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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.02.2007
Aktenzeichen: 12 ME 421/06
Rechtsgebiete: JAR-FCL, LuftPersV, LuftVG, LuftVZO


Vorschriften:

JAR-FCL § 1
LuftPersV § 128 Abs. 8
LuftVG § 32 Abs. 1 S. 1
LuftVZO § 20 Abs. 2
§ 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV, demgemäß die Anerkennung als Prüfer für Prüfungen auf Flugzeugmustern auf insgesamt zwei dieser Anerkennungen beschränkt werden muss, wird durch die Bestimmungen der JAR-FCL 1 (deutsch) nicht verdrängt und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 12 ME 421/06

Datum: 19.02.2007

Gründe:

Die Antragsgegnerin erkannte den Antragsteller mit Bescheid vom 31. August 2004 befristet bis zum 3. Juli 2006 als Prüfer zur Abnahme von Prüfungen auf verschiedenen Flugzeugmustern an. Auf seinen Antrag hin verlängerte die Antragsgegnerin die Anerkennung mit Bescheid vom 22. Juni 2006 für die Flugzeugmuster CL 604 und Learjet 60 mit Befristung bis zum 3. Juli 2007; hinsichtlich weiterer Flugzeugmuster lehnte die Antragsgegnerin den Verlängerungsantrag unter Hinweis auf die anzahlmäßige Beschränkung der Anerkennungen gemäß § 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV ab.

Den dagegen gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin einstweilen zu verpflichten, die Anerkennung als Prüfer für die Flugzeugmuster Cessna 500, 550, 560, Learjet 20, 30, Learjet 55, Cessna 501, 551, 525, Beech 90, 99, 100 und 200 zu verlängern, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. November 2006 abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Regelung in § 128 Abs. 7 LuftPersV stehe der (weiteren) Anerkennung des Antragstellers als Prüfer entgegen. Die Vorschrift sei bei summarischer Prüfung nicht verfassungswidrig und verstoße insbesondere nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der Antragsteller könne sich auch auf einen Bestandsschutz seiner vorherigen Anerkennung nicht berufen.

II.

Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet. Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, auf dessen Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO (weiterhin) nicht vor. Der Antragsteller hat den erforderlichen Anordnungsanspruch, d.h. den materiell-rechtlichen Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Verlängerung seiner Anerkennung als Prüfer nicht glaubhaft gemacht.

Dem streitigen Verpflichtungsbegehren steht, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, die Regelung in § 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV (i.d.F. der Änderungsverordnung vom 10.2.2003, BGBl. I S. 182) entgegen, wonach ein Prüfer zur Abnahme von Prüfungen auf turbinen- oder turbopropellergetriebenen Flugzeugmustern gleichzeitig nur im Besitz von insgesamt zwei dieser Anerkennungen sein darf. Mit seinen gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung erhobenen Einwendungen dringt der Antragsteller nicht durch.

Die JAR-FCL 1.425 (deutsch) und die JAR-FCL 1.430 (deutsch) (jeweils in der Bekanntmachung vom 15.4.2003, BAnz. Nr. 80 a vom 29.4.2003) stehen der Beschränkung der Anerkennungen als Prüfer nicht entgegen. Ein Widerspruch zur Regelung gemäß JAR-FCL 1.425 (b) besteht nicht. Die Regelung betrifft die Anerkennung als Prüfer für mehrere Kategorien im Sinne der JAR-FCL 1.420, nicht die Prüfungstätigkeit auf mehreren Flugzeugmustern (vgl. zur Unterscheidung der Begriffe auch JAR-FCL 1.001). Im Übrigen können die JAR-FCL (Abschnitt I), soweit sie eine Beschränkung der Anerkennung als Prüfer nicht vorsehen, nicht als abschließende oder die Vorschrift des § 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV verdrängende Regelungen angesehen werden. Bei den von den JAA (Joint Aviation Authorities) erarbeiteten JAR handelt es sich um Regelwerke mit Vorschlagscharakter. Sie gelten in Deutschland nur, wenn sie in deutsches Recht überführt worden sind, wie es bei den JAR-FCL 1 (deutsch) durch § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LuftVZO geschehen ist (vgl. Giemulla/Schmid, Luftverkehrsordnungen, Stand: Dez. 2006, Einleitung II 1.1, 2.2.1, 2.3). Die JAR-FCL 1 stehen danach wie die LuftPersV allenfalls im Range einer Rechtsverordnung und vermögen diese nicht zu verdrängen.

Die Bestimmung des § 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV widerspricht auch nicht dem Parlamentsvorbehalt. Sie beruht ebenso wie § 20 Abs. 2 LuftVZO auf der gesetzlichen Ermächtigung in § 32 Abs. 1 Satz 1 LuftVG, die ihrerseits den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.1.2007 - 2 BvR 2408/06 -, V.n.b.; Giemulla/Schmid, LuftVG, Stand: Nov. 2006, § 32 Rn. 5). § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftVG ermächtigt den Verordnungsgeber, Anforderungen an die Befähigung und Eignung von Personen festzulegen, die einer Erlaubnis nach dem Luftverkehrsgesetz bedürfen. Die LuftPersV beruht im Wesentlichen auf dieser Verordnungsermächtigung (z.T. - §§ 88-97 - auch auf Nr. 5, vgl. Giemulla/Schmid, LuftVG, a.a.O., Rn. 13). Zu den genannten Anforderungen gehören auch die Voraussetzungen, unter denen Prüfungen auf Flugzeugmustern durchgeführt und nach denen Prüfer anerkannt werden.

Da die JAA selbst keine Rechtssetzungsbefugnis haben, kommt es nicht darauf an, dass - so der Vortrag des Antragstellers - in anderen JAA-Staaten dem § 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV vergleichbare Vorschriften fehlen. Dem deutschen Gesetz- und Verordnungsgeber bleibt es unbenommen, für das nationale Recht über die JAR-FCL 1 hinausgehende Regelungen für die Anerkennung von Prüfern zu schaffen. Auf eine gemeinschaftsrechtswidrige Ungleichbehandlung kann sich der Antragsteller in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht berufen, weil die JAR-FCL 1 bisher nicht in das EU-Recht eingeführt worden sind.

Die Vorschrift des § 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV verstößt weiterhin nicht gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Rückwirkungsverbot. Sie greift nicht rückwirkend in einen abgeschlossenen Sachverhalt ein, sondern entfaltet, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, allenfalls eine sog. unechte Rückwirkung. Eine solche liegt vor, wenn ein Gesetz bzw. wie hier eine Rechtsverordnung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen nachträglich entwertet. Derartige Gesetze sind zwar grundsätzlich zulässig, der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann aber je nach Lage der Verhältnisse im einzelnen Fall der Regelungsbefugnis Schranken setzen. Zur Bestimmung der verfassungsrechtlichen Grenze für die unechte Rückwirkung eines Gesetzes ist zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand des Rechtszustandes nach der bisherigen gesetzlichen Regelung und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht jedenfalls nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (BVerfG, Urt. v. 8.2.1977 - 1 BvR 79, 278, 282/70 -, BVerfGE 43, 242, 286).

Nach diesen Grundsätzen mag es - jedenfalls bei der im vorliegenden Eilverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung - gerechtfertigt sein, die Vorschrift des § 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV als Regelung mit unechter Rückwirkung anzusehen, weil sie das Recht auf Erneuerung/Verlängerung der Anerkennung als Prüfer zur Abnahme von Prüfungen auf turbinen- oder turbopropellergetriebenen Flugzeugmustern für die Zukunft beschränkt (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 24.8.1982 - 7 B 148/81 -, Buchholz 442.40 § 32 LuftVG Nr. 2). Dem liegt aber die vernünftige, am Wohl der Allgemeinheit und speziell an der Sicherheit des Luftverkehrs orientierte Erwägung des Verordnungsgebers zu Grunde, dass bei einer Anhäufung von Anerkennungen zur Abnahme von Prüfungen die Gefahr einer Überforderung des Prüfers und damit einhergehend einer unzureichenden Ausbildung des Luftfahrtpersonals steigt. Diesem Sicherheitsrisiko für den Luftverkehr wird durch § 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV im Zusammenhang mit Prüfungen auf turbinen- oder turbopropellergetriebenen Flugmustern vorgebeugt, wobei die Beschränkung auf höchstens zwei Anerkennungen als Prüfer sich im Rahmen des dem Verordnungsgeber zustehenden Rechtsetzungsermessens hält. Soweit ein Vorfall aus dem Jahr 1987 Anlass zu dieser Regelung gegeben hat, ändert das nichts daran, dass sie eine sachgerechte Zielsetzung im Interesse der Luftverkehrssicherheit verfolgt. Immerhin weist der Vorfall, bei dem es durch Fehlverhalten eines mit über 25 Musterberechtigungen ausgestatteten Sachverständigen zu einem Flugunfall in München/Riem gekommen sein soll, darauf hin, dass die Gefahren, denen zu begegnen § 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV dient, sich in der Vergangenheit bereits realisiert und zu erheblichen Personen- und Sachschäden geführt haben. Dass das Bundesministerium für Verkehr bereits mit Erlass vom 23. März 1988 auf den Flugunfall reagiert und eine Beschränkung der Anerkennung auf höchstens zwei Flugmuster bzw. zwei Sammeleintragungen für strahl- oder propellerturbinengetriebene Flugzeugmuster vorgesehen hat, bedarf insoweit keiner Vertiefung.

Ein schutzwürdiges Vertrauen des Antragstellers darauf, die Antragsgegnerin werde ihm die bis zum 3. Juli 2006 befristet erteilte Anerkennung uneingeschränkt verlängern, ist demgegenüber nicht anzuerkennen. Der Bescheid vom 31. August 2004 ist dem Antragsteller nicht nur befristet, sondern auch mit dem weiteren Hinweis erteilt worden, die Anerkennung könne jederzeit beschränkt, für ruhend erklärt oder widerrufen werden, falls die Bedingungen/Voraussetzungen für eine Prüfertätigkeit nicht mehr erfüllt seien. Damit ist dem Antragsteller bedeutet worden, sich auf Änderungen tatsächlicher oder rechtlicher Art einzustellen, die einer Erteilung und deshalb auch einer Verlängerung seiner Anerkennung entgegenstehen können. Ob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 31. August 2004 im Hinblick darauf, dass § 128 Abs. 7 LuftPersV in seiner geänderten Fassung bereits am 1. Mai 2003 in Kraft getreten ist, auch hätte gemäß § 48 VwVfG zurücknehmen können, bedarf in diesem Zusammenhang keiner weiteren Vertiefung. Denn die Antragsgegnerin ist jedenfalls befugt, § 128 Abs. 7 Satz 1 LuftPersV im Verfahren über die Verlängerung der Anerkennung in Anwendung zu bringen. Aus den JAR-FCL 1 deutsch, auf deren Grundlage der Bescheid vom 31. August 2004 (auch) ergangen ist, folgt für die Frage eines Vertrauensschutzes des Antragstellers nichts anderes. Gemäß JAR-FCL 1.430 ist die Verlängerung der Anerkennung als Prüfer bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß JAR-FCL 1.425 nicht zwingend vorgesehen, sie steht vielmehr im Ermessen der zuständigen Stelle (vgl. auch Anhang 1 Nr. 5 zu JAR-FCL 1.425). Sie ist auch abhängig von der Anzahl der von der zuständigen Stelle benötigten Prüfer (JAR-FCL 1.030 (b)), so dass es für eine rechtlich gesicherte Erwartung in Bezug auf die (uneingeschränkte) Verlängerung der Anerkennung vom 31. August 2004 an der erforderlichen Grundlage fehlt.

Die Beschränkung der Anerkennung als Prüfer verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit. Sie stellt sich als eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die nach den zuvor gemachten Ausführungen durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und die Berufsausübung des Antragstellers nicht unzumutbar einschränkt. Den diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss ist der Antragsteller in seiner Beschwerde auch nicht weiter entgegengetreten.

Soweit der Antragsteller ergänzend auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt, genügt er mit diesem Verweis nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dem Darlegungserfordernis gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO nicht, demzufolge in der Beschwerde die Gründe darzulegen sind, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist (vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 146 Rn. 41).

Ende der Entscheidung

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