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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.05.2009
Aktenzeichen: 4 KN 731/07
Rechtsgebiete: BNatSchG, NNatG, VwGO


Vorschriften:

BNatSchG § 22 Abs. 1
BNatSchG § 60 Abs. 1 S. 1
BNatSchG § 60 Abs. 2 S. 1
NNatG § 26 Abs. 1
NNatG § 60 Abs. 1
NNatG § 60 a Abs. 1
NNatG § 60 c Abs. 1
VwGO § 47
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
1. Einem nach § 60 Abs. 1 NNatG anerkannten Verein stehen in Bezug auf die Teilaufhebung einer Landschaftsschutzgebietsverordnung keine über die Beteiligungsrechte nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG und § 60 a Nr. 1 NNatG hinausgehenden subjektiv-öffentlichen Rechte zu, weil ihm weder das Bundesnaturschutzgesetz noch das Niedersächsische Naturschutzgesetz oder andere gesetzliche Vorschriften derartige Rechte einräumen.

2. Das Bundesnaturschutzgesetz und das Niedersächsische Naturschutzgesetz eröffnen einem anerkannten Verein auch nicht die Möglichkeit, einen Normenkontrollantrag zu stellen, ohne eine Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen.

3. Der Normenkontrollantrag eines anerkannten Vereins gegen eine Verordnung über die Teilaufhebung einer Landschaftsschutzgebietsverordnung ist daher mangels Antragsbefugnis unzulässig, wenn der Verein nicht geltend machen kann, in seinen o. g. Beteiligungsrechten verletzt zu sein.


Gründe:

Das Normenkontrollverfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, weil die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Es entspricht billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, dem Antragsteller die Kosten des Normenkontrollverfahrens nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO aufzuerlegen. Denn der Normenkontrollantrag, mit dem sich der Antragsteller gegen die 3. Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Schutze des Landschaftsteiles "{A.}" im Bereich der Stadt {B.} vom 12. Oktober 2005, durch die die Verordnung zum Schutze des Landschaftsteils "{A.} im Bereich der Stadt {B.}" vom 23. Juli 1980 hinsichtlich eines Teilbereichs aufgehoben worden ist, gewandt hat, hätte keinen Erfolg gehabt. Der Antrag war nämlich unzulässig, weil der Antragsteller die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis nicht vorweisen konnte.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann eine natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift einen Normenkontrollantrag stellen. Der Antragsteller, ein nach § 60 Abs. 1 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes anerkannter Verein, konnte aber nicht geltend machen, durch die 3. Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Schutze des Landschaftsteiles "{A.}" im Bereich der Stadt {B.} vom 12. Oktober 2005 in eigenen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Denn er verfügte über keine Rechte, die durch die o. g. Änderungsverordnung verletzt sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden könnten.

Eine Verletzung der dem Antragsteller durch § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes in der Fassung vom 25. März 2002 (BGBl. I S. 1193) - BNatSchG - und § 60 a Nr. 1 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes in der Fassung vom 23. Juni 2005 (Nds.GVBl. S. 210) - NNatG - eingeräumten Beteiligungsrechte ist vom Antragsteller nicht geltend gemacht worden und lässt sich im übrigen auch nicht feststellen, weil diese Beteiligungsrechte bei dem Erlass der Änderungsverordnung vom 12. Oktober 2005 gewahrt worden sind.

Dem Antragsteller standen in Bezug auf die Teilaufhebung der Landschaftsschutzgebietsverordnung auch keine über die o. g. Beteiligungsrechte hinausgehenden subjektiv-öffentlichen Rechte zu, weil ihm weder das Bundesnaturschutzgesetz noch das Niedersächsische Naturschutzgesetz oder andere gesetzliche Vorschriften derartige Rechte einräumen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.7.1997 - 4 BN 10.97 -, NuR 1998; Hess. VGH, Beschl. v. 14.4.1997 - 6 N 2349/96 -; Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, Kommentar, § 58 Rn. 32). Das Bundesnaturschutzgesetz und das Niedersächsische Naturschutzgesetz eröffnen einem anerkannten Verein wie dem Antragsteller auch nicht die Möglichkeit, einen Normenkontrollantrag zu stellen, ohne eine Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen (vgl. Lorz/Müller/Stöckel, Naturschutzrecht, 2. Aufl., § 61 Rn. 6, 9).

Das Bundesnaturschutzgesetz begründet für Vereine, die aufgrund landesrechtlicher Vorschriften anerkannt worden sind, keine materiellen Rechte in Bezug auf den Erlass, die Änderung oder die (Teil-)Aufhebung von Landschaftsschutzgebietsverordnungen. Ob ein Naturraum, der die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung erfüllt, als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen wird, liegt nach § 22 Abs. 1 BNatSchG im Normsetzungsermessen des zuständigen Verordnungsgebers. Eine erzwingbare Pflicht, Landschaftsschutzgebietausweisungen vorzunehmen, begründet das Bundesnaturschutzgesetz nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. 7. 1997 - 4 BN 10.97 -, a.a.O.; Urt. v. 24. 5. 1996 - 4 A 16.95 -, NuR 1997, 38). Ist der Verordnungsgeber aber nicht gezwungen, zum Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft ein Landschaftsschutzgebiet auszuweisen, so ist es ihm auch unbenommen, eine von ihm vorgenommene Schutzgebietsfestsetzung nachträglich wieder aufzuheben oder zu beschränken, sofern sachliche Gründe dies rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. 7. 1997 - 4 BN 10.97 -, a.a.O.). Das Bundesnaturschutzgesetz gibt anerkannten Vereinen daher keine Handhabe, eine Beseitigung oder Einschränkung des Gebietsschutzes zu verhindern (BVerwG, Beschl. v. 21. 7. 1997 - 4 BN 10.97 -, a.a.O.; Schumacher/Fischer-Hüftle, § 58 Rn. 32).

Für Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gilt nichts anderes, weil eine Befugnis anerkannter Naturschutzvereine, sich gerichtlich gegen die (Teil-)Aufhebung einer Schutzgebietsausweisung zu wenden, aus dieser Vorschrift nicht hergeleitet werden kann. Denn Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eröffnet den Rechtsweg nur demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt ist. Sie gewährt hingegen nicht selbst subjektive Rechte, sondern setzt anderweitig begründete materielle Rechte voraus (BVerfG, Beschl. v. 10.5.2001 - 1 BvR 481/01 u. 1 BvR 518/1 -, NVwZ 2001, 1148; BVerwG, Beschl. v. 21.7.1997 - 4 BN 10.97 -, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 2. 6. 2006 - 11 A 11.05 -, NuR 2006, 664).

Das Niedersächsische Naturschutzgesetz räumt anerkannten Vereinen gleichfalls keine materiellen Rechte in Bezug auf den Erlass, die Änderung oder die Aufhebung von Landschaftsschutzgebietsverordnungen ein. Eine Klage auf Normerlass kommt für anerkannte Vereine schon deshalb nicht in Betracht, weil der Erlass einer Landschaftsschutzgebietsverordnung nach § 26 Abs. 1 NNatG im Ermessen des Verordnungsgebers steht. Besteht aber kein Klagerecht dahingehen, die Unterschutzstellung eines Landschaftsschutzgebietes zu erzwingen, haben anerkannte Vereine auch kein Recht darauf, dass eine einmal unter Landschaftsschutz gestellte Fläche weiterhin geschützt bleibt. § 60 Abs. 3 NNatG, der bestimmt, dass dem Verein durch die Anerkennung die Wahrnehmung der Belange von Natur und Landschaft anvertraut wird, begründet ebenfalls kein subjektiv-öffentliches Recht eines anerkannten Vereins, sondern beschreibt lediglich dessen besondere, im öffentlichen Interesse bestehende Aufgaben. Das folgt schon daraus, dass die Bestimmungen des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes, die anerkannten Vereinen einzelne Beteiligungsrechte und Klagerechte ohne eine Verletzung eigener Rechte einräumen und damit das öffentliche Interesse am Naturschutz in einzelnen Bereichen subjektivieren (vgl. dazu BVerwG, Urt v. 31.10.1990 - 4 C 7/88 -, BVerwGE 87, 62, 72), andernfalls überflüssig wären.

Das Bundesnaturschutzgesetz eröffnet anerkannten Vereinen in Bezug auf Landschaftsschutzgebietsverordnungen auch kein Klagerecht ohne eine Verletzung eigener Rechte (BVerwG, Beschl. v. 21.7.1997 - 4 BN 10.97 -, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 2. 6. 2006 - 11 A 11.05 -, a.a.O.). Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG können anerkannte Vereine zwar, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen Befreiungen von Verboten und Geboten zum Schutz von Naturschutzgebieten, Nationalparks und sonstigen Gebieten im Rahmen des § 33 Abs. 2 BNatSchG, gegen Planfeststellungsbeschlüsse über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind, und gegen Plangenehmigungen, soweit eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist, einlegen. Das Bundesnaturschutzgesetz sieht ein über die Anfechtung dieser Verwaltungsakte hinausgehendes Klagerecht anerkannter Vereine, insbesondere ein allgemeines altruistisches Verbandsklagerecht, aber nicht vor (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.8.1995 - 4 NB 43/94 -, a.a.O.; Beschl. v. 21.7.1997 - 4 BN 10.97 -, a.a.O.; Urt. v. 29.4.1993 - 7 A 3.92 -, BVerwGE 92, 263, 265; Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, Bundesnaturschutzgesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 61 Rn. 3, 11; Lorz/Müller/Stöckel, § 61 Rn. 6, 9; Schumacher/Fischer-Hüftle, § 61 Rn. 3).

Letzteres gilt auch für das Niedersächsische Naturschutzgesetz. Denn nach § 60 c Abs. 1 NNatG können anerkannte Vereine Rechtsbehelfe, ohne eine Verletzung eigener Rechte darlegen zu müssen, ausschließlich gegen Verwaltungsakte nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen, wenn sie geltend machen, dass der Verwaltungsakt den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes, des Niedersächsischen Naturschutzgesetze, den aufgrund dieser Gesetze erlassenen oder fortgeltenden Rechtsvorschriften oder anderen Rechtsvorschriften widerspricht, die auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, sofern die Regelungen des § 60 c Abs. 2 bis 4 NNatG dem nicht entgegenstehen. Damit räumt das Niedersächsische Naturschutzgesetz anerkannten Vereinen weder ein allgemeines umfassendes altruistisches Verbandsklagerecht noch ein Recht ein, ohne eine Verletzung eigener Rechte geltend zu machen, Rechtsbehelfe gegen die Änderung oder die Aufhebung einer Landschaftsschutzgebietsverordnung einzulegen.

Der Antragsteller konnte schließlich auch aus gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften keine Rechte, die eine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO begründen, herleiten. Selbst die Vogelschutzrichtlinie und die FFH-Richtlinie enthalten keine Bestimmungen, die die Mitgliedsstaaten verpflichten, bei der Verwirklichung der Schutzgebiete anerkannte Naturschutzverbände zu beteiligten und ihnen Klagerechte einzuräumen. Die Richtlinien begründen auch keine individuellen Rechte Einzelner auf Durchsetzung bzw. Einhaltung der Richtlinien, sondern regeln ausschließlich den Schutz der natürlichen Lebensräume im Interesse der Allgemeinheit (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 19.2.2001 - 2 Bs 370/00 -, NuR 2001, 592; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 10.5.2001 - 1 BvR 481/01 u. 1 BvR 518/01 -, a.a.O.).

Da der Normenkontrollantrag nach alledem mangels Antragsbefugnis des Antragstellers unzulässig war, kann dahinstehen, ob der Antrag rechtzeitig, d. h. innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der 3. Änderungsverordnung gestellt worden ist; daran könnten Zweifel bestehen, weil der Antragsgegner den am 15. Oktober 2007 bei Gericht eingegangenen Normenkontrollantrag, der sich zunächst gegen die Stadt {B.} richtete, erst am 23. Oktober 2007 und damit nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegen den nach § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO passivlegitimierten Antragsgegner gerichtet hat.

Ende der Entscheidung

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