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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.11.2009
Aktenzeichen: 13 LA 1/09
Rechtsgebiete: USG


Vorschriften:

USG § 7a Abs. 1
Bei der Prüfung, ob ein Grundwehr- oder Zivildienstleistender "Mieter von Wohnraum" im Sinne des § 7a Abs. 1 Satz 1 USG ist, können die in der steuerrechlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Anerkennung von Mietverträgen zwischen nahen Angehörigen entsprechend herangezogen werden.
Gründe:

I.

Der Kläger macht für die Zeit der Ableistung seines Zivildienstes einen Anspruch auf Mietbeihilfe nach dem Unterhaltssicherungsgesetz - USG - geltend. Das Verwaltungsgericht hat einen solchen Anspruch für die von den Eltern des Klägers bereits etwa vier Jahre vor Beginn des Zivildienstes angemietete und an den Kläger untervermietete Wohnung verneint. Bei dem Untermietvertrag handele es sich zwar nicht um ein Scheingeschäft, die Miete sei aber nicht aus dem Barunterhalt des Klägers an seine Eltern gezahlt worden bzw. "geflossen", was einer Eigenschaft des Klägers als "Mieter" i.S.v. § 7a Abs. 1 USG entgegenstehe. Eine tatsächliche Entrichtung der Miete sei zum Ausschluss einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung der Verhältnisse generell erforderlich, wenngleich im vorliegenden Fall Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch nicht gegeben seien. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

1.

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es, wie sich aus den Ausführungen zu 2. ergibt.

2.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Zulassung der Berufung setzt nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO voraus, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe dargelegt ist und vorliegt. Eine hinreichende Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert, dass in der Begründung des Zulassungsantrags im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt sein soll. Zwar ist bei den Darlegungserfordernissen zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 12.03.2008 - 2 BvR 378/05 -; BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -; BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 21.01.2000 - 2 BvR 2125/97 -, jeweils zit. nach juris). Erforderlich sind aber qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen.

a) Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils setzen voraus, dass gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -; BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4/03 -, jeweils zit. nach juris). Da das Erfordernis der ernstlichen Zweifel auch auf die Ergebnisrichtigkeit abstellt, dürfen sich die Zweifel indessen nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen, sondern es ist zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen. Für die Zulassung der Berufung wegen des Vorliegens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4/03 -, a.a.O.).

Ernstliche Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils folgen nicht aus der vom Kläger vertretenen Auffassung, dass aufgrund eines allein nach zivilrechtlichen Maßstäben als wirksam zu betrachtenden Untermietverhältnisses und der zivilrechtlichen Möglichkeit der Erfüllung des Anspruchs auf den Mietzins durch Aufrechnung bzw. Verrechnung mit einem Unterhaltsanspruch der Kläger auch als Mieter i.S.v. § 7a Abs. 1 USG anzusehen sei.

aa) Bei der Prüfung der in § 7a Abs. 1 Satz 1 USG bzw. § 7a Abs. 1 Satz 1 USG i.V.m. § 78 Abs. 1 Nr. 2 ZDG vorausgesetzten Eigenschaft des Grundwehr- oder Zivildienstleistenden als "Mieter von Wohnraum" ist bei Zurverfügungstellung des Wohnraums durch die Eltern eine Auslegung des zivilrechtlichen Verhältnisses zwischen Eltern(-teilen) und dienstpflichtigem Sohn vorzunehmen, das sich stets im Abgrenzungsbereich zwischen (bloßer) Naturalunterhaltsleistung aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung einerseits und einem (Unter-)Mietverhältnis mit den Eltern andererseits bewegt. Das Verwaltungsgericht hat zwar - zu Gunsten des Klägers - entgegen den Hinweisen des Bundesministeriums der Verteidigung zur Durchführung des Unterhaltssicherungsgesetzes vom 30. März 1998 - USG-DfHinw - (Nr. 7a.4 Abs. 2 zu §7a) keine bloße Unterhaltsvereinbarung, sondern die Möglichkeit eines (echten) Mietverhältnisses angenommen, wenn Eltern ihrem dienstpflichtigen Sohn Wohnraum gegen Entgelt überlassen und dieser nicht über eigene, regelmäßig wiederkehrende Einnahmen in laufender Höhe verfügt, mit denen er die laufenden Zahlungen des Entgelts bestreiten kann. Es hat indessen die Eigenschaft des Klägers als Mieter im Sinne des § 7a Abs. 1 Satz 1 USG unter Heranziehung der Kriterien für eine steuerrechtliche Anerkennungsfähigkeit von Mietverhältnissen zwischen nahen Angehörigen verneint. Dabei hat es darauf abgestellt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urt. v. 31.07.2007 - IX R 8/07 -; Urteile v. 19.10.1999 - IX R 80/97 und IX R 30/98 -; jeweils zit. nach juris) ein solches Mietverhältnis, um steuerrechtlich anerkannt werden zu können, einem "Fremdvergleich" standhalten muss. Das ist dann der Fall, wenn der Vertrag bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden ist und sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Die Notwendigkeit eines solchen Fremdvergleichs beruht darauf, dass die unterhaltspflichtigen Eltern nach § 1612 Abs. 2 BGB die Möglichkeit haben, entweder Barunterhalt zu zahlen, von dem die Kosten einer Wohnung bestritten werden können, oder aber Wohnraum unmittelbar zu überlassen (vgl. BFH, Urt. v. 19.10.1999 - IX R 30/98 -, juris Rdnr. 17). Der Fremdvergleich erfordert auch, dass dem Vermieter - sei es auch aus zuvor geleistetem Barunterhalt - die Miete tatsächlich zufließt.

bb) Diese Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des früher für das Unterhaltssicherungsrecht zuständigen 2. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 18.08.2005 - 2 LA 1286/04 -, juris; Beschl. v. 29.05.2006 - 2 PA 654/06 -, V.n.b.) zutreffend auch für den Bereich des Unterhaltssicherungsgesetzes herangezogen. Auch nach Auffassung des Senats können im Unterhaltssicherungsrecht ungeachtet eines nach den rein zivilrechtlichen Regelungen vorliegenden Mietverhältnisses gleichwohl bestimmte weitere Kriterien die Mietereigenschaft bzw. einen Anspruch auf Mietbeihilfe ausschließen, wenn dies erforderlich ist, um den in diesem Gesetz angelegten Besonderheiten Rechnung zu tragen. Dies schließt ein, im Rahmen einer systematischen Auslegung des unterhaltssicherungsrechtlichen Begriffs des "Mieters von Wohnraum" weitere Kriterien für erforderlich zu halten, die den entsprechenden rein zivilrechtlichen Begriff für das Unterhaltssicherungsgesetz modifizieren. Die in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die steuerrechtliche Anerkennung von Mietverhältnissen zwischen nahen Angehörigen bieten sich insoweit an. Ein solches Kriterium der Anerkennungsfähigkeit ist - worauf auch das Verwaltungsgericht abgestellt hat -, dass Mietzahlungen tatsächlich zugeflossen sein müssen. Für diese Argumentation einer systematischen Auslegung unter Einbeziehung steuerrechtlicher Vorschriften spricht nach Auffassung des Senats, dass (nur) auf diesem Wege eine insgesamt widerspruchsfreie Lösung hergestellt werden kann: Wenn Mietzahlungen den Eltern tatsächlich zufließen, haben die vermietenden Eltern diese Mietzahlungen als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern, während der anmietende Sohn Mietbeihilfe nach § 7a USG erhalten kann. Stellen Eltern dem dienstpflichtigen Sohn hingegen Wohnraum ohne im Gegenzug tatsächlich zugeflossene Miete zur Verfügung, so handelt es sich dabei um eine Naturalunterhaltsleistung, so dass die Eltern keine zu versteuernden Einnahmen aus Vermietung aus Verpachtung erzielen, der Sohn dann aber auch keinen Anspruch auf Mietbeihilfe hat. Eine andere Sichtweise würde auf eine Kombination des steuerrechtlichen Vorteils einerseits (keine zu versteuernden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung) und des unterhaltssicherungsrechtlichen Vorteils andererseits (Anspruch auf Mietbeihilfe) hinauslaufen.

cc) Der Kläger vertritt demgegenüber unter Hinweis auf die zivilrechtlichen Bestimmungen zum Mietverhältnis und zur Möglichkeit einer Aufrechnung von Unterhaltsansprüchen mit Mietzahlungsansprüchen die Auffassung, dass bei einem nach rein zivilrechtlichen Maßstäben vorliegendem Mietverhältnis eine tatsächliche Zahlung des Mietzinses nicht erforderlich sei, um im Sinne des Unterhaltssicherungsgesetzes die Eigenschaft des Wehr- oder Zivildienstpflichtigen als Mieter von Wohnraum bejahen zu können. Diese Argumentation vermag jedoch die (Ergebnis-)Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln nicht auszusetzen. Allerdings ist es bei Zugrundelegung der steuerrechtlichen Maßstäbe rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen - was offenbar das Verwaltungsgericht annimmt -, von einem Zufluss der Miete auch bei einer Verrechnung mit Barunterhalt auszugehen. Der Bundesfinanzhof spricht vielmehr ausdrücklich von einem Zufluss der Miete auch bei einer Verrechnung mit Unterhaltszahlungen in der Weise, dass der zu leistende Barunterhalt von vornherein um die Miete gekürzt wird (vgl. Urt. v. 16.01.1996 - IX R 13/92 -, juris Rdnr. 11). Erforderlich ist dann aber, dass die Konstellation der bloßen Verrechnung anstelle einer tatsächlichen Mietzahlung aus zuvor geleistetem Barunterhalt als reine Verkürzung des Zahlungsweges deutlich erkennbar ist, weil nur dann die Ausgestaltung des Mietverhältnisses einem Fremdvergleich standhalten kann. Daran fehlt es vorliegend, wovon im Ergebnis auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist. Der Kläger hat zur Begründung der Klage ausdrücklich ausgeführt, dass die Unterhaltsleistungen durch Übernahme der Miet- und Nebenkosten, sowie durch die Überlassung von Lebensmitteln, Kleidung und Möbeln sowie von Geld geschehen seien. Dies spricht für eine insgesamt überwiegend erfolgte Naturalunterhaltsleistung durch die Eltern, die sich auch auf die Überlassung von Wohnraum bezogen hat. Eine Situation, in der ein in bestimmter Höhe vereinbarter Barunterhalt an den Kläger geleistet werden sollte, aus dem dann die Miete - wenn auch durch Verrechnung mit dem Barunterhalt - gezahlt worden ist, lässt sich nicht klar erkennen. Der Kläger stellt in der Begründung seines Zulassungsantrags der Sache nach lediglich auf eine "hypothetische Aufrechnungslösung" ab, ohne auf die auch vom Verwaltungsgericht skizzierten und zu beachtenden Vorgaben zur steuerrechtlichen Anerkennungsfähigkeit von Mietverhältnissen zwischen nahen Angehörigen einzugehen, weil er unzutreffend der Auffassung ist, dass die in der steuerrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien im Bereich des Unterhaltssicherungsgesetzes keine Rolle spielen dürfen. Der Kläger hat damit keine Argumente darzulegen vermocht, die die Ergebnisrichtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils schlüssig in Frage stellen würden.

b) Die Berufung kann auch nicht wegen des vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassen werden. Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung einer Klärung bedarf. Die klärungsbedürftige Frage muss dabei mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden können (vgl. Kopp/Schenke: VwGO-Kommentar, 15. Aufl. § 124 Rdn. 10; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO-Kommentar, 4. Auflage, § 124 Rdnr. 43; jeweils m.w.N.).

Eine grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne hat der Kläger nicht darzulegen vermocht. Die vom Kläger wohl für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob die Verrechnung von Mietzahlungen mit Unterhaltshaltsansprüchen der Annahme der Mietereigenschaft im Sinne des § 7a USG entgegensteht, lässt sich wie oben ausgeführt unter Heranziehung schon vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung ohne weiteres dahingehend antworten, dass eine Verrechnung dann möglich ist, wenn das Mietverhältnis gleichwohl insgesamt einem Fremdvergleich standhält. Ob dies der Fall ist, kann wiederum nur im konkreten Einzelfall beantwortet werden und ist einer fallübergreifenden Klärung nicht zugänglich.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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