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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.12.2002
Aktenzeichen: 2 LA 3174/01
Rechtsgebiete: BhV


Vorschriften:

BhV § 5 I 1
BhV § 6 I Nr 3
Zu der Frage, ob Aufwendungen für Krankengymnastik, manuelle Therapien und Massagen beihilfefähig sind, wenn sie aufgrund einer ärztlichen Verordnung und derselben Diagnose erbracht werden
Gründe:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht erfüllt.

Ernstliche Zweifel sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NordÖR 2000, 453; Beschl. d. Senats v. 23.10.2002 - 2 LA 3200/01 -). Es kommt nicht darauf an, ob einzelne Begründungselemente der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unrichtig sind, sondern darauf, ob diese im Ergebnis unrichtig ist (vgl. Beschl. d. Senats v. 23.10.2002, aaO). Das ist hier nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil dargelegt und begründet, warum es zu der Auffassung gelangt ist, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf den Antrag der Klägerin vom 6. Oktober 1999 für Aufwendungen in Höhe von weiteren 100,00 DM eine Beihilfe zu gewähren (Beihilfebemessungssatz: 50 % des Betrages von 100,00 DM = 50,00 DM). Der Beklagte hat mit seinem Zulassungsantrag keine gewichtigen, gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Gründe aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 BhV sind aus Anlass einer Krankheit vom Arzt schriftlich verordnete Heilbehandlungen beihilfefähig. Zur Heilbehandlung gehören gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BhV auch ärztlich verordnete Massagen, Krankengymnastik und Bewegungstherapien. Diese Vorschrift wird durch das Leistungsverzeichnis der Nr. 3 der Hinweise des Bundesministeriums des Innern zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV konkretisiert, das unter der laufenden Nr. 4 krankengymnastische Behandlungen, unter Nr. 12 manuelle Therapien (= Bewegungstherapien) und unter Nr. 18 Massagen aufführt. In der Fußnote 2 der Nr. 3 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV heißt es, dass neben den Leistungen nach den laufenden Nrn. 4 bis 6 des Leistungsverzeichnisses Leistungen nach den Nrn. 10, 12 und 18 des Leistungsverzeichnisses nur dann beihilfefähig sind, wenn sie aufgrund gesonderter Diagnosestellung und einer eigenständigen ärztlichen Verordnung erbracht werden.

Der Klägerin sind am 7. Juni 1999 zur Behandlung einer Kreuzbandplastik Krankengymnastik, manuelle Therapien und Massagen ärztlich verordnet worden. Die in der Fußnote 2 der Nr. 3 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV getroffene Regelung, dass in einem solchen Fall Krankengymnastik in Kombination mit manueller Therapie und/oder Massagen nicht beihilfefähig sein soll, hält einer Überprüfung im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV, wonach beihilfefähige Aufwendungen dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sein müssen, teilweise nicht stand.

Sowohl der Wortlaut der laufenden Nr. 4 des Leistungsverzeichnisses der Nr. 3 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV ("Krankengymnastische Behandlungen ... einschließlich der erforderlichen Massage") als auch der hohe beihilfefähige Höchstbetrag legen es nahe, im Falle der kombinierten Therapie aus Krankengymnastik und Massagen die laufende Nr. 4 des Leistungsverzeichnisses und damit einen höheren beihilfefähigen Höchstbetrag zugrunde zu legen, als es in der laufenden Nr. 18 des Leistungsverzeichnisses für Massagen vorgesehen ist. Nimmt man, wie es das Verwaltungsgericht zutreffend getan hat, diese Wertung vor, ist die zusätzliche Gewährung einer Beihilfe für Massagen neben der diese umfassenden Krankengymnastik nicht notwendig im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV. Dieses Alternativverhältnis drückt die Fußnote 2 der Nr. 3 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV in nicht zu beanstandender Form aus.

Für die manuelle Therapie gilt das dargestellte Alternativverhältnis indessen nicht. Die Fußnote 2 der Nr. 3 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV findet, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, insoweit keine Anwendung. Die manuelle Therapie stellt eine eigenständige Therapieform dar, die im Unterschied zur Massage gerade nicht Bestandteil einer anderen Behandlung sein kann. Dies zeigt sich schon daran, dass sie in dem Leistungsverzeichnis der Nr. 3 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV im Abschnitt "II. Krankengymnastik, Bewegungsübungen" zusätzlich zu der Krankengymnastik (lfd. Nr. 4 bis 9 des Leistungsverzeichnisses) aufgeführt ist. Dass die manuelle Therapie neben der Krankengymnastik als notwendig im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV anzusehen ist und keine Doppelabrechnung derselben Leistung oder Abrechnung einer Zuvielbehandlung darstellt, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass an die Ausbildung der Therapeuten besondere Anforderungen gestellt werden (vgl. Fußnote 6 der Nr. 3 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV). Es kommt hinzu, dass die lfd. Nr. 12 des Leistungsverzeichnisses eine Mindestbehandlungsdauer von 30 Minuten vorschreibt und dass ein höherer beihilfefähiger Höchstbetrag als für Krankengymnastik nach der lfd. Nr. 4 des Leistungsverzeichnisses festgesetzt ist.

Es stellt entgegen der Ansicht des Beklagten keinen Wertungswiderspruch dar, dass das Verwaltungsgericht und der beschließende Senat zum Teil der in der Fußnote 2 der Nr. 3 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV bestimmten Regelung folgen, sie zum Teil jedoch als rechtsfehlerhaft ansehen. In dieser Wertung kommt zum Ausdruck, dass das Verwaltungsgericht und der beschließende Senat bei ihrer Entscheidungsfindung nicht an die Nr. 3 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV und die dort enthaltenen Fußnoten gebunden sind. Es handelt sich lediglich um Verwaltungsvorschriften, die nicht den Rang einer verbindlichen Rechtsnorm teilen und den Inhalt der Beihilfevorschriften weder einschränken noch ändern können (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.3.1995 - 2 C 9.94 -, NVwZ-RR 1996, 100 m.w.Nachw.). Die von dem Verwaltungsgericht und dem beschließenden Senat vorgenommene Wertung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Dienstherr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht nicht gehalten ist, die Beamten in vollem Umfang von den Aufwendungen freizustellen, die ihnen aus Anlass von Krankheitsfällen entstehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89; BVerwG, Urt. v. 18.6.1980 - 6 C 19.79 -, BVerwGE 60, 212).

2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind ebenfalls nicht erfüllt.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine tatsächliche oder rechtliche Frage von allgemeiner fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Berufungsrechtszug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Eine solche Frage ergibt sich aus der Antragsschrift nicht.

Die von dem Beklagten aufgeworfene Frage, ob Aufwendungen für manuelle Therapien neben solchen für krankengymnastische Leistungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV beihilfefähig sind oder ob ein entsprechender Ausschluss der Beihilfefähigkeit, wie er in der Fußnote 2 der Nr. 3 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV vorgesehen ist, mit den Beihilfevorschriften und dem Fürsorgeprinzip vereinbar ist, bedarf angesichts der obigen Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keiner grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren. An einer die Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigenden Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es nämlich, wenn sich - wie hier - die als vermeintlich grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage auf der Grundlage der zu prüfenden Vorschriften oder bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt (vgl. zur Revisionszulassung BVerwG, Beschl. v. 27.8.1996 - 8 B 165.96 -, Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 1 VwGO Nr. 13).

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