehmen, in keinem Fall aber jenseits einer Entfernung von 70 m.

Zugunsten der Antragsteller mag nun noch zu berücksichtigen sein, dass dies Seite 74 f. der Weihenstephan-Untersuchung zufolge in zweierlei Hinsicht zu relativieren ist. Erstens gilt diese "unmittelbar" nur für Bestandsgrößen bis zu knapp 500 Stück Rindvieh bzw. bis zu 370 GV. Hier hält der Beigeladene nach den Unterlagen, die er im Jahre 2004 zur Einleitung des dann nicht mehr energisch vorangetriebenen immissionsschutzrechtlichen Verfahrens eingereicht hatte (BA A), 697 Tiere bzw. 671,8 GV. Nach der Behauptung der Antragsteller - und der Erläuterung, die der Beigeladene dem Bescheid vom 20. Februar 2006 zufolge für die ihm erteilten Genehmigungen abgegeben hat - sind dort sogar 754 Stück Vieh anzutreffen, was etwa 727 GV entspräche. Zweitens sollen diese Ergebnisse unter Umständen zu korrigieren sein, wenn es sich um besondere, relativ enge Tallagen handelt, wie sie beispielsweise in einigen bewohnten Gebieten des Bayerischen Waldes oder auch in einigen Gegenden der bewohnten Alpenregionen vorkommen. Dort kann die Übernahme von Windrichtungsaufzeichnungen problematisch sein; denn dort würden Gerüche bei geöffneten Ställen zuweilen in unvermutete Richtungen getragen. Der andere Ausnahmegrund - Besonderheiten bei größeren und tieferen Gewässern - kommt hier nicht in Betracht, weil der E. bach nach den vorliegenden Fotografien ausgesprochen klein und flach ist.

Auch diese beiden Gesichtspunkte rechtfertigen jedenfalls im Eilverfahren nicht die Einschätzung, bei objektiver Betrachtung würden die Antragsteller durch die hier in Rede stehende Tierhaltung allein oder im Verbund mit der südlich davon stehenden Tierhaltung mit unzumutbaren Gerüchen belastet. Dafür sind die Entfernungen erheblich zu groß. Es mag sein, dass bei Betrieben, deren Tierbestand jenseits der von der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München - Weihenstephan durch Zeisig und Langenegger in den Jahren 1993 und 1997 untersuchten Anlagengrößen liegen, doch eine Korrelation zwischen Bestandsgröße und Geruchsbelästigung besteht. Wenn aber die Ergebnisse dieser Untersuchung (vgl. S. 74) selbst bei einer Überschreitung um 25 % noch anzuwenden sein sollen - das entspräche dann rund 620 Tieren bzw. 462 GV -, spricht nichts für die Annahme, bei einer Besatzgröße von 754 Tieren, die zur Annahme von rund 727 GV führt, würden die Antragsteller infolge der angegriffenen Tierhaltung wesentlichen Geruchseinträgen ausgesetzt. Dafür ist die Entfernung zu hoch. Diese beträgt hinsichtlich des Antragstellers zu 1 (etwa 330 m) rund das 4,7fache der Schwelle, jenseits derer in 100 % der Fälle keine erheblichen Gerüche mehr wahrzunehmen waren (70 m); bei den Antragstellern zu 2 und 3 (Abstand: über 500 m) ist es sogar das gut Siebenfache.

Das schließt es voraussichtlich aus anzunehmen, dass die Tierhaltung des Beigeladenen zu der Situation, die vor allem durch die nördlich der Anwesen aller Antragsteller betriebene Schweinehaltung (Betrieb F.) belastet ist, überhaupt einen relevanten Geruchsbeitrag leistet.

Soweit aus den vorliegenden Plänen (vgl. insbesondere den Übersichtsplan am Anfang der Beiakte A sowie die Pläne Bl. 15 GA <Anlage zur Klageschrift vom 15.4.2004> und Bl. 393 GA <Anlage zum Eilantrag der Antragsteller vom 14.3.2006>) ersichtlich, handelt es sich hier nicht um eine so enge Tallage, wie sie die Bayerische Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München auf Seite 74 unten ihrer Untersuchung anspricht. Selbst wenn Nordwestwinde die Gerüche des Beigeladenenbetriebes bei geöffneten Stalltüren regelrecht in den "Sack" trieben, der sich unter Einschluss der Antragsteller-Grundstücke südlich an das Anwesen des Beigeladenen anschließt, würde dies aller Voraussicht nach gerade keine unzumutbaren Belästigungen hervorrufen. Ist der Wind schwach, dringen die Gerüche kaum bis zu den Antragstellern vor. Ist er stark, verdünnt sich die Geruchsfracht in einer Weise, welche die Einwirkungszeit aller Voraussicht nach auf ein zumutbares Maß verkürzt.

Es kommt hinzu, dass die Grundstücke der Antragsteller geringeren Umfangs Schutz gegen Geruchsbelästigungen beanspruchen können. Entgegen dem Eindruck, den ihre Verfahrensbevollmächtigten durch die Zitierung von § 34 BauGB (vgl. z. B. Seite 6 unten der Beschwerdebegründungsschrift vom 4. September 2006) zu erwecken suchen, liegen ihre Grundstücke gerade nicht im unverplanten Innen-, sondern eindeutig im Außenbereich. Die umstehende Bebauung ist angesichts der umliegenden Ortschaften (s. insbesondere Flecken G.; selbst das zum Flecken H. gehörende I. ist deutlich größer) erheblich zu untergeordnet, um als unverplanter Innenbereich angesehen werden zu können.

Als Außenbereichsbebauung haben die Antragsteller die Belästigungen hinzunehmen, die einem Misch- oder Dorfgebiet entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. Urt. v. 19.1.1995 - 1 L 166/90 -, AgrarR 1995, 283 = BRS 57 Nr. 106 = NuR 1996, 42; vgl. auch Urteil v. 11.4.1997 u. a. in der Sache 1 L 7648/95 -, NdsVBl. 1997, 259 = AgrarR 1999, 187 = NuR 1998, 393) werden Dorfgebietsgrundstücke durch Gerüche nicht erheblich belästigt, wenn deutlich wahrnehmbare belästigende Gerüche (3 GE/m³) nicht an mehr als 5 % der Jahresstunden zu verzeichnen und in der übrigen Zeit keine Ekel oder Übelkeit auslösenden Gerüche zu erwarten sind. Diese Schwellen werden die dem Betrieb des Beigeladenen zuzurechnenden Gerüche aller Voraussicht nach nicht überschreiten. Das schließt es aus, den Antragstellern im Wege sofortiger Vollziehbarkeit schon jetzt die Vorteile zu verschaffen, welche sie sich durch eine Befolgung der Verfügung vom 1. August 2005 erhoffen.

Keine ausreichenden Anhaltspunkte für unzumutbare Geruchsbeeinträchtigungen ergeben sich aus der Ausbringung der Gülle. Das Aufrühren/Homogenisieren der im Güllerundbehälter (dieser steht westlich des E. baches und südlich des lang gestreckten Gebäudes) wird keine Belästigungen hervorrufen, welche bei objektiver Betrachtung spürbar noch auf die Grundstücke der Antragsteller einwirken. Auch dafür sind die Entfernungen zu groß und die dafür erforderlichen Zeiten selbst dann zu kurz, wenn dieser Vorgang häufig geschieht.

Die Ausbringung der Gülle ist nicht (mehr) Gegenstand der Verfügung vom 1. August 2005, deren "Wiedervollziehbarkeit" die Antragsteller anstreben. Die Gülleausbringung wird darin lediglich im Zusammenhang mit den Maßnahmen angesprochen, welche der Beigeladene durchzuführen habe, um eine Streckung der Ausführungsfrist gem. Nr. 4 lit. c) der Anordnung zu erreichen. "Eigentlicher" Regelungsgegenstand ist sie nicht.

Selbst wenn man annähme, die Zahl der Tiere wirke sich angesichts der Güllelagerungskapazitäten auf die Häufigkeit der Ausbringung aus, ergäben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, ein auf die Beibehaltung der Verfügung vom 1. August 2005 gerichteter Rechtsbehelf der Antragsteller hätte voraussichtlich Erfolg. Denn selbst eine Reduktion der Tierzahl hinderte den Beigeladenen nicht, die Gülle auf der Fläche auszubringen, die sich nördlich des Anwesens des Antragstellers zu 1 erstreckt. Auch wenn dort eine Pension betrieben wird, bewahrt ihn dies wegen der Lage des Grundstücks (Außenbereich und Vorbelastung durch eine ganze Reihe unmittelbar anschließender landwirtschaftlicher Betriebe) nicht davor, dass dort Gülle verteilt wird.

Eine Anwendung der GIRL, wie sie die Antragsteller anstreben, wird aller Voraussicht nach nicht in Betracht kommen. Auch im Wiedereinführungserlass vom 30. Mai 2006 (NdsMBl. 2006, 657; dort Seite 658 und Anlage 2, Begründung und Auslegungshinweise i. d. F. Niedersachsens <Stand 09/2004>, zu Nr. 1, S. 665) wird ausgeführt, dass der Regelung der GIRL andere Regelungen zunächst vorgehen. Ausdrücklich genannt werden die TA Luft sowie die VDI-Richtlinien 3471 und 3472. Wie sich aus Nr. 1 der Anlage 1 zur GIRL (aaO S. 658) ergibt, sind auch sonstige Untersuchungen sehr wohl geeignet, die Verträglichkeit landwirtschaftlicher Tierhaltung mit damit konkurrierender Wohnnutzung zu bestimmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die olfaktorischen Feststellungen anhand von Begehungen bestimmt werden, die angelehnt an die Richtlinie VDI 3940 durchgeführt werden. Gerade das ist die Richtlinie, an der sich die Weihenstephan-Untersuchung orientiert (vgl. dort Seite 45 ff.).

Weitere Ausführungen sind zur Beschwerde nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Sätze 1 und 2, 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind außergerichtliche Kosten eines notwendig Beigeladenen, dessen Anliegen sich durchsetzt, selbst dann für notwendig zu erklären, wenn er keinen Antrag gestellt hat. Zwar hat er sich dann keinem Kostentragungsrisiko gem. § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt. Maßgeblich ist jedoch, dass der Antragsteller einen notwendig Beigeladenen in das Verfahren und so "gezwungen" hat, seine Interessen zu verteidigen.

Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ist gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG zu korrigieren. Nach §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG iVm Nr. 8 lit. a der regelmäßigen Streitwertannahmen des 1. und 9. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts für Verfahren, die nach dem 1.1.2002 anhängig geworden sind (NdsVBl. 2002, 192 = NordÖR 2002, 197), reicht der Streitwertrahmen bei Nachbaranträgen, mit denen die Wohnqualität eines Einfamilienhauses verteidigt werden soll, von 4.000 bis 30.000,-- €. Angesichts der Einbußen, welche die Antragsteller zu 2 und 3 durch das angegriffene Vorhaben zu erleiden vorgeben, wird für das Hauptsacheverfahren und dieses Grundstück ein Wert von 15.000,-- € anzunehmen sein. Dieser ist gem. Nr. 18 lit. b der zitierten Streitwertannahmen für das Eilverfahren zu halbieren.

Der Antragsteller zu 1 sucht mit dem Eilantrag nicht nur seine Wohnnutzung, sondern auch seine Pensions-, d. h. eine gewerbliche Nutzung zu schützen. Außerdem liegt sein Grundstück näher an dem angegriffenen Vorhaben. Das rechtfertigt es, in Anwendung von Nr. 8 lit. d der zitierten Streitwertannahmen (Rahmen: 5.000 bis 100.000,-- €) für das Hauptsacheverfahren einen Wert von 30.000,-- € anzunehmen. Auch dieser Wert ist für das Eilverfahren zu halbieren. Das erläutert die getroffene Kostenquote.

Ende der Entscheidung

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