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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 12 LC 201/04
Rechtsgebiete: BSHG, SGB X, VwGO


Vorschriften:

BSHG § 88
SGB X § 45
SGB X § 50
VwGO § 82 I
1. Die erforderliche Bestimmtheit des Klagebegehrens kann grundsätzlich noch nach Ablauf der Klagefrist herbeigeführt werden.

2. Eine Beschränkung der Rücknahme der im Beurteilungszeitraum ergangenen sozialhilferechtlichen Bewilligungsbescheide auf den Betrag des höchsten Vermögensstandes in diesem Zeitraum abzüglich des Schonvermögens entspricht in den Fällen verschwiegenen Vermögens im Regelfall einer sachgerechten Ausübung des Rücknahmeermessens.


Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass der Beklagte die in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Dezember 2000 bis zum 31. Januar 2002 erlassenen Bescheide über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt wegen von der Klägerin nicht angegebenen Vermögens vollständig zurückgenommen und die geleisteten Hilfebeträge in voller Höhe zurückgefordert hat.

Die am 9. März 1966 geborene Klägerin studierte von Oktober 1993 bis November 2000 Sozialwissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen. Während der Zeit ihres Studiums, das sie am 23. November 2000 mit der Diplomprüfung abschloss, erhielt sie durch das Studentenwerk Göttingen im Auftrag für das Amt für Ausbildungsförderung bei der Universität Göttingen Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

Da die Klägerin nach Abschluss ihres Studiums keinen Arbeitsplatz fand, beantragte sie zusammen mit ihrem am 6. Dezember 1995 geborenen Sohn Bashir - die an diesen gezahlten Hilfen sind nicht Gegenstand des hier zu entscheidenden Verfahrens - bei der in Sozialhilfeangelegenheiten namens und im Auftrag des Beklagten handelnden Stadt Göttingen am 30. November 2000 die Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt. In dem von ihr unterschriebenen Antragsformular verneinte sie die Frage nach dem Bestehen von Bausparverträgen oder sonstigen Sparverträgen. In einer ebenfalls von der Klägerin unterzeichneten Niederschrift, die im Zusammenhang mit der Antragstellung im Sozialamt der Stadt Göttingen gefertigt wurde, heißt es u.a.: "Außer den jetzt im Sozialhilfegrundantrag genannten sind keine weiteren Einkommens- und Vermögenswerte vorhanden und auch nicht zu erwarten. Über die §§ 60 bis 67 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB AT) wurde ich belehrt." Ab dem 1. Dezember 2000 bewilligte die Stadt Göttingen der Klägerin fortlaufend - der erste Leistungsbescheid datiert vom 11. Dezember 2000 - Hilfe zum Lebensunterhalt und gleichzeitig pauschaliertes Wohngeld bzw. den besonderen Mietzuschuss nach dem Wohngeldgesetz (WoGG). Außerdem erhielt die Klägerin innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraumes Weihnachtsbeihilfen, pauschale Bekleidungsbeihilfen und weitere einmalige Leistungen. Insgesamt beliefen sich die Leistungen, die der Klägerin auf der Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gewährt wurden, auf 6.737,21 EUR; daneben wurden als pauschaliertes Wohngeld bzw. besonderer Mietzuschuss 2.610,04 EUR gezahlt.

Ab Anfang des Jahres 2002 bezog die Klägerin im Rahmen einer von der Stadt Göttingen geschaffenen Maßnahme nach § 19 Abs. 1 BSHG ein an den Regelungen des BAT orientiertes Gehalt. Deshalb stellte die Stadt Göttingen mit Bescheiden vom 8. März 2002 die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt mit Wirkung zum 1. Februar 2002 und die Leistung des besonderen Mietzuschusses mit Ablauf des 31. Dezember 2001 ein. Die im Jahr 2002 eingetretenen Überzahlungen glich die Klägerin aus.

Anfang März 2002 erfuhr die Stadt Göttingen über das Bundesamt für Finanzen gemäß §§ 117 Abs. 1 Nr. 3 BSHG, 45 d EStG davon, dass für die Klägerin im Jahr 2000 ein Freistellungsauftrag betreffend die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen geführt wurde. Die Klägerin legte daraufhin auf wiederholte entsprechende Anforderung der Stadt Göttingen im April 2002 Kopien aus dem Sparbuch über das Sparkonto vor, das für sie bei der Sparkasse Göttingen bestand. Hiernach belief sich das Sparvermögen der Klägerin am Ende des Jahres 2000 auf 11.986,73 DM (entspricht 6.128,72 EUR) und betrug am 1. Januar 2002 5.920,64 EUR.

Mit - soweit ersichtlich ohne vorherige förmliche Anhörung erlassenen - Bescheid vom 10. März 2003 nahm die Stadt Göttingen die in dem streitgegenständlichen Zeitraum ergangenen Bescheide über laufende und einmalige Sozialhilfeleistungen unter Berufung auf § 45 SGB X zurück und forderte gleichzeitig die auf der Grundlage der aufgehobenen Bescheide erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 6.737,21 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zurück. In der Begründung des Bescheides führte sie aus, der Klägerin sei die Hilfe zum Lebensunterhalt zu Unrecht bewilligt worden. Diese habe bei Beantragung der Sozialhilfe Ende November 2000 und während der gesamten Dauer der Hilfegewährung über ein Sparguthaben verfügt, das erheblich über dem kleinen Barbetrag im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) der Verordnung zur Durchführung dieser Vorschrift in Höhe von 2.500,00 DM bzw. 1.279,00 EUR gelegen habe. Da die Klägerin ihr Vermögen nicht zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes eingesetzt habe und sich die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauches verbiete, habe dieses Vermögen nicht nur bei der Beantragung von Sozialhilfe, sondern auch zu jedem späteren Zahlungszeitpunkt dem Bezug von Sozialhilfe entgegengestanden. Die Härtefallregelung des § 88 Abs. 3 BSHG habe den Vermögenseinsatz nicht ausgeschlossen. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der Leistungsbewilligungen könne sich die Klägerin nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht berufen, da sie bei der Beantragung von Sozialhilfe die Existenz eines Sparvermögens verneint habe, was zumindest als grob fahrlässig zu bewerten sei. Ihr Rücknahmeermessen nach § 45 Abs. 1 SGB X übte die Stadt Göttingen dahingehend aus, dass für einen Verzicht auf eine Rückforderung keinerlei Veranlassung bestehe sondern es im besonderen öffentlichen Interesse liege, Leistungen, die aufgrund falscher Angaben bewilligt worden seien, konsequent zurückzuverlangen.

Mit einer separaten Verfügung vom 10. März 2003 hob die Stadt Göttingen die Bescheide auf, mit denen sie der Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum pauschaliertes Wohngeld bzw. besonderen Mietzuschuss nach dem Wohngeldgesetz gewährt hatte, und forderte auch diese Beträge zurück. Insoweit fand eine Verrechnung mit dem nachträglich berechneten, vom Betrag her höheren allgemeinen Wohngeld statt.

Mit mehreren Bescheiden - deren erster datiert vom 30. Mai 2003 - forderte das Studentenwerk Göttingen für die Zeit ab April 1998 von der Klägerin wegen bisher unberücksichtigt gebliebenen Vermögens die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erbrachten Leistungen in einer Höhe von 6.077,28 EUR zurück. Diese Forderung glich der Vater der Klägerin aus.

Am 2. April 2003 erhob die Klägerin gegen den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid der Stadt Göttingen vom 10. März 2003 über die nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährten Leistungen Widerspruch. Zur Begründung dieses Rechtsbehelfs führte sie mit anwaltlichem Schreiben vom 31. März 2003 aus, ihr habe ein Vermögensbetrag von höchstens 6.128,72 EUR zur Verfügung gestanden. Nach Abzug des Schonvermögensbetrages hätte ein Betrag von maximal 4.849,72 EUR zurückgefordert werden dürfen. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2003 zurück.

Am 4. Juli 2003 hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben, die sie ausdrücklich als Teilanfechtungsklage bezeichnet hat. Sie hat der Klageschrift die angefochtenen Bescheide beigefügt und um Gewährung von Akteneinsicht gebeten, bevor sie zum Umfang der Teilanfechtung Stellung nehme und zur Klagebegründung vortrage. Nach gehaltener Akteneinsicht hat die Klägerin mit einem am 26. September 2003 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz die Klage begründet und eine vollständige Aufhebung des Bescheides der Stadt Göttingen vom 10. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 16. Juni 2003 begehrt. Mit einem am 2. Dezember zur Gerichtsakte gereichten Schriftsatz hat sie weiter vorgetragen und ihr Klagebegehren wiederum auf eine teilweise Bescheidaufhebung - soweit sich eine über 4.849,00 EUR hinausgehende Forderung ergebe - beschränkt.

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie könne sich entgegen der in dem angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gelangenden Einschätzung auf Vertrauensschutz berufen, da sie aufgrund der in dem Antragsformular enthaltenen Formulierungen davon ausgegangen sei, alle relevanten Daten mitgeteilt zu haben. In dem Formular sei ausdrücklich nur nach Bausparverträgen und Sparverträgen gefragt worden, einfache Sparkonten würden durch diese Begriffe nicht erfasst. Unabhängig hiervon sei der Erlass des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides - jedenfalls wegen des Vorliegens von Ermessensfehlern - rechtswidrig, weil unbeachtet gelassen worden sei, dass sie, die Klägerin, wegen ihres nicht offenbarten Sparguthabens auch die bereits vor der Beantragung von Sozialhilfe bezogenen Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zurückzuzahlen habe, so dass sie bereits deswegen so gestellt werden müsse, als habe sie bereits im Dezember 2000 kein Sparguthaben mehr gehabt. Auf jeden Fall habe die Rückforderungssumme auf den Betrag ihres Sparvermögens zum Zeitpunkt der Antragstellung abzüglich des Schonbetrages nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG begrenzt werden müssen. Der abzuschöpfende Vorteil bestehe allein darin, dass Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt worden sei, ohne dass sie zuvor - in einem entsprechenden Zeitraum - das den Schonbetrag übersteigende Sparguthaben zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes habe einsetzen müssen. Die in den Begründungen der angefochtenen Bescheide in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum fiktiven Vermögensverbrauch im Sozialhilferecht (Urt. v. 19.12.1997 - BVerwG 5 C 7.96 -, BVerwGE 106, 105 ff) betreffe die Konstellation der erstmaligen Gewährung von Sozialhilfe und nicht die hier in Rede stehende Rückforderung einer rechtswidrig erbrachten Leistung. Durch die Rückforderung der gesamten gewährten Sozialhilfeleistungen ohne eine Beschränkung auf das vorhandene Guthaben und eine Berücksichtigung des Vermögensschonbetrages gewönnen die sozialhilferechtlichen Rücknahme- und Rückforderungsvorschriften in unzulässiger Weise Strafcharakter. Diese Rückforderung bedeute für sie, da ihr objektiv nur ihr Sparguthaben zur Verfügung stehe, den sozialen Ruin, gehe wirtschaftlich offensichtlich ins Leere und widerspreche dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, dem Sozialstaatsprinzip sowie dem Sinn und Zweck der Sozialhilfe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Stadt Göttingen vom 10. März 2003 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16. Juni 2003 insoweit aufzuheben, als in der Zeit vom 1. Dezember 2000 bis 31. Januar 2002 ergangene Bescheide über die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt im Umfang von mehr als 4.849,00 EUR zurückgenommen werden und von der Klägerin ein Betrag von mehr als 4.849,00 EUR zurückgefordert wird.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat geltend gemacht, die Klage sei unzulässig, da sich die Klägerin an ihrem Antrag in der fristwahrenden Klageschrift mit der Folge festhalten lassen müsse, dass der angegriffene Bescheid in dem Umfang, in dem er von der erklärten Teilanfechtung nicht erfasst worden sei, bestandskräftig geworden sei. Da sich die Klägerin hinsichtlich des Umfanges der Teilanfechtung in der Klageschrift nicht festgelegt habe, sei die Klage insgesamt unzulässig. Die nach Ablauf der Klagefrist eingereichten Schriftsätze hätten diesen Mangel nicht mehr heilen können, weil es die Klägerin nicht selbst in der Hand haben dürfe zu entscheiden, in welchem Umfang nach Ablauf der Klagefrist ein Verwaltungsakt zur Überprüfung des Gerichts anstehe oder inwieweit er bestandskräftig werde. In der Sache hat der Beklagte die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Einschätzung verteidigt, das Vermögen der Klägerin habe über den gesamten Rückforderungszeitraum mit der Folge berücksichtigt werden müssen, dass alle seinerzeit getroffenen Sozialhilfeentscheidungen rechtswidrig gewesen seien. Da der Rückforderungsbetrag höher als das festgestellte Sparguthaben sei, komme auch eine Absetzung eines Schonbetrages vom Sparguthaben nicht in Betracht. Ein Vertrauensschutz zugunsten der Klägerin greife in Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 bzw. Nr. 3 SGB X nicht ein. Im Rahmen des nach § 45 Abs. 1 SGB X auszuübenden Rücknahmeermessens sei es unbeachtlich, dass die Klägerin auch einer - von ihr nicht mit Rechtsmitteln angegriffenen - Rückforderung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ausgesetzt sei. Ebenso wenig begründe es einen Ermessensfehler, wenn der Sozialhilfeträger einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid erlasse, der zur Zeit wirtschaftlich ins Leere gehe, weil eine Vollstreckung keinen Erfolg verspreche. Ermessenserwägungen zugunsten des Hilfeempfängers, wie sich eine Rückforderung von aufgrund falscher Angaben zu Unrecht erhaltener Hilfeleistungen auf dessen wirtschaftliche Existenz auswirke, kämen im Verfahren nach § 45 SGB X nicht in Betracht.

Mit Urteil vom 28. April 2004 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Stadt Göttingen vom 10. März 2003 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16. Juni 2003 in dem von der Klägerin zuletzt begehrten Umfang - d.h. betreffend eine Rücknahme bzw. Rückforderung von mehr als 4.849,00 EUR - aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die entsprechende Teilanfechtungsklage der Klägerin sei zulässig. Der am 4. Juli 2003 eingegangenen Klageschrift lasse sich der entsprechende Umfang der Teilanfechtung durch Auslegung mit Hilfe des beigefügten Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2003 mit einer den Anforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechenden Deutlichkeit entnehmen. Denn der Widerspruchsbescheid nehme in seinen Gründen auf die Begründung des Widerspruchsschreibens der Klägerin Bezug, in denen der Bescheid der Stadt Göttingen vom 10. März 2003 mit der Erwägung angegriffen worden sei, dass die Rückforderungssumme die Höhe des vorhandenen Vermögens übersteige und keine Freibeträge berücksichtigt worden seien. Entsprechend sei das Klagebegehren im Wege der Auslegung zu konkretisieren. Der in der Klageschrift enthaltene Vorbehalt des Vortrages zum Umfang der Teilanfechtung habe sich - insbesondere unter Berücksichtigung des Eintritts eines neuen Bevollmächtigten bei Klageerhebung - sinngemäß darauf bezogen, die Begrenzung des Anfechtungsumfanges antragsgemäß zu beziffern und rechtlich zu untermauern. Die in ihrem Umfang dergestalt beschränkte Klage habe die Klägerin mit ihrem am 26. September 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz in unzulässiger Weise auf eine Vollanfechtung erweitert, diese Erweiterung jedoch mit dem am 2. Dezember 2003 eingegangenen Schriftsatz wieder zurückgenommen.

Die Teilanfechtungsklage sei auch begründet, denn die Aufhebung der innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraumes ergangenen Leistungsbescheide nach § 45 SGB X und die Rückforderung der gewährten Leistungen nach § 50 SGB X sei nur bis zu dem Betrag von 4.849,00 EUR gerechtfertigt. Die im streitgegenständlichen Zeitraum ergangenen sozialhilferechtlichen Leistungsbescheide seien dem Grunde nach rechtswidrig gewesen, weil die Klägerin zu den jeweiligen Leistungszeitpunkten unstreitig über einzusetzendes Vermögen verfügt habe. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X in Anbetracht ihrer am 30. November 2000 zur Niederschrift des Sozialamtes der Stadt Göttingen abgegebenen Erklärung nicht berufen, da sie durch diese mindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben gemacht habe. Auf die Frage, ob die in dem Grundantragsformular gewählte Formulierung der Frage nach Sparverträgen auch Sparbuchvermögen umfasse, komme es daher nicht an. Der angefochtene Bescheid vom 10. März 2003 sei jedoch insoweit rechtswidrig, als die Klägerin nicht so gestellt werde, wie wenn sie ihr Vermögen ordnungsgemäß angegeben hätte. Ebenso wie dies das Bundesverwaltungsgericht für Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz festgestellt habe (Urt. v. 18.7.1986 - BVerwG B 10.85 -, Buchholz 436.36, Nr. 1 zu § 28 BaFöG), sei auch bei der Rücknahme von sozialhilferechtlichen Bewilligungsbescheiden anders als bei der Bewilligung selbst von der Behörde rückschauend zu überprüfen, wie für bestimmte, in der Vergangenheit liegende Bewilligungszeiträume die Sozialhilfe hätte bemessen werden müssen, wenn der Sozialhilfeempfänger seiner Mitwirkungspflicht aus § 60 Abs. 1 SGB X nachgekommen wäre. Dabei könne nicht unterstellt werden, dass der Sozialhilfeempfänger das Vermögen, das in einem bestimmten Zeitpunkt hätte angerechnet werden müssen, nicht für seinen Lebensunterhalt aufgewendet hätte, so dass es auch noch in der darauf folgenden Zeit zur Verfügung gestanden hätte und deshalb erneut anzurechnen gewesen wäre. Bei rechtswidrigem Verschweigen von Vermögen seien die öffentlichen Interessen nur in dem Maße beeinträchtigt, in dem der Sozialhilfeempfänger durch die bewilligten und ausgezahlten Sozialleistungen, die ihm bei zutreffender Angabe seines Vermögens nicht hätten gewährt werden dürfen, davor bewahrt worden sei, entsprechendes Vermögen einzusetzen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum fiktiven Vermögensverbrauch im Sozialhilferecht befasse sich allein mit der Leistungsbewilligung und nicht mit der Rückforderung bereits geleisteter Sozialhilfe. Eine Abschöpfung von Beträgen, die das Vermögen überstiegen, habe Bußgeldcharakter und keine gesetzliche Grundlage.

Am 19. Mai 2004 hat der Beklagte bei dem Verwaltungsgericht gegen das am 6. Mai 2004 zugestellte Urteil die durch dieses nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt.

Mit einem am 23. Juni 2004 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz beruft er sich zur Begründung der Berufung zunächst wiederum auf eine Unzulässigkeit der Klage. Ergänzend zu seinem erstinstanzlichen Vortrag macht er geltend, das Verwaltungsgericht habe die Möglichkeiten der Auslegung prozessualer Erklärungen überdehnt und die von § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO gezogenen Grenzen der Bestimmbarkeit des Klagebegehrens außer Acht gelassen. Die Klage könne auch in der Sache keinen Erfolg haben. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso bei der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes nach § 45 SGB X nicht von der Situation zur Zeit der jeweiligen Leistungsbewilligungen sondern von einem sonst gerade nicht anzunehmenden fiktiven Vermögensverbrauch ausgegangen werden solle, durch den überdies derjenige Hilfeempfänger einen Vorteil erlange, der seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 SGB X nicht nachgekommen sei. Es sei nicht darauf abzustellen, inwieweit der Hilfeempfänger durch seine falschen Angaben davor bewahrt worden sei, eigenes Vermögen einzusetzen, sondern darauf, inwieweit die öffentlichen Haushalte zu Unrecht belastet worden seien, weil Sozialhilfeleistungen gewährt worden seien, auf die im jeweiligen Auszahlungszeitpunkt kein Anspruch bestanden habe. Wenn dabei die Rückforderungssumme höher sei als das tatsächlich einzusetzende Vermögen des Hilfeempfängers, beruhe dies auf der von diesem zu vertretenden Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung. In Fällen verschwiegenen Vermögens sei es generell ermessensgerecht, alle gewährten Leistungen zurückzufordern. Entsprechend hätten bei der Ausübung des Rücknahmeermessens die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Klägerin außer Betracht bleiben können. Die Rückforderung lediglich eines Teilbetrages habe nicht erwogen werden müssen. Ebenso habe nicht berücksichtigt werden müssen, dass gegen die Klägerin auch Forderungen eines weiteren Leistungsträgers bestanden. Den besonderen Verhältnissen der Klägerin sei in einer eventuellen Vollstreckung Rechnung zu tragen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts. Sie behauptet, ihr Vater habe die Rückzahlung der zurückgeforderten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz im Rahmen eines an sie, die Klägerin, gewährten Darlehens übernommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Stadt Göttingen und des Beklagten (Beiakte A) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht gemäß § 124 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der erhobenen Teilanfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

Die von der Klägerin nach Rücknahme der zwischenzeitlich verfolgten Klageerweiterung zur Entscheidung gestellte teilweise Anfechtung des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides der für den Beklagten handelnden Stadt Göttingen vom 10. März 2003 ist zulässig. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden. Mit seinen hiergegen vorgebrachten Einwänden vermischt der Beklagte Erwägungen zum Umfang der Bestandskraft des angefochtenen Bescheides bzw. der Rechtshängigkeit der Streitsache nach § 90 VwGO mit solchen über die erforderliche Bestimmtheit des Gegenstandes des Klagebegehrens im Sinne des § 82 VwGO. Je für sich genommen vermögen diese Einwände Bedenken gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin die Anfechtung der Rücknahme- und Rückforderungsentscheidung in wirksamer Weise auf den Betrag von 4.849,00 EUR übersteigenden Betrag beschränkt habe, nicht zu begründen.

In Rechtsprechung und Lehre (BVerwG, Urt. v. 23.3.1972 - BVerwG 3 C 132.70 -, BVerwGE 40, 25, 32 f; BayVGH, Urt. v. 25.11.1971 - Nr. 259 VI 69, BayVBl. 1972, 274 LS; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42, Rn. 26) ist unbestritten, dass in Fällen, in denen nur ein Teil eines Verwaltungsaktes angefochten worden ist, die Klage nicht nachträglich nach Ablauf der Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO auf den nicht angefochtenen Teil erstreckt werden kann. Aus dieser prozessrechtlichen Erkenntnis können jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten auf den vorliegenden Fall anwendbare Folgerungen nicht gezogen werden. Denn die ihr zu Grunde liegenden Konstellationen sind stets dadurch gekennzeichnet, dass der Umfang einer Teilanfechtung innerhalb der Klagefrist eindeutig umrissen worden ist und nach Ablauf der Klagefrist eine Klageerweiterung vorgenommen wird. Eine solche prozessuale Lage ist hier nicht gegeben. Der zur Entscheidung stehende Fall ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass der betragsmäßige Umfang der mit der Klageschrift vom 4. Juli 2003 anhängig gemachten Teilanfechtungsklage nicht während der Klagefrist, sondern erst im weiteren Verlauf des Verfahrens, in dem überdies zwischenzeitlich eine Vollaufhebung der angegriffenen Bescheide begehrt wurde, ausdrücklich beziffert worden ist.

Anknüpfungspunkt für die Erörterung der Zulässigkeit einer derartigen Teilanfechtung ist nicht die Frage nach der Bestandskraft bzw. der Rechtshängigkeit der verschiedenen Teile der behördlichen Maßnahme, sondern diejenige nach den Anforderungen an die erforderliche Bestimmtheit des Klagebegehrens (vgl. zu dieser Unterscheidung allgemein auch: BVerwG, Beschl. v. 12.2.1993 - BVerwG 9 B 25.93 -, Buchholz 310, Nr. 24 zu § 124 VwGO). Diese Anforderungen sind Gegenstand der Vorschrift des § 82 VwGO. Sie werden hier erfüllt.

Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen; sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat nach § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Vorsitzende oder der Berichterstatter den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern; nach Satz 2 der Vorschrift kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt werden.

Nach herrschender, von dem Senat als zutreffend erachteter Auffassung sind an die Bezeichnung der Essenzialia der Klageschrift im Sinne des § 82 Abs. 1 VwGO keine zu hohen Anforderungen zu stellen; sie sind in Fällen nicht eindeutiger Bezeichnung soweit möglich durch Auslegung zu ermitteln (BVerwG, Beschl. v. 20.1.1993 - 7 B 158.92 -, Buchholz 310, Nr. 24 zu § 91 VwGO; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000, § 82, Rn. 2; Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzcker, VwGO, Loseblattsammlung, Stand: September 2003, § 82 Rn. 6; restriktiver: BFH, Beschl. v. 26.11.1979 - GrS 1/78 -, NJW 1980, 1415, 1416). Im Hinblick auf die Bestimmung des Klagebegehrens kommt es darauf an, welchen Erfolg der Kläger erkennbar anstrebt. Dabei darf eine Klageschrift nicht nur aus sich heraus ausgelegt werden, vielmehr sind die mit ihr abgegebenen Erklärungen zu den vorangegangenen Bescheiden in Beziehung zu setzen und Unterlagen, die der Klageschrift beigefügt oder in dieser genau bezeichnet sind, ebenso zu berücksichtigen wie in der Klageschrift enthaltene Bezugnahmen auf ein vorhergehendes Rechtsbehelfsverfahren (BVerwG, Beschl. v. 5.5.1982 - 7 B 201/81 -, Buchholz 310, Nr. 10 zu § 82 VwGO; Beschl. v. 30.12.1997 - BVerwG 8 B 240.97 -, Buchholz 310, Nr. 18 zu § 82 VwGO; Ortloff, a.a.O., § 82, Rn. 6; Redeker/v. Oertzen, a.a.O., § 82, Rn. 7; Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 82, Rn. 6).

Nach diesen Maßstäben hält der Senat bereits die Einschätzung des Verwaltungsgerichts für vertretbar, dass sich der Gegenstand des mit der erhobenen Teilanfechtungsklage verfolgten Klagebegehrens schon zum Zeitpunkt ihrer Erhebung am 4. Juli 2003 im Wege der Auslegung hinreichend sicher ermitteln ließ, weil der Klageschrift der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16. Juni 2003 beigefügt war, der in seinen Gründen wiederum auf das anwaltliche Widerspruchsschreiben vom 31. März 2003 und die in diesem enthaltenen Erwägungen zur Höhe des Rückforderungsbetrages (maximal 4.849,72 EUR) Bezug nimmt.

Jedenfalls konnte der Gegenstand der erhobenen Teilanfechtungsklage zumindest dann keinen Zweifeln mehr unterliegen, als die Klägerin in ihrem am 2. Dezember 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz den angefochtenen Teil des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides in eindeutiger Weise auf den die Summe von 4.849,00 EUR übersteigenden Betrag bezifferte. Der Senat ist nicht gehindert, für die Bestimmung des Gegenstandes des Klagebegehrens auf diese eindeutige Erklärung zurückzugreifen. Zum einen hat die Klägerin durch diese Erklärung ihr zwischenzeitlich verfolgtes Begehren auf eine vollständige Aufhebung der angefochtenen Bescheide konkludent zurückgenommen. Dies hat das Verwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung zutreffend festgestellt. Zum anderen geht der Beklagte mit der seinem Vortrag zu Grunde liegenden Ansicht (gestützt auf: Kopp/ Schenke, a.a.O., § 82, Rn. 2) fehl, die in dem zuletzt eingegangenen Schriftsatz vorgenommene eindeutige Bezifferung des Umfanges der Teilanfechtungsklage sei unbeachtlich, weil sie erst nach Ablauf der Klagefrist vorgenommen worden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse v. 5.5.1982, v. 20.1.1993 und v. 12.2.1993, jew. a.a.O.; Beschl. v. 6.2.1990 - BVerwG 9 B 498.89 -, Buchholz 310, Nr. 13 zu § 82; Urt. v. 13.4.1999 - BVerwG 1 C 24/97 -, Buchholz 310, Nr. 19 zu § 82 VwGO; aus der Literatur: Ortloff, a.a.O., § 82, Rn. 11), der sich der Senat anschließt, müssen nicht sämtliche in § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO genannten Angaben bereits in der Klageschrift enthalten sein. Sie können auch im Laufe des Verfahrens und nach abgelaufener Klagefrist innerhalb einer nach § 82 Abs. 2 VwGO gesetzten Frist oder, wenn eine solche Fristsetzung nicht nach § 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO mit Ausschlusswirkung erfolgt, noch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nachgereicht werden. Denn die Vorschrift des § 82 Abs. 2 VwGO ergibt nur dann einen Sinn, wenn mit der nachträglichen Ergänzung nicht nur ein formeller Mangel der Klage beseitigt wird, sondern wenn auch die mit dem Eingang der Klageschrift eintretenden Rechtswirkungen erhalten bleiben. Hiernach reicht es für die fristwahrende Wirkung einer Klage aus, wenn sich - was hier von Anfang an unstreitig der Fall war - aus den Umständen entnehmen lässt, wer die Klage erhebt und gegen wen sie sich richtet (so ausdrücklich: BVerwG, Urt.v.13.4.1999, a.a.O.).

Die in ihrem Umfang dergestalt bestimmte Teilanfechtungsklage ist - wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt hat - auch begründet. Im Hinblick auf den Betrag, der die von der Klägerin in ihrem Klageantrag benannte Summe von 4.849,00 EUR übersteigt, tragen die §§ 45 und 50 Abs. 1 SGB X die erlassene Rücknahme- und Rückforderungsentscheidung nicht. Diese ist in dem entsprechenden Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Aufhebungsnorm des § 45 SGB X erfüllt. Der Bescheid der Stadt Göttingen vom 10. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 16. Juni 2003 ist im Hinblick auf die verfügte Rücknahme der gegenüber der Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum ergangenen Leistungsbescheide (insgesamt über 6.737,21 EUR) jedoch insoweit rechtswidrig, als die Aufhebung in ermessensfehlerhafter Weise nicht auf den Betrag des höchsten Vermögensstandes der Klägerin in diesem Zeitraum (6.128,72 EUR, abgerundet 6.128,00 EUR) abzüglich des nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1.a) der Verordnung zur Durchführung dieser Vorschrift geschonten Vermögensbetrages (von den Beteiligten übereinstimmend mit 1.279,00 EUR in Ansatz gebracht, richtigerweise - wenn auch wegen des beschränkten Klageantrages nicht entscheidungserheblich - auf 1.535,00 EUR zu beziffern) beschränkt worden ist (nach der Rechnung der Beteiligten: 6.128,00 EUR - 1.279,00 EUR = 4.849,00 EUR). In entsprechendem Umfang (nach der Rechnung der Beteiligten: 6.737,21 EUR - 4.849,00 EUR = 1.888,21 EUR) ist auch die auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützte Rückforderung der auf Grund der erlassenen Bewilligungsbescheide erbrachten Sozialhilfeleistungen rechtswidrig.

In formell-rechtlicher Hinsicht ist die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung der Klägerin vor Erlass des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides unterblieben, jedoch gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X in dem durchgeführten Widerspruchsverfahren mit heilender Wirkung nachgeholt worden (vgl. dazu allgemein: Wiesner, in: von Wulffen, SGB X, 4. Aufl. 2001, § 24, Rn. 10; § 41, Rn. 7).

Materiell-rechtlich handelt es sich bei den durch den Bescheid der Stadt Göttingen vom 10. März 2003 aufgehobenen sozialhilferechtlichen Bewilligungsbescheiden - wie von § 45 Abs. 1 SGB X vorausgesetzt - um begünstigende Verwaltungsakte, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig waren. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich daraus, dass die Klägerin bei Erlass jedes Bewilligungsbescheides in dem streitgegenständlichen Zeitraum in Gestalt ihres bei der erstmaligen Beantragung von Sozialhilfe nicht angegebenen und auch während des weiteren Sozialhilfebezuges nicht offenbarten Sparguthabens über Vermögen verfügte, das sie - vermindert um den Schonbetrag nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1. a) der Durchführungsverordnung zu dieser Vorschrift - gemäß § 88 Abs. 1 BSHG zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes hätte einsetzen müssen, bevor ihr Sozialhilfeleistungen hätten bewilligt werden dürfen.

Wie in den angefochtenen Bescheiden hervorgehoben wird und wovon auch das verwaltungsgerichtliche Urteil im Ansatzpunkt ausgeht, entspricht es gefestigter sozialhilferechtlicher Dogmatik, dass der Sozialhilfeträger einem Hilfesuchenden, der nach § 88 Abs. 1 BSHG einsetzbares Vermögen hat, dieses jedoch tatsächlich für seinen Lebensunterhalt nicht einsetzt, Monat für Monat aufs Neue entgegenhalten kann, er müsse vor einer Hilfebewilligung seinen sozialhilferechtlichen Bedarf zunächst durch Verwertung seines - jeweils noch vorhandenen - Vermögens decken. Dass ein Vermögensgegenstand nur durch eine äußerst sparsame Lebensführung vor einer Verwertung bewahrt wurde oder jedenfalls im Falle seines Einsatzes vor Ablauf eines Antragszeitraumes aufgebraucht gewesen wäre, kann hierbei selbst im Rahmen der Härteregelung nach § 88 Abs. 3 BSHG keine Berücksichtigung finden (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 19.12.1997 - BVerwG 5 C 7.96 -, BVerwGE 106, 105, 110 f). Die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs ist mit der Rechtsnatur der Sozialhilfe, die nur bei einem tatsächlichen Bedarf erforderlich ist, nicht vereinbar (Brühl, in: LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 88 Rn. 68).

In diesem Zusammenhang geht der Einwand der Klägerin ins Leere, sie sei wegen der mittlerweile durch das Studentenwerk Göttingen verfügten Rückforderung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (in Höhe von 6.077,28 EUR) im Ergebnis so zu stellen, als habe sie bereits im Dezember 2000 kein Sparguthaben mehr besessen. Denn für die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit zum jeweils maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt kommt es stets auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einsatzpflichtigen und dementsprechend immer auch darauf an, ob und in welcher Höhe er Vermögen tatsächlich hat (BVerwG, Beschl. v. 6.2.1989 - BVerwG 5 B 151.88 -, Buchholz 436.0, Nr. 15 zu § 88 BSHG; Urt. v. 19.12.1997, a.a.O., 111). Es ist unbestritten, dass der Klägerin während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraumes tatsächlich Vermögen im oben genannten Umfang zur Verfügung gestanden hat. Eine durch Bescheid begründete Verpflichtung zur Rückzahlung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bestand im streitgegenständlichen Zeitraum nicht, geschweige denn wurde sie innerhalb desselben erfüllt.

Die Klägerin kann sich nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der in dem streitgegenständlichen Zeitraum ergangenen sozialhilferechtlichen Bewilligungsbescheide berufen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass es in diesem Zusammenhang nicht auf die von der Klägerin verneinte Frage ankommt, ob durch den in dem Grundantragsformular verwandten Begriff des Sparvertrages auch Sparbücher erfasst werden. Denn die Klägerin hat unabhängig von ihren Angaben in dem genannten Formular am 30. November 2000 zur Niederschrift des Sozialamtes der Stadt Göttingen erklärt, dass außer den in dem Grundantrag genannten keine weiteren Vermögenswerte vorhanden seien. Hierdurch hat sie im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zumindest in grob fahrlässiger Weise unrichtige Angaben gemacht, woraufhin die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen erfolgte. Entsprechend ist der Klägerin im Hinblick auf die in der Folge erlassenen Bewilligungsbescheide mindestens grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vorzuwerfen.

Die Stadt Göttingen hat den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 10. März 2003 innerhalb der von § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X vorgesehenen Jahresfrist ab Kenntniserlangung von den rücknahmerelevanten Tatsachen erlassen. Die Sparbuchunterlagen, die sie nach Kenntniserlangung von dem bestehenden Freistellungsauftrag im März 2002 angefordert hatte, legte ihr die Klägerin erst Ende April 2002 vor.

Für Erwägungen zu einer Einschränkung der Reichweite der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X besteht kein Anlass. Der von dem Verwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. neben dem hier angegriffenen Urteil etwa: Urt. v. 25.2.2004 - 2 A 268/03 -, Juris) vertretenen Ansicht, in den Fällen der Rücknahme von Sozialhilfebescheiden wegen verschwiegenen Vermögens sei bereits der Tatbestand der Eingriffsnorm des § 45 SGB X in einer an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierten Weise dahingehend einschränkend auszulegen bzw. teleologisch zu reduzieren, dass eine Rücknahme nur begrenzt auf den nicht geschonten Vermögensbetrag erfolgen dürfe, folgt der Senat nicht.

Es liegt in der Konsequenz der wie dargestellt grundsätzlich unzulässigen Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs im Sozialhilferecht, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das durchgehend verschwiegene Vermögen während des gesamten zur Entscheidung stehenden Zeitraumes in einer beträchtlich über dem Schonbetrag liegenden Höhe vorhanden war und dementsprechend vor jeder Hilfegewährung stets aufs Neue hätte berücksichtigt werden müssen, alle Hilfeleistungen während dieses Zeitraumes zu Unrecht bewilligt und ausgezahlt wurden. Eine vollständige Aufhebung aller entsprechenden Bewilligungsbescheide schon vom Tatbestand des § 45 SGB X her als ausgeschlossen anzusehen, wird diesem Befund deshalb nicht gerecht. Wenn sich das Verwaltungsgericht zur Rechtfertigung seiner gegenteiligen Praxis darauf beruft, das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Rechtsprechung zum Ausbildungsförderungsrecht in vergleichbarer Weise im Fall der Rücknahme einer Förderungsbewilligung (Beschl. v. 18.7.1986 - BVerwG 5 B 10.85 -, Buchholz 436.36, Nr. 1 zu § 28 BAFöG) einen anderen Maßstab angewandt als für die Bewilligung selbst (Urt. v. 13.1.1983 - 5 C 103.80 -, Buchholz 436.36, Nr. 1 zu § 26 BAFöG) und sei dementsprechend in der Rücknahmesituation von einem Verbrauch des verschwiegenen Vermögens zum rechtlich gebotenen frühestmöglichen Zeitpunkt ausgegangen, überzeugt dies nicht. Denn die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz einerseits und dem Bundesausbildungsförderungsgesetz andererseits unterscheiden sich darin, dass die Sozialhilfe als Hilfe in aktuellen Notlagen nur äußerst kurzfristig - in der praktischen Anwendung monatsweise (BVerwG, Urt. v. 22.4.2004 - BVerwG 5 C 68/03 -, NJW 2004, 2608) - bewilligt wird (vgl. nur: Fichtner, BSHG, 2. Aufl. 2003, § 4, Rn. 12; W. Schellhorn/ H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 4, Rn. 46), während das Ausbildungsförderungsrecht in § 50 Abs. 3 BAFöG einen Bewilligungszeitraum von regelmäßig einem Jahr vorsieht und in § 53 BAFöG eine Vorschrift zur Berücksichtigung von Änderungen der für die Bewilligung maßgeblichen Umstände, die während des Bewilligungszeitraumes eintreten, bereithält. Bereits wegen dieser strukturellen Unterschiede liegt zur Überzeugung des Senats eine Übertragung von Rechtsprechungsgrundsätzen über die Rücknahme von Bewilligungsbescheiden nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz auf die Aufhebung von sozialhilferechtlichen Bewilligungen fern.

Der angefochtene Bescheid der Stadt Göttingen vom 10. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 16. Juni 2003 ist jedoch deshalb im Umfang der erklärten Teilanfechtung rechtswidrig, weil insoweit das behördliche Rücknahmeermessen nach § 45 Abs. 1 SGB X nicht fehlerfrei ausgeübt worden ist.

In das Ermessen nach § 45 Abs. 1 SGB X sind - auch in den Fällen, in denen Vertrauensschutz im Sinne des § 45 Abs. 2 SGB X nicht besteht - alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles einzustellen (vgl. hierzu und zum Folgenden: Wiesner, a.a.O., § 45, Rn. 4 ff.; VGH Baden - Württemberg, Urt. v. 12.11.1997 - 6 S 1137/96 -, FEVS 48, 178, 186 und im Übrigen die Nachweise auf die soweit ersichtlich nicht vollkommen einheitliche Rechtsprechung des BSG bei: Pickel/ Marschner, SGB X, Loseblattsammlung, Stand: Oktober 2004, § 45, Rn. 73 ff.). Dazu gehören auch die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Hilfeempfängers und gegebenenfalls der Umstand, dass die Rückforderung für ihn eine besondere Härte darstellt. Diesen Anforderungen wird die Weise, in der die Stadt Göttingen und der Beklagte ihr Rücknahmeermessen in dem angefochtenen Bescheid und durch Nachholung entsprechender Begründungselemente im gerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 2 SGB X ausgeübt haben, nicht gerecht.

Der Beklagte geht, wie die Ausführungen seines Vertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erweisen, bereits im Hinblick auf die Grundlage der Ermessensausübung von einem restriktiveren als dem genannten Ansatz aus, wenn er es in den Fällen verschwiegenen Vermögens im Sozialhilferecht wegen des öffentlichen Interesses an der Rückerlangung von auf Grund falscher Angaben gezahlter Beträge als generell ermessensgerecht ansieht, ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der betroffenen Hilfeempfänger die gewährten Leistungen vollständig zurückzufordern. Hieraus ergibt sich in den hier zu beurteilenden Fallkonstellationen bereits unabhängig von den im Folgenden darzustellenden Einzelaspekten der Ermessensausübung eine unzulässige Vernachlässigung der besonderen Verhältnisse der Betroffenen. Diese kann nicht dadurch ausgeglichen werden, dass der Beklagte eine Berücksichtigung dieser Verhältnisse auf der späteren Stufe einer eventuellen Vollstreckung eines bestandskräftigen Rücknahme- und Rückforderungsbescheides für möglich hält. Eine hinreichende rechtliche Grundlage hierfür ist nicht ersichtlich.

Der Beklagte hat sein Rücknahmeermessen weiterhin deshalb fehlerhaft ausgeübt, weil er - jedenfalls im Rahmen seiner ergänzenden Erwägungen in erster und zweiter Instanz - den Umstand als von vornherein unbeachtlich angesehen hat, dass die Klägerin wegen der Nichtangabe ihres Vermögens auch einer Rückforderung der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ausgesetzt ist, die sie durch das Studentenwerk Göttingen erhalten hat. Ein derartiges vollständiges Ausblenden des auf einem vergleichbaren Tatbestand beruhenden Rückforderungsverlangens eines anderen Leistungsträgers wird, ohne dass der Senat den zum Teil umstrittenen Einzelaspekten des Falles nachgehen müsste, wesentlichen und für den betroffenen Hilfeempfänger äußerst belastenden Umständen nicht gerecht. Denn dieser müsste in dem für ihn ungünstigsten Fall wegen der jeweiligen Nichtangabe ein und desselben - gegebenenfalls sehr kleinen - Vermögensbetrages die Rückforderungsansprüche mehrerer Leistungsträger bedienen, die jedenfalls in ihrer Kumulation die Summe des Vermögens, die einzusetzen gewesen wäre, um ein Vielfaches übersteigen. Auf diese Weise kann eine Verschuldung entstehen, die das Leben des Hilfeempfängers in wirtschaftlicher Hinsicht unverhältnismäßig belastet und dazu führen kann, dass das in § 1 Abs. 2 Satz 2 BSHG genannte Ziel der Sozialhilfe, den Hilfeempfänger soweit wie möglich zu befähigen, unabhängig von Hilfe zu leben, auf Dauer verfehlt wird.

Der Senat hebt allerdings, ohne dass dies wegen des eine Berücksichtigung weiterer Rückforderungen generell ablehnenden und bereits deshalb ermessensfehlerhaften Standpunktes des Beklagten entscheidungserheblich wäre, der Klarheit halber hervor, dass es kein Rückforderungsvorrecht eines Leistungsträgers, das die anderen beteiligten Träger stets zu berücksichtigen hätten, geben kann. Vielmehr hängen die insoweit bestehenden Berechtigungen von den Umständen des Einzelfalles ab, die im Rahmen des Rücknahmeermessens berücksichtigt werden müssen. Zu nennen sind hier etwa: das Maß der Übereinstimmung des gegenüber den einzelnen Leistungsträgern verschwiegenen Vermögens, das Ausmaß der jeweiligen Vermögensfreibeträge bzw. Vermögensschonbeträge, die jeweiligen Leistungszeiträume, die Zeitpunkte des Erlasses der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide, die etwaige Befriedigung eines Leistungsträgers durch einen Dritten sowie eine eventuell zwischen den Zeitpunkten der Leistungsgewährung und Rückforderung eingetretene wirtschaftliche Gesundung des Hilfeempfängers.

Schließlich hätten die Stadt Göttingen und der Beklagte bei einer sachgerechten und an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichteten Ermessensausübung unabhängig von den bisherigen Darlegungen die Aufhebung der im streitgegenständlichen Zeitraum ergangenen Bewilligungsbescheide und die Rückforderung der entsprechenden Hilfeleistungen auf den Betrag des von der Klägerin verschwiegenen Vermögens abzüglich des nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1. a) der Durchführungsverordnung zu dieser Vorschrift zu schonenden Betrages beschränken müssen.

Eine Beschränkung der Rücknahme und Rückforderung auf den Betrag des höchsten Vermögensstandes im streitgegenständlichen Zeitraum abzüglich des jeweiligen Schonvermögens entspricht in den Fällen des verschwiegenen Vermögens zur Überzeugung des Senats im Regelfall einer sachgerechten Ausübung des Rücknahmeermessens nach § 45 Abs. 1 SGB X. Anders als auf der Tatbestandsebene kann und muss im Rahmen des auf der Rechtsfolgenseite der Norm angesiedelten Rücknahmeermessens eine rückschauende Betrachtung ähnlich derjenigen, die das Bundesverwaltungsgericht für die Aufhebung ausbildungsförderungsrechtlicher Bewilligungsbescheide befürwortet hat (in dem o.g. Beschl. v. 18.7.1986, a.a.O.), auch für sozialhilferechtliche Bewilligungen Platz greifen (in diesem Sinne: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12.11.1997, a.a.O.; Brühl, in: LPK-BSHG, a.a.O., § 88, Rn. 25).

Hier darf die Behörde regelmäßig nicht die nahe liegende Erwägung außer Acht lassen, dass ein Sozialhilfeempfänger, wenn er sein einzusetzendes Vermögen pflichtgemäß und ohne Zögern angegeben hätte, dieses nach der Lebenserfahrung (für das Ausbildungsförderungsrecht, BVerwG, Urt. v. 18.7.1986, a.a.O.: im Normalfall) auch ohne weiteres zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes aufgebraucht hätte. Eine Anerkennung eines fiktiven Vermögensverbrauchs ist damit nicht verbunden, denn es bleibt wie dargelegt dabei, dass die Hilfebewilligungen wegen des vorhandenen Vermögens als rechtswidrig zu bewerten sind.

Auch führen die in diesem Zusammenhang von dem Beklagten angestellten Erwägungen, dass der Hilfeempfänger bei einem Verschweigen seines Vermögens die Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung zu vertreten habe bzw. dass derjenige, der seiner Mitwirkungspflicht aus § 60 Abs. 1 SGB X nicht nachkomme, nicht besser gestellt werden dürfe als derjenige, der sein Vermögen angebe, nicht weiter. Sie hätten eine Berechtigung nur dann, wenn die Rücknahme- und Rückforderungsentscheidung der Sanktionierung eines Fehlverhaltens des Hilfeempfängers zu dienen bestimmt wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die Ahndung begangenen Unrechts ist allein Aufgabe des Strafrechts.

Hinzu kommt, dass es sich in der Regel als unverhältnismäßig erweist, jedenfalls wegen eines verschwiegenen Vermögens von begrenztem Umfang den an einen Hilfeempfänger über einen langen Zeitraum ausgekehrten Hilfeleistungen mit einem sehr viel höheren Gesamtwert die rechtliche Grundlage zu entziehen (VGH Baden - Württemberg, Urt. v. 12.11.1997, a.a.O.; vgl. auch Brühl, in: LPK-BSHG, a.a.O., § 88, Rn. 25). Auch hier besteht die Gefahr, dass einem betroffenen Hilfeempfänger eine finanzielle Last auferlegt wird, die dem sozialhilferechtlichen Ziel, ihn zu einem Leben ohne Sozialhilfeleistungen zu befähigen (§ 1 Abs. 2 BSHG), zuwider läuft (ebenso für die Rückforderung eines nach § 89 BSHG gewährten Darlehens, das den Wert des einzusetzenden Vermögens übersteigt: BGH, Urt. v. 23.1.1996 - XI ZR 155/95 -, NJW 1996, 1277 f).

In Ausnahmefällen mögen Besonderheiten in der Person des Hilfeempfängers, insbesondere wiederum eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in dem zwischen der Hilfeleistung und deren Rückabwicklung liegenden Zeitraum - etwa mit dem Vermögenswert noch nicht erfasste und noch vorhandene erhebliche Zinsgewinne - eine andere Beurteilung und die Rückforderung eines höheren Betrages rechtfertigen.

Bei der Bestimmung des Wertes des verschwiegenen Vermögens, wird der Sozialhilfeträger außer in Fallgestaltungen, die sich durch starke Vermögensschwankungen auszeichnen, von dem höchsten Vermögensstand im Beurteilungszeitraum auszugehen haben. Dieser auch von dem Verwaltungsgericht zu Grunde gelegte Ansatz, der allerdings im Zusammenhang mit der von dem erstinstanzlichen Gericht vertretenen Lösung der hier in Rede stehenden rechtlichen Problematik auf der Tatbestandsebene des § 45 Abs. 1 SGB X als angreifbar erscheinen muss, ist als ein im Rahmen von Ermessenserwägungen regelmäßig zulässiger Praktikabilitätsgesichtspunkt nicht zu beanstanden. Von dem derart bestimmten Vermögensbetrag ist das nach § 88 Abs. 2 BSHG geschonte Vermögen in Abzug zu bringen, da dessen Einsatz von vornherein nicht verlangt werden darf.

Nach diesen Maßstäben ist im Fall der Klägerin eine Berechtigung für die Rückforderung eines den Wert des geschonten Vermögens übersteigenden Betrages nicht ersichtlich. Der Wert der geleisteten Hilfe (6.737,21 EUR) übersteigt den nach dem höchsten, keinen erheblichen Schwankungen unterworfenen Vermögensstand im streitgegenständlichen Zeitraum berechneten Betrag des nicht geschonten Vermögens (nach der Rechnung der Beteiligten: 4.849,00 EUR) erheblich. Die wirtschaftliche Situation der Klägerin als alleinerziehende Mutter eines minderjährigen Kindes hatte sich in der Zeit zwischen der Hilfeleistung und dem Erlass des angefochtenen Bescheides nicht verbessert. Auch spricht nichts dafür, dass die Klägerin ihr schlichtes Sparguthaben im Falle der Hilfeversagung nicht sofort eingesetzt hätte.

Ende der Entscheidung

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