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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: 1 NDH L 9/03
Rechtsgebiete: NBG


Vorschriften:

NBG § 26 II
NBG § 81 I 3
1. Nach § 226 Abs. 2 NBG wird die Polizeidienstunfähigkeit durch den Dienstvorgesetzten aufgrund des Gutachtens eines Amtsarztes oder eines beamteten Arztes festgestellt. Folglich kann von einer Polizeidienstunfähigkeit erst dann ausgegangen werden, wenn der Dienstvorgesetzte eine entsprechende Feststellung getroffen hat.

2. Nach § 81 Abs. 1 Satz 3 NBG ist die Dienstunfähigkeit wegen Krankheit auf Verlangen nachzuweisen. Diese Vorschrift begründet eine Mitwirkungspflicht des Beamten. Verletzt der Beamte diese Mitwirkungspflicht, indem er es zum Beispiel ablehnt, sich amtsärzlich untersuchen zu lassen, geht die Nichterweislichkeit der vorübergehenden Dienstunfähigkeit zu seinen Lasten.


Gründe:

I.

Der 1958 geborene Beamte erwarb 1974 den Realschulabschluss und wurde am 4. November 1974 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeiwachtmeister ernannt. Am 9. Februar 1975 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Danach nahm er erfolgreich an einem Aufstiegslehrgang teil. Im November 1986 wurde er zum Kriminalkommissar ernannt.

Die erste 1984 eingegangene Ehe des Beamten wurde 1992 geschieden. Seit dem 5. September 1995 ist der Beamte erneut verheiratet. Er lebt mit seiner Ehefrau und deren Kind in einem gemeinsamen Haushalt.

Nach einem Volleyballspiel am 24. Oktober 1990 klagte der Beamte über Beschwerden im linken Knie. In der Folgezeit legte er ärztliche Atteste vor, die ihm lediglich die Ausübung einer Innendiensttätigkeit erlaubten. Da ihm bei seiner damaligen Dienststelle keine derartige Tätigkeit übertragen werden konnte, wurde der Beamte mit Wirkung vom 1. April 1991 zum Bezirkslage- und Führungszentrum versetzt, wo er als Kriminalkommissar vom Lagedienst tätig war. Am 21. März 1994 erfolgte die Versetzung zur Kriminalpolizeiinspektion D.. Dort wurde der Beamte dem Kriminaldauerdienst des 5. Fachkommissariats zugeteilt.

Am 16. April 1994 erschien der Beamte nicht zum Dienst. In der Folgezeit legte er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.

Unter dem 3. Mai 1994 beantragte der Beamte seine Versetzung in den Ruhestand wegen Polizeidienstunfähigkeit. Am 24. Mai 1994 stellte Medizinaldirektor Dr. E. in einem polizeiärztlichen Gutachten fest, dass der Beamte wegen seiner Knieverletzung i. S. d. § 226 NBG polizeidienstunfähig, für den allgemeinen Verwaltungsdienst aber dienstfähig sei. In einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 16. Mai 1995 führte Dr. E. aus, dass der Beamte für den Innendienst ohne die Notwendigkeit schnellen Laufens und Sprintens polizeidienstfähig und für die allgemeine Verwaltung uneingeschränkt dienstfähig sei. Daraufhin lehnte die Bezirksregierung F. den Antrag des Beamten auf Versetzung in den Ruhestand durch Bescheid vom 4. Juli 1995 mit der Begründung ab, dass keine Polizeidienstunfähigkeit vorliege. Zugleich forderte sie den Beamten unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, am 10. Juli 1995 seinen Dienst bei der Polizeiinspektion D. wieder anzutreten. Dieser Aufforderung kam der Beamte nicht nach. Vielmehr legte er für die Zeit vom 11. Juli 1995 bis 7. August 1995 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.

Seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung, den Dienst wieder aufzunehmen, lehnte das Verwaltungsgericht D. durch Beschluss vom 25. September 1995 (6 B 3317/95) ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 7. März 1996 (2 M 6671/95) zurück. Den gegen die Ablehnung des Antrags auf Versetzung in den Ruhestand eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung F. durch Bescheid vom 5. Dezember 1995 als unbegründet zurück. Das nachfolgende Klageverfahren (6 A 101/96) wurde durch Beschluss vom 22. Januar 1998 eingestellt, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt hatten.

Mit Bescheid vom 3. August 1995 forderte die Bezirksregierung F. den Beamten unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, jede weitere Arbeitsunfähigkeit durch den Polizeiarzt Dr. E. bestätigen zu lassen. Zugleich wies sie den Beamten darauf hin, dass er im Falle der Nichtbefolgung dieser Anordnung ein Dienstvergehen begehen würde, das die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens und die Entfernung aus dem Dienst zur Folge haben könnte. Gegen diesen Bescheid erhob der Beamte Widerspruch. Außerdem beantragte er bei dem Verwaltungsgericht Oldenburg die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 5. Oktober 1995 (6 B 3927/95) ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 11. Juni 1996 (2 M 6943/95) zurück.

Am 9. August 1995 legte der Beamte eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. G. über seine Arbeitsunfähigkeit ab dem 8. August 1995 vor. In der Folgezeit reichte er weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach. Die Diagnose lautete auf Kniegelenksleiden, depressiver Erschöpfungszustand und Gastroenteritis. Am 17. August 1995 teilte der Facharzt für Orthopädie H. Dr. G. mit, dass der Beamte seines Erachtens weder dienst- noch arbeitsunfähig sei. Daraufhin stellte Medizinaldirektor Dr. E. in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 21. August 1995 fest, dass der Beamte ab sofort ohne Einschränkungen dienstfähig sei.

Anschließend stellte die Bezirksregierung F. durch Bescheid vom 28. September 1995 den Verlust der Dienstbezüge des Beamten ab dem 8. August 1995 wegen schuldhaften Fernbleibens vom Dienst fest. Diese Verfügung hielt die Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht D. durch Beschluss vom 7. November 1996 (10 A 4050/95 B) mit der Begründung aufrecht, dass der Beamte vom 8. August 1995 bis zum 31. Januar 1996 und vom 14. Februar 1996 bis zum 19. März 1996 unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben sei.

Mit Verfügung vom 28. November 1996 verbot die Bezirksregierung F. dem Beamten gemäß § 67 NBG die Führung der Dienstgeschäfte. Der dagegen erhobene Widerspruch des Beamten wurde nicht beschieden.

II.

Ende November 1996 nahm die Bezirksregierung F. gegen den Beamten disziplinarische Vorermittlungen auf. Am 12. Februar 1997 erfolgte die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens. Gleichzeitig enthob die Bezirksregierung den Beamten gemäß § 91 NDO vorläufig des Dienstes und ordnete die Einbehaltung von 20 % der Dienstbezüge an. Zur Begründung wies die Bezirksregierung F. darauf hin, dass der Beamte seit Anfang 1994 kaum Dienst geleistet habe und der Aufforderung, den Dienst wieder aufzunehmen und weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom Polizeiarzt bestätigen zu lassen, nicht nachgekommen sei. Darüber hinaus sei er als Geschäftsführer der am 1. Oktober 1994 angemeldeten Firma I. sowie als Fluglehrer ungenehmigten Nebentätigkeiten nachgegangen. Diese Nebentätigkeiten habe er auch in den Zeiten ausgeübt, in denen er keinen Dienst versehen habe und krank geschrieben gewesen sei.

Mit Verfügungen vom 9. Juli 1997 und 29. Dezember 1999 bezog die Bezirksregierung F. weitere Sachverhalte, die Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren waren, in das förmliche Disziplinarverfahren ein. Das Arbeitsamt D. habe - so die Bezirksregierung - gegen den Beamten Strafanzeige wegen des Verdachts des Betruges erstattet, weil der Beamte als Geschäftsführer der Firma I. falsche Erklärungen über die Beschäftigungszeit und das Arbeitsentgelt einer Angestellten abgegeben haben solle (J.). Außerdem sei gegen den Beamten Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz erstattet worden, weil bei einer Durchsuchung seiner Wohnung am 29. April 1997 65 Patronen gefunden worden seien (K.). Ferner solle der Beamte am 13. März 1997 Frau L. bedroht haben, um zu verhindern, dass sie sich bei der Polizei über die Geschäftsabläufe in der Firma I. äußere (M.). Die Staatsanwaltschaft D. ermittle darüber hinaus gegen den Beamten wegen Verstoßes gegen das GmbH-Gesetz (N.). Ferner seien gegen ihn Strafanzeigen wegen Betrugs erstattet worden, weil er Verrechnungsschecks ausgestellt haben solle, die mangels Deckung nicht eingelöst werden konnten (O.).

Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren P., J., Q., R., S., K. und N. wurden später gemäß § 153 Abs. 1 StPO bzw. § 153 a StPO eingestellt. In dem Verfahren T. wurde die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt.

Der Beamte hat in dem Disziplinarverfahren eingeräumt, im Herbst 1995 und im Frühjahr 1996 dem Dienst ferngeblieben zu sein, aber den Standpunkt vertreten, dass er dazu wegen seiner Knieverletzung berechtigt gewesen sei. Der Polizeiarzt habe am 24. Mai 1994 seine Polizeidienstunfähigkeit festgestellt. Dieser Feststellung stehe die gutachterliche Stellungnahme des Polizeiarztes vom 21. August 1995 nicht entgegen. Denn die Polizeidienstfähigkeit setzte die Fähigkeit zu schnellem Laufen voraus, die ihm damals gefehlt habe. Dass er weder rennen noch schnell laufen könne, ergebe sich aus dem fachorthopädischen Gutachten der U. vom 21. April 1997. Die Ärzte des V. in W. seien in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 29. August 1995 zu demselben Ergebnis gelangt. Folglich habe er damals keinen Dienst leisten müssen. Selbst wenn dies anders gewesen wäre, könne ihm das Fernbleiben vom Dienst disziplinarrechtlich nicht vorgehalten werden, weil es an einem Verschulden fehle. Der weitere gegen ihn erhobene Vorwurf, ungenehmigten Nebentätigkeiten nachgegangen zu sein, sei ebenfalls unberechtigt, weil er keine genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten ausgeübt habe. Die kurzfristige Tätigkeit als Geschäftsführer der I. sei mit keinem nennenswerten Zeitaufwand verbunden gewesen. Er habe dafür auch keine Vergütung erhalten. Bei seinen fliegerischen Aktivitäten habe es sich um eine reine Freizeitgestaltung gehandelt. Der Erwerb der Berufspiloten- und der Fluglehrerlizenz habe allein dem Zweck gedient, ihm die Fortsetzung des Hobbys der Fliegerei zu ermöglichen. Der Vorwurf, Mitarbeiter der Firma I. betrogen zu haben, sei ebenfalls unzutreffend.

III.

Mit der am 27. Juni 2002 bei der Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht D. eingegangenen Anschuldigungsschrift ist dem Beamten zur Last gelegt worden, durch folgende Dienstpflichtverletzungen ein Dienstvergehen begangen zu haben:

1. Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst

2. Nebentätigkeit der Fliegerei ohne Genehmigung trotz Krankmeldung

3. Aufbau und Betrieb eines privaten Sicherheitsunternehmens ohne Genehmigung trotz Krankmeldung

4. Zueignung und Besitz von Polizeipatronen

5. Nötigung von Frau L..

Der Vertreter der Einleitungsbehörde hat beantragt,

auf Entfernung des Beamten aus dem Dienst zu erkennen.

Der Beamte hat beantragt,

auf eine Disziplinarmaßnahme nicht oberhalb der Gehaltskürzung zu erkennen.

Die Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Oldenburg hat durch Urteil vom 30. Juni 2003 festgestellt, dass der Beamte eines Dienstvergehens schuldig ist, und auf Entfernung aus dem Dienst erkannt. Zugleich hat sie dem Beamten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v. H. des Ruhegehalts, das er im Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils erdient hätte, für die Dauer von sechs Monaten bewilligt. Zur Begründung dieser Entscheidung hat die Disziplinarkammer Folgendes ausgeführt: Der Beamte sei vom 8. August 1995 bis zum 31. Januar 1996 und vom 14. Februar 1996 bis zum 19. März 1996 schuldhaft ohne Genehmigung dem Dienst ferngeblieben. In diesem Zeitraum sei er nicht dienstunfähig gewesen. Das ergebe sich aus den polizeiärztlichen Stellungnahmen und den vom Polizeiarzt eingeholten fachärztlichen Gutachten. Auch die von dem Beamten vorgelegte ärztliche Stellungnahme des X. -Klinikums vom 29. August 1995 und das Ergebnis der kernspintomographischen Untersuchung vom 28. August/6. September 1995 rechtfertigten die Annahme, dass der Beamte dienstfähig gewesen sei. Daher habe er der Anordnung, zum 10. Juli 1995 seinen Dienst wieder anzutreten, Folge leisten müssen. Außerdem sei er seit dem 8. August 1995 verpflichtet gewesen, jede Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung polizeiärztlich bestätigen zu lassen. Dem sei er nicht nachgekommen. Vielmehr habe er lediglich Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eines Facharztes für Allgemeinmedizin vorgelegt, die der Überprüfung durch den Polizeiarzt nicht standgehalten hätten. Der Beamte habe auch schuldhaft gehandelt. Denn er habe nicht davon ausgehen können, dem Dienst fernbleiben zu dürfen. Ihm sei bekannt gewesen, dass der Polizeiarzt ihn am 16. Mai 1995 für polizeidienstfähig befunden habe. Von diesem Zeitpunkt an habe er sich auf das anders lautende polizeiärztliche Gutachten vom 24. Mai 1994 nicht mehr berufen können. Der Beamte habe auch durch die Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten seine Dienstpflichten verletzt. Er habe am 26. Mai 1991 eine Flugausbildung begonnen, am 2. April 1992 den Luftfahrtschein für Privatflugzeugführer, am 22. Februar 1994 den Luftfahrerschein für Berufsluftfahrzeugführer und am 10. September 1996 die Berechtigung zur praktischen Ausbildung von Privatflugzeugführern erworben. Er habe auch in der Zeit, in der er sich unter Vorlage privatärztlicher Atteste krank gemeldet habe, Flüge durchgeführt. So habe er 1994 290 Flugstunden und 1995 77 Flugstunden absolviert, für die er bezahlt worden sei. Der Beamte sei außerdem vom 21. Februar 1997 bis zum 4. Juli 1997 als Fluglehrer tätig gewesen und habe dafür ein Honorar von ca. 840,-- DM erhalten. Des Weiteren habe der Beamte am 1. Oktober 1994 bei der Stadt D. einen selbständigen Sicherheitsdienst angemeldet. Für dieses Unternehmen sei er bis zum 17. Oktober 1995 offiziell und danach faktisch als Geschäftsführer tätig gewesen. Darüber hinaus habe er Objekte und Veranstaltungen bewacht. Außerdem habe er Schlüsseldienste und Streifengänge unternommen. Die Tätigkeiten als Berufsluftfahrzeugführer und Fluglehrer seien ebenso wie die Arbeit als Geschäftsführer und Wachdienstleistender der I. genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten gewesen, die der Beamte ohne Genehmigung ausgeübt habe. Zwar zählten Tätigkeiten, die dem Privatleben zuzuordnen seien, nicht zu den genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten. Das treffe auf die o. g. Tätigkeiten aber nicht zu, weil bei ihnen berufliche bzw. geschäftliche Aspekte im Vordergrund gestanden hätten. Der Beamte sei für die Arbeit als Luftfahrzeugführer und Fluglehrer bezahlt worden. Dass er die vereinnahmten Gelder ausgegeben habe, um seinem Hobby als Privatflieger nachgehen zu können, sei unerheblich. Bei der Tätigkeit für den Y. habe es sich ebenfalls um eine geschäftliche Tätigkeit gehandelt. Sein Einsatz sei eindeutig über den eines mithelfenden Familienangehörigen hinausgegangen. Er habe seine Dienstpflichten ferner durch den Besitz und das Aufbewahren von Polizeipatronen verletzt. Er habe von Ende 1993 bis Ende April 1996 65 Patronen, die von der Polizei angeschafft worden seien, zunächst in seinem häuslichen Schreibtisch und seit 1995 im Büro des Z. aufbewahrt, ohne dafür eine Erlaubnis der zuständigen Behörde oder der Polizei gehabt zu haben. Damit habe er gegen Vorschriften über die Aufbewahrung von Munition für Polizeidienstwaffen verstoßen, die ihm bekannt gewesen seien. Diese Pflichtverletzung sei zwar außerhalb des Dienstes erfolgt, stelle aber dennoch ein Dienstvergehen dar, weil sie geeignet sei, das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung des Beamten nachhaltig zu beeinträchtigen. Dagegen lasse sich nicht feststellen, dass der Beamte Frau L. am 13. März 1997 in den Geschäftsräumen des Z. bedroht und genötigt habe, über Angelegenheiten der Firma zu schweigen. Da der Beamte im Kernbereich seiner Pflichten als Polizeibeamter versagt habe, sei er aus dem Dienst zu entfernen. Durch das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst, die Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten und den Besitz von Polizeipatronen habe er das Vertrauensverhältnis zerstört, das für das ordnungsgemäße Funktionieren des öffentlichen Dienstes unerlässlich sei. Im disziplinargerichtlichen Verfahren sei deutlich geworden, dass dem Beamten die notwendige Grundeinstellung zu seinem Beruf fehle.

Gegen das ihm am 8. Juli 2003 zugestellte Urteil hat der Beamte Berufung eingelegt, die am 25. Juli 2003 eingegangen ist.

Zur Begründung der Berufung trägt der Beamte im Wesentlichen Folgendes vor: Das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen rechtfertige allenfalls eine Gehaltskürzung, keineswegs aber seine Entfernung aus dem Dienst. Er sei damals davon ausgegangen, dass er wegen seiner Knieverletzung nicht zum Dienst habe erscheinen müssen. Der Polizeiarzt Dr. E. habe in seinem Gutachten vom 24. Mai 1994 festgestellt, dass er polizeidienstunfähig sei. Diese Feststellung habe Dr. E. in seiner amtsärztlichen Stellungnahme vom 16. Mai 1995 bestätigt. Deshalb habe er angenommen, keinen Dienst leisten zu müssen. Daran habe die amtsärztliche Stellungnahme vom 21. August 1995 nichts geändert. Denn diese Stellungnahme beruhe auf dem Bericht des Facharztes für Orthopädie H. vom 17. August 1995, der von seiner Dienstfähigkeit ausgegangen sei, obwohl er die besonderen Anforderungen an die Polizeidienstfähigkeit nach der PDV 300 nicht geprüft habe. Dass er - der Beamte - zu schnellem Laufen nicht fähig gewesen und deshalb nach der PDV 300 nicht polizeidienstfähig gewesen sei, ergebe sich schließlich auch aus dem orthopädischen Fachgutachten der AA. vom 21. Mai 1997 und der gutachterlichen Stellungnahme des V. vom 29. August 1995. Im Übrigen habe er für den gesamten Zeitraum privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Deshalb sei er davon ausgegangen, keinen Dienst tun zu müssen. Allerdings müsse er einräumen, dass ein Rechtsanwalt ihm nach dem Erlass der Verfügung der Bezirksregierung F. vom 3. August 1995 erklärt habe, er müsse nun wohl zum Dienst erscheinen. Der Vorwurf, ohne Genehmigung Nebentätigkeiten nachgegangen zu sein, treffe nicht zu, wäre aber auch nicht schwerwiegend. Die Funktion des Geschäftsführers des Z. habe er nur kurzzeitig ausgeübt. Diese Tätigkeit sei auch mit keinem nennenswerten Zeitaufwand verbunden gewesen. Er habe zudem keine Vergütung erhalten. Bei seinen fliegerischen Aktivitäten habe es sich um eine reine Freizeitgestaltung gehandelt. Die Einnahmen, die er als Berufsflugzeugführer und durch die Ausbildung von Privatflugzeugführern erzielt habe, seien geringfügig gewesen und hätten weit unter den Ausgaben für sein Hobby gelegen. Der Erwerb der Berufspiloten- und der Fluglehrerlizenz habe allein dem Zweck gedient, ihm die Fortsetzung des Hobbys der Fliegerei zu ermöglichen, weil er dadurch mit relativ geringerem eigenen finanziellen Aufwand habe fliegen können. Er sei deshalb damals davon ausgegangen, für diese Tätigkeit keine Nebentätigkeitsgenehmigung zu benötigen. Sollte die Tätigkeit genehmigungsbedürftig gewesen sein, hätte er aber ohne Weiteres eine Nebentätigkeitsgenehmigung erhalten. Der Besitz der Patronen aus Polizeibeständen stelle ebenfalls keine erhebliche Dienstpflichtverletzung dar. An dem Tag, an dem er die Patronen von einem Kollegen erhalten habe, habe er vergessen, diese zur Waffenwerkstatt zu bringen. Deshalb habe er sie in seinem Schreibtisch zu Hause zur Aufbewahrung verschlossen. In der Folgezeit habe er nicht mehr an die Patronen gedacht. Deshalb könne von einem gravierenden Verstoß gegen die Vorschriften über die Verwendung von Munition keine Rede sein.

Der Beamte beantragt,

das Urteil der Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Oldenburg vom 30. Juni 2003 zu ändern und auf eine Gehaltskürzung zu erkennen.

Der Vertreter der Einleitungsbehörde beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und erwidert: Die Behauptung des Beamten, dass seine Knieverletzung sein Fernbleiben vom Dienst gerechtfertigt habe, sei nicht zutreffend. Denn der Polizeiarzt Dr. E. habe die Polizeidienstfähigkeit des Beamten festgestellt. Der Beamte könne sich für seine Behauptung auch nicht auf die Gutachten des V. und der U. berufen. Im Übrigen habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 7. März 1996 (2 M 6671/95) ausgeführt, dass von einer Polizeidienstunfähigkeit erst dann ausgegangen werden könne, wenn sie aufgrund eines Gutachtens eines Amtsarztes oder eines beamteten Arztes gemäß § 226 Abs. 2 NBG feststehe. Ein derartiges Gutachten habe im Falle des Beamten jedoch nicht vorgelegen. Abgesehen davon wäre der Beamte aber auch dann, wenn er im Sinne der PDV 300 formal polizeidienstunfähig gewesen wäre, verpflichtet gewesen, die ihm angebotene und zumutbare Arbeit als Sachbearbeiter im zentralen Kriminaldienst zu erledigen. Der Beamte habe ferner durch den Besitz der Polizeipatronen und die Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten seine Dienstpflichten massiv verletzt. Daher sei er aus dem Dienst zu entfernen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird ergänzend auf die Gerichtsakten und die Beiakten A bis X Bezug genommen.

IV.

Die Berufung ist unbegründet. Denn die Disziplinarkammer hat zu Recht entschieden, dass der Beamte wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienst zu entfernen ist.

Die Disziplinarkammer hat zutreffend festgestellt, dass der Beamte dadurch ein schweres Dienstvergehen begangen hat, dass er monatelang unerlaubt dem Dienst ferngeblieben ist, während dieser Zeit ohne Genehmigung genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten ausgeübt und gegen Vorschriften über die Aufbewahrung von Munition für Polizeiwaffen verstoßen hat.

Nach § 81 Abs. 1 NBG darf ein Beamter dem Dienst nicht ohne Genehmigung fernbleiben, wenn er nicht krank, aus anderen Gründen dienstunfähig oder durch eine vorübergehende gesetzliche Verpflichtung gehindert ist, seine Dienstpflichten zu erfüllen. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Beamte diese Bestimmung und damit die Pflicht, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 63 Satz 1 NBG), schuldhaft verletzt hat.

Die Verwaltungsvorgänge belegen, dass der Beamte in der Zeit vom 8. August 1995 bis zum 31. Januar 1996 und vom 14. Februar 1996 bis zum 19. März 1996 nicht zum Dienst erschienen ist. Dieses Verhalten, das der Beamte nicht in Abrede stellt, ist dienstpflichtwidrig gewesen, weil keine Gründe vorgelegen haben, die nach § 81 Abs. 1 NBG das Fernbleiben vom Dienst erlaubt hätten.

Der Beamte kann insbesondere nicht geltend machen, dass er wegen seiner Knieverletzung dann haftpolizeidienstunfähig gewesen sei und deshalb keinen Dienst habe leisten müssen. Nach § 226 Abs. 1 NBG in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Februar 1994 (Nds. GVBl. S. 2) ist ein Polizeivollzugsbeamter dienstunfähig, wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt. Nach § 226 Abs. 2 NBG wird die Polizeidienstunfähigkeit durch den Dienstvorgesetzten aufgrund des Gutachtens eines Amtsarztes oder eines beamteten Arztes festgestellt. Folglich kann von einer Polizeidienstunfähigkeit erst dann ausgegangen werden, wenn der Dienstvorgesetzte eine entsprechende Feststellung getroffen hat. Eine derartige Feststellung liegt hier jedoch nicht vor. Im Gegenteil hat die Bezirksregierung F. den Antrag des Beamten, ihn wegen Polizeidienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, bestandskräftig abgelehnt. Daher konnte und kann der Beamte nicht geltend machen, dass er in dem o. g. Zeitraum wegen Polizeidienstunfähigkeit nicht zum Dienst habe erscheinen müssen.

Abgesehen davon existiert auch kein Gutachten eines Amtsarztes oder beamteten Arztes, das die Behauptung des Beamten, er sei in dem o. g. Zeitraum polizeidienstunfähig gewesen, stützen könnte. Medizinaldirektor Dr. E. hat in seinem polizeiärztlichen Gutachten vom 24. Mai 1994 zwar zunächst festgestellt, dass der Bewegungsapparat des Beamten wegen nachgewiesener Schäden im Bereich beider Kniegelenke nur eingeschränkt belastungsfähig sei, der Beamte weder Sprints noch schnelle Läufe durchführen könne und nach den Kriterien der PDV 300 polizeidienstunfähig sei. In seiner späteren gutachterlichen Stellungnahme vom 16. Mai 1995 ist Dr. E. aber zu der Einschätzung gelangt, dass der Beamte alle Tätigkeiten, die Sprints oder längere Laufleistungen nicht erfordern, ausüben könne, insbesondere in der Lage sei, uneingeschränkt Wach- oder Innendienst zu leisten, und daher für die allgemeine Verwaltung und den Innendienst ohne die Notwendigkeit schnellen Laufens und Sprintens polizeidienstfähig sei. Schließlich hat Dr. E. in seiner Stellungnahme vom 21. August 1995 nach Auswertung des Schreibens des Facharztes für Orthopädie H. vom 17. August 1995 die Auffassung vertreten, dass der Beamte ab sofort in vollem Umfang polizeidienstfähig sei. In seiner Stellungnahme vom 23. November 1995 hat er darüber hinaus festgestellt, dass mit einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes des Beamten zu rechnen sei, so dass die Polizeidienstfähigkeit auf lange Sicht bestehe. Zumindest könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Polizeidienstfähigkeit nicht innerhalb von 2 Jahren wieder herstellbar sei. Folglich lassen sich den Gutachten und Stellungnahmen des Polizeiarztes keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Beamte in dem hier relevanten Zeitraum vom 8. August 1995 bis zum 31. Januar 1996 und vom 14. Februar 1996 bis zum 19. März 1996 i.S.d. § 226 Abs. 1 NBG polizeidienstunfähig gewesen sein könnte.

Abgesehen davon wäre der Beamte aber auch dann nicht berechtigt gewesen, dem Dienst fernzubleiben, wenn er infolge der Unfähigkeit schnellen Laufens und Sprintens tatsächlich polizeidienstunfähig gewesen wäre. Denn die Knieverletzung hat den Beamten nach keinem der vorliegenden ärztlichen Gutachten daran gehindert, 1995/96 Innendienst zu leisten. Die polizeiärztliche Stellungnahme vom 16. Mai 1995 betont ausdrücklich, dass der Beamte für den Innendienst ohne die Notwendigkeit schnellen Laufens und Sprintens, den Wechselschichtdienst und die allgemeine Verwaltung uneingeschränkt dienstfähig gewesen ist. Deshalb hat die Bezirksregierung F. dem Beamten eine Innendiensttätigkeit angeboten, die er trotz seiner Knieverletzung hätte ausüben können. Denn die Bezirksregierung hat ihm mit Schreiben vom 4. Juli 1995 mitgeteilt, dass vorgesehen sei, ihn ab dem 10. Juli 1995 bei der Polizeiinspektion D. als Sachbearbeiter im zentralen Kriminaldienst zu verwenden, und zugleich darauf hingewiesen, dass er auf diesem Dienstposten nach den Maßgaben der polizeiärztlichen Stellungnahme vom 16. Mai 1995 eingesetzt werden könne. Angesichts dieser Erklärung des Dienstherrn hätte der Beamte selbst bei Vorliegen einer Polizeidienstunfähigkeit i. S. d. § 226 Abs. 1 NBG dem Dienst nicht fernbleiben dürfen (vgl. Bay.VGH, Beschl. v. 17.5.1983 - Bay.VBl. 1983 S. 660; OVG Koblenz, Urt. v. 2.5.2002 - 3 A 10366/01.OVG -; OVG Münster, Urt. v. 18.4.2002 - 6 D A 5177/00.O).

Der Beamte kann schließlich auch nicht einwenden, dass er in dem fraglichen Zeitraum keinen Dienst habe leisten müssen, weil er vorübergehend dienstunfähig gewesen sei, wie sich aus den von ihm vorgelegten privatärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergeben. Denn er war nicht berechtigt, aufgrund dieser Bescheinigungen dem Dienst fernzubleiben.

Nach § 81 Abs. 1 Satz 3 NBG ist die Dienstunfähigkeit wegen Krankheit auf Verlangen nachzuweisen. Diese Vorschrift begründet eine Mitwirkungspflicht des Beamten und trägt dem Gesichtspunkt Rechnung, dass Umstände, die die persönliche Sphäre des Beamten betreffen, ohne seine Mitwirkung vielfach nicht aufgeklärt werden können (vgl. zu § 73 Abs. 1 Satz 2 BBG: Fürst, GKÖD, § 73 BBG, RdNr. 36). Verletzt der Beamte diese Mitwirkungspflicht, indem er es z. B. ablehnt, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, geht die Nichterweislichkeit der vorübergehenden Dienstunfähigkeit zu seinen Lasten, weil er die Aufklärung des Sachverhalts erschwert oder gar vereitelt hat (vgl. Fürst, a.a.O., § 93 BBG, RdNr. 36; NDH, Urt. v. 20.3.2002 - 2 NDH L 3785/00 -).

Im vorliegenden Fall hat die Bezirksregierung F. die Mitwirkungspflicht des Beamten durch Bescheid vom 3. August 1995 konkretisiert, indem sie dem Beamten unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgegeben hat, jede weitere Arbeitsunfähigkeit durch den Polizeiarzt bestätigen zu lassen. Diese Anordnung hätte der Beamte trotz seines Widerspruchs befolgen müssen, weil der Widerspruch aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung hatte. Dennoch ist der Beamte der Anordnung nicht nachgekommen. Dadurch hat er seine Mitwirkungspflicht verletzt und die Aufklärung des Sachverhalts schuldhaft vereitelt. Folglich gehen die Zweifel an der Richtigkeit der von ihm vorgelegten privatärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die nicht mehr aufklärbar sind, zu seinen Lasten.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G. hat dem Beamten am 8. August 1995 bescheinigt, bis voraussichtlich zum 14. August 1995 arbeitsunfähig zu sein. In der Folgezeit hat Dr. G. weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen Kniegelenksleidens, depressiven Erschöpfungszustands und Gastroenteritis ausgestellt. Der Facharzt für Orthopädie H., an den der Beamte überwiesen worden ist, hat Dr. G. mit Schreiben vom 17. August 1995 indessen mitgeteilt, dass der Beamte seines Erachtens weder dienst- noch arbeitsunfähig sei. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist Medizinaldirektor Dr. E. in seiner Stellungnahme vom 21. August 1995 zu der Einschätzung gelangt, dass der Beamte ohne Einschränkungen polizeidienstfähig ist. Darüber hinaus ist der Beamte am 17. November 1995 dem Internisten und Gastrointerologen Dr. AB. vorgestellt worden. Dieser konnte eine akute Erkrankung im Magen-Darm-Trakt nicht feststellen. Auch eine Magenspiegelung ergab keine Anhaltspunkte für eine derartige Erkrankung. Daraufhin hat Medizinaldirektor Dr. E. am 23. November 1995 festgestellt, dass er die Krankmeldung wegen einer angeblichen Magen-Darm-Erkrankung für nicht berechtigt halte. Eine Depression im psychiatrischen Sinne liege ebenfalls nicht vor. Schließlich hat der Polizeiarzt in seiner Stellungnahme vom 19. März 1996 zu den vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. AC. am 14. und 29. Februar 1996 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgeführt, dass der Beamte für den gesamten Zeitraum dieser Krankmeldungen dienstfähig gewesen sei.

Ob diese ohne eingehende Untersuchung des Beamten getroffenen Feststellungen des Polizeiarztes zutreffend sind, kann hier dahinstehen. Sie begründen jedenfalls erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der privatärztlichen Bescheinigungen, die sich nach Ablauf von fast 10 Jahren auch nicht mehr ausräumen lassen. Diese Zweifel gehen zu Lasten des Beamten. Daher ist davon auszugehen, dass er in der Zeit vom 8. August 1995 bis zum 31. Januar 1996 und vom 14. Februar 1996 bis zum 19. März 1996 dem Dienst unerlaubt ferngeblieben ist.

Dieses Verhalten ist auch schuldhaft gewesen. Dem Beamten war bekannt, dass der Polizeiarzt ihn am 16. Mai und 21. August 1995 als polizeidienstfähig beurteilt hatte. Er konnte auch aufgrund der privatärztlichen Krankschreibungen nicht davon ausgehen, dem Dienst fernbleiben zu dürfen. Die Bezirksregierung F. hat ihm durch Bescheid vom 3. August 1995 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgegeben, jede weitere Arbeitsunfähigkeit durch den Polizeiarzt bescheinigen zu lassen. Daher war ihm bekannt, dass er ohne eine polizeiärztliche Bescheinigung seiner Dienstunfähigkeit dem Dienst nicht fernbleiben durfte. Folglich hat er seine Dienstpflichten vorsätzlich verletzt. Dafür spricht auch, dass er - nach eigenen Angaben in der Hauptverhandlung - nach dem Erlass des Bescheides vom 3. August 1995 von einem Rechtsanwalt die Auskunft erhalten hat, nun wohl zum Dienst erscheinen zu müssen.

Der Beamte hat ferner durch die Tätigkeiten als Berufsluftfahrzeugführer und Fluglehrer sowie als Geschäftsführer und Wachdienstleistender der I. Dienstpflichten verletzt, weil er diese Tätigkeiten entgegen § 73 Abs. 1 NBG ohne Genehmigung und damit unerlaubt ausgeübt hat.

Nach § 73 Abs. 1 NBG bedarf der Beamte zur Übernahme jeder Nebentätigkeit mit Ausnahme der in § 74 NBG abschließend aufgeführten der vorherigen Genehmigung, soweit er nicht nach § 72 NBG zu ihrer Wahrnehmung verpflichtet ist. Zu den Nebentätigkeiten i. S. d. § 73 Abs. 1 NBG gehören nach § 71 a Abs. 1 Satz 1 NBG Nebenämter und Nebenbeschäftigungen. Bei einer Nebenbeschäftigung handelt es sich um jede neben dem Hauptamt übernommene entgeltliche oder unentgeltliche Beschäftigung mit beruflichem oder geschäftlichem Inhalt. Danach ist die Betätigung als Berufsluftfahrzeugführer und Fluglehrer, für die der Beamte bezahlt worden ist, eine Nebentätigkeit gewesen, weil sie - wofür schon ihre Bezeichnung spricht - eine berufliche bzw. geschäftliche Tätigkeit darstellt und nicht der Freizeitgestaltung zugeordnet werden kann. Dass die Einnahmen aus dieser Tätigkeit nicht besonders hoch gewesen sind, steht dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass der Beamte die vereinnahmten Gelder nach eigenem Bekunden verwendet hat, um seinem Hobby als Privatflieger nachgehen zu können.

Der Disziplinarkammer ist ferner darin zuzustimmen, dass auch die Tätigkeit des Beamten für die I. eine Nebentätigkeit i. S. d. § 73 Abs. 1 NBG gewesen ist. Das Unternehmen hat nach Angaben auf den Geschäftspapieren Sicherheitsanalysen, Securityservice, Personen- und Objektschutz, Funkpatroliendienste, Chauffeurdienste sowie Baustellenüberwachungen durchgeführt und Alarmanlagen installiert. Die Betätigung als Geschäftsführer und Wachdienstleistender eines derartigen Unternehmens stellt eine geschäftliche Tätigkeit und damit eine Nebentätigkeit dar. Dem kann der Beamte nicht entgegenhalten, dass er für diese Tätigkeit kaum Zeit aufgewandt und keine Vergütung erhalten habe. Zum einen kommt es nicht entscheidend darauf an, ob er ein Entgelt bezogen hat, da auch unentgeltliche Nebenbeschäftigungen Nebentätigkeiten im Sinne des § 73 Abs. 1 NBG sind. Zum anderen ist die Darstellung, dass er die Tätigkeit ohne nennenswerten Zeitaufwand ausgeübt habe, unzutreffend. Insoweit wird auf die Feststellungen der Disziplinarkammer und den zusammenfassenden Untersuchungsbericht des Untersuchungsführers vom 25. September 2001, insbesondere die dortige Tätigkeitsübersicht, verwiesen, die den Einwand des Beamten eindeutig widerlegen. Die Disziplinarkammer hat deshalb auch zutreffend festgestellt, dass der Einsatz des Beamten eindeutig das Maß dessen überstieg, was von einem mithelfenden Familienangehörigen erwartet werden konnte.

Die o. g. Nebentätigkeiten sind auch nicht erlaubt gewesen, weil sie genehmigungsbedürftig waren, aber nicht genehmigt worden sind und weil der Beamte nach § 72 NBG zu ihrer Ausübung nicht verpflichtet war. Damit hat der Beamte ungeachtet dessen, ob die Nebentätigkeitsgenehmigungen, wenn sie beantragt worden wären, hätten versagt werden müssen, dienstpflichtwidrig gehandelt. Abgesehen davon hat die Disziplinarkammer aber auch zutreffend festgestellt, dass die Nebentätigkeiten nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 2 und 6 NBG nicht genehmigungsfähig gewesen sind.

Durch den Besitz der Polizeipatronen und deren Aufbewahrung in seiner Wohnung und in den Büroräumen der AD. hat der Beamte ferner gegen Vorschriften über die Aufbewahrung von Munition für Polizeidienstwaffen verstoßen. Darin liegt eine Dienstpflichtverletzung, die der Beamte zumindest grob fahrlässig begangen hat. Ob diese innerhalb des Dienstes erfolgt ist, kann dahinstehen. Denn die Pflichtverletzung wäre auch dann, wenn sie außerdienstlich erfolgt wäre, ein Dienstvergehen, weil sie nach den Umständen des Einzelfalls geeignet war, das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung des Beamten nachhaltig zu beeinträchtigen (§ 85 Abs. 1 Satz 2 NBG).

Die vorstehend aufgeführten Pflichtverletzungen des Beamten stellen ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 NDO, 85 Abs. 1 Satz 1 NBG dar, das die Entfernung des Beamten aus dem Dienst (§ 11 NDO) zur Folge hat.

Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst setzt voraus, dass das für die Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten endgültig zerrüttet ist (vgl. u. a. NDH, Beschl. v. 23.6.2003 - 1 NDH M 2/03 -). Das ist hier eindeutig der Fall. Der Beamte hat durch das monatelange unerlaubte Fernbleiben vom Dienst, die gleichzeitige Ausübung von Nebentätigkeiten ohne Genehmigung und den Besitz von Polizeipatronen seine Dienstpflichten massiv und über einen langen Zeitraum hinweg verletzt. Damit hat er im Kernbereich seiner Pflichten als Polizeibeamter versagt. Dass der Beamte fast ein halbes Jahr unerlaubt dem Dienst ferngeblieben ist, stellt allein schon ein schweres Dienstvergehen dar, das in aller Regel eine Entfernung aus dem Dienst rechtfertigt. Dass er aber während dieser Zeit auch noch ohne Nebentätigkeitsgenehmigungen einen privaten Wach- und Sicherheitsdienst geleitet und in erheblichem Umfang als Berufspilot gearbeitet hat, macht seine Entfernung aus dem Dienst unerlässlich. Denn dieses Verhalten zeigt nicht nur, dass dem Beamten die notwendige Grundeinstellung zu seinem Beruf völlig fehlt, sondern belegt auch, dass er auf selbstverständliche beamtenrechtliche Pflichten und die Belange seines Dienstherrn keine Rücksicht nimmt und ausschließlich seine privaten Interessen verfolgt. Einem solchen Beamten kann der Dienstherr das für ein Verbleiben im Amt notwendige Vertrauen nicht mehr entgegenbringen. Das gilt umso mehr, als der Beamte angesichts seiner vielen Fehlzeiten seit April 1994 allen Anlass gehabt hätte, seine ohnehin eingeschränkte Arbeitskraft ausschließlich seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen.

Abgesehen davon hat das Verhalten des Beamten dem Ansehen der Polizei und der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit einen schweren Schaden zugefügt, der einer Weiterverwendung im öffentlichen Dienst entgegensteht. Denn die Öffentlichkeit hat kein Verständnis dafür, dass ein Polizeibeamter wegen vermeintlicher Urlaubszeit unerlaubt dem Dienst fernbleibt, gleichzeitig aber in einem von ihm gegründeten Y. ohne Genehmigung des Dienstherrn federführend tätig ist und darüber hinaus auch noch als Berufsluftfahrzeugführer arbeitet.

Milderungsgründe, die es rechtfertigen könnten, von der disziplinarischen Höchstmaßnahme abzusehen, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Eine Änderung der auf § 76 Abs. 1 NDO beruhenden Entscheidung der Disziplinarkammer zum Unterhaltsbeitrag ist nicht beantragt worden. Daher ist diese Entscheidung im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen.

Ende der Entscheidung

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