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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.03.2008
Aktenzeichen: 13 ME 11/08
Rechtsgebiete: GenTG


Vorschriften:

GenTG § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr 1
GenTG § 26 Abs. 1 Satz 1
GenTG § 26 Abs. 4
GenTG § 26 Abs. 5
GenTG § 3 Nr. 5
1. Auch eine geringfügige Verunreinigung von Rapssaatgut mit gentechnisch veränderten Organismen rechtfertigt eine auf § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG gestützte Vernichtungsanordnung.

2. Eine Freisetzung erfordert nicht die positive Kenntnis der GVO-Verunreinigung.


Gründe:

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage - 6 A 1282/07 - gegen die gentechnikrechtliche Anordnung des Antragsgegners vom 27. September 2007.

Der Antragsteller bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er erwarb von der Deutschen Saatveredelung AG mit Sitz in Nordrhein-Westfalen Rapssaatgut der Sorte TAURUS mit der Kennzeichnung D/BN 3237/318. Am 20. August 2007 stellte der Saatgutlieferant eine Probe dieser Rapssorte den zuständigen Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen zwecks amtlicher Saatgutanerkennung und parallel dazu zwecks stichprobenhafter Untersuchung auf gentechnisch veränderte Organismen (GVO) vor. Das Staatliche Überwachungsamt Arnsberg als zuständiges Überwachungslabor führte die Probeaufbereitung durch und ermittelte bei der Untersuchung einer Teilprobe eine GVO-Verunreinigung mit einem nicht zugelassenen GVO. Es stellte sodann dem Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe einen Teil der vermahlenen Probe zur Verfügung. Dort wurden jeweils geringe Spuren gentechnisch veränderter Rapssamen im Bereich zwischen 0,03 % und 0,1 % nachgewiesen, die jedoch nicht quantifizierbar waren. Die Analyseergebnisse weisen auf das Vorhandensein der gentechnisch veränderten Rapslinie FALCON-GS 40/90 bzw. eines entsprechenden Nachkommen hin.

Die Deutsche Saatgutveredelung AG behielt von der den nordrhein-westfälischen Behörden zur Verfügung gestellten Saatgutprobe ein Rückstellmuster ein und sandte am 18. Oktober 2007 einem international anerkannten Labor in Nantes eine Probe von ca. 150 g zum Zweck der Analyse zu. Diese Saatgutprobe wurde dort vor der eigentlichen Aufbereitung in drei etwa gleich große Saatgutteilproben unterteilt und sodann aufbereitet. In allen drei Untersuchungen wurden weder qualitativ noch quantitativ Bestandteile von GVO-Raps nachgewiesen. In dem Gutachten vom 24. Oktober 2007 (GA S. 215 f.) ist dazu ausgeführt: "the quantification limit of the method is 0,1 %" und "the detection limit of the method is 0,01 %". Auch eine weitere von dem Lieferanten in einem zertifizierten schwedischen Labor veranlasste Untersuchung verlief negativ.

Die Deutsche Saatgutveredelung AG lieferte vor der Feststellung des GVO-Verdachts die bezeichnete Rapssorte an Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, u.a. auch an den Antragsteller aus, der damit eine Fläche von ca. 22 ha bestellte. Unter dem 7. September 2007 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu einer beabsichtigten gentechnikrechtlichen Anordnung an.

Mit Verfügung vom 27. September 2007 ordnete der Antragsgegner mit sofortiger Vollziehung insbesondere die Vernichtung der bereits ausgebrachten Saat und die Rückgabe eventuell vorhandener Restbestände an. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 26 Abs. 1 Gentechnikgesetz die zuständige Landesbehörde im Einzelfall die Anordnungen treffen könne, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes notwendig sind. Das Freisetzen oder Inverkehrbringen eines gentechnisch veränderten Organismus ohne entsprechende Genehmigung nach § 14 Gentechnikgesetz sei nicht zulässig. Das vom Antragsteller erworbene und ausgebrachte Saatgut sei mit gentechnisch veränderten Organismen, die nicht nach § 14 GenTG genehmigt seien, verunreinigt. Ein Verstoß gegen § 14 GenTG sei gegeben oder drohe bei einer künftigen Freisetzung. Neben dem formellen Verstoß gegen das GenTG begründe das Freisetzen und/oder Inverkehrbringen des gentechnisch veränderten Saatgutes die Gefahr, dass sich bei der Blüte des Rapses das verunreinigte Saatgut unkontrollierbar verbreite und so andere Felder mit den nicht gentechnisch veränderten Rapssamen verunreinigt würden. Die geforderten Maßnahmen seien insgesamt geeignet, die Verstöße gegen das GenTG zu beheben und darüber hinaus auch verhältnismäßig. Mildere Mittel kämen nicht in Betracht. Die wirtschaftlichen Interessen des Landwirts müssten auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller von der Verunreinigung nichts gewusst habe, gegenüber der Gefahr einer Verbreitung gentechnisch veränderten Rapses zurücktreten. Hinsichtlich der Ermessenserwägungen im Einzelnen und der Begründung zu der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung wird auf den Inhalt der Anordnung Bezug genommen.

Am 1. Oktober 2007 hat der Antragsteller dagegen Klage erhoben - 6 A 1282/07 -, über die noch nicht entschieden ist. Am 2. Oktober 2007 hat er die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt.

Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. November 2007 abgelehnt. Auf dessen Begründung wird Bezug genommen.

Am 14. Dezember 2007 hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und diese rechtzeitig begründet: Der Antragsgegner habe die angefochtene Verfügung zu Unrecht auf § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG gestützt; denn ein Verstoß gegen die Regelungen des Gesetzes liege mangels Freisetzung im Sinne des § 3 Nr. 5 GenTG nicht vor. Die behauptete Verunreinigung des Saatgutes mit GVO sei ihm jedenfalls nicht bekannt gewesen. Eine Freisetzung im Rechtssinne stelle aber nur das gezielte Ausbringen von GVO in die Umwelt dar. Die Zielgerichtetheit müsse sich gerade auch auf das Ausbringen von GVO beziehen.

Im Übrigen sei aber auch der Nachweis einer GVO-Verunreinigung des bezogenen Saatgutes nicht erbracht. Dies ergebe sich aus mehreren Gesichtspunkten: Infrage stehe hier eine behauptete Verunreinigung < 0,1%, also nahe der Nachweisgrenze. Auch der Antragsgegner räume ein, dass das zur Anwendung kommende Analyseverfahren in diesem Bereich fehleranfällig sei. Selbst wenn eine Verunreinigung mit GVO nicht vorliege, könnten die Untersuchungen positive, also sog. falsch-positive Ergebnisse liefern. Im Falle einer richtig-positiven Beprobung könnten die gentechnisch veränderten Organismen zum einen der Saatgutprobe lediglich äußerlich in Form von Stäuben angehaftet haben oder mittels Stäuben oder Aerosolen erst im Untersuchungslabor in die Probe gelangt sein. Derartige Verunreinigungen seien mangels Keimfähigkeit aber unbeachtlich.

Der Antragsgegner berufe sich ferner zu Unrecht darauf, dass das zunächst im Staatlichen Überwachungsamt Arnsberg gefundene positive Untersuchungsergebnis im Rahmen einer Zweitanalyse durch das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe bestätigt worden sei. Die Probevorbereitung sei nämlich in einem Arbeitsgang in Arnsberg erfolgt, so dass eine Bestätigung des ersten Untersuchungsergebnisses in einem unabhängigen Untersuchungsverfahren nicht stattgefunden habe. Darauf bestehe aber nach europäischem Recht und den Sorgfaltsregeln, die sich aus der guten Laborpraxis auch in der Bundesrepublik Deutschland ergäben, ein Anspruch. Darüber hinaus verweigere der Antragsgegner zu Unrecht die Untersuchung der vorgenommenen Rückstellprobe. Wenn nach Auffassung des Antragsgegners die Reproduzierbarkeit des gefundenen positiven Ergebnisses lediglich nicht ausgeschlossen sei, liege ein sog. Non-liquet vor. Die Nichterweislichkeit einer GVO-Verunreinigung müsse dann zu Lasten des Antragsgegners ausgehen. Denn dieser sei dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt seien. Im Einzelnen wird hinsichtlich der weiteren Beschwerdebegründung auf die Schriftsätze des Antragstellers und die dazu überreichten Anlagen Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Anordnung des Antragsgegners vom 27. September 2007 wiederherzustellen,

hilfsweise,

die aufschiebenden Wirkung jedenfalls so lange anzuordnen, bis die B-Probe des der Ordnungsverfügung zugrunde liegenden Sachverhalts der Saatgutprobe durch ein weiteres zertifiziertes Labor auf den Besatz des Saatgutes mit Spuren des Konstruktes FALCON GS 40/90 analysiert sein wird.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Auf seine Schriftsätze nebst Anlagen wird ebenfalls verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat sich nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage u.a. im Falle des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung sind die Interessen des Antragstellers und die des Antragsgegners sowie auch betroffene Interessen der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen. Neben der jeweiligen Bedeutung, die den einzelnen Interessen zukommt, sind insbesondere auch die Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache zu berücksichtigen. Erscheinen die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren offen, kann die Entscheidung nur auf der Grundlage einer reinen Interessenabwägung erfolgen, bei der die Folgen der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes bzw. der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung für die in Rede stehenden privaten und öffentlichen Interessen gegeneinander abzuwägen sind.

In Anwendung dieser Grundsätze muss der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben. Bei der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes für eine Rechtmäßigkeit der getroffenen gentechnischen Anordnungen (dazu 1.). Daneben überwiegt aber auch das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung im Hinblick auf die zu besorgenden Gefahren bei einer unkontrollierten Auskreuzung gentechnisch veränderter Organismen (dazu 2.).

1. Der Antragsgegner hat seine Anordnungen vom 27. September 2007 allein auf § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG gestützt. Danach kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz, gegen die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes notwendig sind. Soweit der Antragsgegner dem Antragsteller mit der angefochtenen Verfügung (vorsorglich) eine weitere Aussaat und ein Inverkehrbringen der Winterrapssorte TAURUS untersagt hat, enthalten die Vorschriften des § 26 Abs. 4 und 5 GenTG spezielle Regelungen gebundener Verwaltungsentscheidungen, deren tatbestandsmäßige Voraussetzungen für den Fall der Verunreinigung des infrage stehenden Saatguts mit GVO vorliegen und damit ebenfalls Grundlage der diesbezüglichen Anordnungen sein könnten. Diese vorsorglichen Anordnungen wären für den Antragsteller nur von Interesse, sofern er noch über Bestände des infrage stehenden Saatgutes verfügt. Den Kern des Rechtsstreits bildet indessen die unter der Nr. I. 1. Satz 2 der Verfügung getroffene Vernichtungsanordnung des Antragsgegners hinsichtlich der von dem Antragsteller mit dem Saatgut bestellten Ackerfläche von ca. 22 ha. Insoweit hat sich der Antragsgegner zu Recht auf § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG gestützt. Die in der angefochtenen Verfügung dargelegten Ermessenserwägungen sind umfassend und rechtlich nicht zu beanstanden.

§ 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG setzt zunächst einen festgestellten Verstoß u.a. gegen das GenTG voraus. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GenTG bedarf einer Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde, wer gentechnisch veränderte Organismen freisetzt. Eine Freisetzung ist nach § 3 Nr. 5 GenTG das gezielte Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt, soweit noch keine Genehmigung für das Inverkehrbringen zum Zweck des späteren Ausbringens in die Umwelt erteilt wurde. Der Antragsgegner hat die angefochtene Verfügung darauf gestützt, dass im Rahmen von staatlich durchgeführten Saatgutkontrollen in Nordrhein-Westfalen festgestellt worden sei, dass die infrage stehende Winterrapssorte TAURUS konstruktspezifische DNA-Sequenzen enthalte, wonach von einer gentechnisch erzeugten Resistenz gegen Glufosinat-Herbizide auszugehen sei. Für entsprechend gentechnisch verändertes Saatgut sind zwar Freisetzungsgenehmigungen erteilt worden, und zwar nach den unbestrittenen Angaben des Antragstellers bis zum Ablauf des Jahres 2008, nicht aber eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zum Zweck des späteren Ausbringens in die Umwelt. Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GenTG und damit das Vorliegen der Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung des § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG setzt also voraus, dass das von dem Antragsteller verwendete Saatgut tatsächlich gentechnisch veränderte Organismen enthalten hat und dass diese Organismen von ihm zusammen mit dem konventionellen Saatgutanteil gezielt ausgebracht wurden. Die Freisetzung im Rechtssinne (dazu a)) und eine Verunreinigung mit GVO (dazu b)) wird von der Beschwerde im Ergebnis ohne Erfolg infrage gestellt.

a) Der Senat teilt die in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend vertretene Auffassung, dass eine Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen eine positive Kenntnis hinsichtlich der gentechnischen Veränderungen nicht voraussetzt. Die Absicht beim Ausbringen, also das gezielte Ausbringen im Sinne des § 3 Nr. 5 GenTG, muss sich nur auf das Ausbringen selbst und nicht auf das Vorliegen von GVO beziehen (vgl. VG Schleswig, Beschl. v. 7.11.2007 - 1 B 33/07 - JURIS Rn.62 ff. m.w.N.; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschl. v. 18.2.2008 - 3 MB 51/07 -).

b) Bei der allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist ferner von einem hinreichend sicheren Nachweis der der angefochtenen Verfügung zugrunde liegenden GVO-Verunreinigung auszugehen.

Die Feststellungen des Antragsgegners beruhen auf den Untersuchungen des Staatlichen Überwachungsamts Arnsberg und des Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamts Ostwestfalen-Lippe in Nordrhein-Westfalen. Beide Ämter sind für die in Frage stehenden Untersuchungen zertifiziert. Die Bedenken des Antragstellers werden von dort aus fachlicher Sicht zurückgewiesen. Die für die Durchführung des Gentechnikgesetzes zuständigen Landesbehörden in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland sehen den Nachweis der infrage stehenden GVO-Verunreinigung übereinstimmend als erbracht an. Diese Fachbehörden verfügen über gentechnisches und labortechnisches Fachwissen. Mit dem Vorbringen des Antragstellers haben sie sich, namentlich auch das in diesem Verfahren beteiligte Gewerbeaufsichtsamt, eingehend auseinander gesetzt, halten es jedoch aus nachvollziehbaren Erwägungen für nicht geeignet, die in den beiden nordrhein-westfälischen Laboren festgestellten Untersuchungsergebnisse zu widerlegen. Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt hat zwar in seinem Schreiben vom 5. September 2007 an den Saatgutlieferanten die Untersuchungsergebnisse in Nordrhein-Westfalen als widersprüchlich bewertet und weitergehende eigene Laboruntersuchungen vor Erlass gentechnischer Anordnungen für erforderlich gehalten. Über entsprechende Ergebnisse ist dem Senat nichts bekannt geworden, so dass er im Aussetzungsverfahren davon absieht, dem weiter nachzugehen.

Der Senat folgt dem Begehren des Antragstellers auf Durchführung weiterer gentechnischer Laboruntersuchungen im Wege der Beweisaufnahme im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht. Zwar ist von der ursprünglichen Saatgutprobe eine sogenannte Rückstellprobe im staatlichen Überwachungsamt Arnsberg gesichert worden, die auf GVO-Verunreinigungen untersucht werden könnte. Derartige Untersuchungen könnten auch verhältnismäßig zügig durchgeführt werden. Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes sind zwar umfangreiche Beweisaufnahmen selbst bei nachhaltigen Eingriffen in Grundrechte - der Antragsteller beruft sich hier zu Recht auf die freie Berufsausübung und sein Eigentumsrecht (Art. 12, 14 GG) - in der Regel nicht geboten. Hiervon können im Hinblick auf den zu gewährenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) Ausnahmen geboten sein in Fällen, in denen das vorläufige Rechtsschutzverfahren nahezu vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt. Dieser Fall ist hier jedenfalls hinsichtlich der ausgesprochenen Vernichtungsanordnung gegeben.

Die Durchführung einer Beweisaufnahme verbietet sich hier jedoch aus zeitlichen Gründen. Für den Fall der Rechtmäßigkeit der Vernichtungsanordnung ist auf jeden Fall der Eintritt der Blüte des ausgesäten Rapses zu vermeiden. Denn von diesem Zeitpunkt an würden sich durch die Möglichkeit unkontrollierter Auskreuzung die zu besorgenden Gefahren der gentechnischen Veränderungen realisieren. Der Senat sieht sich aber in Ermangelung eigener Sachkunde nicht in der Lage, ohne Befragung eines unabhängigen Sachverständigen, der weder im "Lager" des Antragstellers noch in dem des Antraggegners steht, bereits die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Anordnung der von dem Antragsteller geforderten sog. B-Probe zu beurteilen. Es liegt auf der Hand, dass die Auswahl, Unterrichtung und Befragung eines Sachverständigen und die anschließende Erörterung des Ergebnisses mit den Beteiligten bis zu dem wegen der milden Witterung dieses Jahres absehbaren Rapsblüte, die nach Auffassung des Antraggegners Mitte März 2008 voraussichtlich beginnt, und der für den Umbruch der Felder des Antragstellers erforderlichen Zeitspanne, zeitlich nicht mehr in Betracht kommt. Nachdem sich die Beteiligten für ihre gegenteiligen Auffassungen auf kompetente Fachgutachter berufen haben und auch die zuständige Landesbehörde von Sachsen-Anhalt weitergehende Untersuchungen für notwendig erachtet hat, können die anstehenden labortechnischen Fragen nur nach Anhörung eines unabhängigen Gutachters rechtlich beurteilt werden.

Für die Annahme eines hinreichend sicheren Nachweises der GVO-Verunreinigung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sprechen für den Senat nicht zuletzt die besonderen Umstände des Einzelfalles. Zwar sind bei der infrage stehenden Verunreinigung des Saatgutes nahe der Nachweisgrenze unstreitig sog. falsch-positive Untersuchungsergebnisse nicht ausgeschlossen. Dies hält der Senat hier jedoch für wenig wahrscheinlich. Dabei ist zu differenzieren: Falsch-positive Ergebnisse bei einer tatsächlich nicht verunreinigten Saatgutprobe erscheinen ausgeschlossen, weil das Untersuchungsergebnis des staatlichen Überwachungsamts Arnsberg durch das Untersuchungsergebnis des Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamts Ostwestfalen-Lippe bestätigt worden ist. Eine zwar grundsätzlich mögliche Verunreinigung erst bei der Aufbereitung im Untersuchungslabor Arnsberg ist daneben wenig wahrscheinlich, weil dort im Jahre 2007 keine gentechnisch veränderten Rapssamen verwendet worden sind, die zu einer Kontamination der Saatgutprobe hätten führen können. Auch sind dort im Jahre 2007 vor Bearbeitung der streitigen Saatgutpartie 26 andere Saatgutproben bearbeitet worden, in denen keine Anteile gentechnisch veränderter Rapspflanzen nachgewiesen wurden. Ferner sind bei den Untersuchungen in beiden Laboren dieselben konstruktsspezifischen DNA-Sequenzen ermittelt worden (vgl. auch VG Schleswig, aaO., JURIS Rn. 81).

Andererseits sind die diesbezüglichen Einwendungen des Antragstellers fachlich fundiert und nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Ihnen kann aus den dargestellten zeitlichen Gründen aber nur im Rahmen des Hauptsacheverfahrens nachgegangen werden. So erscheint zunächst plausibel, dass durch naturwissenschaftliche Untersuchungen gefundene Ergebnisse nur dann als nachgewiesen bewertet werden können, sofern sie reproduzierbar sind. Es erscheint daher fraglich, ob mit Hilfe statistischer Erwägungen weitere labortechnische Untersuchungen zur Widerlegung früherer Ergebnisse als ungeeignet anzusehen sind. Dann erschiene nämlich die auch hier gewählte Vorgehensweise nicht sinnvoll, nach einem ersten positiven Ergebnis ein behördliches Einschreiten von einem zweiten positiven Ergebnis abhängig zu machen. Insoweit hat der Antragsteller überzeugend auf entsprechende Richtlinien hingewiesen, die grundsätzlich einen Anspruch auf Verifizierung im Rahmen einer Zweituntersuchung gewähren.

Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens wird ferner dem Einwand des Antragstellers im Hinblick auf die hier durchgeführte Probenvorbereitung nachzugehen sein. Er hat sich auf entsprechende Richtlinien berufen, wonach die Probevorbereitung für jede Untersuchung getrennt vorzunehmen sei. Hier hat das zunächst mit der Untersuchung befasste staatliche Überwachungsamt Arnsberg abgesehen von der Rückstellprobe die gesamte Saatgutprobe vorbereitet, d.h. gewaschen und vermahlen, und erst danach eine Teilprobe an das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe zur weiteren Untersuchung abgegeben. Es liegt auf der Hand, dass bei dieser Vorgehensweise eine erst im staatlichen Überwachungsamt Arnsberg ggf. erfolgte und zumindest theoretisch denkbare Verunreinigung mit GVO sich in den Untersuchungsergebnissen in dem zweiten Labor wiedergefunden hätte, so dass durchaus Bedenken bestehen, das dortige Positivergebnis als unabhängige Bestätigung des Erstbefundes anzusehen.

Wegen der oben dargestellten zeitlichen Grenzen für das einstweilige Rechtsschutzverfahren kann auch erst im Hauptsacheverfahren grundsätzlich entschieden werden, ob ein Anspruch auf Durchführung der vom Antragsteller geforderten B-Probe besteht. Die Auffassung des Antragsgegners, der sich insoweit insbesondere auf die gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. Kruse bezieht, wonach (jede) Zweituntersuchung die Risiken verschiebe, weil das Ergebnis ein falsch-negatives sein könne, dürfte aus naturwissenschaftlich mathematischer (statistischer) Sicht richtig sein. Aus rechtlicher Sicht erfordert der Eingriff nach § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG aber den Nachweis des Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 GenTG, also des ungenehmigten Freisetzens von GVO und dieser Nachweis obliegt verfahrensrechtlich dem Antragsgegner. Auf einen bloßen Gefahrenverdacht ist die in Frage stehende Anordnung jedenfalls nicht gestützt worden.

2. Der Senat teilt schließlich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass auch eine reine Folgenabwägungsentscheidung im Rahmen des Aussetzungsverfahrens wegen der ggf. unabsehbaren Folgen für die Umwelt gerade bei der bei Raps zu besorgenden Auskreuzung in Wildpflanzen noch zu Lasten des Antragstellers zu werten ist (ebenso: VG Schleswig, aaO., JURIS Rn. 123; Schleswig-Holst. OVG, aaO.), bei dem zwar nicht unerhebliche Eingriffe in Grundrechte in Rede stehen, letztlich aber (lediglich) überschaubare wirtschaftliche Interessen betroffen sind. Ansätze für diesbezügliche Zweifel bieten allerdings die für das infrage stehende DNA-Konstrukt bis zum Ablauf des Jahres 2008, wenn auch nach einer nicht mehr aktuellen Risikobewertung, erteilten Freisetzungsgenehmigungen. Im Hinblick auf neuere Anforderungen für entsprechende Freisetzungsgenehmigungen ist aber offenbar an einen Widerruf erteilter Genehmigungen nicht gedacht. Es liegt auf der Hand, dass bei einer Aussaat von 100%igem GVO-Raps die Gefahr der unkontrollierten Auskreuzung in die Natur ungleich höher ist als bei der hier infrage stehenden Verunreinigung mit lediglich drei GVO-Rapssamen auf 10.000 Samen konventionellen Saatguts. Der Senat sieht sich aber aus fachlicher Sicht nicht in der Lage, im Eilverfahren das Risiko einer Auskreuzung etwa bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage unter Auflagen - wie der ausschließlichen Verwendung der Ernte zur Gewinnung von Biodiesel - abzuschätzen.

Nach allem bleibt der Beschwerde der Erfolg versagt.

Ende der Entscheidung

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