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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.10.2006
Aktenzeichen: 1 ME 171/06
Rechtsgebiete: NBauO


Vorschriften:

NBauO § 89 I 2 Nr. 5
Stützt eine Bauaufsichtsbehörde ein Nutzungsverbot - jeweils tragend - sowohl auf die formelle als auch auf die materielle Illegalität der Nutzung bzw. der baulichen Anlage, unterstellt sie damit diese zweifache Begründung auch dem gerichtlichen Prüfungsprogramm. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sie den gerichtlichen Prüfungsumfang wiederum einschränken.
Gründe:

Mit der angegriffenen Verfügung vom 3. April 2006 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin unter Anordnung des Sofortvollzuges, auf dem rund 7.000 m² großen Grundstück Nienhagen 2 in D. -E. (Flurstücke 302/11 und 302/13, Flur 3 der Gemarkung E.) einen Lagerplatz zu unterhalten, und gab ihr auf, diesen spätestens bis zum 5. Juli 2006, bei Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung innerhalb von vier Wochen nach Unanfechtbarkeit dieser Verfügung zu räumen.

Das Gelände ist Teil eines Areals, das zwischen der hier von Südwest nach Nordost verlaufenden Straße Nienhagen im Süden und einer geschwungenen Eisenbahnstrecke im Norden liegt. In seinem südlichen Teil steht west-östlich ein größeres, T-förmiges Ziegeleigebäude mit östlich anschließendem Wohnhaus. Nördlich dieses Wohnhauses steht in Nord-Süd-Richtung eine kleinere Halle, nördlich der der hier streitige Lagerplatz betrieben wird. Im Zwickel zwischen dem Lagerplatz und der Eisenbahnlinie steht das Gebäude, welches (unter anderem) der Beigeladene zu Wohnzwecken nutzt. Dieses stellte früher das Betriebsleiterhaus für die nachfolgend zu schildernden gewerblichen Tätigkeiten aus dem Bereich der Betonverarbeitung dar. Nach deren Niedergang erwarb der Beigeladene das Gebäude und erhielt vom Antragsgegner unter dem 7. Mai 2003 die Genehmigung, dieses Gebäude zu allgemeinen Wohnzwecken mit zwei Wohneinheiten zu nutzen.

Die beschriebenen gewerblich genutzten Bereiche hatte zuvor die Fa. F. G. unter anderem zur Fertigung von Betonsteinen und Deckenelementen genutzt. Die Produkte waren bis zur Abholung mit LKWs auf dem Bereich nördlich der heute ungenutzten, kleineren Halle gelagert worden. Dort hatte die Fa. F. eine Kranbahn installiert, deren Schienen in etwa nordsüdlich verlegt waren; darauf verkehrte die Bühne.

Das Gewerbeaufsichtsamt B. hatte der Fa. F. unter anderem unter dem 2. Oktober 1978 und 3. September 1979 immissionsschutzrechtliche Bescheide erteilt. Nach dessen Mitteilung vom 20. August 2004 (Bl. 16 der BA D, Teil 2) hatte die Fa. F. unter dem 4. September 2002 gem. § 15 Abs. 3 BImSchG angezeigt, zum Ende April 2002 den Betrieb eingestellt zu haben. Unter dem 14. Oktober 2004 (vgl. Bl. 29, Teil 2 der BA D) verzichtete sie gegenüber dem Gewerbeaufsichtsamt B. "endgültig und unwiderruflich auf die Nutzungen der Genehmigung des" Antragsgegners ("letzter Genehmigungsbescheid vom 20.06.1990 ...") und den Betrieb der Anlagen auf den Flurstücken 302/11 und 302/13, Flur 3 der Gemarkung E.. Dieses Areal hatte sie Ende des Jahres 2003 an die Antragstellerin verkauft; diese war am 15. März 2004 als Eigentümerin eingetragen worden. Dort stellt diese Container und LKWs ab. Das geschieht für den unmittelbar südlich davon entstandenen Betrieb H.. Diesem hatte das Gewerbeaufsichtsamt B. unter dem 26. Juli 2001 eine unanfechtbare und unter dem 1. August 2005 eine Genehmigung erteilt, gegen die sich der Beigeladene mit einem noch nicht rechtskräftig beschiedenen Rechtsbehelf und einem erfolglosen Eilantrag (Az. des Verwaltungsgerichts Hannover: 12 B 1966/06; Beschwerde wurde nicht eingelegt) gewandt hatte.

Über den Umfang der Abstelltätigkeiten der Antragstellerin besteht Streit. Diese macht geltend, der von ihr auf Drängen des Antragsgegners gestellte Bauantrag gebe nur die beabsichtigten Tätigkeiten, nicht aber den Umfang der Tätigkeiten wieder, die sie auf dem Gelände bereits entfalte.

Unter dem 3. April 2006 lehnte der Antragsgegner nicht nur den Bauantrag ab. Durch Verfügung vom gleichen Tage erließ er das oben genannte Nutzungsverbot, für dessen Nichtbefolgung er ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- € androhte. Zur Begründung führte er unter anderem aus:

Die untersagte Nutzung sei sowohl formell als auch materiell baurechtswidrig. In formeller Hinsicht folge das daraus, dass diese Fläche früher nur zu Lagerzwecken, nach der von der Antragstellerin nunmehr unterbreiteten Betriebsbeschreibung aber auch als Sammel- und Umschlagplatz (unter anderem für Rindenmulch) genutzt werden solle. In materieller Hinsicht ergebe sich das aus § 35 BauGB. Privilegiert sei der Betrieb nicht. Die untersagten Tätigkeiten beeinträchtigten öffentliche Belange. Dabei sei unerheblich, ob die Antragstellerin mit der H. im Wesentlichen identisch sei. Falls ja, scheitere eine Anwendung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB daran, dass dieser bereits die Erweiterungen genehmigt worden seien, welche noch als angemessen angesehen werden könnten. Seien die Tätigkeiten der Antragstellerin selbständig zu beurteilen, ließen diese die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten.

Den hiergegen nach Ablehnung eines Aussetzungsantrages gestellten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt:

Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts komme es auch dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde die Nutzungsuntersagung zusätzlich mit der materiellen Baurechtswidrigkeit begründet habe, im Eilverfahren um ein Nutzungsverbot allein auf die formelle Baurechtswidrigkeit an. Diese liege hier vor. Die Betriebsgenehmigungen, welche der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, der Fa. F. erteilt worden seien, seien durch die endgültige Betriebsaufgabe zum 31. Dezember 2002 erloschen. Seinerzeit sei der Lagerplatz vollständig geräumt worden. Mit dem Fortfall der Baulichkeiten ende auch jeder Schutz der einst genehmigten Tätigkeit. Selbst wenn die früher erteilten Genehmigungen noch Rechtswirkungen entfalteten, umfassten sie die hier untersagten Tätigkeiten nicht (mehr). Denn diese verließen die Variationsbreite, welche jenen innewohne. Das folge insbesondere aus den Angaben, mit denen die Antragstellerin ihre Tätigkeiten im Bauantrag umschrieben habe. An diesen müsse sie sich festhalten lassen. Danach wolle sie unter anderem 58 Container in der Größe von 6 x 2,35 m und ca. 100 Container der Größe von 1,85 x 1,35 m nebst 14 LKWs auf dem Grundstück abstellen. Für die Wertstofflagerung (u. a. Rindenmulch) sei eine Fläche von fast 600 m² vorgesehen. Die mit dem Nutzungsverbot verbundenen wirtschaftlichen Einbußen führten nicht zur Annahme, dass das Nutzungsverbot unverhältnismäßig sei.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Beschwerde der Antragstellerin, der die übrigen Verfahrensbeteiligten entgegentreten.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO begrenzt die Überprüfung durch den Senat auf die Gründe, welche die Antragstellerin zur Stütze ihrer Beschwerde (fristgemäß) vorgebracht hat. Aus diesem Grunde ist es dem Senat verwehrt, den Ausgangspunkt der angegriffenen Entscheidung, nämlich die Annahme zu überprüfen, das Gericht habe sich im Eilverfahren um ein mit Sofortvollzug ausgesprochenes Nutzungsverbot auch dann auf die Prüfung der formellen Illegalität (die möglicherweise die Untersuchung einschließt, ob die Nutzungsuntersagung wegen offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit unverhältnismäßig ist) zu beschränken, wenn die Bauaufsichtsbehörde das Nutzungsverbot zugleich auf die materielle Illegalität der Nutzung gestützt habe. Das Verwaltungsgericht hat insoweit die ältere Rechtsprechung des früheren 6. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, namentlich dessen Beschluss vom 8. Mai 1987 (- 6 OVG B 10/87 -, BRS 47 Nr. 199 = NdsRpfl. 1987, 264) zur Stütze seiner Auffassung genommen. Diese ist inzwischen jedoch fortgeschrieben worden. Der erkennende Senat hatte bereits in seinem Beschluss vom 26. August 1993 (- 1 M 2888/93 -, Vnb) unter Hinweis auf sein Urteil vom 29. März 1984 (- 1 OVG A 164/82 -, BRS 42 Nr. 213) ausgeführt, das Gericht dürfe sich nicht auf die Prüfung der formellen Illegalität beschränken, wenn die Bauaufsichtsbehörde (selbst wenn das sachlich nicht zwingend veranlasst gewesen sei) das Nutzungsverbot - auch - auf die materielle Illegalität des Vorhabens gestützt habe. Denn mit diesen Ausführungen gebe die Bauaufsichtsbehörde der Ermessensentscheidung, welche sie auf der Grundlage von § 89 Abs. 1 NBauO zu treffen habe, einen bestimmten Inhalt. Diesen würde das Gericht verfälschen, wenn es sich bei der Nachprüfung des Nutzungsverbotes allein auf die formelle Illegalität beschränkte. An dieser Auffassung hat der Senat in seinem Beschluss vom 28. Januar 1999 (- 1 M 5603/98 -, Vnb) festgehalten. Nicht nur im Hauptsache-, sondern auch im Aussetzungsverfahren müsse die gerichtliche Überprüfung der angegriffenen Verwaltungsentscheidung entsprechen. Denn Aufgabe des Eilverfahrens sei es, für den Schwebezustand zwischen Erlass der Verfügung und der Hauptsacheentscheidung die Frage zu beurteilen, wer das Risiko ihrer (Nicht-)Befolgung zu tragen habe. Das könne nur nach denselben Kriterien geschehen, die auch für die Entscheidung in der Hauptsache gälten (vgl. insoweit - wenn auch mit gewissen Unschärfen - Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, Komm., 7. Aufl. 2002, § 89 Rdn. 100).

Zu einer Anrufung des Großen Senates des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist es seinerzeit nicht mehr gekommen, weil der damalige 6. Senat des Gerichts schon im Laufe des Geschäftsjahres 1998 seine Existenz eingebüßt hatte und im Jahre 1999 dementsprechend nicht mehr an seiner Auffassung festhalten konnte. M. a. W.: Die Bauaufsichtsbehörde hat es in der Hand, den Prüfungsumfang der gerichtlichen Überprüfung zu bestimmen. Will sie die ausgesprochene Nutzungsuntersagung allein auf die formelle Illegalität stützen, ist sie gut beraten, zur Begründung ihrer Verfügung auch nur derartige Erwägungen anzuführen. Stützt sie hingegen die Nutzungsuntersagung - selbständig tragend - auch auf materiell-rechtliche Erwägungen, was nach der geltenden Rechtslage in Niedersachsen für die Rechtmäßigkeit eines Nutzungsverbotes gar nicht geboten ist, unterstellt sie damit diese Begründung auch dem gerichtlichen Prüfungsprogramm. Eine Ausnahme kann nur für den Fall gelten, dass die materielle Illegalität gewissermaßen "nur nebenbei" erwähnt wird, wie etwa mit typischen Einleitungen wie "Im Übrigen ist anzumerken, dass ..." oder aber die materiellen Erwägungen nicht tragend sein sollen (insoweit ist charakteristisch eine Formulierung wie etwa "... dürfte ..." und Ähnliches). Vor allem im Hinblick auf ein Hauptsacheverfahren ist anzumerken, dass die obigen Erwägungen des Senats es nicht ausschließen, dass die Bauaufsichtsbehörde "klüger" werden kann. Sie kann also ihre Verfügung im Verlauf eines gerichtlichen Verfahrens wiederum "reparieren", indem sie ihre materiell-rechtlichen Erwägungen "aufhebt" und damit einem Kläger die Möglichkeit eröffnet, dem insoweit durch Abgabe einer Erledigungserklärung zu begegnen. Denkbar ist auch, dass die Widerspruchsbehörde in ihrem Widerspruchsbescheid eine Klarstellung (= Reparatur) vornimmt.

Im vorliegenden Fall kommt es darauf indes wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht an, weil die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung den Ausgangspunkt der angegriffenen Entscheidung akzeptiert hat, schon die formelle Baurechtswidrigkeit rechtfertige ein sofort vollziehbares Nutzungsverbot.

Diese Beurteilung fällt auch angesichts der geltend gemachten Beschwerdegründe zum Nachteil der Antragstellerin aus. Dabei kann der Senat unentschieden lassen, ob die Rechtswirkungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen, welche der Fa. F. erteilt worden waren, schon wegen der endgültigen Betriebsaufgabe zum 31. Dezember 2002 entfallen waren. Dagegen könnte allerdings sprechen, dass deren auf § 15 Abs. 3 BImSchG fußende Anzeige vom 4. September 2002, Ende April 2002 sei der Betrieb eingestellt worden, nicht zum Erlöschen der Genehmigungen geführt hat (Jarass, BImSchG, Komm., 6. Aufl. 2005, § 15 Rdnr. 46). Diese Rechtswirkungen kommen in analoger Anwendung des § 18 BImSchG (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209, 211 f. = NVwZ 1990, 464) lediglich einem eindeutigen und bindenden Verzicht auf die Genehmigungen zu. Diesen hat die Fa. F. G. ausweislich Blatt 29 der BA D, Teil 2, erst unter dem 14. Oktober 2004 ausgesprochen. Zu diesem Zeitpunkt hatte aber die Antragstellerin bereits das Eigentum an diesem Areal erhalten und, wie die Nachbarbeschwerde des Beigeladenen vom 30. Juni 2004 (Bl. 1 der BA D, Teil 1) zeigt, ihre Tätigkeiten auf dem Grundstück bereits aufgenommen. Unter diesen Umständen könnte es zweifelhaft sein, ob die Fa. F. überhaupt noch zu Lasten der Antragstellerin auf die Rechtswirkungen der Genehmigung hatte verzichten können.

Darauf kommt es indes nicht entscheidend an. Denn diese Genehmigungen umfassen nicht das, was der Antragstellerin mit der angegriffenen Verfügung an Nutzung untersagt worden ist. Entgegen der Annahme der Antragstellerin lassen sich die auf der Grundlage des Immissionsschutzrechts erteilten Genehmigungen nicht aufspalten in einen Teil, der gleichsam abstrakt jedwede Lagerungstätigkeit auf dem streitigen Areal umfasst, und deren Produktions- und sonstigen gewerblichen Tätigkeiten im Übrigen. Die Lagertätigkeit konnte vielmehr nur als Teil eines Beton verarbeitenden Betriebes beurteilt und genehmigt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.11.1991 - 4 C 17.88 -, NVwZ-RR 1992, 402 = BRS 52 Nr. 52 = UPR 1992, 182 unter Hinweis auf B. v. 27.11.1987 - 4 B 230 und 231.87 u. a. -, BRS 47 Nr. 36 = ZfBR 1988, 143 = UPR 1988, 149), welcher der Senat folgt (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2004 - 1 LA 122/04 -, Vnb), kann die baurechtliche Zulässigkeit eines Lagerplatzes dann nicht isoliert betrachtet und beurteilt werden, wenn die in Rede stehende bauliche Anlage räumlich und funktional in den Betriebsprozess eingegliedert und damit Teil des Gesamtbetriebes ist. Ist der Lagerplatz Teil einer organisatorischen Zusammenfassung von Betriebsanlagen und Betriebsmitteln zu einem bestimmten Zweck, d. h. funktionell und räumlich einem benachbarten Gewerbebetrieb angegliedert, beurteilt sich seine planungsrechtliche Zulässigkeit nach Maßgabe derjenigen Vorschriften, die für den Hauptbetrieb gelten. Das war seinerzeit im Hinblick auf die Lagertätigkeit gegeben; denn diese wurde nur für die unmittelbar südlich davon stehende Produktion von Betonfertigteilen und -steinen entfaltet. Der Inhalt der dafür erteilten Genehmigungen umfasst schon deshalb allein und eindeutig nicht Lagertätigkeiten jedweder Art, sondern nur solche für die unmittelbar angrenzend betriebene Produktion. Damit haben die von der Antragstellerin entfalteten Tätigkeiten nichts zu tun. Diese liegen weit außerhalb der Variationsbreite, welche jenen Genehmigungen innewohnen mögen.

Es kommt hinzu: Aus den vorstehenden Grundsätzen folgt zugleich, dass sich die baurechtliche Zulässigkeit der Lagertätigkeiten der Antragstellerin ausschließlich nach Maßgabe dessen beurteilen, was auf dem südlich angrenzenden Gelände an Tätigkeiten entfaltet wird. Die Antragstellerin macht selbst geltend (vgl. u. a. Seite 7 der Beschwerdebegründung vom 14.9.2006), die untersagten Lagermöglichkeiten dienten allein der Fa. H., deren Gelände südlich unmittelbar anschließt, und seien für diese von existentieller Bedeutung; denn diese habe anderweitige Lagerkapazitäten eingebüßt. Der erforderliche funktional-räumliche Zusammenhang ist damit gegeben und erheischt eine einheitliche baurechtliche Betrachtung ungeachtet der Frage, ob beide Firmen nun miteinander identisch sind.

Zwischen den Tätigkeiten, welche das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim der Fa. F. genehmigt hatte, und denjenigen, welche die Antragstellerin "im Verbund" und in unmittelbarer Nachbarschaft mit der Fa. H. betreibt, bestehen so erhebliche Unterschiede, dass dies nicht nur die Variationsbreite der der Fa. F. einst erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen verlässt, sondern zugleich eine der Antragstellerin günstige Anwendung der Vergünstigungsvorschrift des § 69 Abs. 4 Nr. 1 NBauO ausschließt. Hiernach bedarf die Nutzungsänderung einer bauaufsichtsbehördlichen Genehmigung auch dann, wenn das öffentliche Baurecht an die bauliche Anlage in ihrer neuen Nutzung andere Anforderungen stellt. Das ist nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. z. B. Beschl. v. 11.7.1996 - 1 M 3191/96 -, BRS 58, Nr. 130 = BauR 1996, 690) bereits dann der Fall, wenn die Zulässigkeit des gleichen räumlich-konkreten Vorhabens je nach Nutzungszweck bei abstrakter Betrachtungsweise unterschiedlich beurteilt werden kann. Zu fragen ist mit anderen Worten, ob das Vorhaben trotz der zuvor betriebenen Nutzung erneut das Bedürfnis auslöst, seine bauplanungs- oder -ordnungsrechtliche Zulässigkeit oder (insbesondere) seine Nachbarverträglichkeit in einem Baugenehmigungsverfahren präventiv prüfen zu lassen oder ob es nach Lage der Dinge eines solchen Verfahrens nicht einmal bedarf, weil eine abweichende Beurteilung nicht einmal in Betracht kommt.

Danach ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass die Antragstellerin vor Aufnahme der untersagten Lagertätigkeit ein (Bau-)Genehmigungsverfahren hätte absolvieren müssen. Denn die von der Fa. H. entfaltete Tätigkeit weicht jedenfalls so weit von der Tätigkeit der Fa. F. G. ab, dass ein bauaufsichtsbehördliches Verfahren veranlasst ist. Dazu sind die folgenden Ausführungen veranlasst:

Nach dem vorliegenden Kartenmaterial (vgl. z. B. Bl. 3 BA D, Teil 1; Blätter 13 und 38 BA E, Teil 1) kann kein durchgreifender Zweifel daran bestehen, dass das fragliche Areal im Außenbereich liegt. Nördlich und südlich der Straße Nienhagen stehen verstreut drei Wohnhäuser und drei (wohl gewerblich genutzte) Hallen. Das ist weder Ausdruck organischer Siedlungsstruktur noch von seinem Gewicht her geeignet, im Vergleich zu anderen Bereichen (vgl. z. B. den Bereich "E." auf der Karte Bl. 38 der BA E, Teil 1) als Bebauung angesehen zu werden, welche die Einordnung als Ortsteil rechtfertigt.

Die Produktion von Betonteilen mag bauplanungsrechtlich im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB als Teil eines ortsgebundenen Betriebes anzusehen gewesen sein. Dafür spricht, dass südwestlich der ehemaligen Produktionsbereiche auf der Karte Blatt 38 der Beiakte E ein Teich zu sehen ist. Hier könnte Kies gewonnen worden sein. Es ist denkbar, dass eine mit diesem Material aufgenommene Produktion von Betonsteinen und -fertigteilen von der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB nach den Grundsätzen "mitgezogen" wird, die das Bundesverwaltungsgericht beispielsweise für bestimmte "Nebenbereiche" landwirtschaftlicher Tätigkeit entwickelt hat (vgl. z. B. Urt. v. 30.11.1984 - 4 C 27.81 -, DVBl. 1985, 395 = NVwZ 1986, 203). Voraussetzung dafür ist, dass dies dem typischen Erscheinungsbild eines solchen Betriebes entspricht und keinen Umfang annimmt, welcher das Gepräge eines solchen ortsgebundenen Betriebes ausmacht. Die Betonverarbeitung könnte seinerzeit ggf. auch nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert gewesen sein. Das setzte allerdings voraus, dass sich im Bereich dieser Gemeinde ein Industriegebiet nicht hätte finden lassen, in dem dieses Betonwerk hätte verwirklicht werden können.

Den von der Fa. H. betriebenen Tätigkeiten kommen beide Vergünstigungen voraussichtlich nicht zugute. Es ist jedenfalls in einer Weise, welche die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens rechtfertigt bzw. erfordert und damit eine der Antragstellerin günstige Anwendung des § 69 Abs. 4 Nr. 1 NBauO ausschließt, frag- und prüfungswürdig, ob das der Fall ist. Die von ihr entfaltete Tätigkeit ist nicht ortsgebunden; Abfälle fallen nicht ortsgebunden, sondern anderenorts an. Es ist zudem zweifelhaft, ob es dazu eines Industriegebiets bedarf oder nicht möglicherweise auch ein Gewerbegebiet als planungsrechtliche Grundlage ausreicht. Diese Tätigkeit weicht zudem von der einst genehmigten Produktionstätigkeit so weit ab, dass selbst bei großzügigster Bemessung der sog. Variationsbreite von Genehmigungen der Hof möglicherweise von den Genehmigungen noch umfasster Arbeiten verlassen wird. Dabei kommt es entgegen der Annahme der Antragstellerin gerade nicht darauf an, ob die hier entfaltete möglicherweise deutlich weniger Umweltbeeinträchtigungen mit sich bringt, als dies bei der Ende 2002 endgültig eingestellten Produktionstätigkeit der Fall war. Das betrifft - erstens - nur die Frage einer eventuellen Genehmigungsfähigkeit und zeigt - zweitens -, dass wegen der geringeren Emissionen die Unterbringung in einem Gewerbegebiet in Betracht kommt und damit eine Privilegierung ausscheidet. Das verändert die Beurteilungsgrundlage so erheblich, dass auch das das Bedürfnis nach einem geordneten Genehmigungsverfahren hervorruft.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass sich durch die Erteilung der unanfechtbaren Genehmigung, welche der Beigeladene für die "allgemeine Wohnnutzung" unter dem 7. Mai 2003 - noch vor der Übernahme des streitigen Bereichs durch die Antragstellerin - erhalten hat, die Sachlage möglicherweise zu deren Nachteil verändert hat. Auch das ruft das Bedürfnis hervor, in einem Baugenehmigungsverfahren die Nachbarverträglichkeit der hier untersagten Nutzung zu prüfen. Es mag sein, dass die Personen, welche das Gebäude früher bewohnten, stärkeren Immissionen ausgesetzt waren. Das lässt aber außer Acht, dass das Gebäude früher der Unterbringung von Betriebsangehörigen diente. Diese haben höhere Immissionen hinzunehmen.

Dieser Umstand führt auch dazu, dass die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht als offensichtlich gegeben und die angegriffene Verfügung deshalb als unverhältnismäßig anzusehen ist. Es bedarf vielmehr eingehender Prüfung, in welcher Weise die miteinander nunmehr konkurrierenden Nutzungen zu vereinbaren sind und ob es angesichts des in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, zweite Alternative BauGB verankerten öffentlichen Belanges nicht zumindest aktiver Schutzvorkehrungen zum Vorteil des Beigeladenen bedarf. Auf den Belang der Splittersiedlung kommt es danach nicht (mehr) an.

Zur Frage, ob ein Nutzungsverbot trotz wirtschaftlich erheblicher Folgen mit Sofortvollzug ausgesprochen werden darf, hat das Verwaltungsgericht das Richtige ausgeführt. Insoweit wird auch angesichts der Ausführungen auf Seite 7 der Beschwerdebegründung gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene hat sich durch Stellung eines eigenen Antrags der Kostentragungspflicht ausgesetzt; schon das rechtfertigt eine ihm günstige Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ist gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG zu ändern. Nach § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG iVm Nr. 18 lit. b) der regelmäßigen Streitwertannahmen des 1. und 9. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts für Verfahren, die nach dem 1.1.2002 anhängig geworden sind (NdsVBl. 2002, 192 = NordÖR 2002, 197), ist der Streitwert für das Eilverfahren mit der Hälfte des Wertes festzusetzen, der für das Hauptsacheverfahren anzunehmen ist. Gem. Nr. 11 lit. b) der zitierten Streitwertannahmen ist bei einer Nutzungsuntersagung der Jahresmiet- oder -nutzwert anzusetzen. Hier geht es um die gewerbliche Nutzung eines immerhin 7.000 m² großen Areals. Die Antragstellerin hat auf Seite 4 unten der Beschwerdebegründung vom 14. September 2006 lediglich der Annahme des Verwaltungsgerichts widersprochen, dort solle auch Rindenmulch gelagert werden, nicht aber den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 5 unten des Beschlussabdrucks. Unter diesen Umständen besteht ein so erhebliches finanzielles Interesse an dem Erhalt der streitigen Flächen zum Abstellen einer ganzen Reihe von Containern und von LKWs, dass der Jahresnutzwert mit ca. 40.000,-- € anzunehmen ist. Dieser Betrag ist für das Eilverfahren zu halbieren.

Ende der Entscheidung

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