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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: 5 LA 168/05
Rechtsgebiete: PolNLVO


Vorschriften:

PolNLVO § 30
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Bezirksregierung Braunschweig ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine tatsächliche oder rechtliche Grundsatzfrage aufwirft, die im Berufungsrechtszug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 25.4.2005 - 5 LA 162/04 -). Für die ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist es erforderlich, dass die Rechtsfrage, die grundsätzlich geklärt werden soll, zu bezeichnen und zu formulieren ist. Dabei ist substantiiert zu begründen, warum sie für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten wird, weshalb sie entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl.: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 124a, Rn. 54).

Dem genügt das Vorbringen der Beklagten nicht, da es bereits eine zu klärende Grundsatzfrage nicht erkennen lässt, soweit die Beklagte die von dem Verwaltungsgericht vertretene Auffassung in Bezug auf die Auslegung von Ziffer 11 der Beurteilungsrichtlinie für den Polizeivollzugsdienst vom 29. Dezember 1999 (BRLPol - Nds. MBl. 2000, S. 127) für rechtlich unvertretbar hält, weil nach dieser Ziffer die Beurteilungskonferenzen die Aufgabe hätten, "den für die Beurteilung vorgegebenen Maßstab zu verdeutlichen und auf leistungsgerecht abgestufte und untereinander vergleichbare Beurteilungsergebnisse hinzuwirken". Sollte die Beklagte mit ihrem Vorbringen die Frage für klärungsbedürftig erachten, ob im Rahmen der Beurteilerkonferenz durch Rankingreihen im Sinne von Ziffer 9.3 BRLPol der bei der Beurteilung der einzelnen Beamten anzuwendende Maßstab verdeutlicht werden kann, führt dieses nicht zur Zulassung der Berufung. Denn die Frage ist bereits dahingehend geklärt, dass die Erstellung einer Rankingreihe der zu beurteilenden Beamten durch die Beurteilerkonferenz ausschließlich zur Verdeutlichung des vorgegebenen Beurteilungsmaßstabs und der Hinwirkung auf leistungsgerecht abgestufte und untereinander vergleichbare Beurteilungsergebnisse unter Beachtung der festgelegten Richtwerte dienen kann (vgl. dazu: Nds. OVG, Urt. v. 30.5.2007 - 5 LC 44/06, - zitiert nach juris Langtext, Rn. 43). Des Weiteren ist hinreichend geklärt, dass die Verdeutlichung des vorgegebenen Beurteilungsmaßstabs und das Hinwirken auf leistungsgerecht abgestufte und untereinander vergleichbare Beurteilungen nicht dadurch erfolgen kann, dass die Beurteilerkonferenz das Gesamturteil für die zu beurteilenden Beamten jeweils verbindlich festlegt und damit die Verantwortung für die rechtmäßige Anwendung des Maßstabs durch Erstellung einer in sich plausiblen Beurteilung des jeweiligen Beamten im Einzelfall nicht mehr die zuständigen Beurteiler tragen (vgl. dazu: Nds. OVG, a. a. O.).

2. Das angefochtene Urteil begegnet jedenfalls im Ergebnis auch keinen Richtigkeitszweifeln im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese sind gegeben, wenn auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458 <1459>). Die Richtigkeitszweifel müssen sich allerdings auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (Nds. OVG, Beschl. v. 30.4.2008 - 5 LA 200/07 -; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838 <839>).

Zwar bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, der Beurteilerkonferenz sei nach den Ziffern 11.1 und 11.2 BRLPol untersagt, eine Rangreihe nach Maßgabe von Ziffer 9.3 BRLPol zu bilden, da diese anhand der individuellen Beurteilungen vorzunehmen sei. Dem steht entgegen, dass die Bildung einer Rangreihe gemäß Ziffer 9.3 BRLPol nicht unter Rückgriff bzw. unter gleichzeitiger Festlegung der Gesamturteile im Einzelfall vorgenommen werden muss. Denn nach Ziffer 9.3 BRLPol soll die Rangreihe lediglich dazu dienen, leistungsgerecht abgestufte und untereinander vergleichbare Gesamturteile zu erhalten, weshalb es - unter Berücksichtigung der aufgezeigten Rechtsprechung des Senats - möglich ist, eine Rangreihe zu bilden, die - ohne auf die Gesamturteile im Einzelfall abzustellen - die Leistungen der zu beurteilenden Beamten ins Verhältnis setzt und dadurch eine Maßstabsbildung verdeutlicht, wie es der Aufgabe der Beurteilerkonferenzen entspricht.

Die insoweit von der Beklagten zutreffender Weise geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils können jedoch nicht die Durchführung des Berufungsverfahrens rechtfertigen, weil sich diese Richtigkeitszweifel nicht auf das Ergebnis der Entscheidung des Verwaltungsgerichts beziehen. Selbst wenn der Senat - wie auch die Beklagte - davon ausgeht, dass die Bildung einer Rangreihe nach Maßgabe von Ziffer 9.3 BRLPol in einer Beurteilerkonferenz zulässig ist, erweist sich die Beurteilung eines Beamten jedenfalls dann als rechtswidrig, wenn die Beurteilerkonferenz - wie hier - aufgrund der von ihr gebildeten Rangreihe die Gesamturteile für den Zweitbeurteiler verbindlich festlegt, dieser sich an das Ergebnis der Beurteilerkonferenz insoweit gebunden fühlt und bei der Beurteilung im Einzelfall die Gesamtbewertung nicht aus der Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale, sondern nur unter dem Gesichtspunkt vornimmt, dass sie sich mit der bindenden Rangreihe und Richtwerten der Beurteilerkonferenz vereinbaren lässt (vgl. dazu: Nds. OVG, a. a. O.).

Das Vorbringen der Beklagten im Zulassungsverfahren steht dem nicht entgegen. Der Senat teilt ihre Auffassung, dass die Bildung einer Rangreihe in der Beurteilerkonferenz auch erfordert, auf die von den zu beurteilenden Beamten im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistungen einzugehen, um auf untereinander vergleichbare Beurteilungen hinwirken zu können. Dies darf aber - und das übersieht die Beklagte - nicht dazu führen, dass letztlich die Beurteilerkonferenz die Gesamturteile bindend festlegt.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Zweitbeurteiler sich nach seinen eigenen Erklärungen an die Vorgaben der Zweitbeurteilerkonferenz gebunden gefühlt hat. Auch wenn der Zweitbeurteiler nach dem Zulassungsvorbringen der Beklagten alle zu beurteilenden Polizeibeamten hinreichend persönlich gekannt hat und deren im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistungen selbst einschätzen kann, werden hierdurch die verwaltungsgerichtlichen Feststellungen nicht entkräftet. Denn aus der Stellungnahme des Zweitbeurteilers vom 20. Mai 2003 (Beiakte A, Bl. 18 ff.) folgt, dass die Gesamturteile für die Beurteilungen der Beamten in der Beurteilerkonferenz, an der die zuständigen Erstbeurteiler und der Zweitbeurteiler teilgenommen haben, bindend festgelegt worden sind. Die Rangreihe wurde so gebildet, dass zunächst jeder Teilnehmer der Beurteilerkonferenz für sich auf einem Zettel eine Reihenfolge festgesetzt hat, wobei jeder den aus seiner Sicht Leistungsstärksten auf Platz 1, den nächsten auf Rang 2 usw. setzen sollte. Hierbei bestand durchaus die Möglichkeit, zwei leistungsgleich eingeschätzte Beamtinnen bzw. Beamte nebeneinander auf den gleichen Platz zu setzen. Zu diesem Verfahren wurden weder Vorgaben gemacht oder diskutiert noch wurden mögliche Einschätzungen zum Gesamturteil berücksichtigt. Im Anschluss daran wurden die Einzelbetrachtungen der Konferenzteilnehmer auf einem Flipchart für alle sichtbar zusammengeführt und eine Gesamtreihe erstellt. Sodann wurde zunächst diese Rangreihe diskutiert, ohne dass sich eine Änderung der Reihenfolge ergab. Um auszuschließen, dass Erstbeurteiler ihre zu Beurteilenden besonders gut und andere besonders schlecht einschätzen, wurde dann die jeweils beste und schlechteste Wertung nicht berücksichtigt und aus den verbleibenden Wertungen eine neue Rangreihe gebildet. Zu einer Änderung der Reihenfolge kam es dadurch und auch aus der sich anschließenden Diskussion nicht. Sodann wurde unter den Teilnehmern die Zuordnung von Wertungsstufen erörtert, was zu dem im Protokoll enthaltenen Ergebnis geführt hatte.

Diese Vorgehensweise ist mit der Letztentscheidungskompetenz des Zweitbeurteilers nicht zu vereinbaren. Die Verantwortung für die rechtmäßige Anwendung des Maßstabs durch Erstellung einer in sich plausiblen Beurteilung des jeweiligen Beamten im Einzelfall tragen die zuständigen Beurteiler allein. Dabei hat die Beurteilung in der Weise zu erfolgen, dass die Gesamtbewertung aus der Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale unter Berücksichtigung von deren Bedeutung zu bilden ist und sie nicht unter dem Gesichtspunkt vergeben wird, dass sie sich mit Rangreihen und Richtwerten vereinbaren lässt. Wenn letzteres geschieht, geht der Beurteiler nämlich unrichtig an seine Aufgabe heran und wird immer Schwierigkeiten haben, eine in sich plausible Beurteilung zu erstellen, die sich aus sich selbst heraus rechtfertigen lässt. Liegt es doch auf der Hand, dass es bei einem Gesamturteil, welches in Wahrheit nicht aus den Bewertungen der Einzelmerkmale entwickelt wurde, von Zufälligkeiten abhängt, inwieweit es tatsächlich mit diesen Einzelbewertungen harmoniert. Gemessen hieran ist nicht ersichtlich, dass der Zweitbeurteiler das Gesamturteil der streitgegenständlichen Beurteilung des Klägers aus einer Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale hergeleitet hat. Im Gegenteil ist aufgrund des beschriebenen Ablaufs der Beurteilerkonferenz davon auszugehen, dass die Gesamturteile in einem Zusammenwirken sämtlicher Erstbeurteiler und des Zweitbeurteilers letztlich bindend vorgegeben worden sind und somit kein Raum mehr für die Entwicklung des Gesamturteils aus den Einzelbewertungen war. Hierfür spricht nicht zuletzt die Tatsache, dass der Erstbeurteiler - ohne sich an die Vorgabe der Beurteilerkonferenz gebunden gefühlt zu haben - in dem Beurteilungsentwurf die Vergabe der Wertungsstufe 4 für angemessen erachtet hat, während der Zweitbeurteiler mit Blick auf das Ergebnis der Beurteilerkonferenz Einzelmerkmale herabgesetzt hat, um die Vorgabe der Beurteilerkonferenz einhalten zu können. Eine plausible Begründung für die Herabsetzung der Einzelmerkmale ist bisher weder vorgetragen noch ersichtlich.

Dass die damals zuständige Bezirksregierung Braunschweig auf den Widerspruch des Klägers die Beurteilung nicht geändert hat, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung des Sachverhalts, nämlich dass der Zweitbeurteiler sich unzulässiger Weise an die Vorgaben der Beurteilerkonferenz gebunden sah und diese ungesetzt hat, was zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Beurteilung führt.

Abschließend ist anzumerken, dass das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Beklagten ein faktisches Protokollierungsverbot für bewertete personenbezogene Leistungen in einer personenbezogenen Rangfolge nicht aufgestellt hat.

Ende der Entscheidung

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