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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 14.09.2004
Aktenzeichen: 5 LB 141/04
Rechtsgebiete: BhV


Vorschriften:

BhV § 6 I Nr. 2
BhV § 6 I Nr. 2 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der als Studienrat im niedersächsischen Schuldienst beihilfeberechtigte Kläger beantragte am 31. Juli 2000 bei dem Beklagten Beihilfe für die Aufwendungen für den Erwerb bestimmter, aus China stammender Heilkräuter, welche die die Tochter des Klägers behandelnde Ärztin zur Behandlung von deren Autoimmunerkrankung Alopecia areta verordnet hatte und aus denen ein von der Tochter des Klägers zu trinkender Tee zu bereiten war.

Durch Bescheid vom 9. August 2000 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Beihilfe für diese Aufwendungen in Höhe von insgesamt 383,06 DM mit der Begründung ab, chinesische Tees seien keine Medikamente im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Beihilfevorschriften.

Im Rahmen des auf Grund des von dem Kläger hiergegen erhobenen Widerspruchs durchgeführten Widerspruchsverfahrens teilte das Amt für Gesundheit und Umweltmedizin des Landkreises D. dem Beklagten unter dem 26. April 2001 mit, "dass hier zur Wirksamkeit bzw. medizinischen Notwendigkeit der verordneten Präparate keine Literatur und Erkenntnisse vorliegen".

Durch den Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2001 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, im Hinblick auf die Stellungnahme des Amtsarztes könnten die chinesischen Heilkräuter nicht als beihilfefähige Heilmittel anerkannt werden.

Zur Begründung der hiergegen am 29. August 2001 erhobenen Klage hat der Kläger die Bescheinigung der seine Tochter behandelnden Ärztin Dr. med. E. vom 20. Juli 2000 vorgelegt, in der es heißt: "Aufgrund der Vergeblichkeit bisheriger Therapieversuche und dem persönlichen Leidensdruck der Patientin erscheint ein Behandlungsversuch mit den Methoden der TCM gerechtfertigt, zumal seit der zweiten Behandlung bereits ein Wachstum der Augenbrauen sowie diskret auch des Kopfhaares zu verzeichnen ist". Außerdem hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen: Bei den verordneten Rezepturen handele es sich nicht um "Kräutertees" im üblichen Sinne, sondern um pflanzlich-arzneiliche Heilmittelzubereitungen im Sinne der traditionellen chinesischen Medizin. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung seien Arzneimitteltees verordnungs- und erstattungsfähig. Aus den von dem Beklagten vorgelegten amtsärztlichen Äußerungen ergebe sich nicht, dass diese Heilmittelzubereitungen keine Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne seien. Selbst wenn die Verwendung dieser Heilmittelzubereitungen nicht als wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode bewertet werden sollte, verpflichte das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV zur Beihilfegewährung. Denn es handele sich um einen Ausnahmefall, der eine solche Verpflichtung begründe, weil seine - des Klägers - Tochter bereits mehrere herkömmliche Therapien über sich habe ergehen lassen und in der ärztlichen Bescheinigung von Frau Dr. E. vom 20. Juli 2000 wegen dieser Vergeblichkeit und des persönlichen Leidensdrucks der Patientin ein Behandlungsversuch nach den Methoden der traditionellen chinesischen Medizin für gerechtfertigt gehalten werde.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, Aufwendungen für chinesische Heilkräuter in Höhe von 383,06 DM als beihilfefähig anzuerkennen, und die Bescheide vom 9. August 2000 und 30. Juli 2001 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung legt er zwei andere Fälle betreffende amtsärztliche Äußerungen der Gesundheitsämter, des Landkreises und der Stadt F. vom 4. Mai und 7. Juni 2001 vor. In der eine "chinesische Teerezeptur" betreffenden Bescheinigung vom 4. Mai 2001 heißt es: "Es sind mir keine wissenschaftlichen Berichte bekannt, die heilende oder lindernde Wirkung der Kräuterrezepturen bei Stirn-Kopfschmerz und HWS-Syndrom belegen. Somit kann ich diese nicht als Heilmittel erkennen." In der anderen Bescheinigung vom 7. Juni 2001, die "chinesische Heilkräuter" betrifft, wird ausgeführt: "Im Ergebnis ist aus amtsärztlicher Sicht keine medizinische Notwendigkeit für die aufgeführten Präparate zu begründen". Außerdem hat der Beklagte geltend gemacht: Aus diesen und der im Widerspruchsverfahren eingeholten amtsärztlichen Bescheinigung vom 26. April 2001 ergebe sich, dass es sich bei den für die Tochter des Klägers rezeptierten Teemischungen nicht um Arzneimittel im Sinne der beihilferechtlichen Vorschriften handele. Außerdem seien unabhängig hiervon nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 BhV nicht beihilfefähig Aufwendungen für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Um solche Mittel handele es sich bei den der Tochter des Klägers verordneten Teemischungen.

Das Verwaltungsgericht hat den Vermerk des Berichterstatters vom 7. Oktober 2002 über ein Telefonat mit der die Tochter des Klägers behandelnden Ärztin Frau Dr. E. zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Nach diesem Vermerk hat die Ärztin dem Berichterstatter erklärt: Es handele sich bei den verschriebenen Mitteln um Kräuter, die abgekocht und als Tee eingenommen werden. Im Hinblick auf die Wirkung komme es auf die verschiedenen, in den Kräutern enthaltenen Mineralien an. Die Patientin stelle sich im Rahmen der Therapie etwa im Zwei-Wochen-Abstand vor. Es sei normalerweise so, dass sich sowohl die Arten als auch der prozentuale Anteil der verschiedenen Kräuter im Rahmen der Therapie ändern würden.

Durch das Urteil vom 10. Oktober 2003 hat das Verwaltungsgericht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide vom 9. August 2000 und 30. Juli 2001 den Beklagten verpflichtet, auf den Antrag des Klägers vom 30. Juli 2000 Aufwendungen in Höhe von 383,06 DM für chinesische Heilkräuter als beihilfefähig anzuerkennen. Zur Begründung ist in dem Urteil im Wesentlichen ausgeführt: Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -). Nach dieser Vorschrift seien Aufwendungen für die von einem Arzt aus Anlass einer Krankheit schriftlich verordneten Arzneimittel beihilfefähig. Um solche Arzneimittel handele es sich bei den für die Tochter des Klägers erworbenen Kräutern. Denn diese würden - wie sich aus der Auskunft der behandelnden Ärztin vom 7. Oktober 2002 ergebe - in Abhängigkeit von der fortschreitenden Therapie in unterschiedlicher Zusammensetzung sowohl hinsichtlich der Wirkstoffe als auch hinsichtlich ihres prozentualen Anteils verabreicht und sollten in dieser Form die Krankheit heilen. Aufgrund des eindeutig feststehenden Krankheitsbildes bestehe auch eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BhV. Aufgrund des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 BhV sei die Beihilfefähigkeit nicht ausgeschlossen, weil die verordneten Heilkräuter keine Mittel darstellten, die geeignet seien, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Der Kommentierung von Schadewitz/Röhrig (zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 Anm. 5 b, 68.4), nach der unter diesem Gesichtspunkt die Beihilfefähigkeit für ärztlich verordnete Tees und Teemischungen, auch für chinesische Tees, ausgeschlossen sei, sei nicht zu folgen. Zweifelhaft sei bereits, ob allein die Darreichungsform die Annahme rechtfertige, es handele sich um einen Tee. Es könne nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob die Kräuter etwa nach einem Aufguss als Tropfen eingenommen oder, was angesichts des Krankheitsbildes denkbar wäre, als Tinktur verwendet würden; in diesen Fällen würde sich die Frage nach der Möglichkeit eines Ersatzes für Güter des täglichen Bedarfs nicht stellen. Zudem sprächen die nicht unerheblichen Kosten der Kräuter dagegen, diese in ihrer Zubereitung und Einnahme als Tee und damit als reines Getränk, wenn auch mit therapeutischen Nebenwirkungen anzusehen. Auch die Tatsache, dass Frau Dr. E. dem Gericht gegenüber telefonisch erläutert habe, die Verwendung der Kräuter erfolge auf ärztliche Verordnung und unter ständiger Aufsicht, spreche ebenso gegen die Einschätzung, es handele sich um ein reines Getränk, wie der Umstand der ärztlichen Überwachung und der Eintritt eines gewissen Behandlungserfolges (Bescheinigung von Frau Dr. E. v. 20.07.2000). Außerdem handele es sich um einen Ausnahmefall, in dem Güter des täglichen Bedarfs beihilfefähig sind. Aus Nr. 4 zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV der Hinweise des BMI ergebe sich, dass, entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 BhV, in Ausnahmefällen etwa Aufwendungen für voll bilanzierte Formeldiäten beihilfefähig seien, wenn die Notwendigkeit durch entsprechende ärztliche Bescheinigung bei bestimmten Krankheitsbildern belegt sei. Das rechtfertige die Annahme, dass auch in anderen Fallkonstellationen Ausnahmefälle denkbar seien. Ein derartiger Ausnahmefall liege hier vor. Insoweit sei der Rückgriff auf die Erwägungen, die zur Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode gelten, zulässig. Dort könne eine Behandlung unter anderem als beihilfefähig anerkannt werden, wenn eine andere mögliche Behandlung bereits erfolglos angewandt wurde oder aus medizinischen Gründen nicht in Betracht komme. Dies sei hier der Fall, wie sich insbesondere aus der Stellungnahme der behandelnden Ärztin, Frau Dr. E., vom 20. Juli 2000 ergebe. Demgegenüber könne sich das beklagte Amt nicht auf die eingeholte Stellungnahme des Gesundheitsamtes D. berufen. Denn dieses habe mangels eigener Sachkenntnis keine Aussagen über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen treffen können. Ebenso wenig komme es auf die Stellungnahmen der Gesundheitsämter des Landkreises und der Stadt F. vom 4. Mai und 7. Juni 2001 an, weil diese entweder keine Aussage über die zu behandelnde Krankheit träfen oder aber mit Kopfschmerzen und HWS-Syndrom ein völlig anderes Krankheitsbild beträfen.

Zur Begründung der durch den Beschluss des erkennenden Senats vom 30. April 2004 zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend: Es könne offen bleiben, ob die im Rahmen der "traditionellen chinesischen Medizin" verabreichten Teemischungen bereits den Arzneimittelbegriff des Arzneimittelrechts nicht erfüllten und schon deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV herausfielen. Denn jedenfalls seien diese Teemischungen als "Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen", nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 BhV von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Insoweit komme es nicht auf die subjektive Intention der Einnahme, sondern auf die objektive Eignung an. Das ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die Teemischungen seien objektiv geeignet, das Alltagsgut "Tee" zu ersetzen. Es sei entscheidend auf die tatsächlich gewählte Darreichungsform abzustellen, nicht darauf, ob theoretisch auch alternative Darreichungsformen des Präparates existierten. Der Umstand, dass die Teemischungen aufgrund ärztlicher Verordnung und im Rahmen einer ärztlichen Behandlung eingenommen würden, besage lediglich etwas über die subjektive Intention des Verzehrs, nicht aber etwas über die objektive Eignung. Auch über den Lebensmittelhandel vertriebenen Tees und Teemischungen würde oftmals eine Wirksamkeit gegen bestimmte Leiden zugeschrieben (z.B. Husten-, Magen- und Harntees). Die Annahme eines Ausnahmefalles, wie ihn das Verwaltungsgericht aus Nr. 4 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV herleite, sei ebenfalls nicht gerechtfertigt. Diese Hinweise beschränkten sich abschließend auf voll bilanzierte Formeldiäten, für die unter bestimmten Voraussetzungen eine Beihilfe gewährt werden könne. Ein Ausnahmefall für den hier zu beurteilenden Sachverhalt könne aus dieser Regelung nicht abgeleitet werden. Die von dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang berücksichtigte Rechtsprechung in den Fällen der fehlenden allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung von Heilmethoden und Heilmittel könne im Zusammenhang mit der Frage, ob die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Mittel ausgeschlossen ist, die Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen geeignet sind, keine Berücksichtigung finden.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verteidigt er das angefochtene Urteil und vertieft sein bisheriges Vorbringen, insbesondere im Hinblick auf den seiner Ansicht nach bisher nicht ausreichend berücksichtigten Gesichtspunkt der Gewährung einer Beihilfe im Rahmen einer Einzelfallentscheidung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV, nach der auch bei Annahme, es handele sich bei der Behandlung mit Heilmittelkräutern nicht um eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode, eine Beihilfefähigkeit zu bejahen sei, wenn - wie im Fall seiner, des Klägers, Tochter - ein anerkanntes Heilverfahren erfolglos angewandt worden sei. Diese Voraussetzung sei nach acht Jahren erfolgloser Therapieversuche mit dem entsprechenden Leidensdruck schon mehrfach erfüllt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge (Beiakte A) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Entgegen der von dem Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung sind die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung der umstrittenen Beihilfe und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen, nicht gerechtfertigt, weil der geltend gemachte Anspruch auf Beihilfe nicht besteht und deren Versagung durch die angefochtenen Bescheide rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung des umstrittenen Anspruchs sind § 87 c Abs. 1 Satz 1 NBG (in der Fassung v. 29.03.2000, Nds. GVBl. S. 66) und die danach für niedersächsische Landesbeamte und Versorgungsempfänger für anwendbar erklärten Beihilfevorschriften für die Beamten des Bundes - BhV - in der zur Zeit der Entstehung der hier umstrittenen Aufwendungen (18.05. bis 06.07.2000) geltenden und deshalb maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 20. August 1997 (GMBl. S. 429, zuletzt geändert durch Art. 1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift v. 08.01.1999, GMBl. S. 58).

Nach § 5 Abs. 1 BhV sind nach § 6 ff. BhV Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV sind beihilfefähig die vom Arzt aus Anlass einer Krankheit schriftlich verordneten Arzneimittel. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 BhV sind - unabhängig davon, ob es sich um Arzneimittel handelt oder nicht - nicht beihilfefähig Aufwendungen für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.

Entgegen der von dem Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung handelt es sich bei den Teemischungen, für deren Erwerb die hier umstrittene Beihilfe geltend gemacht wird, um solche Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, und besteht deshalb der geltend gemachte Beihilfeanspruch nicht.

Es entspricht dem Charakter der Beihilfe als einer ergänzenden Hilfeleistung, den Beihilfeberechtigten und seine Angehörigen im bestimmten Rahmen von den notwendigen, aber auch nur angemessenen Aufwendungen im Krankheitsfall zu entlasten. Entstehende Mehrkosten, die eher dem allgemeinen Lebensbereich oder einer besonderen Lebensführung zuzuordnen sind, können nicht in Ansatz gebracht werden. So bleiben etwa Mehraufwendungen für Diätkost bei Diabetes, für besondere Bekleidung bei Wäscheunverträglichkeiten oder auch für Synthetik-Matratzen bei Allergien beihilferechtlich unberücksichtigt (vgl.: Topka/Möhle, Kommentar zum Beihilferecht, 5. Aufl., RdNr. 4.22 zu § 6 Abs. 1 Nr. 2).

Die der Tochter des Klägers verordneten Kräuter werden als Tee zubereitet und im Rahmen der alltäglichen Versorgung mit Getränken zu sich genommen. Die damit verbundenen Aufwendungen sind deshalb dem allgemeinen Lebensbereich oder der besonderen Lebensführung der Tochter des Klägers zuzuordnen und stellen aus diesem Grunde Mittel dar, die geeignet sind Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die von dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang berücksichtigten Umstände, dass die Tees sehr teuer sind und ihre Zusammensetzung durch ärztliche Anordnung in zeitlichen Abständen verändert wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn diese Umstände haben keinen Einfluss darauf, dass die Tees wie andere Kräutertees, die ebenfalls heilende Wirkung haben können, als Getränk im Rahmen der täglichen Ernährung verwendet werden. Auch Teesorten, die ohne Zweifel Güter des täglichen Bedarfs darstellen, können teuer sein und in ihrer Zusammensetzung verändert werden. Bestätigt wird die hier vertretene Auffassung des Senats durch die übrigen Kommentierungen zu den Beihilfevorschriften. Nach der Kommentierung der Beihilfevorschriften bei Schröder-Beckmann-Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder (Loseblattsammlung, Stand: November 2003, Anm. 6 zu § 6, 80.4) hat die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation durch mehrere Verfügungen, zuletzt durch Verfügung vom 24. Juli 2003, die im Einvernehmen mit dem für die Beihilfevorschriften zuständigen Bundesinnenministerium ergangen ist, bestimmt, dass es sich bei diesen Teemischungen um Mittel handelt, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Dieser Rechtsauffassung hat sich das Verwaltungsgericht Stuttgart durch das in der zitierten Kommentierung genannte Urteil vom 12. Juni 2000 (17 K 3050/99; der zu dieser Entscheidung ergangene Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 16. Juni 2003, DÖD 2004, 109, lässt diese Frage offen) und offenbar auch der Kommentator angeschlossen. Entgegen der von dem Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht wird dabei davon ausgegangen, dass die Darreichungsform als Tee ausschlaggebend ist. Auch in der Kommentierung der Beihilfevorschriften durch die Autoren Schadewitz/Röhrig (Beihilferecht-Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2003, Anm. 5 b zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV) wird die dem angefochtenen Urteil widersprechende Auffassung vertreten, die chinesischen Tees, die unter anderem in Apotheken bezogen werden könnten, zählten zu den Mitteln, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.

Entgegen der von dem Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung führt auch die Nr. 4 zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Hinweise zu den Beihilfevorschriften nicht zu einer Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die der Tochter des Klägers verordneten Kräutermischungen. Denn in dieser Regelung ist für bestimmte Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, eine ausnahmsweise Annahme der Beihilfefähigkeit vorgesehen, aber ausdrücklich und abschließend festgelegt, um welche Mittel es sich handelt, nämlich um voll bilanzierte Formeldiäten bei bestimmten im Einzelnen aufgezählten Erkrankungen. Bei der hier maßgeblichen Kräutermischung handelt es sich weder um eine Formeldiät noch ist die behandelte Autoimmunerkrankung (Alopecia areta) in dieser Ausnahmevorschrift erwähnt. Die von dem Verwaltungsgericht offenbar vertretene analoge Anwendung dieser Ausnahmevorschrift widerspricht sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck der Regelung, nur für bestimmte Erkrankungen eine Ausnahme zu ermöglichen.

Da bereits aus diesen Gründen eine Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die der Tochter des Klägers verordneten Kräuter (Teemischungen) zu verneinen ist, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die Beihilfefähigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV auch deshalb ausgeschlossen ist, weil es sich bei den Teemischungen nicht um Arzneimittel im Sinne der genannten Vorschrift handelt. Insoweit bestehen aber erhebliche Zweifel.

Als Arzneimittel im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV kommen grundsätzlich nur Mittel in Betracht, die dazu bestimmt sind, ihre Wirkung im Rahmen der Krankenbehandlung durch Anwendung am oder im menschlichen Körper zu erzielen. Die Beihilfevorschriften stellen nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter sowie darauf ab, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl.: BVerwG, Urt. v. 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, DVBl. 1996, 1149; OVG Lüneburg, Urt. v. 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, jeweils m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, ob die Therapie wissenschaftlich anerkannt ist oder ob eine solche Anerkennung zu erwarten ist. Als wissenschaftlich anerkannt sind nur solche Heilmethoden anzusehen, die von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird (BVerwG, Urt. v. 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436 = DÖD 1999, 208). Um "anerkannt" zu sein, muss einer Behandlungsmethode und den in ihrem Rahmen verwendeten Heilmittel von - dritter Seite - also von anderen als dem Urheber - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um "wissenschaftlich" anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um "allgemein" anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Daher ist eine Behandlungsmethode dann "wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt", wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (BVerwG, Urt. v. 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, ZBR 1996, 48; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, DÖD 2004, 109).

Nach diesen Maßstäben können - jedenfalls nach den bisher vorliegenden Unterlagen - die für die Tochter des Klägers zur Behandlung ihrer Autoimmunerkrankung (Alopecia areta) verordneten Kräuter, die auch als "chinesische Heilkräuter" oder "Teemischungen der traditionellen chinesischen Medizin (TCM-Drogen)" bezeichnet werden, nicht angesehen werden. Denn wissenschaftliche Äußerungen über die Wirkungsweise dieser Teemischungen bei der Autoimmunerkrankung (Alopecia areta) liegen nicht vor. Aus der amtsärztlichen Bescheinigung vom 26. April 2001 (Gesundheitsamt des Landkreises D.) ergibt sich, dass solche wissenschaftlichen Erkenntnisse dort nicht bekannt sind. Auch den übrigen amtsärztlichen Äußerungen des Landkreises F. vom 4. Mai 2001 und der Stadt F. vom 7. Juli 2001 ist eine allgemeine wissenschaftliche Anerkennung nicht zu entnehmen. Anhaltspunkte ergeben sich hierfür auch nicht aus dem mit dem Widerspruch geltend gemachten Umstand, dass Professor G. in H. einen ähnlich gearteten Fall habe heilen können. Denn einmal ist nicht bekannt, dass diese Heilung auf die hier rezeptierte Kräutermischung beruht, und zum anderen ergibt sich aus diesem Umstand unter Berücksichtigung der vorstehend wiedergegebenen Grundsätze keine wissenschaftliche allgemeine Anerkennung dieser Heilmethode. Auch aus den Äußerungen von Professor I. und des Pharmazierates J., auf die sich das Verwaltungsgericht Bremen in dem Urteil vom 7. August 2002 (1 K 707/01), das sich auf die Angabe von Internetadressen (www.demde.de/germ/vortraege-fremd/bauer-20000320.pdf und www.rp.baden-württemberg.de/stuttgart/Abteilung 2/c-tee.doc) beschränkt und auf das sich das angefochtene Urteil beruft, lassen sich solche Anhaltspunkte nicht herleiten. Denn die Äußerung von Professor I. ist unter der angegebenen Internetadresse nicht mehr aufrufbar und die Äußerung des Pharmazierats J. befasst sich ausschließlich auf die Überprüfung von Drogen der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) hinsichtlich toxischer Verunreinigungen. Eine Äußerung von Professor I. einzuholen, ist im Rahmen der hier hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft lediglich geäußerten Zweifel nicht geboten.

Trotz einer mangels wissenschaftlich allgemeiner Anerkennung fehlenden Arzneimitteleigenschaft nicht bestehenden Beihilfefähigkeit kann unter bestimmten Voraussetzungen die Behandlung mit wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Heilmitteln zu beihilfefähigen Aufwendungen führen. Das ist der Fall, wenn wissenschaftlich allgemein anerkannte Methoden zur Behandlung einer Erkrankung oder zur Linderung von Leidensfolgen nicht zur Verfügung stehen und die Aussicht besteht, dass eine "Außenseitermethode" nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann (vgl.: BVerwG, Urt. v. 28.11.1963 - 8 C 72.63 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 238.91 Nr. 27; BVerwG, Urt. v. 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, ZBR 1996, 48, 49). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt. Denn es ist nicht feststellbar, dass die Behandlung der der Autoimmunerkrankung (Alopecia areta) mit den hier verordneten Kräutermischungen sich in einer medizinischen Erprobungsphase befindet und entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann.

Den danach bestehenden Zweifeln hinsichtlich der fehlenden allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung und der Möglichkeit künftiger Anerkennung, ist in dem hier zu entscheidenden Verfahren jedoch nicht nachzugehen, weil der geltend gemachte Beihilfeanspruch - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 BhV ergibt - bereits wegen der Eigenschaft der Teemischungen als Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, nicht besteht.

Die Kosten des Verfahrens, in dem der Kläger aus diesen Gründen unterlegen ist, hat dieser nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die hierfür sich aus §§ 132 Abs. 2 VwGO, 193 NBG ergebenden Voraussetzungen nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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