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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.11.2007
Aktenzeichen: 4 LB 577/07
Rechtsgebiete: AsylbLG, SGB X


Vorschriften:

AsylbLG § 1
AsylbLG § 1 a
AsylbLG § 3
AsylbLG § 6
SGB X § 45
SGB X § 50
1. Dem Anspruch auf Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG steht nicht entgegen, dass der Ausländer den Asylantrag unter einem falschen Namen gestellt hat.

2. Die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG entfällt nicht, wenn der Ausländer den Asylantrag gestellt hat, um Sozialleistungen zu erlangen.

3. Der Anspruch auf Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG ist nicht davon abhängig, dass dem Ausländer die Duldung zu Recht erteilt worden ist.


Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderungen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG).

Der Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 6. September 1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 9. September 1999 unter einem falschen Namen seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dabei gab er an, Staatsangehöriger von Sierra Leone zu sein. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte den Asylantrag durch Bescheid vom 23. September 1999 ab. Die dagegen erhobene Klage (8 A 478/99) wies das Verwaltungsgericht Braunschweig durch Urteil vom 31. Januar 2000, das am 20. März 2000 Rechtskraft erlangte, ab. Der Beklagte erteilte dem Kläger am 3. April 2000 eine bis zum 15. Mai 2000 befristete Duldung, die in der Folgezeit mehrmals bis zum 2. August 2002 verlängert wurde.

Die Gemeinde B. gewährte dem Kläger namens und im Auftrag des Beklagten für den Zeitraum vom 11. Oktober 1999 bis zum 31. Oktober 2001 Grundleistungen nach § 3 AsylblG. Darüber hinaus bewilligte sie dem Kläger mit Bescheiden vom 18. Oktober 1999, 19. Oktober 1999, 28. Januar 2000, 2. Mai 2000 und 27. März 2001 sonstige Leistungen nach § 6 AsylbLG.

Mit Schreiben vom 17. September 2001 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausübung der elterlichen Sorge für den am 12. August 2001 geborenen Sohn seiner deutschen Verlobten. Dabei gab er an, dass er die Vaterschaft bereits anerkannt habe, und erklärte, unter einer falschen Identität in Deutschland Asyl beantragt zu haben, weil er befürchtet habe, nach Nigeria abgeschoben zu werden.

Am 12. Februar 2002 erließ das Amtsgericht C. gegen den Kläger einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,-- Euro wegen Betrugs.

Daraufhin hob die Gemeinde B. durch Bescheid vom 8. August 2002 ihre Bescheide über die Bewilligung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und die o. g. Bescheide über sonstige Leistungen nach § 6 AsylbLG mit Wirkung für die Vergangenheit auf und setzte den von dem Kläger zu erstattenden Betrag auf 7.757,51 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger gegenüber ihrem Sozialamt falsche Angaben bezüglich seiner Person, seines Geburtsorts und seiner Staatsangehörigkeit gemacht habe. Aufgrund dessen sei sie berechtigt, die von ihr erlassenen Bescheide mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, weil die Gewährung der Leistungen rechtswidrig gewesen sei. Da der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe, könne er sich auf Vertrauensschutz nicht berufen.

Den gegen diesen Bescheid unter dem 30. August 2002 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung D. durch Bescheid vom 18. September 2003, zugestellt am 23. September 2003, als unbegründet zurück.

Daraufhin hat der Kläger am 23. Oktober 2003 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, die Gemeinde B. könne die ihm gewährten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht zurückfordern, weil er unabhängig davon, ob er zur Ausreise verpflichtet gewesen sei, einen Anspruch auf die ihm gewährten Leistungen gehabt habe. Dass er sich eines falschen Namens bedient habe, ändere daran nichts.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Gemeinde Loxstedt vom 8. August 2002 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung D. vom 18. September 2003 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und erwidert, dass der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 8. August 2002 rechtmäßig gewesen sei. Die Bescheide, mit denen dem Kläger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt worden seien, seien rechtswidrig gewesen, weil die Gemeinde wegen der falschen Angaben des Klägers zu seinem Namen und seiner Staatsangehörigkeit von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei. Die Annahme des Klägers, dass ihm zumindest nach § 120 Abs. 1 BSHG Sozialhilfe zu gewähren gewesen wäre, wenn er seine Identität preisgegeben hätte, da er nicht in sein Heimatland hätte zurückkehren können, sei falsch. Denn der Kläger hätte bei Offenlegung seiner Identität und Vorlage seines nigerianischen Passes ausweislich der Lageberichte des Auswärtigen Amtes problemlos nach Nigeria abgeschoben werden können. Aufgrund der Rücknahme der Bewilligungsbescheide müsse der Kläger die ihm gewährten Leistungen erstatten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 1. Juni 2006 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und fänden ihre Rechtsgrundlage in §§ 45, 50 SGB X. Da der Kläger die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unter falschem Namen und der falschen Angabe, Staatsangehöriger Sierra Leones zu sein und keinen Pass zu besitzen, erlangt habe, lägen die Voraussetzungen für die Rücknahme der Leistungsbescheide vor. Der Kläger könne nicht geltend machen, dass ihm ungeachtet seiner Identität, Staatsangehörigkeit und seines Passes ein Anspruch auf ggf. eingeschränkte Leistungen zugestanden hätte. Es sei schon zweifelhaft, ob für den Kläger, gegen den aufgrund seiner unzutreffenden Angaben und des damit einhergehenden Betrugs hinsichtlich der gewährten Sozialleistungen ein rechtskräftig gewordener Strafbefehl ergangen sei, überhaupt eine derartige Begünstigung in Betracht zu ziehen sei. Denn die Voraussetzungen für die dem Kläger vorschwebende "Gegenrechnung" lägen mangels gesetzlicher Grundlage nicht vor. Es stehe auch nicht ansatzweise fest, ob und ggf. welche Leistungen dem Kläger gewährt worden wären, wenn er den Asylantrag unter Vorlage gültiger Personalpapiere und mit zutreffenden Angaben über seine Staatsangehörigkeit gestellt hätte. Denkbar sei, dass ihm die Einreise verweigert worden wäre und überhaupt keine Leistungen gewährt worden wären. Denkbar sei auch eine schnellere Entscheidung über den Asylantrag und eine zügigere Aufenthaltsbeendigung. Deshalb könnten Leistungen, die dem Kläger bei korrekter Darstellung aller Umstände zugestanden hätten, weder dem Grunde noch der Höhe nach festgestellt werden, so dass derartige "Alternativansprüche" weder bei der Höhe der Rückforderung noch im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen gewesen seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, die der Senat durch Beschluss vom 21. Mai 2007 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zugelassen hat.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ohne eine Prüfung, ob nicht zumindest nach § 1 a AsylbLG Leistungen hätten erbracht werden müssen, ermessensfehlerhaft gewesen sei. Er habe Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen dürfen, weil er sich im Bundesgebiet aufgehalten habe. Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhielten, seien auch dann zum Kreise der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG zu rechnen, wenn sie vollziehbar zur Ausreise verpflichtet seien. Dass er sich eines falschen Namens bedient habe, sei rechtlich nicht erheblich.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - Einzelrichter der 3. Kammer - vom 1. Juni 2006 zu ändern und nach seinem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, weil sie in §§ 45, 50 SGB X ihre Rechtsgrundlage fänden. Die zurückgenommenen Bescheide seien rechtswidrig gewesen. Die Gemeinde B. sei bei der Bewilligung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Das sei auf die vorsätzlich falschen Angaben des Klägers zu seiner Staatsangehörigkeit zurückzuführen. Der Kläger habe die Gemeinde auch vorsätzlich über seinen richtigen Namen und die Tatsache, dass er über einen gültigen Pass verfüge, getäuscht. Hätte er seinen gültigen nigerianischen Pass vorgelegt und sich unter richtigem Namen ausgewiesen, wäre er nach Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 23. September 1999 unverzüglich nach Nigeria abgeschoben worden und hätte infolgedessen auch keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ab Oktober 1999 erhalten. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, einen Anspruch auf Leistungen auch dann gehabt zu haben, wenn er seine wahre Identität preisgegeben hätte. Denn in diesem Fall hätte er - der Beklagte - die umgehende Abschiebung des Klägers veranlasst. Daher hätte der Kläger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gar nicht erst erhalten. Im Übrigen bleibe für einen eingeschränkten Leistungsbezug nach § 1 a AsylbLG kein Raum, weil gegen den Kläger ein rechtskräftig gewordener Strafbefehl wegen Betrugs hinsichtlich der ihm gewährten Sozialleistungen ergangen sei. Bei Preisgabe seiner Identität und Vorlage der gültigen Personaldokumente wäre dem Kläger möglicherweise schon die Einreise in das Bundesgebiet verweigert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der ehemaligen Bezirksregierung D. sowie die Ausländerakten Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ist begründet.

Diese Entscheidung trifft der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht als erforderlich ansieht.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid der Gemeinde B. in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung D. ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bescheide über die Bewilligung von Leistungen nach § 3 und § 6 AsylbLG kommt nur § 45 SGB X in Betracht. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, der rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Liegen diese Voraussetzungen vor, steht die Rücknahme des begünstigenden Bescheides im behördlichen Ermessen.

Die Gemeinde B. ist bei der von ihr getroffenen Rücknahmeentscheidung davon ausgegangen, dass die durch den angefochtenen Bescheid zurückgenommenen Leistungsbescheide in vollem Umfang rechtswidrig gewesen seien. Diese Annahme war jedoch unzutreffend. Das ergibt sich aus Folgendem:

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Asylbewerberleistungsgesetz in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2505) - AsylbLG - sind Ausländer leistungsberechtigt, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz besitzen. Diese Anspruchsvoraussetzungen haben im Falle des Klägers vom 9. September 1999 bis zum 20. März 2000 vorgelegen. Der Kläger hat mit der Stellung eines Asylantrags am 9. September 1999 nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG eine Aufenthaltsgestattung erlangt. Diese Aufenthaltsgestattung ist nach § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG erst mit der Unanfechtbarkeit der Ablehnung des Asylantrags durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erloschen, die mit der Rechtskraft des die Klage gegen diese Entscheidung abweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts E. am 20. März 2000 eingetreten ist. Der danach bestehende Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bis zum 20. März 2000 wäre auch dann nicht entfallen, wenn der Kläger in das Bundesgebiet eingereist wäre und den Asylantrag gestellt hätte, um Sozialleistungen zu erlangen. § 120 Abs. 3 Satz 1 BSHG sieht zwar vor, dass Ausländer, die sich in die Bundesrepublik Deutschland begeben haben, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben. Eine dieser Regelung vergleichbare Ausschlussvorschrift enthält das Asylbewerberleistungsgesetz aber nicht. § 120 BSHG ist für die Leistungsberechtigung nach § 1 AsylbLG auch nicht entsprechend anwendbar (vgl. BGH, Beschl. v. 10.7.1997 - 5 StR 276/97 -; OVG Berlin, Beschl. v. 8.12.1995 - 6 S 220.95 -; VGH Mannheim, Beschl. v. 6.9.1994 - 6 S 1845/94 -). Die Leistungsberechtigung des Klägers ist ferner nicht dadurch entfallen, dass der Kläger einen Asylantrag unter einem falschen Namen gestellt hat. Dieser Umstand führt nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG zwar dazu, dass der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist. Die Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz setzt jedoch nur eine Aufenthaltsgestattung voraus. Für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz kommt es auf die Begründetheit des Asylantrags ebenso wenig an wie darauf, ob die Personalien der Aufenthaltsgestattung zutreffen (BGH, Beschl. v. 10.7.1997, a.a.O.). Entscheidend ist, dass für den Asylbewerber nur ein Asylverfahren durchgeführt wird. Dass der Kläger auch unter anderen Personalien Asylanträge gestellt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Folglich hat der Kläger während der Geltung der Aufenthaltsgestattung uneingeschränkt Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gehabt. Daraus folgt, dass die Bescheide über die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz rechtmäßig gewesen sind, soweit sie sich auf den Zeitraum erstreckt haben, in dem der Kläger im Besitz einer Aufenthaltsgestattung gewesen ist. Daher durfte die Gemeinde B. diese Bescheide nach § 45 Abs. 1 SGB X nicht zurücknehmen.

Der Kläger ist auch in der Folgezeit leistungsberechtigt gewesen. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten, auch leistungsberechtigt, wenn sie eine Duldung nach § 55 AuslG besitzen. Dies trifft auf den Kläger zu. Die Ausländerakten belegen, dass der Beklagte den Kläger nach dem 20. März 2000 zunächst faktisch geduldet hat. Danach hat der Beklagten ihm durch Bescheid vom 3. April 2000 eine bis zum 15. Mai 2000 befristete förmliche Duldung erteilt, die in der Folgezeit mehrmals bis zum 2. August 2002 verlängert worden ist. Damit ist der Kläger auch in der Zeit vom 21. März 2000 bis zum 31. Oktober 2001 nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt gewesen. Ob ihm die Duldung zu Recht erteilt worden ist oder der Beklagte ihn hätte abschieben können, ist für die Leistungsberechtigung ohne Belang.

Der Leistungsanspruch des Klägers ist für den o. g. Zeitraum der Duldung allerdings eingeschränkt gewesen, weil Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG, die sich in den Geltungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen oder bei denen aus von ihnen zu vertretenen Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, nach § 1 a AsylbLG Leistungen nur erhalten, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Die letztgenannte Voraussetzung ist hier erfüllt. Denn der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass er nach Durchführung des Asylverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen hätte vollziehen können, wenn der Kläger nicht über seinen Namen und seine Staatsangehörigkeit getäuscht und seine nigerianischen Passpapiere vorgelegt hätte. Daher ist davon auszugehen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur aus von dem Kläger zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden konnten und deshalb die Voraussetzungen für eine Einschränkung des Anspruchs auf Leistungen nach § 1 a AsylbLG ab dem 21. März 2000 vorgelegen haben. Folglich sind die den o. g. Zeitraum betreffenden Leistungsbescheide teilweise rechtmäßig gewesen, weil dem Kläger für diesen Zeitraum Leistungen nach § 1 a AsylbLG nur zugestanden haben, soweit sie den Umständen nach unabweisbar geboten gewesen sind.

Dieser Umstand führt jedoch nicht dazu, dass der angefochtene Rücknahmebescheid bezüglich dieser Bescheide teilweise rechtmäßig ist. Zwar dürfen begünstigende Verwaltungsakte, die teilweise rechtswidrig sind, nach § 45 Abs. 1 SGB X unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden, soweit sie rechtswidrig sind. Die Entscheidung über die Rücknahme steht jedoch im behördlichen Ermessen, so dass die Rücknahmeentscheidung nur rechtmäßig ist, wenn kein Ermessensfehler vorliegt. Im vorliegenden Fall ist der Gemeinde B. ein Ermessensfehler unterlaufen, weil sie bei ihrer Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen ist, die Bescheide über die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz seien in vollem Umfang rechtswidrig gewesen. Damit ist die Gemeinde von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Dem angefochtenen Bescheid lässt sich auch nicht entnehmen, wie die Gemeinde ihr Ermessen ausgeübt hätte, wenn sie erkannt hätte, dass die Leistungsbescheide, soweit sie den Zeitraum vom 21. März 2000 bis 31. Oktober 2001 betreffen, nur teilweise rechtswidrig gewesen sind. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass sie ganz oder teilweise von der Rückforderung der gewährten Leistungen abgesehen hätte. Folglich liegt auch ein Ermessensdefizit vor, das durch den Widerspruchsbescheid nicht behoben worden ist. Daher erweist sich der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides in vollem Umfang als rechtswidrig. Mithin bedarf es in diesem Verfahren keiner Prüfung, in welchem Umfang der Kläger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nach dem 20. März 2000 beanspruchen konnte.

Da die Rücknahme der Leistungsbescheide durch den angefochtenen Bescheid rechtswidrig ist, erweist sich auch die Festsetzung der zu erstattenden Leistungen, die die Gemeinde B. auf § 50 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB X gestützt hat, als rechtsfehlerhaft.

Ende der Entscheidung

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