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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.08.2008
Aktenzeichen: 5 LA 49/07
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 54 Abs. 1 Nr. 3
BeamtVG § 54 Abs. 3
BeamtVG § 57 Abs. 1 S. 1
BeamtVG § 57 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO und einen Verfahrensfehler, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), geltend macht, hat keinen Erfolg. Die Zulassungsgründe sind teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Vorschrift sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrages und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl.: BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 27.3.1997 - 12 M 1731/97 -, NVwZ 1997, 1225; Beschl. v. 31.8.2007 - 5 LA 260/07 -; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838). Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substanziell mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen (Happ, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2006, Rn. 63 zu § 124a). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt dementsprechend wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (vgl. Happ, a. a. O., Rn. 64 zu § 124a, m. w. N.).

Gemessen hieran hat die Klägerin mit ihrem Vorbringen weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung schlüssig in Frage gestellt.

Der Einwand der Klägerin, die Bestimmung des Anrechnungsbetrages (unter Ziffer 4.1 der Anlage 1 des Bescheides vom 25.7.2002) in Höhe von 923,13 EUR sei unzutreffend, da lediglich das Witwengeld in Höhe von 831,81 EUR, nicht aber zusätzlich der Familienzuschlag von 91,32 EUR hätte zugrunde gelegt werden dürfen, rechtfertigt nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, in dem das Verwaltungsgericht die Berechnungsweise der Beklagten gebilligt hat. Der angefochtene Bescheid verweist bei der Grundlage für die Bestimmung des Anrechnungsbetrages auf Nr. 1.1 der Anlage 1 des Bescheides, wonach nicht nur das frühere Witwengeld, sondern auch der Unterschiedbetrag nach § 50 BeamtVG als früherer Versorgungsbezug angesetzt wurde. Hiergegen bestehen entgegen der Auffassung der Klägerin keine rechtlichen Bedenken. § 54 Abs. 1 Nr. 3 BeamtVG erfasst die hier vorliegende Fallgruppe, dass eine Witwe aus eigenem Recht Ruhegehalt (oder eine ähnliche Versorgung) erhält und diese Versorgung auf eine der Witwe bereits zuvor gewährte Versorgung (sog. frühere Versorgungsbezüge) trifft. Was unter frühere Versorgungsbezüge im Sinne von § 54 Abs. 1 BeamtVG fällt, ist nicht in dieser Vorschrift geregelt, sondern ergibt sich aus dem Beamtenversorgungsgesetz. Danach zählt nicht nur das Witwengeld zu den Versorgungsbezügen, sondern gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 BeamtVG auch der nach § 50 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG zu gewährende Unterschiedsbetrag (ebenso: Ziffer 50.1.11 der Verwaltungsvorschriften zu § 50 BeamtVG), der gemäß § 50 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG auch im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung gezahlt wird. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.

Ernstliche Richtigkeitszweifel bestehen auch nicht, soweit die Klägerin geltend macht, das Verwaltungsgericht habe es mit Blick auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung versäumt zu klären, ob der Versorgungsausgleich durch die Versorgungsanwartschaftsberechtigte, also die erste geschiedene Ehefrau des verstorbenen Ehemannes, auch tatsächlich in Anspruch genommen werde. Soweit die Klägerin mit dieser Begründung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (- 1 BvL 17/77 u. a. -, BVerfGE 53, 257 ff.) abstellt und meint, die Berücksichtigung des nach § 57 Abs. 3 BeamtVG normierten Kürzungsbetrages sei rechtsfehlerhaft, solange jedenfalls die Versorgungsausgleichsberechtigte eine Versorgung aus dem Versorgungsausgleich noch nicht erhalte, übersieht sie, dass der Umstand, ob der versorgungsausgleichsberechtigte Ehegatte eine Versorgung oder Rente aus dem Versorgungsausgleich erhält, aus verfassungsrechtlicher Sicht nur dann Bedeutung hat, wenn der versorgungsausgleichspflichtige Ehegatte dem anderen früheren Ehegatten zugleich Unterhalt gewährt. Diese Voraussetzungen, die zur Regelung in § 5 VAHRG geführt haben, liegen indes hier nicht vor. Darüber hinaus ist von einer Kürzung nach § 57 Abs. 3 BeamtVG im vorliegenden Fall auch nicht wegen § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG abzusehen. Denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier ebenfalls nicht vor. Danach wird das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, erst gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist. Dieses sog. Pensionistenprivileg findet nur auf das dem versorgungsausgleichsverpflichteten Ehegatten zu gewährende Ruhegehalt, nicht aber auf die seiner Witwe zu gewährenden Versorgungsbezüge Anwendung (vgl. auch: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand: Juli 2008, § 57 BeamtVG, Rn. 37h).

Soweit im Folgenden die Klägerin meint, die vorgenommene (unzutreffende Anrechnung) verletze sie in ihren Rechten, da sie eine doppelte Berücksichtigung des Familienzuschlages (für das Kind) vorsehe, und zuerst der Anrechnungsbetrag gemäß § 57 BeamtVG zu ermitteln sei, wobei die Feststellung getroffen werden müsse, ob dieser Versorgungsbetrag auch tatsächlich durch den Versorgungsträger für die erste geschiedene Ehefrau ihres verstorbenen Ehemannes zu leisten sei, hat sie ernstliche Zweifel schon nicht hinreichend im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt. Ihr Vorbringen erschöpft sich darin, dass sie die von ihr als zutreffend angesehene Berechnungsweise derjenigen der Beklagten gegenüberstellt, ohne sich im Einzelnen mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen, das die Berechnung der Beklagten gebilligt hat. Insbesondere fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen, auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (- 6 A 2127/96 -, Schütz, BeamtR ES/C III 2 Nr. 33) gestützten Argumentation, dass die Anwendung der Kürzungsvorschrift des § 57 BeamtVG eine Kürzung der Versorgungsbezüge auf Null nicht ausschließt, mithin eine Regelung über die Mindestbelassung der zu kürzenden Versorgungsbezüge nicht enthält und dem § 54 Abs. 3 BeamtVG nicht entgegensteht. Keine andere Beurteilung ergibt sich aus dem von ihr angestellten Vergleich zu der Bestimmung des § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG, der zwar ebenfalls wie § 54 Abs. 3 BeamtVG eine Mindestbelassungsgrenze vorsieht. Auch insoweit fehlt eine gebotene Auseinandersetzung mit der Vorschrift des § 57 BeamtVG, dessen Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich eine Kürzung nach Anwendung der Anrechnungsvorschriften - wie des § 54 BeamtVG - normiert.

2. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist von der Klägerin ebenfalls nicht hinreichend dargelegt worden. Stützt ein Berufungszulassungsantragsteller seinen Antrag auf mehrere Zulassungsgründe, so hat er gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinsichtlich jedes einzelnen Grundes in einer den jeweiligen Darlegungsanforderungen genügenden Weise die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes geltend zu machen (vgl.: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., 2007, § 124a, Rn. 50 m. N.). Für die ordnungsgemäße Darlegung des Zulassungsgrundes besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache bedarf es einer konkreten Bezeichnung der Tatsachen- oder Rechtsfragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, und des Aufzeigens, worin diese besonderen Schwierigkeiten bestehen (vgl.: Kopp/Schenke, a. a. O., § 124a, Rn. 53). Dem genügt im Anwendungsbereich des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die bloße Behauptung, es liege ein komplizierter und rechtlich schwieriger Sachverhalt vor, nicht. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist geklärt, so dass besonders schwierige Tatsachenfragen nicht im Berufungsverfahren zu klären sind. Bezüglich der Frage, ob die geschiedene Ehefrau des Ehemannes der Klägerin aus dem Versorgungsausgleich eine Rente bezieht, kommt es - wie dargelegt - nicht an. Ebenso wenig sind besondere rechtliche Schwierigkeiten zu erkennen, zumal sich die von der Klägerin im Rahmen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgeworfenen Rechtsfragen im Wesentlichen durch das Gesetz beantworten lassen. Darüber hinausgehende rechtliche Schwierigkeiten zeigt die Klägerin mit ihrem Vorbringen nicht auf.

3. Entsprechendes gilt für den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2004 (- BVerwG 2 C 68.03 -, BVerwGE 122, 301 ff.). Die Klägerin hat diesen Zulassungsgrund ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Das Darlegungserfordernis verlangt in diesem Zusammenhang, dass im Zulassungsantrag oder seiner Begründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf einen tragenden abstrakten Rechtssatz gestützt hat und dabei von einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte abgerückt ist.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, das Verwaltungsgericht weiche mit dem von ihm herangezogenen Grundsatz, dass der Dienstherr grundsätzlich (nicht <siehe UA S. 5>) mehr aufwenden soll, als er ohne Scheidung zu leisten gehabt hätte, von dem genannten bundesverwaltungsgerichtlichen Urteil ab. Darin werde deutlich gemacht, dass die Probleme des Versorgungsausgleichs nicht allein den am Versorgungsausgleich Beteiligten und auch nicht den Rentenversicherungsträgern bzw. Dienstherrn aufgelastet würden, sondern ein in sich schlüssiges System zwischen dem Beamtenversorgungsgesetz (§ 57 BeamtVG) und den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches (§ 225 SGB VI) und den Regelungen des Gesetzes zur Regelung von Härte im Versorgungsausgleich (VAHRG) existiere und aus einer Gesamtschau dieser Bestimmungen heraus eine sachgerechte Lösung bezüglich der Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 57 BeamtVG gefunden werden könne, was zwar nicht der Intention der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung widerspreche, allerdings die weitere Entscheidung des BeamtVG (oder des BVerwG?) wesentlich differenzierter bezüglich des Sachverhalts und der Grundsätze der Gesamtproblematik sei. Der vom Verwaltungsgericht aufgestellte Grundsatz, der Dienstherr solle nicht die persönlichen Scheidungsfolgen tragen, sei deshalb in seiner Aussage weniger bedeutungsschwer.

Dieses ungenaue und oberflächliche Vorbringen genügt schon deshalb nicht den Darlegungsanforderungen, weil es nicht erkennen lässt, von welchem konkret zu bezeichnenden, entscheidungserheblichen Rechtssatz, den das Bundesverwaltungsgericht in dem zitierten Urteil aufgestellt haben soll, das Verwaltungsgericht abgewichen ist. Dass allein der von dem Verwaltungsgericht nach Auffassung der Klägerin herangezogene Grundsatz nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung "weniger bedeutungsschwer" sein soll, ist bei Weitem nicht ausreichend.

4. Schließlich ist die Berufung nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Eine Verletzung der dem Verwaltungsgericht obliegenden Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Die Frage, ob das Verfahren der Vorinstanz an einem Mangel leidet, ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt aus zu beurteilen, den die Vorinstanz eingenommen hat. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt regelmäßig nicht vor, wenn das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt für aufgeklärt gehalten hat und die sachkundig vertretenen Verfahrensbeteiligten Beweiserhebungen nicht in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt haben (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 23.5.2005 - 7 LA 302/04 -). In Anbetracht dessen muss sich die schon im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Klägerin entgegen halten lassen, dass sie eine entsprechende Beweiserhebung hinsichtlich der aus ihrer Sicht entscheidungserheblichen Umstände nicht beantragt hat. Im Übrigen musste sich eine solche Beweiserhebung von dem materiellen Standpunkt des Verwaltungsgerichts ausgehend eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht aufdrängen, da es auf eine Anwendung des VAHRG nach dessen zutreffender Auffassung nicht ankam. Dem Zulassungsvorbringen lassen sich gegenteilige Anhaltspunkte nicht entnehmen.

Ende der Entscheidung

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