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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 01.04.2008
Aktenzeichen: 4 LC 89/07
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 4 Abs. 2
BSHG § 23 Abs. 3
BSHG § 39
BSHG § 40 Abs. 1
1.

a) Fahrten, die notwendig sind, weil eine Eingliederungshilfemaßnahme im Sinne des § 40 Abs. 1 BSHG ansonsten nicht durchgeführt werden kann, sind notwendiger Bestandteil dieser Maßnahme; dafür entstehende Kosten sind dem Grunde nach vom Träger der Sozialhilfe zu übernehmen.

b) In welcher Form Fahrtkosten zu gewähren sind und in welchem Maße sie berücksichtigt werden, entscheidet der Sozialhilfeträger gemäß § 4 Abs. 2 BSHG nach pflichtgemäßem Ermessen.

2. Kosten für die Betreuung durch eine Tagesmutter vor und nach dem im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung erfolgten Besuch einer Tagesbildungsstätte stellen keinen ausbildungsbezogenen erhöhten Mehrbedarf i.S.d. § 33 Abs. 3 BSHG dar, wenn ein Betreuungsbedarf auch unabhängig von der Eingliederungshilfemaßnahme bestanden hätte.


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme von Betreuungskosten für eine Tagesmutter und Fahrtkosten zu der Wohnung der Tagesmutter für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis zum 31. Dezember 2004.

Die am 9. März 1984 geborene Klägerin ist geistig wesentlich behindert mit autistischen Zügen. Sie lebt bei ihrer Mutter, die zu ihrer Betreuerin bestellt ist, in A.. Die Pflegekasse gewährt ihr seit April 1995 ein Pflegegeld der Pflegestufe 3 in Höhe von 665 EUR.

Von August 1990 bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres besuchte die Klägerin die Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe in C. -D.. Die Kosten für den Besuch der Tagesbildungsstätte wurden von dem Beklagten bzw. vor dem Umzug der Klägerin in dessen Bereich von der Stadt C. im Wege der Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung übernommen. Die Betreuung der Klägerin in der Tagesbildungsstätte fand von montags bis freitags in der Zeit von 7:45 Uhr bis 15:30 Uhr statt. Damit die Mutter der Klägerin pünktlich ihren Arbeitsplatz in Hannover erreichen konnte, fuhr sie die Klägerin mit einem Pkw morgens von ihrem Haus in A. nach B. zu der Tagesmutter Frau E., die diese bereits seit 1989 tagsüber betreute. Die Entfernung zwischen A. und B. beträgt 25 km. Von dort fuhr die Mutter der Klägerin weitere 15 km zum Bahnhof in F., um dort den Zug nach Hannover zu nehmen. Auf dem Heimweg von der Arbeit holte die Mutter die Klägerin wieder bei der Tagesmutter ab. Für die tägliche Betreuung der Klägerin durch die Tagesmutter in den Zeiten von 6:45 Uhr bis 7:45 Uhr und von 15:30 Uhr bis 18:00 Uhr fielen monatliche Kosten in Höhe von 270,98 EUR an. Nach Angaben der Mutter der Klägerin betrugen die monatlichen Fahrtkosten 498,20 EUR (80 km x 5 Tage x 4,2 Wochen x 0,30 EUR).

Bis zum 14. Lebensjahr der Klägerin übernahm der Beklagte zuletzt durch Bescheid vom 5. Juli 1999 die für die Betreuung bei Frau E. angefallenen Kosten unter Abzug eines Eigenanteils der Mutter der Klägerin als Kosten der Tagespflege gemäß § 23 SGB VIII. Eine Übernahme über den 8. März 1998 hinaus lehnte der Beklagte zugleich mit der Begründung ab, dass die Klägerin nach Vollendung des 14. Lebensjahres kein Kind im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII mehr sei und Tagespflege nur für Kinder, nicht aber für Jugendliche geleistet werden könne. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Mutter der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 1999 als unbegründet zurück. Zuvor hatte er mit Bescheid vom 24. August 1999 einen im Juli 1999 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach dem BSHG für ihre Betreuung abgelehnt. Über den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Klägerin vom 8. September 1999 entschied der Beklagte nicht. Die daraufhin erhobenen Klagen der Klägerin und ihrer Mutter blieben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Braunschweig wies durch Urteil vom 16. August 2001 die Klage der Mutter der Klägerin auf Übernahme der Kosten der Tagespflege über den 9. März 1998 hinaus mit der Begründung ab, ihr stehe in dem hier maßgeblichen Zeitraum vom 9. März 1998 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1999 der geltend gemachte Anspruch nach §§ 23 SGB VIII und 70 BSHG nicht zu (3 A 684/99). Mit weiterem Urteil vom gleichen Tage wies das Verwaltungsgericht auch die Klage der Klägerin auf Übernahme der Kosten der Betreuung durch Frau E. ab dem 9. März 1998 mit der Begründung ab, die Klägerin könne die Übernahme der Kosten weder nach §§ 39 ff. BSHG noch nach § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG beanspruchen (3 A 251/01). Beide Urteile wurden rechtskräftig.

Am 6. März 2002 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Gegen den daraufhin ergangenen Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2002 legte die Klägerin am 28. Mai 2002 hinsichtlich der Höhe der gewährten Sozialhilfe Widerspruch ein, den sie u. a. damit begründete, dass ein Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung nicht berücksichtigt worden sei.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2002, beim Beklagten eingegangen am 5. Juni 2002, beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für Fahrten zur Tagesmutter in Höhe von 498,20 EUR monatlich und die Übernahme der Betreuungskosten bei der Tagesmutter in Höhe von 270,98 EUR monatlich als behinderungsbedingten Mehrbedarf.

Mit Bescheid vom 14. August 2002 half der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 21. Mai 2002 insoweit ab, als er bei der Berechnung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt einen Mehrbedarf wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 20 % des Regelsatzes berücksichtigte. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 3. September 2002 u. a. mit der Begründung Widerspruch ein, dass die Betreuungskosten und die Kosten für die täglichen Fahrten zur Tagesbildungsstätte nicht berücksichtigt worden seien. Mit Schreiben vom 10. September 2002 machte die Klägerin außerdem geltend, dass ihr ein Mehrbedarfszuschlag in Höhe von 40 % des Regelsatzes zustehe. Der Beklagte verwies mit Schreiben vom 8. Oktober 2002 bezüglich der beantragten Übernahme von Fahrtkosten und Betreuungskosten auf die rechtskräftig gewordenen Urteile des Verwaltungsgerichts vom 16. August 2001 und teilte mit, dass in der Sache keine neue Entscheidung erfolgen werde. Diese Rechtsauffassung wiederholte der Beklagte mit Schreiben vom 9. Dezember 2002.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2002 bewilligte der Beklagte der Klägerin ab dem 1. Januar 2003 Leistungen nach dem Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Anschließend stellte er mit Bescheid vom 17. Dezember 2002 die der Klägerin gewährte laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 1. Januar 2003 mit der Begründung ein, dass der Klägerin ab diesem Zeitpunkt Grundsicherungsleistungen gewährt würden und ihr Einkommen dann den Hilfebedarf übersteige. Der Berechnung war ein Mehrbedarfszuschlag in Höhe von 40 % des Regelsatzes zugrunde gelegt worden. Gegen beide Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 2. Januar 2003 Widerspruch ein, den sie u. a. mit der Nichtberücksichtigung der Fahrt- und Betreuungskosten begründete. Mit Bescheid vom 21. Mai 2003 half der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin hinsichtlich der Gewährung von Sozialhilfe für die Monate März bis Dezember 2002 insofern ab, als er einen Mehrbedarfszuschlag in Höhe von 40 % des Regelsatzes sowie höhere Unterkunftskosten berücksichtigte. Hinsichtlich der geltend gemachten Fahrtkosten und der Betreuungskosten verwies der Beklagte mit Schreiben vom 21. Mai 2003 erneut auf sein Schreiben vom 8. Oktober 2002 und die Urteile des Verwaltungsgerichts vom 16. August 2001. Auf die Ankündigung der Klägerin mit Schreiben vom 5. Januar 2004, eine Untätigkeitsklage zu erheben, wenn nicht bis zum 15. Januar 2004 eine Entscheidung bezüglich der Fahrt- und Betreuungskosten ergehe, wies der Beklagte mit Schreiben vom 19. Januar 2004 wiederum darauf hin, dass wegen der rechtskräftigen Urteile des Verwaltungsgerichts eine neue Entscheidung nicht ergehen werde.

Am 8. März 2004 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass ihr Antrag vom 4. Juni 2002 auf Übernahme von Fahrtkosten zur Tagesmutter in Höhe von 498,20 EUR monatlich und Übernahme der Betreuungskosten durch die Tagesmutter in Höhe von 270,98 EUR monatlich vom Beklagten nicht beschieden worden sei. Der Beklagte habe sich darauf beschränkt, auf zwei Urteile des Verwaltungsgerichts zu verweisen, ohne einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen. Die beantragten Leistungen stünden ihr auch zu. Aufgrund ihrer Schwerstpflegebedürftigkeit benötige sie ständige Aufsicht und müsse sich seit 1989 bei ihrer Tagesmutter aufhalten. Auf die Weiterführung der Betreuung durch die Tagesmutter sei sie dringend angewiesen. Sie sei autistisch und lasse fremde Personen kaum an sich heran, so dass ein Wechsel der Tagesmutter nicht in Betracht komme. Außerdem habe sich trotz erheblicher Bemühungen ihrer Mutter niemand bereit gefunden, sie zu beaufsichtigen, da sie nicht spreche und immer noch gewickelt werden müsse. Ohne Übernahme der beantragten Kosten müsse ein Heimaufenthalt erwogen werden, der erhebliche Mehrkosten verursachen würde und eine Verschlechterung ihres Zustandes befürchten lasse.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, ihr zusätzliche Leistungen nach dem BSHG, dem SGB VIII oder dem SGB IX in Höhe von 769,18 EUR monatlich von Juni 2002 bis Dezember 2004 einschließlich zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei. Bereits mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. August 2001 - 3 A 251/01 - sei rechtskräftig festgestellt worden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Übernahme der für die Betreuung durch die Tagesmutter entstehenden Kosten im Wege der Eingliederungshilfe gemäß §§ 39 ff. BSHG zustehe. Aufgrund des "Wiederholungsantrages" vom 4. Juni 2002, der keine neuen Entscheidungskriterien enthalte, sei den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 17. Juni 2002 geantwortet worden. Bei diesem Schreiben habe es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern eine bloße Wiederholung einer bereits getroffenen Sachentscheidung gehandelt. Gegen diese wiederholende Verfügung sei der Rechtsweg nicht mehr möglich, da sonst in der gleichen Sache erneut ein Klageverfahren zulässig werden würde. Gleiches gelte für die Anträge vom 3. und 10. September 2002, die mit Schreiben vom 8. Oktober 2002 beantwortet worden seien. Auch in dem Schreiben der Gegenseite vom 5. Januar 2004 seien keine neuen Angaben, die eine neue Bescheiderteilung erforderlich gemacht hätten, gemacht worden. Im Übrigen bestehe kein Anspruch auf die begehrten Leistungen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. Juli 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klage als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig sei. Entgegen der Ansicht des Beklagten stehe die Rechtskraft der Entscheidungen der Kammer vom 16. August 2001 - 3 A 251/01 - und - 3 A 684/99 - der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung beziehe sich nur auf die Rechtsansprüche, die zu dem Zeitpunkt bestünden bzw. nicht bestünden, auf den das Urteil abstelle, und im Hinblick auf die das Gericht entschieden habe. Hinsichtlich der Fahrtkosten in Höhe von 498,20 EUR ab Juni 2002 ergebe sich die Zulässigkeit der Klage bereits daraus, dass in den genannten Urteilen ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Fahrtkosten zu der Tagesmutter nicht geprüft und dementsprechend darüber nicht entschieden worden sei. Im Hinblick auf die ebenfalls geltend gemachten Betreuungskosten stehe der Prüfung von Ansprüchen aus den §§ 39 ff., 69 b, 70 BSHG zwar die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidungen vom 16. August 2001 entgegen. Dies gelte jedoch nicht für die Prüfung eines Anspruchs im Rahmen der Widersprüche gegen Entscheidungen des Beklagten über laufende Hilfe nach dem BSHG oder Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz z. B. als behinderungsbedingtem Mehrbedarf. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Erstattung der für die Betreuung durch die Tagesmutter anfallenden Betreuungskosten noch der notwendigen Fahrtkosten der Klägerin bzw. ihrer Mutter zu. Im Rahmen der ergangenen Abhilfeentscheidungen zu dem laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligenden Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2002 sei der Klägerin ein behinderungsbedingter Mehrbedarf in Höhe von 40 % des maßgeblichen Regelsatzes gewährt worden. Ein Anspruch auf einen darüber hinausgehenden Mehrbedarf für Betreuungskosten durch die Tagesmutter bestehe nicht. Ein darüber hinausgehender abweichender Bedarf setze voraus, dass ein zusätzlicher Bedarf abgedeckt werden solle, der bei behinderten Menschen durch die Teilhabe am Arbeitsleben, durch eine Schulausbildung einschließlich des Besuchs einer Hochschule oder bei einer Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit entstehe, für die der Betroffene Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 BSHG erhalte. Zwar dürfte die Klägerin derartige Leistungen für den Besuch der Tagesbildungsstätte erhalten haben. Die von ihr geltend gemachten Betreuungskosten stünden jedoch damit nicht in direktem Zusammenhang. Sie fielen vielmehr dadurch an, dass sich die Arbeitszeit der Mutter der Klägerin und die Zeiten der Betreuung in der Tagesbildungsstätte nicht deckten und damit eine zusätzliche Betreuung erforderlich sei. Ein Anspruch auf Übernahme der Betreuungskosten habe der Klägerin auch nicht nach dem Grundsicherungsgesetz zugestanden. Denn das Grundsicherungsgesetz habe nur einen Mehrbedarfszuschlag von 20 % des maßgebenden Regelsatzes bei Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen G vorgesehen, der der Klägerin mit Bescheid vom 12. Dezember 2002 bewilligt worden sei. Ein Anspruch auf Erstattung der monatlich anfallenden Fahrtkosten sei ebenfalls nicht ersichtlich. Es könne dahinstehen, ob derartige Fahrtkosten überhaupt aus einem Anspruch auf Eingliederungshilfe gemäß §§ 39 ff. BSHG folgen könnten. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für einen derartigen Anspruch nicht vor. Die Kammer habe mit Urteil vom 16. August 2001 - 3 A 251/01 - entschieden, dass die Betreuung durch die Tagesmutter, welche die Fahrtkosten bedinge, keine allgemeine Aufgabe der Eingliederungshilfe erfülle. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG, da es sich bei den Leistungen der Tagesmutter, die die Fahrtkosten bedingten, nicht um eine Maßnahme im Rahmen einer häuslichen Pflege handele. Im Übrigen dürften Zweifel an der Angemessenheit von 498,20 EUR Fahrtkosten monatlich bestehen. Weitere mögliche Anspruchsgrundlagen seien nicht ersichtlich. Insbesondere kämen Ansprüche aus dem SGB IX nicht in Betracht, da es sich insoweit um kein Leistungsgesetz handele.

Gegen das ihr am 15. Juli 2005 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin am 28. Juli 2005 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor, dass sich für gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehene Modelle der Pflege von Pflegebedürftigen insbesondere im Hinblick auf den gesetzlich vorgeschriebenen und sozialpolitisch sowie finanziell wünschenswerten Vorrang ambulanter Pflege vor stationärer Pflege eine Erstattungsfähigkeit der Kosten für Fälle wie ihren rechtfertige. Es könne nicht richtig sein, dass aufgrund der starren Gesetzesanwendung keine Möglichkeit bestünde, eine ordnungsgemäße ambulante Pflege zum Wohle der zu Betreuenden sicherzustellen. Insofern habe eine richterliche Ausformung der gesetzlichen Vorschriften zu erfolgen. Als Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten komme § 3 a BSHG i. V. m. § 7 Satz 2 SGB IX und § 69 b BSHG in Betracht. Für die Berechnung der Fahrtkosten habe sie die steuerlich anzusetzende Pauschale von 0,30 EUR je km zugrunde gelegt. Die Strecke von ihrer Wohnung in A. zur Wohnung der Tagesmutter in B. betrage 25 km, von dort fahre ihre Mutter 15 km zum Bahnhof in F. und abends erfolge der Ablauf umgekehrt, so dass sich eine tägliche Fahrtstrecke von insgesamt 80 km ergebe. Es erscheine nicht praktikabel, allein die tatsächlich entstehenden Kosten für den Treibstoff anzusetzen. Vielmehr seien die Kosten zu pauschalieren, da durch die erhöhte Nutzung auch ein erhöhter Verschleiß entstehe, welcher erhöhte Reparaturkosten nach sich ziehe. Ihr Zustand habe sich gerade durch die Betreuung der Tagesmutter positiv gestaltet. Aus ihrem autistischen Krankheitsbild resultiere die Notwendigkeit, ihr einen geregelten Tagesablauf zu bieten. Jede Unregelmäßigkeit führe dazu, dass sie autoaggressiv werde und hierdurch Schäden entstünden. Die geringen Fortschritte, welche sie auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben erreicht habe, bestünden im sprachlichen und im logischen Bereich. So könne sie neuerdings ganze Sätze sprechen, deren Inhalt zutreffend sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 3. Kammer - vom 6. Juli 2005 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihr zusätzliche Leistungen nach dem BSHG, dem SGB VIII oder dem SGB IX in Höhe von 769,18 EUR monatlich von Juni 2002 bis Dezember 2004 einschließlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, dass eine Übernahme der Kosten der Tagespflege nach § 23 SGB VIII über den 8. März 1998 nicht in Betracht komme, da die Klägerin seitdem kein Kind im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII mehr sei. Bei den Leistungen der Tagesmutter handele es sich auch nicht um Maßnahmen der häuslichen Pflege, so dass Hilfe zur Pflege nach § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG nicht gewährt werden könne. Ebenso scheide ein Anspruch auf Übernahme der Betreuungskosten im Wege der Eingliederungshilfe nach §§ 39 ff. BSHG aus. Denn die Betreuung durch die Tagesmutter erfülle keine allgemeinen Aufgaben der Eingliederungshilfe. Die Betreuungskosten könnten nur übernommen werden, wenn die Betreuung durch die Tagesmutter die vorhandene Behinderung der Klägerin beseitigen oder mildern könne. Bei der Betreuung der Klägerin handele es sich jedoch im Gegensatz zu der Eingliederungsmaßnahme in der Tagesbildungsstätte nicht um eine qualifizierte Eingliederungsmaßnahme, sondern lediglich um eine sogenannte Randstundenbetreuung, die auch nicht in kausalem Zusammenhang zu der geleisteten Eingliederungshilfe stehe. Nach dem Grundsicherungsgesetz könnten ebenfalls keine weiteren Leistungen für die Betreuung gewährt werden. Schließlich könne er die Berechnungsmethode hinsichtlich der Fahrtkosten nicht anerkennen. Es seien etwaige Krankheitstage nicht berücksichtigt worden. Außerdem reduziere sich der Betrag um die ohnehin notwendige Anreise zum nächstmöglichen Bahnhof, da am Wohnort der Mutter der Klägerin kein Bahnhof vorhanden sei. In anderen Fallkonstellationen seien Fahrtkosten lediglich in der Höhe berücksichtigt worden, in der sie tatsächlich angefallen seien. Die notwendigen Kosten bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs seien nach dem tatsächlichen Benzinverbrauch des jeweiligen Fahrzeuges ermittelt worden. Steuern und Versicherungsbeiträge seien nicht berücksichtigt worden, da diese ohnehin und unabhängig von einem sozialhilferechtlichen Bedarf anfielen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu diesem Verfahren und zu den Verfahren 3 A 684/99 und 3 A 251/01 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

Die von der Klägerin erhobene Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, weil der Beklagte über den Antrag der Klägerin vom 4. Juni 2002 auf Übernahme von Fahrtkosten und Betreuungskosten ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

Der Zulässigkeit der Klage steht auch die Rechtskraft der Urteile des Verwaltungsgerichts vom 16. August 2001 (3 A 684/99 und 3 A 251/01) nicht entgegen.

Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Der Streitgegenstand wird durch den Klageanspruch und den Klagegrund, d.h. den Sachverhalt, aus dem sich die begehrte Rechtsfolge ergeben soll, bestimmt (BVerwG, Urt. v. 10.5.1994 - 9 C 501.93 -, BVerwGE 96, 24 und Urt. v. 13.9.1984 - 2 C 22.83 -, BVerwGE 70, 110; Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Aufl., § 121 Rn. 23; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: Sept. 2007, § 121 Rn. 56). Die Streitgegenstände der o. g. Urteile des Verwaltungsgerichts sind mit dem Streitgegenstand des hier anhängigen Verfahrens jedoch nicht identisch.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem Urteil in dem Verfahren 3 A 684/99 die Klage der Mutter der Klägerin auf Übernahme der Kosten für die Betreuung der Klägerin über den 8. März 1998 hinaus mit der Begründung abgewiesen, ihr stehe in dem hier maßgeblichen Zeitraum vom 9. März 1998 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1999 der geltend gemachte Anspruch nach §§ 23 SGB VIII und 70 BSHG nicht zu (3 A 684/99). Mit dem weiteren Urteil vom 16. August 2001 (3 A 251/01) hat das Verwaltungsgericht die auf Übernahme der Betreuungskosten ab dem 9. März 1998 gerichtete Untätigkeitsklage der Klägerin mit der Begründung abgewiesen, dass diese die Übernahme der Betreuungskosten weder im Wege der Eingliederungshilfe nach §§ 39 ff. BSHG noch als Hilfe zur Pflege nach § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG beanspruchen könne. Beide Urteile betreffen somit nicht die von der Klägerin in diesem Verfahren geltend gemachten Fahrtkosten.

Auch in Bezug auf die Betreuungskosten sind die Streitgegenstände nicht identisch. Während im Verfahren 3 A 684/99 der Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Betreuung der Klägerin von deren Mutter als Anspruch auf Tagespflege nach dem SGB VIII bzw. Hilfe zur Weiterführung des Haushalts nach § 70 BSHG geltend gemacht worden ist, ist im vorliegenden Verfahren ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem BSHG streitig. Folglich sind die Beteiligten auf der Klägerseite nicht identisch. Daher kann von einer Identität der Streitgegenstände keine Rede sein.

Im Hinblick auf das Verfahren 3 A 251/01, in dem ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Betreuungskosten aus Sozialhilfemitteln Streitgegenstand war, ist entscheidend, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden kann, in dem der Träger der Sozialhilfe den Hilfefall geregelt hat. Das ist regelmäßig der Zeitraum bis zur letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.8.1995 - 5 C 9.94 -, BVerwGE 99, 149 und Urt. v. 30.4.1992 - 5 C 1.88 -, DVBl. 1992, 1482 m.w.N.). Eine Ausnahme von der zeitlichen Begrenzung des sozialhilferechtlichen Streitgegenstandes besteht nur dann, wenn die Behörde den Hilfefall für einen längeren Zeitraum geregelt hat. Ebenso wie sich eine Bewilligung von Sozialhilfeleistungen über einen längeren Zeitraum erstrecken kann, kann auch die Ablehnung einer solchen Bewilligung einen längeren Zeitabschnitt erfassen. Der die Bewilligung oder Ablehnung betreffende Regelungszeitraum braucht in dem Bescheid nicht ausdrücklich benannt zu sein, sondern kann sich auch durch Auslegung aus dem maßgeblichen Bescheid ergeben (BVerwG, Urt. v. 31.8.1995 - 5 C 9.94 -, a.a.O. und Urt. v. 8.6.1995 - 5 C 30.93 -, NVwZ-RR 1996, 510). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 24. August 1999 einen Anspruch der Klägerin schon dem Grunde nach abgelehnt, ohne zu einem Hilfezeitraum eine Aussage zu treffen. Da nicht davon auszugehen ist, dass von der Klägerin Leistungen für einen konkreten Zeitraum beantragt worden sind, erstreckt sich der Regelungszeitraum des Bescheides vom 24. August 1999 auch nicht mittelbar auf einen in die Zukunft reichenden Hilfezeitraum. Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht über eine auf die Gewährung von laufenden Leistungen der Sozialhilfe gerichtete Untätigkeitsklage entschieden hat, bei der sich nach der Rechtsprechung des Senats die gerichtliche Überprüfung auf den Zeitraum beschränkt, innerhalb dessen die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 2 VwGO regelmäßig unzulässig ist und die Behörde deshalb nicht mit einer Klageerhebung zu rechnen brauchte (Senatsbeschl. v. 15.2.2007 - 4 LA 278/07 -, v. 2.7.2001 - 4 PA 2063/01 -, v. 1.9.2000 - 4 L 406/00 - und Senatsurt. v. 26.11.1997 - 4 L 3566/96 -). Daraus folgt, dass die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zu laufenden Leistungen der Sozialhilfe bei Untätigkeitsklagen, in denen die ausstehende Behördenentscheidung nicht nachgeholt worden ist, auf den Zeitraum von drei Monaten seit Eingang des Antrages, wenn schon dieser unbeschieden geblieben ist, oder, wenn der Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung unbeschieden geblieben ist, auf den Zeitraum vom Eingang des Antrages bis zum Ablauf von drei Monaten seit Einlegung des Widerspruchs zu begrenzen ist. Wegen dieses eingeschränkten Prüfungszeitraums überschneiden sich der Zeitraum, über den das Verwaltungsgericht damals entschieden hat, und der Zeitraum vom 1. Juni 2002 bis zum 31. Dezember 2004, für den die Klägerin in diesem Verfahren Betreuungskosten verlangt, nicht. Daher steht dem im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Betreuungskosten für den Zeitraum vom 1. Juni 2002 bis zum 31. Dezember 2004 die Rechtskraft des Urteils vom 16. August 2001 in dem Verfahren 3 A 251/01 nicht entgegen.

Die Klage ist auch teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den Zeitraum vom 5. Juni 2002 bis zum 5. September 2002 dem Grunde nach einen Anspruch auf Übernahme von Kosten für Fahrten zwischen ihrer Wohnung in A. und der der Tagesmutter in B. nach §§ 39 ff. BSHG.

Dass die Klägerin aufgrund ihrer schweren geistigen Behinderung zu dem Personenkreis gehört, dem nach §§ 39 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung zu gewähren gewesen ist, unterliegt keinen Zweifeln. Diese Hilfe ist der Klägerin auch bis zum 21. Lebensjahr und damit auch in dem hier streitigen Zeitraum von dem Beklagten für den Besuch der Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe in C. -D. gewährt worden. Zu dieser Eingliederungshilfe gehört aber auch der notwendige Transport der Klägerin von zu Hause zur Tagesbildungsstätte und zurück.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die in § 40 BSHG aufgeführten Maßnahmen lediglich Beispiele für die Eingliederungshilfe. Aus dem Zusammenhang mit der Beschreibung des sachlichen Umfangs der Eingliederungshilfe in § 39 Abs. 3 BSHG, nach der es Aufgabe der Eingliederungshilfe ist, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und dabei dem Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, folgt, dass eine Maßnahme der Eingliederungshilfe zuzuordnen ist, wenn sie geeignet und bestimmt ist, im Rahmen der Eingliederungshilfe zu einer der in § 40 Abs. 1 BSHG genannten Maßnahmen zu führen (BVerwG, Urt. v. 31.8.1966 - V C 185.65 -, BVerwGE 25, 28, 29 f.). Fahrten, die notwendig sind, weil eine Eingliederungshilfemaßnahme im Sinne des § 40 Abs. 1 BSHG ansonsten nicht durchgeführt werden kann, sind daher notwendiger Bestandteil dieser Maßnahme. Die Fahrtkosten sind deshalb dem Grunde nach wie die Kosten der eigentlichen Eingliederungshilfemaßnahme vom Träger der Sozialhilfe zu tragen. Dies gilt insbesondere bei Fahrten im Zusammenhang mit der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (BVerwG, Beschl. v. 14.10.1994 - 5 B 114.93 -; Urt. v. 10.9.1992 - 5 C 7.87 -, NVwZ-RR 1993, 198; Urt. v. 22.5.1975 - V C 19.74 -, BVerwGE, 48, 228, 232 ff.; Urt. v. 11.3.1970 - V C 112.69 -, BVerwGE 35, 99, 121).

Dass die Klägerin wegen ihrer geistigen Behinderung den Weg zur Tagesbildungsstätte nur dadurch bewältigen konnte, dass sie dort hingefahren und von dort wieder abgeholt wurde, steht außer Frage. Sie ist von dem von der Lebenshilfe organisierten Fahrdienst auch von der Tagesmutter in B. abgeholt und nach Ende des Besuchs der Tagesbildungsstätte wieder zur Tagesmutter gebracht worden. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles muss hier aber auch der Weg von der Wohnung der Klägerin in A. zur Tagesmutter in B. als Teil des Weges zur Tagesbildungsstätte berücksichtigt werden mit der Folge, dass dafür anfallende Fahrtkosten als Bestandteil der in der Tagesbildungsstätte durchgeführten Eingliederungshilfemaßnahme anzusehen sind.

Die Tagesbildungsstätte ist für die Klägerin nur dadurch erreichbar gewesen, dass ihre Mutter sie zu der Tagesmutter gebracht hat, wo sie vor und nach dem Besuch der Tagesbildungsstätte in den Zeiten von 6.45 Uhr und 7.45 Uhr sowie von 15.30 Uhr bis 18.00 Uhr betreut worden ist. Denn die vollzeitbeschäftigte Mutter der Klägerin konnte wegen ihrer Arbeitszeiten nicht solange zu Hause bleiben, bis die Klägerin die Tagesbildungsstätte besuchen konnte, und die Klägerin konnte aufgrund ihrer Behinderung auch nicht ohne Betreuung allein zu Hause bleiben, bis sie etwa vom Fahrdienst der Lebenshilfe abgeholt worden wäre. Die Klägerin musste somit bereits so früh das Haus verlassen und konnte erst so spät dorthin zurückkehren, dass eine direkte Beförderung zwischen Wohnung und Tagesbildungsstätte nicht möglich war und der Weg daher in zwei Etappen von ihrem Wohnort zur Tagesmutter und von der Tagesmutter zur Tagesbildungsstätte und entsprechend zurück erfolgen musste. Da die Tagesbildungsstätte für die Klägerin daher nur auf diesem Wege erreichbar war, ist auch die erste Etappe des Weges, d.h. die Fahrt zwischen der Wohnung der Klägerin in A. und der der Tagesmutter in B. als notwendiger Bestandteil der Hilfemaßnahme anzusehen. Daher sind die Kosten, die für die Beförderung der Klägerin von ihrer Wohnung zu der der Tagesmutter in B. angefallen sind, als Fahrtkosten im Rahmen der Eingliederungshilfe zu berücksichtigen.

Eine Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Fahrtkosten besteht aber erst ab dem 5. Juni 2002, weil erst an diesem Tag der Antrag der Klägerin bei dem Beklagten eingegangen ist. Zudem ist die Verpflichtung des Beklagten auf die Zeit bis zum 5. September 2002 begrenzt. Denn die Klägerin hat eine auf laufende Leistungen der Sozialhilfe gerichtete Untätigkeitsklage erhoben, bei der sich nach der Rechtsprechung des Senats - wie bereits ausgeführt worden ist - die gerichtliche Überprüfung auf den Zeitraum beschränkt, innerhalb dessen die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 2 VwGO regelmäßig unzulässig ist und die Behörde deshalb mit einer Klageerhebung nicht zu rechnen brauchte. Daraus folgt, dass die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers bei Untätigkeitsklagen, in denen die ausstehende Behördenentscheidung nicht nachgeholt worden ist, auf den Zeitraum von drei Monaten seit Eingang des Antrages, wenn - wie hier - schon dieser unbeschieden geblieben ist, begrenzt ist. Für nachfolgende Zeiträume bedarf es wieder der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens, wobei allerdings anzunehmen ist, dass sich der Träger der Sozialhilfe an dem rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens orientiert, solange die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverändert bleiben (Senatsbeschl. v. 1.9.2000 - 4 L 406/00 -). Da der hier nicht beschiedene Antrag der Klägerin am 5. Juni 2002 bei dem Beklagten eingegangen ist, ist der Beklagte nur für den Zeitraum bis zum 5. September 2002 zur Übernahme der Fahrtkosten dem Grunde nach verpflichtet.

Der Senat kann den Anspruch der Klägerin auf Übernahme von Fahrtkosten für Fahrten zwischen ihrer Wohnung und der der Tagesmutter in diesem Zeitraum aber nicht der Höhe nach bestimmen. Denn nach § 4 Abs. 2 BSHG hat die Behörde über Form und Maß der Hilfeleistung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, soweit das Bundessozialhilfegesetz das Ermessen nicht ausschließt. Zwar ist die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung als solche Gegenstand eines Rechtsanspruchs. Dies gilt ebenso für die notwendigen Bestandteile dieser Hilfe und damit auch für die notwendigen Fahrten zur Tagesbildungsstätte. In welcher Form Fahrtkosten zu gewähren sind und in welchem Maße sie berücksichtigt werden, beantwortet sich aber nach pflichtgemäßem Ermessen. So kann beispielsweise die Frage der Benutzung öffentlicher oder privater Beförderungsmittel nach Ermessen zu entscheiden sein. Wenn wie hier nur die Benutzung eines privaten Pkw in Betracht kommt, bleibt Raum für ein Ermessen insoweit, als die Größe des Fahrzeugs und die damit zusammenhängenden Betriebskosten, die berücksichtigt werden sollen, eine Rolle spielen. Auch die Wahl einer von mehreren möglichen Berechnungsmethoden, um gleich liegende Fälle gleich behandeln zu können, gehört in den Ermessensbereich des Sozialhilfeträgers, zumal in diesem Zusammenhang gegebenenfalls in Rechnung zu stellen ist, dass das für die Beförderung genutzte Fahrzeug gleichzeitig auch anderweitig genutzt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.1994, a.a.O. und Urt. v. 22.5.1975, a.a.O.). Demnach kann der Beklagte nur verpflichtet werden, über die Gewährung von Fahrtkosten für Fahrten zwischen der Wohnung der Klägerin und der der Tagesmutter nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

Ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten, die im streitigen Zeitraum für die Betreuung durch die Tagesmutter angefallen sind, besteht hingegen nicht.

Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 39 ff. BSHG. Die Betreuung durch die Tagesmutter erfüllt keine allgemeine Aufgabe der Eingliederungshilfe gemäß § 39 Abs. 3 BSHG, wonach den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht oder erleichtert und sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege gemacht werden sollen. Der Sache nach handelt es sich vielmehr um eine reine Betreuung ohne spezielle Förderung der Klägerin im Hinblick auf einen Eingliederungszweck. Folglich stellt die Betreuung durch die Tagesmutter keine Eingliederungshilfe im Sinne des § 40 Abs. 1 BSHG dar.

Anders als die Fahrtkosten können die Betreuungskosten auch nicht als notwendiger Bestandteil der in der Tagesbildungsstätte durchgeführten Eingliederungshilfe angesehen werden. Dass im Zusammenhang mit der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung anfallende Fahrtkosten notwendiger Bestandteil der Hilfemaßnahme sein können, beruht darauf, dass diese anders als bei dem regulären Schulbesuch eines nichtbehinderten Schülers nicht als notwendige Bedürfnisse des täglichen Lebens, sondern notwendigerweise durch die besonderen Verhältnisse der Behinderung entstehen. Die Schulkenntnisse können in derartigen Fällen regelmäßig nur durch zentrale Einrichtungen vermittelt werden, wodurch für die betroffenen Schüler und deren Eltern mitunter erhebliche unvermeidbare Aufwendungen an Zeit und Geld entstehen. Diese Aufwendungen sind den Betroffenen durch die Behinderung aufgezwungen und daher notwendiger Bestandteil der Hilfemaßnahme selbst (BVerwG, Urt. v. 22.5.1975, a.a.O.). Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Hilfemaßnahme in der Tagesbildungsstätte und der Betreuung in dem Sinne, dass der eine Teil ohne den anderen Teil nicht mehr als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung bezeichnet werden kann, besteht hier jedoch nicht.

Maßgebend dafür ist, dass mit der Betreuung der Klägerin durch die Tagesmutter ein Bedarf gedeckt worden ist, der unabhängig von dem Eingliederungshilfebedarf der Klägerin bestanden und sich inhaltlich von diesem unterschieden hat. Denn die Klägerin hätte während der berufsbedingten Abwesenheit ihrer Mutter ohnehin und damit auch dann, wenn sie nicht während eines Teils dieser Zeit im Rahmen der Eingliederungshilfe die Tagesbildungsstätte besucht hätte, zusätzlich betreut werden müssen. Dieser Betreuungsbedarf beruhte auf der Pflegebedürftigkeit der geistig wesentlich behinderten Klägerin und war unabhängig von dem Bedarf an Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung zu decken. Dass - anders als bei den Fahrten zur Tagesbildungsstätte - zwischen der Betreuung der Klägerin und dem Besuch der Tagesbildungsstätte der erforderliche inhaltliche Zusammenhang fehlte, wird auch daran deutlich, dass, wenn die Klägerin die Tagesbildungsstätte nicht mehr besucht hätte, die Fahrten dorthin entfallen wären, eine Betreuung der Klägerin während der Arbeitszeiten ihrer Mutter aber weiterhin notwendig gewesen wäre.

Die Klägerin kann die geltend gemachten Betreuungskosten auch nicht im Rahmen von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung eines entsprechenden Mehrbedarfs beanspruchen.

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BSHG ist für behinderte Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und denen Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 BSHG gewährt wird, ein Mehrbedarf von 40 % des maßgebenden Regelsatzes anzuerkennen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Dass für die Klägerin in dem hier maßgeblichen Entscheidungszeitraum bei der Berechnung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt ein Mehrbedarf nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BSHG in Höhe von 40 % des Regelsatzes zu berücksichtigen war, liegt auf der Hand und ist von dem Beklagten im Rahmen seiner Abhilfeentscheidung durch den Bescheid vom 21. Mai 2003 letztendlich auch anerkannt worden. In diesem Bescheid, der die Gewährung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum von März 2002 bis Dezember 2002 regelt, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 40 % des maßgebenden Regelsatzes berücksichtigt worden, der bis Juni 2002 monatlich 91,83 EUR und ab Juli 2002 monatlich 93,60 EUR betragen hat. Wenn bei der Klägerin wegen der Betreuungskosten ein davon abweichender höherer Bedarf bestanden hätte, wäre dieser allerdings nicht in Höhe der geltend gemachten Betreuungskosten von 270,98 EUR, sondern höchstens in Höhe der maßgebenden Regelsätze in Höhe von 229,57 EUR bzw. ab Juli 2002 in Höhe von 234 EUR monatlich zu berücksichtigen gewesen, da nach § 23 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 BSHG die Summe der Mehrbedarfszuschläge insgesamt die Höhe des maßgebenden Regelsatzes nicht übersteigen darf. Die dort genannte Höchstgrenze gilt nicht nur bei der Kumulierung von Mehrbedarfszuschlägen, sondern erst recht bei der Berücksichtigung eines von der Pauschalierung abweichenden höheren Mehrbedarfs. Hier liegen aber schon die Voraussetzungen für die Anerkennung eines erhöhten Mehrbedarfs nicht vor.

Der Mehrbedarf nach § 23 Abs. 3 BSHG soll einen zusätzlichen Bedarf abdecken, der behinderten Menschen durch die Teilhabe am Arbeitsleben, durch eine angemessene Schulbildung, eine schulische Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule oder bei einer Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit entsteht. Die von der Klägerin geltend gemachten Betreuungskosten stehen mit der Schulausbildung der Klägerin in der Tagesbildungsstätte in einem äußeren Zusammenhang. Denn ohne eine Betreuung durch die Tagesmutter in den Randstunden vor und nach dem Besuch der Tagesbildungsstätte hätte die Klägerin diese nicht besuchen können. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es eine andere Einrichtung gegeben hätte, in der der Klägerin in einem solchen zeitlichen Umfang Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung hätte gewährt werden können, dass eine Betreuung durch die Tagesmutter nicht erforderlich gewesen wäre. Da die Mutter aufgrund ihrer Arbeitszeiten nicht zu einer den Öffnungszeiten der Tagesbildungsstätte entsprechenden Betreuung der Klägerin in der Lage war, hätte die Klägerin ohne die Betreuung durch die Tagesmutter vermutlich wochentags vollstationär untergebracht werden müssen. Trotz dieses äußeren Zusammenhangs zwischen der Betreuung durch die Tagesmutter und dem Besuch der Tagesbildungsstätte können die Betreuungskosten aber nicht als aus der besonderen Lebenssituation der Klägerin resultierender ausbildungsbezogener Bedarf und damit als Mehrbedarf i.S.d. § 23 Abs. 3 BSHG angesehen werden, weil ein Betreuungsbedarf der Klägerin auch unabhängig von der Eingliederungshilfemaßnahme bestanden hätte. Die Klägerin hätte, wie bereits dargelegt worden ist, während der berufsbedingten Abwesenheit ihrer Mutter auch dann zusätzlich betreut werden müssen, wenn sie nicht die Tagesbildungsstätte besucht hätte. Dieser Betreuungsbedarf beruhte auf der Pflegebedürftigkeit der geistig wesentlich behinderten Klägerin, die auch im maßgeblichen Entscheidungszeitraum von der Pflegekasse Pflegegeld der Stufe 3 erhalten hat. Pflegegeld wird gemäß § 37 Abs. 1 SGB XI anstelle der häuslichen Pflegehilfe auf Antrag des Pflegebedürftigen gewährt, wenn mit dem Pflegegeld die entsprechende Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sichergestellt wird. Es soll den Pflegebedürftigen in die Lage versetzen, die notwendigen Hilfeleistungen durch selbst beschaffte Pflegepersonen zu organisieren. Dabei ist der Begriff der häuslichen Pflege als Abgrenzung zur stationären Pflege zu verstehen. Dadurch wird nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen der häuslichen Pflege eine Pflege in einem anderen Haushalt erfolgt. Maßgebend ist nicht der Aufenthaltsort des Pflegebedürftigen, sondern die Art der Durchführung der Pflege (Udsching, SGB XI, Kommentar, 2. Aufl., § 36 Rn. 4). Insofern ist auch die Betreuung der Klägerin durch die Tagesmutter in deren Haushalt als Teil der häuslichen Pflege der Klägerin anzusehen, die die Klägerin mit dem Pflegegeld selbst sicherzustellen hat.

Wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16. August 2001 (3 A 251/01) zutreffend ausgeführt hat, steht der Klägerin ein Anspruch auf Übernahme der Betreuungskosten auch nicht im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG zu. Nach dieser Vorschrift sind, wenn neben oder anstelle der Pflege nach § 69 Satz 1 BSHG die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich oder eine Beratung oder zeitweilige Entlastung der Pflegeperson geboten ist, die angemessenen Kosten zu übernehmen. Dabei ist schon fraglich, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift überhaupt erfüllt sind. Dass durch die Mutter der Klägerin als Pflegeperson wegen ihrer Berufstätigkeit die Pflege nicht allein durchgeführt werden konnte, lässt noch nicht zwingend darauf schließen, dass neben der Pflege nach § 69 Abs. 1 Satz 1 BSHG die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich gewesen war. Denn im Rahmen der Pflege nach § 69 Satz 1 BSHG ist es auch denkbar, dass mehrere Pflegepersonen tätig werden und das Pflegegeld entsprechend aufgeteilt wird. Zudem ist nicht ohne weiteres ersichtlich, dass Frau E., die die Klägerin betreut hat, als besondere Pflegekraft im Sinne des § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG anzusehen ist. Die in § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG erwähnte besondere Pflegekraft unterscheidet sich von der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson im Sinne des § 69 Satz 1 BSHG durch ihre fachliche Befähigung. Diese gründet sich im Regelfall auf eine entsprechende Berufsausbildung (z. B. als Krankenschwester, Krankenpflegehelfer, Familienpfleger oder Hauswirtschafter). Es können aber auch in sonstiger Weise für die Pflege geschulte Personen wie z. B. Zivildienstleistende die fachlichen Voraussetzungen erfüllen und als Pflegekräfte eingesetzt werden (vgl. Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, 2. Aufl., § 69 b Rn. 4 u.19; LPK-BSHG, Kommentar, 6. Aufl., § 69 Rn. 10). Ob Frau Timpe eine entsprechende fachliche Befähigung nachweisen kann, kann hier offen bleiben. Denn ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG scheidet wegen der Regelung in § 69 c Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BSHG ohnehin aus.

Nach dieser Vorschrift ist, wenn der Pflegebedürftige seine Pflege durch von ihm beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellt, ein nach dem SGB XI geleistetes Pflegegeld vorrangig auf die Leistung nach § 69 b Abs. 1 BSHG anzurechnen. Da die Klägerin im streitigen Zeitraum von der Pflegekasse Pflegegeld der Stufe 3 in Höhe von 665 EUR erhalten hat, konnte sie damit die geltend gemachten Betreuungskosten in Höhe von 270,98 EUR selbst bestreiten. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass der Klägerin entsprechend § 69 c Abs. 2 Satz 2 BSHG ein Drittel des Pflegegeldes verbleiben muss (vgl. dazu: Schellhorn, BSHG, Kommentar, 16. Aufl., § 69 c Rn. 25). Denn der Klägerin verbleibt nach Abzug der Betreuungskosten mehr als die Hälfte des Pflegegeldes. Daher steht auch § 69 c Abs. 2 Satz 2 BSHG einer Anrechnung des Pflegegeldes nicht entgegen, so dass ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG ausscheidet.

Sonstige Rechtsgrundlagen, aus denen sich ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Betreuungskosten ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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