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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.08.2009
Aktenzeichen: 4 ME 165/09
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 7
VwGO § 146 Abs. 4
VwGO § 152a
Die Gegenvorstellung ist als ein ungeschriebener Rechtsbehelf, aufgrund dessen das Gericht seine vorangegangene Entscheidung in der Sache überprüft und ggf. revidiert, nur dann statthaft, wenn das Gericht nach einer maßgebenden gesetzlichen Regelung zu einer Abänderung seiner vorangegangenen Entscheidung überhaupt befugt ist. Ohne eine solche gesetzliche Grundlage ist in Fällen gesetzlich geregelter Bindungen des Gerichts an seine eigenen Entscheidungen, wie sie sich insbesondere aus der Rechtskraft der Entscheidung auch zu Gunsten des anderen Verfahrensbeteiligten ergeben, ein ungeschriebener Rechtsbehelf, wie die Gegenvorstellung, von vorneherein unstatthaft.
Gründe:

Die Gegenvorstellung der Antragstellerin gegen den gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Beschluss des Senats vom 3. August 2009, mit dem die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover 4. Juni 2009 zurückgewiesen worden ist, ist nicht statthaft.

Dies ergibt sich nach der Auffassung des Senats aber nicht schon als zwangsläufige Folge der mit Wirkung vom 1. Januar 2005 durch den Gesetzgeber eingeführten Anhörungsrüge nach § 152a VwGO (so wohl BVerwG, Beschl. v. 8.6.2009 - 5 PKH 6/09 -; Beschl. v. 28.3.2008 - 8 B 20/08 u.a.-). Denn der Gesetzgeber hat hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die gesetzliche Regelung der Anhörungsrüge andere ungeschriebene außerordentliche Rechtsbehelfe, wie etwa die außerordentliche Beschwerde oder die Gegenvorstellung, nicht beschränken oder ausschließen soll (so Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz), BT-Drs. 15/3706, S. 14).

Auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind ungeschriebene Rechtsbehelfe gegen gerichtliche Entscheidungen, wie hier die Gegenvorstellung, aus verfassungs- oder einfachrechtlichen Gründen nicht generell unzulässig (so ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 25.11.2008 - 1 BvR 848/07 -, NJW 2009, 829, 830, unter Klarstellung des vorausgehenden Beschl. v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02 -, BVerfGE 107, 395, 416 f.). Da die Lösung eines möglichen Konflikts zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit aber dem Gesetzgeber übertragen ist, ist es ausgeschlossen, gesetzlich geregelte Bindungen des Gerichts an seine eigenen Entscheidungen ohne gegenläufige gesetzliche Grundlage zu übergehen. Dies gilt insbesondere für gerichtliche Entscheidungen, die ungeachtet etwaiger Rechtsfehler nach dem jeweiligen Verfahrensrecht in Rechtskraft erwachsen und deshalb weder mit ordentlichen Rechtsbehelfen angegriffen noch vom erkennenden Gericht selbst abgeändert werden können. Die Bindung der Gerichte ist hier von besonderer Bedeutung, weil der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen auch wesentliche rechtsstaatliche Funktionen zukommt, indem sie Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zwischen den Beteiligten herstellt (BVerfG, Beschl. v. 25.11.2008 - 1 BvR 848/07 -, NJW 2009, 829, 831).

Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nach Auffassung des Senats dahingehend zu verstehen, dass ein ungeschriebener Rechtsbehelf, aufgrund dessen das Gericht seine vorangegangene Entscheidung in der Sache überprüft und ggf. revidiert, nur dann statthaft ist, wenn das Gericht nach der maßgebenden gesetzlichen Regelung zu einer Abänderung seiner vorangegangenen Entscheidung überhaupt befugt ist. Ohne eine solche gesetzliche Grundlage ist in Fällen gesetzlich geregelter Bindungen des Gerichts an seine eigenen Entscheidungen, wie sie sich insbesondere aus der Rechtskraft der Entscheidung auch zu Gunsten des anderen Verfahrensbeteiligten ergeben, ein ungeschriebener Rechtsbehelf, wie hier die Gegenvorstellung, hingegen von vorneherein unstatthaft (so auch BFH, Beschl. v. 1.7.2009 - V S 10/07 -).

Letztgenannter Fall liegt hier vor. Die Entscheidung des Senats vom 3. August 2009 über die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Der Senat kann den erstinstanzlichen Beschluss auch nicht nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO ändern. Diese Befugnis steht auf Grund der ausdrücklichen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung - 4. VwGOÄndG -), BT-Drs. 11/7030, S. 25) Klarstellung durch das 4. VwGOÄndG ausschließlich dem Gericht der Hauptsache zu (vgl. Senatsbeschl. v. 30.6.2009 - 4 ME 168/09 -, DVBl. 2009, 1058 (Leitsatz)).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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