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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.09.2006
Aktenzeichen: 2 LB 1790/01
Rechtsgebiete: BhV, GG


Vorschriften:

BhV § 4 I Nr. 2
BhV § 17 IX
GG Art. 20 III
Zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (Abwälzungsanspruch) im Verwaltungsrecht.
Tatbestand:

Der klagende Freistaat C. begehrt von der Beklagten, der D., die Erstattung von Beihilfeleistungen, die er von April 1994 bis November 1996 an eine Ruhestandsbeamtin erbracht hat.

Die im Jahre 1925 geborene Oberlehrerin E. aus F. trat zum 1. August 1984 in den Ruhestand. Da ihr Ehemann, ein Ruhestandsbeamter der Beklagten, am 19. Februar 1994 verstarb, bezog die Ruhestandsbeamtin ab dem 1. März 1994 (auch) Witwengeld nach ihrem verstorbenen Ehemann. Obwohl diese Witwenversorgung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 BhV zum Erlöschen des Beihilfeanspruchs der Ruhestandsbeamtin gegenüber dem Freistaat geführt hatte, wurden der Ruhestandsbeamtin auf ihre Anträge mit Bescheiden vom 19. April, 13. Juli, 22. November 1994, 12. Januar, 23. Mai, 1. Dezember 1995, 2. Mai, 4. Juni, 17. September und 6. November 1996 weiterhin von dem Kläger Beihilfeleistungen gewährt. Die Beihilfegewährung wurde erst eingestellt, nachdem im Rahmen einer Rechnungsprüfung im März 1997 der Übergang der Beihilfeberechtigung bemerkt worden war.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 1997 forderte der Kläger die Beklagte erstmals auf, ihm die von ihm an die Ruhestandsbeamtin in der Zeitspanne April 1994 bis November 1996 erbrachten Beihilfeleistungen zu erstatten, wobei er die Gesamtsumme zunächst auf 12.586,89 DM bezifferte. Nach Einsicht in die Beihilfeakten lehnte die Beklagte eine Erstattung unter Hinweis darauf ab, Beihilfeansprüche seien nicht übertragbar, auch sei ein Beihilfeanspruch nach Ablauf der Jahresfrist verjährt. Da die Beklagte auf ihrer Ablehnung beharrte, hat der Kläger am 12. Oktober 1998 Klage erhoben, mit der er zunächst beantragt hat, die Beklagte auf Zahlung von 12.586,89 DM nebst 4 % Zinsen auf diese Summe seit Rechtshängigkeit zu verurteilen. Mit Schriftsatz vom 26. März 1999 hat er seine Klage erweitert und beantragt, die Beklagte zur Zahlung weiterer 985,70 DM (nebst 4 % Zinsen seit Zustellung dieses Schriftsatzes) zu verurteilen, und hierzu vorgetragen, nach Durchsicht der Beihilfeunterlagen der Ruhestandsbeamtin habe sich ergeben, dass auch ein Betrag von 985,70 DM zu erstatten sei, weil auch dieser Betrag von den Beilhilfebescheiden vom 19. April und 13. Juli 1994 erfasst werde; denn insoweit habe es sich um Beihilfeleistungen für Behandlungen gehandelt, die erst nach dem 1. März 1994 durchgeführt worden seien. Die Weiterleitung des Schriftsatzes vom 26. März 1999 an die Beklagte ist am 8. April 1999 verfügt worden.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, er könne einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Form eines Abwälzungsanspruchs mit Erfolg geltend machen, den der nicht zuständige Beihilfeträger - hier er selbst - gegenüber dem zuständigen Beihilfeträger - hier der Beklagten - besitze. Dieser Erstattungsanspruch bestehe immer dann, wenn ein nicht verpflichteter Leistungsträger einem Dritten eine Leistung gewähre. Die Leistung müsse dann nicht von dem Dritten, dem Leistungsempfänger, zurückgefordert werden, sondern könne direkt von dem tatsächlich zur Leistung verpflichteten Leistungsträger verlangt werden. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch stelle ein eigenes Rechtsinstitut dar, das seit langem in der Rechtsprechung anerkannt sei; mit ihm sollten zu Unrecht erfolgte Vermögensverschiebungen wieder ausgeglichen werden. Es sei auch nicht so, dass er - der Kläger - die Leistungen von der Ruhestandsbeamtin, die die Beihilfeleistungen erhalten habe, zurückfordern müsse. Vielmehr könne er als nicht zuständiger Verwaltungsträger den Ausgleich direkt von dem zuständigen Verwaltungsträger (der Beklagten) verlangen. Die Anerkennung eines direkten Anspruchs zwischen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern sei auch vernünftig, weil auf diese Weise der Umweg über die Rückforderung von dem betroffenen Bürger und eine erneute Einreichung von Beihilfeanträgen durch den Bürger vermieden werde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.586,89 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Oktober 1998 sowie weitere 985,70 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. April 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert:

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu. Denn wer irrtümlich leiste, um vermeintlich eine eigene Schuld zu tilgen, habe diese Leistung von dem Empfänger der Leistung und nicht von dem eigentlich zur Leistung Verpflichteten zurückzufordern. Diese zivilrechtlichen Grundsätze des Bereichungsrechts seien auch auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch mit der Folge anzuwenden, dass die Leistungskondiktion die Rückgriffskondition für eine Bereicherung in sonstiger Weise verdränge, die Leistungskondiktion habe immer Vorrang vor der Eingriffskondiktion. Deshalb müsse sich der Kläger hinsichtlich seines Rückforderungsbegehrens an die Ruhebestandsbeamtin halten. Der von dem Bundessozialgericht für das Sozialrecht entwickelte Abwälzungsanspruch sei schon dem Grunde nach auf das Verwaltungsrecht nicht anwendbar, es fehle die nach Art. 20 Abs. 3 GG erforderliche gesetzliche Grundlage. Zumindest seien die von dem Bundessozialgericht für den Abwälzungsanspruch entwickelten Tatbestandsvoraussetzungen hier nicht erfüllt, weil der Abwälzungsanspruch eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung zwischen beitragsfinanzierten Leistungen einerseits und aus allgemeinen Steuermitteln finanzierten Leistungen andererseits voraussetze. An einer derartigen Fallgestaltung fehle es hier aber; denn die Beihilfe werde generell aus Steuermitteln finanziert. Es bestehe auch keine Notwendigkeit, von ihr, der Beklagten, die jetzt zur Erstattung angemeldeten Beihilfeleistungen zurückzufordern. Diese könnten nämlich ohne weiteres von der Ruhestandsbeamtin zurückgefordert werden. Diese genieße nach § 48 Abs. 2 VwVfG keinen Vertrauensschutz, weil sie in ihren Beihilfeanträgen wahrheitswidrig angegeben habe, über keine weitere Beihilfeberechtigung zu verfügen.

Rein vorsorglich müsse auch die Höhe des Erstattungsanspruchs bestritten werden; denn zumindest ein Teil der von dem Kläger abgerechneten Kosten sei nicht beihilfefähig gewesen. So seien der Ruhestandsbeamtin trotz unveränderter Sehwerte im Dezember 1994 und Mai 1996 und damit innerhalb von nur 17 Monaten zwei Mal Aufwendungen für die Anschaffung einer Brille erstattet worden. Die Arztrechnungen vom Mai 1996 enthielten eine Unfalldiagnose. Es sei offenbar versäumt worden, Schadensersatzansprüche gegenüber einem eventuell zum Schadensersatz verpflichteten Schädiger geltend zu machen; dies könne dem Erstattungsanspruch einredeweise entgegengehalten werden. Schließlich fehle in den Unterlagen für die erstattete Fußpflegerechnung vom 20. Februar 1996 eine ärztliche Verordnung.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 30. Januar 2001 der Klage stattgegeben und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die zulässige Leistungsklage sei in vollem Umfang begründet. Allerdings würden vertragliche Ansprüche des Klägers auf Aufwendungsersatz ebenso wie Ansprüche auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag ausscheiden; dies gelte insbesondere für den Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag, weil dieser die Führung eines fremden Geschäfts voraussetze, hier habe aber der Kläger die Beihilfeleistungen in Erfüllung einer vermeintlich eigenen Verpflichtung erbracht, ohne dass er für die Beklagte habe tätig werden wollen. Der geltend gemachte Anspruch sei aber als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gerechtfertigt. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sei als eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts allgemein anerkannt. Der Vorrang einer Leistungskondition gegenüber der Beihilfeempfängerin scheitere hier daran, dass die Beihilfeleistungen nicht ohne Rechtsgrund erbracht worden seien und dieser Rechtsgrund fortbestehe. Die ergangenen Beihilfebescheide könnten nach den Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes schwerlich aufgehoben werden, sie bildeten die causa für die Leistungen gegenüber der Ruhestandsbeamtin. Denn es sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, von einer 78-jährigen Witwe, die eine in dem System der Beihilfevorschriften ungewöhnliche Norm (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 BhV) nicht habe kennen müssen, die Erstattung von Beihilfeleistungen zu verlangen, auf die sie dem Grunde nach Anspruch habe, die sie aber gegenüber der Beklagten wegen der Ausschlussnorm des § 17 Abs. 9 BhV nunmehr nicht mehr geltend machen könnte. Der Kläger könne daher von der Beklagten die Erstattung der von ihm nicht geschuldeten Beihilfeleistungen unter dem Gesichtspunkt des sog. Abwälzungsanspruchs verlangen. Da der Abwälzungsanspruch als Sonderform des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auf dem allgemeinen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beruhe, benötige er eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht. Ein Rechtsgrund für die Belastung des Klägers mit Beihilfeleistungen in Höhe von 13.572,59 DM habe nicht bestanden, weil die Beihilfeverpflichtung bereits seit dem 1. März 1994 gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 BhV auf die Beklagte übergegangen sei. Die Beklagte sei nicht durch eine bewusste oder gewollte Vermögensverschiebung, d. h. durch eine Leistung des Klägers, sondern 'in sonstiger Weise', also durch das von ihr an Beihilfeleistungen Ersparte begünstigt worden; diese ersparten Aufwendungen habe die Beklagte dem Kläger zu erstatten. Der Erstattungsanspruch sei auch nicht verjährt, weil die Verjährungsbestimmung des § 17 Nr. 9 BhV, die nur für Beihilfeansprüche eines Beamten gelte, auf den Erstattungsanspruch zwischen Leistungsträgern nicht anwendbar sei.

Der Zinsanspruch und der Beginn der Verzinsung beruhe auf einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1, 187 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 16. Februar 2001 zugestellte Urteil am 1. März 2001 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 17. Mai 2001 - 2 L 994/01 - nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO stattgegeben hat.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor:

Entgegen der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht kenne das öffentliche Recht einen sog. Abwälzungsanspruch nicht. Vielmehr sei ein unmittelbarer Rückgriff auf sie, die Beklagte, wegen des Vorrangs der Leistungskondition - der Kläger habe die umstrittene Forderung als Beihilfen an die Beihilfeberechtigte geleistet - ausgeschlossen; denn dieser Vorrang verdränge grundsätzlich eine Rückgriffskondiktion für eine Bereicherung in sonstiger Weise. Auch im öffentlichen Recht gelte, dass vorrangig die jeweiligen Leistungsbeziehungen zwischen den unmittelbar Beteiligten abzuwickeln seien. Wollte man einen Abwälzungsanspruch anerkennen, so liefe dies auf eine Umgehung der Rechtsinstitute der Bestandskraft von Verwaltungsakten und der detaillierten Regelungen über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten hinaus, indem sozusagen durch die Hintertür im Innenverhältnis die Bestandkraft und die Regelungen über Rücknahme und Widerruf umgangen würden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 30. Januar 2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert:

Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht die Anwendbarkeit des sog. Abwälzungsanspruchs im öffentlichen Recht bisher noch nicht ausdrücklich bejaht habe, klinge doch in mehreren Entscheidungen an, dass dieser Anspruch auch im Verwaltungsrecht Anwendung finden könne. Sinn und Zweck des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs und somit auch des Abwälzungsanspruchs sei, für einen ordnungsgemäßen Ausgleich zwischen den einzelnen Verwaltungsträgern zu sorgen. Jedem Verwaltungsträger sollten die ihm zugewiesenen Mittel für die tatsächlich von ihm zu erledigenden Aufgaben zur Verfügung stehen. Ob sich diese Mittel aus allgemeinen Steuermitteln, aus Beiträgen und Gebühren oder ähnlichen Finanzierungsquellen zusammensetzten, sei für die Anerkennung des Abwälzungsanspruchs nicht ausschlaggebend. Bei dem Einwand der Beklagten, es habe kein Rechtsgrund - in Gestalt rechtmäßiger Beihilfebescheide - für seine, des Klägers, Beihilfeleistungen an die Ruhestandsbeamtin vorgelegen, übersehe die Beklagte, dass es im vorliegenden Rechtsstreit nicht um das Verhältnis zwischen ihm, dem Kläger, und der Beihilfeberechtigten, sondern um das Verhältnis zwischen ihm (als unzuständigen Verwaltungsträger) und ihr, der Beklagten, (als zuständigen Verwaltungsträgerin) gehe; auf dieses Verhältnis seien die Regelungen über Bestandskraft, Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten nicht anwendbar, weil in diesem Verhältnis keine Regelungen mithilfe eines Verwaltungsaktes getroffen würden.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszug verzichtet.

Zur weiteren Sachdarstellung und zur Darstellung des Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Klägers (Beiakten A bis D) Bezug genommen; diese Akten sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist als unbegründet zurückzuweisen. Denn der Kläger hat, wie dies bereits in dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. Januar 2001 zutreffend erkannt worden ist, einen Anspruch auf Erstattung der Beihilfeleistungen, die dieser als unzuständiger Leistungsträger anstelle der ab dem 1. März 1994 zuständig gewordenen Beklagten für beihilfefähige Aufwendungen erbracht hat, die der Ruhestandsbeamtin E. nach dem 1. März 1994 entstanden sind.

1. Der Kläger hat als Leistungsträger mit den Beihilfebescheiden vom 19. April, 13. Juli, 22. November 1994, 12. Januar, 23. Mai, 1. Dezember 1995, 2. Mai, 4. Juni, 17. September und 6. November 1996 Beihilfeleistungen an die Ruhestandsbeamtin für Aufwendungen erbracht, für deren Gewährung er seit dem 1. März 1994 nicht mehr zuständig gewesen ist, weil die Ruhestandsbeamtin infolge des Todes ihres Ehemannes von der Beklagten ab dem 1. März 1994 Witwenversorgung bezog und dieser neue Versorgungsbezug nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 BhV die Beihilfeberechtigung der Ruhestandsbeamtin gegenüber dem Kläger ausschloss. Nachdem sich die Beklagte - als die seit dem 1. März 1994 zuständig gewordene Leistungsträgerin - beharrlich geweigert hatte, die von dem Kläger - als unzuständigem Leistungsträger (s. o.) - an ihrer Stelle an die Beihilfeberechtigte erbrachten Leistungen zu erstatten, war der Kläger berechtigt, seine Erstattungsforderung (i. H. v. insgesamt 13.572,59 DM = 6.939,56 €) im Wege der Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten durchzusetzen.

Der Erstattungsanspruch ist auch materiell begründet; denn gegen die Anerkennung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in Form des Abwälzungsanspruchs auch im Verwaltungsrecht bestehen keine rechtlichen Bedenken (s. Tz. 1.1), auch greifen die Einwände, die die Beklagte gegen die Höhe des als Erstattungsforderung geltend gemachten Beihilfeanspruchs erhoben hat, nicht durch (s. Tz. 1.2), schließlich ist der Erstattungsanspruch weder erloschen noch verjährt (s. 1.3).

1.1 Der Kläger kann sein (berechtigtes) Begehren nur auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (Abwälzungsanspruch) stützen, weil eine sondergesetzliche Regelung über die Erstattung von Leistungen, die von einem unzuständigen Leistungsträger öffentlicher Verwaltung anstelle des zuständigen Leistungsträgers an einen Beamten erbracht worden sind, weder nach den Beamtengesetzen noch nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehen ist und auch Erstattungsansprüche unter dem Blickwinkel der Amtshilfe oder der Geschäftsführung ohne Auftrag hier ausscheiden müssen. Denn der Beklagte hatte in Unkenntnis seiner nicht mehr gegebenen Zuständigkeit für die Beihilfegewährung die umstrittenen Beihilfeleistungen der Ruhestandsbeamtin als eigene Leistungen zugewandt, ohne anstelle der Beklagten handeln zu wollen, wie dies aber eine fremde Geschäftsführung (ohne Auftrag) voraussetzt. Des Weiteren muss eine Rückabwicklung nach den Regelungen der §§ 48ff. VwVfG hier ausscheiden, weil diese Bestimmungen nicht eine Rückabwicklung von fehlgeleiteten Leistungen oder Vermögensverschiebungen zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften erfassen.

Der von dem Kläger geltend gemachte Erstattungsanspruch findet seine Rechtfertigung aber in dem in Rechtsprechung (s. etwa BVerwG, Urt. v. 20.3.2003 - BVerwG 2 C 23.02 -, DVBl. 2003, 1550 = Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 14 = ZBR 2003, 315 = NVwZ-RR 2003, 874; VGH Bad.-Württ, Urt. v. 7.6.1984 - 11 S 2127/81 -, NJW 1985, 2603(2605f,); OVG Hamburg, Urt. v. 4.11.1993 - BF VII 3/91 -, DÖV 1994, 744 = NVwZ-RR 1995, 369(374); BayVGH Urt. v. 29.8.2005 - 12 BV 02.3269 u. a. -, zit. nach juris;) und Literatur (s. z. B. Ossenbühl, NVwZ 1991, 513ff.) allgemein anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der dazu dienen soll, ohne Rechtsgrund erbrachte Leistungen oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen auch im Verhältnis zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts rückabzuwickeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.8.1995 - BVerwG 1 C 15.94 -, BVerwGE 99, 101(103); Urt. v. 30.11.1995 - BVerwG 7 C 56.93-, BVerwGE 100, 56(59), Urt. v. 15.6.2006 - BVerwG 2 C 10.05 -, zit. nach juris). Entgegen der Ansicht der Beklagten bedarf dieses seit langem im Verwaltungsrecht anerkannte Rechtsinstitut nicht einer gesonderten gesetzlichen Regelung etwa in dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes oder des Landes Niedersachsen. Vielmehr entspricht es dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Forderung nach wiederherstellender Gerechtigkeit (BVerwG, Urt. v. 17.8.1995, aaO), dass ein Rechtsträger öffentlicher Verwaltung - hier die Beklagte - einem anderen Rechtsträger - hier dem Kläger - durch Erstattung den Vermögensvorteil ausgleicht, den der eine Rechtsträger dadurch erlangt hat, dass der andere Rechtsträger im Widerspruch zum materiellen Recht einem Dritten - hier der Ruhestandsbeamtin - Leistungen zugewendet hat, für deren Erbringung der in Erstattung genommene Rechtsträger an sich zuständig gewesen wäre (vgl. BayVGH, Urt. v. 1.2.2006 - 14 B 00.2202 -, zit. nach juris). Da dieser Erstattungsanspruch in Form des Abwälzungsanspruchs gerade nicht den (zivilrechtlichen) Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812ff. BGB) folgt (vgl. BSG, Urt. v. 25.3.1962 - 2 RV 219/59 -, BSGE 16, 151 = DÖV 1962, 463 = DVBl. 1962, 490(492)), kann entgegen der Ansicht der Beklagten der im zivilrechtlichen Bereichungsrecht entwickelte Vorrang der Leistungskondition vor der Eingriffskondition für den öffentlich-rechtlichen Abwälzungsanspruch keine Bedeutung gewinnen. Dem Erstattungsbegehren des Klägers kann daher nicht entgegengehalten werden kann, die Rückabwicklung könne nur in der Weise erfolgen, dass der Kläger die von ihm im Leistungsverhältnis zu der Ruhestandsbeamtin erbrachten Beihilfeleistungen von dieser zurückfordert und die Ruhestandsbeamtin ihrerseits die Beklagte auf die Gewährung von Beilhilfeleistungen in Anspruch nimmt. Vielmehr kann dieser "umständliche Weg" (BSG, aaO) durch die Anerkennung eines unmittelbaren Ausgleichsanspruchs, des Abwälzungsanspruchs des Klägers gegen die Beklagte, im öffentlichen Recht vermieden werden, wodurch gleichzeitig sichergestellt wird, dass der nach materiellem Recht verpflichtete Leistungsträger - hier die Beklagte aufgrund der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BhV - auch tatsächlich die Leistungen erbringt, zu denen er verpflichtet ist und nicht der Leistungsträger, der diese Leistungen irrtümlich an den Leistungsberechtigten erbracht hat.

Hinzu kommt, dass nach Ansicht des Senats ein Ausgleich der hier zu Unrecht erfolgten Vermögensverschiebungen zu Gunsten der Beklagten durch Rückabwicklung der der Ruhestandsbeamtin von dem Kläger gewährten Beihilfeleistungen im Leistungsverhältnis und durch die Gewährung von Beihilfen seitens der Beklagten an die Ruhestandsbeamtin heute nicht mehr erfolgen kann. Zum einen ist eine Rücknahme der die Rechtsgrundlage der Beihilfegewährung bildenden Beihilfebescheide vom 19. April 1994 bis 6. November 1996 unter Vertrauensschutzgesichtspunkten gem. § 48 Abs. 2 VwVfG ausgeschlossen. Auch wenn die Ruhestandsbeamtin verpflichtet gewesen ist, von sich aus auf wesentliche, ihre Beihilfeberechtigung beeinflussende Umstände hinzuweisen, schließt dies eine erfolgreiche Berufung auf den Vertrauensschutz nicht aus; denn die Ruhestandbeamtin hatte bereits in ihrem Beihilfeantrag vom 11. April 1994 auf den Tod ihres Ehemannes hingewiesen, auch konnte von ihr als ehemaliger Lehrerin nicht erwartet werden, dass ihr eine so spezielle Vorschrift des Beihilferechts wie die des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BhV bekannt war, ihr somit hätte bewusst sein müssen, dass sie aufgrund des Bezuges von Witwenversorgung nunmehr gegenüber dem Freistaat C. nicht mehr beihilfeberechtigt war. Zum anderen steht die Bestimmung des § 17 Abs. 9 BhV - Notwendigkeit, innerhalb eines Jahres nach Entstehung der Aufwendungen den Anspruch auf Beihilfegewährung geltend zu machen - nunmehr der Geltendmachung eines unmittelbaren Beilhilfeanspruchs der Ruhestandsbeamtin gegenüber der Beklagten entgegen. Ist damit eine Rückabwicklung im Leistungsverhältnis nicht mehr möglich, so begründet dies nach Auffassung des Senats auch das überwiegende öffentliche Interesse (vgl. BSG, Urt. v. 25.3.1962, aaO u. Urt. v. 23.3.1971 - 7 RAr. 12/69 -, DVBl. 1971, 922(923)) für den Ersatzanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten. Denn andernfalls wäre ein Ausgleich der ungerechtfertigten Vermögensverschiebung nicht möglich. Mithin kann es nicht darauf ankommen, dass Beilhilfeleistungen der Beklagten und des Klägers jeweils aus Steuermitteln finanziert werden.

1.2 Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, eine Erstattung müsse zumindest teilweise ausscheiden, weil der Kläger an die Ruhestandsbeamtin teilweise zu Unrecht Beihilfeleistungen erbracht habe. Denn dieser Einwand hält einer gerichtlichen Nachprüfung nicht stand.

Soweit die Beklagte moniert, die (erstatteten) Aufwendungen für eine Brille im Jahre 1996 seien nicht notwendig gewesen, weil der Ruhestandsbeamtin erst 17 Monate zuvor Aufwendungen für eine Brille erstattet worden seien, ergibt sich hieraus nicht, dass an die Ruhestandbeamtin insoweit zu Unrecht Beihilfeleistungen erbracht worden sind. Aus der von dem Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des Augenarztes Dr. med. G. aus F. vom 10. Mai 2001 ist nämlich zu folgern, dass die Ruhestandsbeamtin im Jahre 1996 eine weitere Brille (mit weißen Gläsern) benötigte, weil ihr aufgrund einer Augenerkrankung (Glaskörpertrübung) im Jahre 1994 eine Brille mit 65%-iger Absorption verordnet worden war, die Ruhestandsbeamtin diese Brille aber nicht ständig tragen konnte. Damit ergab sich für die Ruhestandsbeamtin die Notwendigkeit, sich im Jahre 1996 eine zusätzliche Brille (mit normal getönten Gläsern) zu beschaffen, eine Aufwendung, für die die Ruhestandsbeamtin eine Beihilfe beanspruchen konnte. Auch die Erstattung von Aufwendungen für eine Fußpflegebehandlung (Rechnung der Massage-Praxis H. aus F. v. 20.2.1996 über 130,00 DM) kann nicht beanstandet werden. Zwar findet sich in den - in Fotokopie vorhandenen - Beilhilfeunterlagen des Klägers eine ärztliche Verordnung zu den am 19. Oktober, 21. November, 20. Dezember 1995 sowie am 19. Januar und 20. Februar 1996 durchgeführten Fußpflegebehandlungen nicht (mehr), die Rechnung vom 20. Februar 1996 enthält aber wie die vorangegangenen und die nachfolgenden Rechnungen der Fußpflege-Praxis den ausdrücklichen Hinweis, dass die durchgeführte Fußpflege "lt. ärztl. Verordnung" erfolgt ist. Es ist daher zumindest in diesem Erstattungsverfahren davon auszugehen, dass der die Beihilfe anweisenden Stelle des Klägers bei der Beilhilfebewilligung (im Original - die Original-Rechnungen und -Verordnungen sind der Ruhestandsbeamtin zur Erstattungseinreichung bei ihrer Versicherung nach der Beihilfegewährung zurückgesandt worden) auch eine entsprechende ärztliche Verordnung vorgelegen hat. Hierfür spricht auch, dass sich in den Beilhilfeunterlagen zu der Fußpflegerechnung der Massage-Praxis H. vom 18. Januar 1995, die ebenfalls den Hinweis "lt. ärztl. Verordnung" enthält, eine ärztliche Verordnung (des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. med. I. aus F.) findet und in der als Diagnose "Senk-Spreizfuß" (Krallenzehen) aufgeführt wird. Hat aber im Frühjahr 1995 bei der Ruhestandbeamtin aufgrund dieser Diagnose die durch ärztliche Verordnung begründete Notwendigkeit einer (medizinischen) Fußpflege schon bestanden, so wird sich hieran im darauf folgenden Jahr bei der dann 71-jährigen Ruhestandsbeamtin nichts geändert haben. Schließlich erweist sich auch der Einwand der Beklagten als nicht stichhaltig, der Kläger habe es versäumt, bei den Arztrechnungen vom 14. Mai 1996, mit denen die Behandlung eines durch einen Unfall (Bruch der rechten Hand) verursachten Leidens abgerechnet worden ist, den für den Unfall verantwortlichen Dritten leistungsmindernd in Anspruch zu nehmen. Denn nach der Erklärung der Ruhestandsbeamtin vom 10. Juni 1996 hat sie sich den Handbruch im März 1995 durch einen Sturz auf der Haustreppe ohne Fremdverschulden zugezogen.

1.3.1 Der Erstattungsanspruch ist auch nicht verjährt.

Die Ausschlussfrist des § 17 Abs. 9 BhV gilt nur im Verhältnis der um eine Beilhilfe nachsuchenden Beamtin zu ihrem Dienstherrn, bezieht sich aber nicht auf den hier abzuhandelnden Erstattungsanspruch zwischen Leistungsträgern.

Der Anspruch war bei Klageerhebung im Oktober 1998 auch nicht nach der auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch entsprechend anzuwendenden Verjährungsbestimmung des § 195 BGB verjährt. Allerdings beträgt die (allgemeine) Verjährungsfrist nach § 195 BGB n. F. (i. d. F. d. Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes v. 26.11.2001, BGBl. I S. 3138) nur noch drei Jahre. Diese (kurze) Verjährungsfrist findet aber nach Art. 229 § 6 EGBGB hier keine Anwendung, weil das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und damit die Bestimmung des § 195 BGB n. F. erst zum 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, der Beklagte seine auf die Erstattung des geltend gemachten Betrages gerichtete und die Verjährung hemmende Klage aber bereits im Oktober 1998 erhoben hatte - dies gilt auch für die mit Schriftsatz vom 26. März 1999 geltend gemachte Nachforderung i. H. v. 985,70 DM. Vielmehr war auf den bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes eingeklagten Erstattungsanspruch des Klägers nicht die (kurze) dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB n. F., sondern noch die bis zum 31. Dezember 2001 geltende längere Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. anzuwenden (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.6.2006 - BVerwG 2 C 10.05 -, zit. nach juris), die bei Klageerhebung im Oktober 1998 bzw. bei Stellung der Nachforderung im März 1999 noch nicht abgelaufen war.

1.3.2 Der Erstattungsanspruch ist auch nicht nach Landesrecht erloschen. Denn das Niedersächsische Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (v. 4.3.1971, Nds.GVBl. S. 73, zuletzt geändert d. § 33 d. Gesetzes v. 16.12.2004, Nds.GVBl. S. 609(615)) kennt im Gegensatz etwa zum bayerischen Recht (s. Art. 71 bayAGBGB, v. 20.9.1982, SaBl. S. 2029(2038)) keine besonderen Erlöschenstatbestände für öffentlich-rechtliche Ansprüche.

2. Der Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1, 187 Abs. 1 BGB analog (BVerwG, Urt. v. 7.2.1985 - BVerwG 3 C 33.83 -, BVerwGE 71, 48(55); OVG Hamburg, aaO, S. 376; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, RdNr. 22 zu § 90 m. w. Nachw.).

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