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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 30.05.2007
Aktenzeichen: 5 LC 44/06
Rechtsgebiete: PolNLVO


Vorschriften:

PolNLVO § 30
Unzulässigkeit der Verwendung eines Ruhestandsbeamten als Erstbeurteiler eines Beamten.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG URTEIL

Aktenz.: 5 LC 44/06

Datum: 30.05.2007

Tatbestand:

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger dagegen, dass das Verwaltungsgericht seiner Klage den Erfolg versagt hat, mit der er zum wiederholten Male eine Neubeurteilung zum Beurteilungsstichtag 1. Juni 1997 erstrebt, weil er das Urteil des Senats vom 23. September 2003 - 5 LB 172/03 -, durch das der Rechtsvorgängerin der Beklagten bereits einmal eine solche Neubeurteilung aufgegeben worden ist, für nicht rechtmäßig umgesetzt hält.

Durch das Urteil des Senats vom 23. September 2003 ist die Rechtsvorgängerin der Beklagten verpflichtet worden, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zum Beurteilungsstichtag 1. Juni 1997 erneut zu beurteilen. In den Gründen der damaligen Entscheidung heißt es unter anderem, "im maßgeblichen Zeitpunkt am 1. Juni 1997, dem Beurteilungsstichtag", sei unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers der Leiter des Polizeikommissariats D., PHK E., gewesen. Im Hinblick darauf, dass PHK E. sich am 1. Juni 1997 im gleichen statusrechtlichen Amt befunden habe wie der Kläger und daher dessen [möglicher] Konkurrent um Stellen der Besoldungsgruppe A 12 gewesen sei, habe statt seiner EPHK F. die Aufgabe der Erstbeurteilung wahrgenommen. Diesen Wechsel in der Zuständigkeit habe die [damalige] Beklagte auf Nr. 14.3 BRLPol gestützt, und er entspreche dieser Bestimmung. Die [damalige] Beklagte sei jedoch hinsichtlich des dem Kläger in der angegriffenen Beurteilung erteilten Gesamturteils dem Gebot der Plausibilisierung nicht hinreichend nachgekommen. Nach diesem Gebot sei von dem Beurteiler zu fordern, dass er die Beurteilung plausibel und nachvollziehbar machen könne. Das sei ihm hier hinsichtlich des Gesamturteils nicht gelungen. Nach Nr. 7 BRLPol entspreche das Gesamturteil grundsätzlich der Gesamtbewertung der Leistungsbeurteilung. Diese Gesamtbewertung sei aus der Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale zu bilden, allerdings nicht zwingend rechnerisch zu ermitteln, sondern unter Berücksichtigung der Bedeutung der einzelnen Leistungsmerkmale für den jeweiligen Dienstposten (Nr. 5.4 Abs. 2 der Beurteilungsrichtlinien). Die Bildung eines arithmetischen Mittels werde, wie in der Rechtsprechung wiederholt entschieden worden sei, dem Geist des Beurteilungsrechts nicht gerecht. Das Gesamturteil dürfe sich nur nicht in Widerspruch setzen zu dem Ergebnis der Einstufungen der Leistungsbewertungen und der Darstellung der Gesamtpersönlichkeit. Diesen Anforderungen werde die dienstliche Beurteilung des Klägers zum Stichtag 1. Juni 1997 nicht gerecht. Unter Punkt 3 "Leitungsverhalten" seien alle sieben Einzelmerkmale mit der Wertungsstufe 4 beurteilt worden. Von den übrigen dreizehn Merkmalen seien acht mit der Wertungsstufe 5 und fünf mit der Wertungsstufe 4 beurteilt worden, während bei den gewichteten Merkmalen das Verhältnis sogar fünf zu eins betrage. Aus welchem Grunde das eindeutige Übergewicht der Wertungsstufe 5 bei den gewichteten Einzelmerkmalen nicht auch zu dem Gesamturteil der Wertungsstufe 5 geführt habe, sei mit keinem Wort erwähnt worden. Das dem Kläger erteilte Gesamturteil "Entspricht voll den Anforderungen - Wertungsstufe 4" könne deshalb nicht als hinreichend plausibel angesehen werden.

Am 24. März 2004 wurde dem Kläger eine Neubeurteilung bekannt gegeben, in der es bei der bisherigen Gewichtung und Bewertung der Leistungsmerkmale blieb und die wiederum mit dem Gesamturteil "4 - Entspricht voll den Anforderungen" endete. Diese Beurteilung wurde von dem damals bereits in den Ruhestand getretenen EPHK a. D. F. (Leiter Einsatz bis 31.07.2001) als Erstbeurteiler und dem KOR G. (LZKD PD H., damals Dezernent 302 b, BR I.) als Zweitbeurteiler erstellt.

In einer Anlage vom 3. Februar 2004 zu dieser Beurteilung äußerte der Erstbeurteiler unter anderem Folgendes: "Durch die festgelegte Bewertung der Leistungs- und Befähigungsmerkmale, gewichtete und nicht gewichtete, sollte klar zum Ausdruck kommen, dass PHK J. zweifelsfrei zu den Leistungsträgern dieser Polizeiinspektion gehörte. Sie wurde auch unter Berücksichtigung der für die wahrgenommenen Aufgaben bedeutenden Merkmale vorgenommen und führte dazu, dass die gewichteten Leistungsmerkmale überwiegend der Wertungsstufe 5 zuzuordnen sind. ... Darüber hinaus bleibt anzumerken, dass ein Gesamturteil mit der Wertungsstufe 5 in mehreren Konferenzen der Erst- und Zweitbeurteiler nicht in Erwägung gezogen wurde und wegen einer durch die Behörde vorgegebenen Quote auch ausgeschlossen war."

Der Zweitbeurteiler äußerte sich in einer Stellungnahme vom 24. März 2004, die ebenfalls als Anlage zur Beurteilung genommen wurde, in Bezug auf das von ihm gebildete Gesamturteil unter anderem wie folgt: "Basis dieses Urteils sind die Beurteilungskonferenzen 1997 und nach den Aufhebungen ebenso die Beurteilungskonferenzen/-gespräche 1998. Bei den im Rahmen der Konferenzen durchgeführten Quervergleiche[n] mit den BeamtInnen derselben Vergleichsgruppe wurde[n] die Diensterfahrungen im seinerzeitigen statusrechtlichen Amt besonders berücksichtigt. Dabei wurde PHK J. trotz seiner kurzen Standzeit im Amt A 11 (6 Monate) bereits ein voll den Anforderungen entsprechendes Leistungsbild in seiner Vergleichsgruppe bescheinigt. Es wurde hierbei erörtert, dass vergleichbare Hauptkommissare in Nuancen bessere Leistungen jedoch über einen zum Teil wesentlich längeren Zeitraum auf Basis ihrer Erfahrungen erbracht hatten. Deutlich war jedoch auch, dass nach meiner Erinnerung von keinem der Teilnehmer dieser Beurteilungskonferenzen oder -gespräche PHK J. im Gesamturteil auch nur in die Nähe der Wertungsstufe 5 gebracht wurde. Er befand sich somit auch nicht in der Gruppe der BeamtInnen, die streitig im Grenzbereich zwischen den Wertungsstufen 4 und 5 waren und besonders diskutiert wurden. Aufgrund der von vornherein bestehenden Klarheit des Gesamturteils von PHK J., der fehlenden Nähe zur Wertungsstufe 5 und der Nichtzugehörigkeit zur Gruppe der im Grenzbereich der Wertungsstufe 4/5 rangierenden BeamtInnen ist eine Prüfung der Einzelfallgerechtigkeit nicht erfolgt. Diese wurde für PHK J. abseits aller Gespräche auch von keinem Erst- oder Zweitbeurteiler gefordert. In der Gesamtbewertung sollte PHK J. sein 'gutes' Leistungsbild durch entsprechende Vergabe von 'guten' Einzelbewertungen deutlich gemacht werden, die nunmehr rechnerisch bei 4,4 liegt. Die einzelnen Bewertungen einschließlich der Gewichtungen sollten PHK J. (wie anderen BeamtInnen auch) in erster Linie dazu dienen, sich für die Zukunft daran zu orientieren. Es sollten die Tendenzen zu einer möglichen höheren Gesamtwertungsstufe aufgezeigt werden. Die einzelnen Erstbeurteiler der PI I. haben in der Vergabe ihrer Einzelbewertungen individuell und sehr heterogen agiert. Im Vergleich zu den Einzelbewertungen der BeamtInnen, die mit dem Gesamturteil 5 (Übertrifft erheblich die Anforderungen) beurteilt wurden, liegt das arithmetische Mittel von PHK J. jedoch zum Teil deutlich darunter. Festgestellt wurde allgemein auch, dass die gewichteten Leistungsmerkmale in der Gruppe der leistungsstärkeren BeamtInnen häufig die höheren Wertungsstufen aufwiesen."

Am 8. April 2004 erhob der Kläger Widerspruch gegen seine Neubeurteilung. Zu Begründung dieses Rechtsbehelfs machte er im Wesentlichen Folgendes geltend: Noch immer sei das Gesamturteil der Wertungsstufe 4 nicht plausibel gemacht. Vielmehr ergebe sich aus der Stellungnahme des Erstbeurteilers vom 3. Februar 2004, dass offenbar allein Quotierungsgründe dafür ausschlaggebend seien, dass sich dieser Beurteiler nach wie vor dagegen sperre, die Wertungsstufe 5 als Endnote zu vergeben. Auch gestehe der Zweitbeurteiler in seiner Stellungnahme ein, dass eine Prüfung der Einzelfallgerechtigkeit nicht erfolgt sei, weil nach dem Votum der Beurteilerkonferenzen er, der Kläger, generell nicht für die Wertungsstufe 5 vorgesehen worden sei. Dementsprechend habe nicht die erforderliche Einzelfallprüfung stattgefunden, sondern sei lediglich ein Beschluss der Konferenzen umgesetzt worden. Der Hinweis des Zweitbeurteilers, seiner Erinnerung nach, sei er, der Kläger, von keinem Teilnehmer der Beurteilerkonferenzen auch nur in die Nähe der Wertungsstufe 5 gebracht worden, überzeuge nicht. Aufgrund des rechnerischen Durchschnitts von 4,4 der Bewertungen der einzelnen Leistungsmerkmale und des augenfälligen Übergewichts der Wertungsstufe 5 bei den gewichteten Leistungsmerkmalen hätten sich seine Leistungen sehr wohl zumindest im Grenzbereich zur Wertungsstufe 5 befunden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2004 wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bezirksregierung I., den Widerspruch des Klägers zurück. Soweit der Erstbeurteiler in seiner Stellungnahme auf eine "vorgegebene Quote" eingehe, sei das nicht entscheidend, weil er zuvor ausführe, dass ein Gesamturteil mit der Wertungsstufe 5 in mehreren Konferenzen der Erst- und Zweitbeurteiler nicht in Erwägung gezogen worden sei. Soweit der Zweitbeurteiler ausführe, dass eine Prüfung der Einzelfallgerechtigkeit der Beurteilung des Klägers nicht erfolgt sei, sei damit nicht die Einzelfallgerechtigkeit an sich gemeint. Für den Kläger sei im Einzelnen geprüft worden, in welchem Bereich sich seine Leistungen fänden. Da er aber aus der Sicht der Beurteiler von vornherein nicht für die Wertungsstufe 5 in Betracht gezogen worden sei, sei nicht noch einmal extra geprüft worden, ob vielleicht doch dieses Gesamturteil für ihn möglich wäre. Nicht die Konferenzteilnehmer allein hätten über die Beurteilung entschieden, sondern die Beamten [hier: der Kläger] seien jeweils von ihren Beurteilern mit ihren Leistungen im Quervergleich betrachtet und entsprechend bewertet worden. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Pflicht zur Plausibilisierung des Gesamturteils in hinreichendem Umfang Genüge getan worden. Wenn in einem Dienstbetrieb einheitliche Beurteilungsmaßstäbe durchgesetzt werden sollten oder normativen oder administrativen Richtwertvorgaben Geltung verschafft werden solle, reiche es aus, wenn das Gesamturteil und die Beurteilung der Einzelmerkmale aufgrund eines Quervergleichs der Leistung und Befähigung des Beurteilten mit anderen Beamtinnen und Beamten derselben Vergleichsgruppe unter besonderer Berücksichtigung der Diensterfahrung im derzeitigen statusrechtlichen Amt begründet werde. Auch wenn die gewichteten Merkmale in der Überzahl mit der Wertungsstufe 5 bewertet worden seien, so sei der Kläger insgesamt noch nicht im Bereich dieser Wertungsstufe. "Gewichtet" bedeute nämlich nicht, dass diese Merkmale mit einem höheren Wert in das Gesamtergebnis einfließen müssten. Die einzeln betrachteten und gewichteten Wertungen zeigten zwar, dass eine Tendenz zur Wertungsstufe 5 vorliege. Das sei aber hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass lediglich die Tendenz habe aufgezeigt werden sollen. Um Anreize und Signale für zukünftiges Leistungsverhalten zu geben, seien im Zweifel die besseren Einzelnoten vergeben worden. Beurteiler müssten einen Spielraum haben, um Tendenzen aufzuzeigen, aber dennoch den Beurteilten im Rahmen seiner Vergleichsgruppe seinen Leistungen entsprechend einzuordnen. Im Vergleich zu den Einzelbewertungen der Beamtinnen und Beamten, die mit dem Gesamturteil 5 beurteilt worden seien, liege das arithmetische Mittel [der Bewertungen der Leistungsmerkmale] des Klägers zum Teil deutlich darunter. Wie auch die Beurteiler mit ihren Stellungnahmen ausdrückten, sei für eine Beurteilung mit "Übertrifft erheblich die Anforderungen" nach Ziffer 5.5 der BRLPol ein besonderer Leistungsstand zu erfüllen. Bei Beamten in Vorgesetztenfunktion verlange diese Bewertung ein überdurchschnittliches Leitungsverhalten. Der Kläger habe im Bereich des Leitungsverhaltens keine überdurchschnittlichen Leistungen erbracht.

Am 12. Mai 2004 hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten.

Zur Begründung seiner Klage hat er sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren bezogen und noch einmal betont, dass die Beurteiler seines Erachtens weiterhin eine plausible Erklärung dafür schuldig geblieben seien, warum sie trotz einer eindeutigen Tendenz zur Wertungsstufe 5 nur die Wertungsstufe 4 als Gesamturteil vergeben hätten. Das Votum einer Beurteilerkonferenz ersetze nicht die plausible Begründung einer im Einzelfall vergebenen Note durch die Beurteiler.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Widerspruchsbescheides vom 28. April 2004 zu verurteilen, ihn zum Stichtag 1. Juni 1997 nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat betont, dass das Endergebnis der Beurteilung des Klägers nicht im Votum einer Konferenz bestehe, sondern aus der von seinen Beurteilern in den Konferenzen vertretenen Gesamtwertungsstufe. Ein Gesamturteil mit der Wertungsstufe 5 sei in diesen Konferenzen nicht in Erwägung gezogen worden. Dabei seien ausweislich der Stellungnahme des Zweitbeurteilers auch die gewichteten Merkmale beachtet worden. Die einzelnen Bewertungen einschließlich der Gewichtungen hätten dem Kläger (wie anderen Beamten auch) in erster Linie dazu dienen sollen, sich für die Zukunft daran zu orientieren. Es sollten die Tendenzen zu einer möglichen höheren Gesamtwertungsstufe aufgezeigt werden und klar zum Ausdruck kommen, dass der Kläger zu den Leistungsträgern der Polizeiinspektion gehöre. Es habe nicht ausgedrückt werden sollen, dass seine Leistungen insgesamt der Wertungsstufe 5 entsprächen.

Mit Urteil vom 16. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

Diese Entscheidung ist zum einen dadurch begründet worden, dass die Vorinstanz auf den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung I. vom 28. April 2004 Bezug genommen hat (§ 117 Abs. 5 VwGO). Wiederholend und ergänzend hat das Verwaltungsgericht zum anderen auf Folgendes hingewiesen: Entgegen der Ansicht des Klägers könne nicht davon ausgegangen werden, dass wegen der vorgegebenen Richtwerte für die Vergabe der Beurteilungsgesamtnoten in dem streitgegenständlichen erneuten Beurteilungsverfahren in unzulässiger Weise die erforderliche Einzelfallprüfung unterblieben, die Beurteilungsfreiheit der Beurteiler zu Unrecht eingeschränkt worden sei oder diese sich an Vorgaben der Beurteilerkonferenzen gebunden gefühlt hätten. Das dem Kläger in der Neubeurteilung - bei im Verhältnis zu der aufgehobenen Beurteilung von 1998 identischer Bewertung und Gewichtung der einzelnen Leistungsmerkmale - wiederum erteilte Gesamturteil der Wertungsstufe 4 sei nunmehr in hinreichendem Umfang plausibel gemacht worden. Es setze sich nicht mehr in Widerspruch zu dem Ergebnis der Einstufungen der Leistungsbewertungen und der Darstellung der Gesamtpersönlichkeit des Klägers. Zutreffend werde von dem Zweitbeurteiler zunächst darauf hingewiesen, dass der Mittelwert der vom Erstbeurteiler und ihm selbst bei den Einzelmerkmalen erteilten Wertungsstufen rechnerisch bei 4,4 liege und damit eine Tendenz zur Wertungsstufe 4 aufweise. Eine besondere Begründung, weshalb das Gesamturteil mit der Wertungsstufe 4 und nicht der Wertungsstufe 5 abschließe, sei in einem solchen Fall in der Regel nicht erforderlich. Der Zweitbeurteiler habe in seiner Stellungnahme nunmehr auch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, warum es trotz des Übergewichts der Wertungsstufe 5 bei den gewichteten Leistungsmerkmalen und den Leistungsmerkmalen, die nicht das Leitungsverhalten beträfen, für die Gesamtnote bei der Wertungsstufe 4 bleibe. Es sei nämlich rechtlich nicht zu beanstanden, dass er dies im Wesentlichen damit begründe, dass mit dem "Übergewicht" lediglich die deutliche Tendenz zur besseren Wertungsstufe habe aufgezeigt werden sollen, damit sich der Kläger in Zukunft daran orientieren könne. Zwar gäben die Beurteilungsrichtlinien von 1996 in Nr. 5.3 vor, dass Leistungsmerkmale, die eine besondere Gewichtung erführen, im Beurteilungsvordruck durch Ankreuzen kenntlich zu machen seien. Dadurch sei aber nicht verboten, dass die Beurteiler mit einer kenntlich gemachten "Gewichtung" andere Ziele verfolgten, als möglicherweise die Beurteilungsrichtlinie damit verbinde, wenn die Beurteiler - wie hier - dies in einer Stellungnahme schlüssig deutlich machten. Die Berufung sei zuzulassen, da es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob die in einer Beurteilungsrichtlinie für bestimmte Zwecke vorgesehenen Kennzeichnungen auch zu anderen Zwecken verwandt werden könnten.

Die erstinstanzliche Entscheidung ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen, die über einen Antrag auf Zulassung der Berufung informierte.

Nach Zustellung des Urteils am 8. Dezember 2005 hat der Kläger am 20. Februar 2006 Berufung eingelegt und dieses Rechtsmittel wie folgt begründet:

Die Berufung sei nicht verfristet, weil infolge der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts für ihre Einlegung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO gelte, die gewahrt sei. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei nach wie vor nicht von den zuständigen Beurteilern plausibel und schlüssig dargelegt worden, warum kein Gesamturteil der Wertungsstufe 5 vergeben worden sei. Letzteres könne nämlich nicht damit begründet werden, dass mit der überwiegenden Gewichtung der mit der Wertungsstufe 5 beurteilten Leistungsmerkmale ihm, dem Kläger, lediglich zukunftsgerichtet eine Orientierungshilfe habe gegeben werden sollen. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 23. September 2003 ausgeführt habe, sei das Gesamturteil in der dienstlichen Beurteilung zwingend unter Berücksichtigung der Bedeutung der einzelnen Leistungsmerkmale für den jeweiligen Dienstposten, das heiße unter Würdigung der Gewichtung einzelner Leistungsmerkmale zu bilden. Die Bedeutung der einzelnen Leistungsmerkmale für den jeweiligen Dienstposten des Beurteilten komme nämlich gerade in der Gewichtung der einzelnen Leistungsmerkmale zum Ausdruck. Demzufolge dürfe es bei der Bildung des Gesamturteils nicht außer Betracht bleiben, wenn ein zu beurteilender Beamter genau in den Leistungsmerkmalen besonders gut beurteilt sei, die für seinen Dienstposten von hohem Stellenwert seien. Die Gewichtung einzelner Leistungsmerkmale in einer dienstlichen Beurteilung habe nur Sinn, wenn sie sich auch auf die Bildung des Gesamturteils auswirke. Hinter ihr stehe nämlich die Überlegung, dass die Leistung eines Beamten umso höher zu bewerten sei, wenn er gerade den besonderen Ansprüchen seines Dienstpostens in gesteigertem Maße gerecht werde, mithin genau dort leistungsstark sei, wo es besonders darauf ankomme. Dementsprechend sei es entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zulässig, mit der Gewichtung einzelner Leistungsmerkmale andere Ziele zu verfolgen, auf diesem Wege den Aussagegehalt einer Gewichtung gleichsam "auszutauschen" und hieran anknüpfend ihre Bedeutung für die Bildung des Gesamturteils zu relativieren. Weil diese Bedeutung seitens der Beurteiler - auch in den Beurteilerkonferenzen - verkannt worden sei, sei zu Unrecht nicht näher erörtert worden, ob er, der Kläger, doch in die Gruppe der mit der Wertungsstufe 5 zu beurteilenden Beamten gehöre. Dem entspreche seine, des Klägers, nicht nachvollziehbare Einordnung in den vorgelegten "Rankinglisten". Die deutlich sachfremden Erwägungen des Zweitbeurteilers, es sei im Hinblick darauf, dass die Teilnehmer der Beurteilerkonferenzen das Gesamturteil der Wertungsstufe 4 für gerecht gehalten hätten eine Einzelfallgerechtigkeit nicht erforderlich, verdeutlichten zudem, dass der Zweitbeurteiler unter Außerachtlassung der Einzelfallgerechtigkeit lediglich das Votum einer Beurteilerkonferenz umgesetzt habe.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und gemäß dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Rechtsmittel für verfristet und deshalb unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Aufgrund größerer Sachnähe sei im vorliegenden Falle der Verwendung eines Ruhestandsbeamten als Erstbeurteiler gegenüber der Befassung eines aktiven Beamten, der aus eigenem Wissen von den Leistungen des Klägers in dem weit zurückliegenden Beurteilungszeitraum keine Kenntnis hätte haben können, der Vorzug gegeben worden. Ein vergleichbares Vorgehen sei in der Vergangenheit verschiedentlich von niedersächsischen Verwaltungsgerichten gebilligt worden. Sowohl die Erst- als auch die Zweitbeurteilung genügten den Maßgaben des Urteils des Senats vom 23. September 2003. Gemäß Nr. 1 BRLPol hätten dienstliche Beurteilungen unter anderem zum Ziel, den Bediensteten als Orientierungshilfe für weitere berufliche Entwicklungen zu dienen und sie zu dienstlicher Leistung und Initiative anzureizen. Aus der systematischen Stellung der Nr. 1 BRLPol sei zu schlussfolgern, dass sie für die Auslegung der übrigen, folgenden Nummern maßgebliche Bedeutung habe. Dies gelte auch für die Bewertung der Einzelmerkmale; auch hier sei eine perspektivische und Orientierung stiftende Bewertung zulässig. Im Übrigen bestimme Nr. 5.4 Abs. 2 der hier maßgeblichen Beurteilungsrichtlinie, dass das Gesamturteil der Beurteilung aus der Bewertung (nicht Gewichtung) der einzelnen Leistungs- und Befähigungsmerkmale zu bilden sei. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 28.11.2000 - 2 L 3264/00 -) diene die unterschiedliche Gewichtung von Leistungsmerkmalen lediglich dazu, die Vergleichbarkeit von dienstlichen Beurteilungen zu erhöhen, nicht aber die Bildung der Gesamtnote entscheidend zu bestimmen. Die Beurteiler müssten daher bei der Bildung der Gesamtnote weder allein noch vorrangig auf die Bewertung besonders gewichteter Leistungsmerkmale abheben. Vielmehr stelle es einen Akt wertender Erkenntnis dar zu entscheiden, ob es insgesamt gerechtfertigt sei, das von dem Kläger erstrebte, faktisch die Spitzennote darstellende Gesamturteil der Wertungsstufe 5 unter Berücksichtigung des Gewichts der Einzelnoten zu vergeben (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 9. 10. 2006 - 2 ME 1038/06 -). Außerdem müsse beachtet werden, dass sich bei rechnerischer Ermittlung ein Notendurchschnitt von 4,4 ergebe. Da es sich dabei nicht um ein Resultat zwischen zwei Wertungsstufen handele, sei ein das Ergebnis beeinflussendes Zurückgreifen auf die jeweilige Gewichtung der einzelnen Leistungs- und Befähigungsmerkmale nicht mehr zwingend notwendig. Eine besondere, über die bereits von dem Zweitbeurteiler in dessen Stellungnahme vom 24. März 2004 hinausgehende Begründung dafür, weshalb das Gesamturteil mit der Wertungsstufe 4 und nicht der Wertungsstufe 5 abschließe, sei in einem solchen Fall in der Regel nicht gefordert. Der Kläger verkenne, dass ein gewichtetes Merkmal nicht automatisch mit einem höheren Wert in das Gesamtergebnis einfließen müsse. Seine Gleichbehandlung mit - vorhandenen - Beamten, die einen höheren rechnerischen Durchschnittswert der Bewertungen der Leistungsmerkmale erreicht hätten, wäre der gebotenen Differenzierung zuwider gelaufen. Die vorgelegten "Rankinglisten" machten deutlich, dass der Kläger nicht zur Spitzengruppe jener Beamten gezählt habe, an die eine Gesamtnote der Wertungsstufe 5 zu vergeben gewesen sei. Die Leistungen des Klägers hätten das Gesamturteil "Übertrifft erheblich die Anforderungen" auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil er in seinem Leitungsverhalten keine überdurchschnittlichen Leistungen erbracht habe. Sie, die Beklagte, teile die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass im Beurteilungsverfahren in unzulässiger Weise die erforderliche Einzelprüfung unterblieben sei, die Beurteilungsfreiheit der Beurteiler zu Unrecht eingeschränkt worden sei oder diese sich an die Vorgaben der Beurteilerkonferenzen gebunden gefühlt hätten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens 5 LB 172/03 sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten A und C) verwiesen. Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die unter diesen in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

Das Rechtsmittel ist nicht als verfristet unzulässig. Denn es ist am 20. Februar 2006, und damit innerhalb der gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO maßgeblichen Frist von einem Jahr seit Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung am 8. Dezember 2005, eingelegt und begründet worden. Anwendung findet die genannte Vorschrift deshalb, weil das Verwaltungsgericht den Kläger unrichtig statt über das Rechtsmittel der Berufung lediglich über einen Antrag auf Zulassung der Berufung belehrt hatte.

Die Berufung ist auch begründet.

Die von dem Kläger angegriffene Neubeurteilung ist rechtsfehlerhaft. Der konkludent ihre Abänderung ablehnende Widerspruchsbescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 28. April 2004 ist dementsprechend rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er wird unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils aufgehoben. Zugleich ist gemäß § 113 Abs. 4 VwGO in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO die Beklagte zu verurteilen, den Kläger wiederum unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zum Beurteilungsstichtag 1. Juni 1997 neu zu beurteilen.

Rechtsfehlerhaft ist die von dem Kläger angegriffene Neubeurteilung schon deshalb, weil sie nicht durch die zuständigen Beurteiler erfolgt ist.

Was die Zuständigkeit von Beurteilern für die im vorliegenden Rechtsstreit angegriffene Neubeurteilung betrifft, enthält das Urteil des Senats vom 23. September 2003 - 5 LB 172/03 - keine gemäß § 121 Nr. 1 VwGO bindende Vorgabe dahingehend, dass wiederum EPHK [a. D.] F. und KOR G. als Erst- bzw. Zweitbeurteiler tätig zu werden hätten. Denn mit der Frage der Zuständigkeit für die dienstliche Beurteilung hat sich der Senat in seinem rechtskräftig gewordenen Urteil nur mit Blick auf den Erstbeurteiler und die damals umstrittene dienstliche Beurteilung näher befasst. Zwar wird in den Entscheidungsgründen dieses Urteils im Zusammenhang mit einer Subsumtion unter Abschnitt I Nr. 10 der Beurteilungsrichtlinien für den Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen vom 4. Januar 1996 (Nds. MBl. 1996, S. 169) - BRLPol - der 1. Juni 1997, der Beurteilungsstichtag, als der maßgebliche Zeitpunkt bezeichnet. Aus dieser Formulierung darf aber nicht die unrichtige Schlussfolgerung gezogen werden, bei der Bestimmung der Zuständigkeit für eine Neubeurteilung des Klägers sei immer an die Verhältnisse am 1. Juni 1997 anzuknüpfen und gleichsam deren Fortbestehen zu fingieren. Ein gewisses Indiz dafür, dass dies nicht die Rechtsauffassung des Senats gewesen ist, ergibt sich auch daraus, dass in dem rechtskräftigen Berufungsurteil nicht beanstandet worden ist, dass der am 1. Juni 1997 noch zuständige Ltd. PD K. nach seinem Eintritt in den Ruhestand nicht erneut als Zweitbeurteiler verwendet wurde. Das Schweigen des Urteils zu diesem Punkte kann nämlich nicht ohne weiteres dem Umstand zugeschrieben werden, dass sich Ltd. PD a. D. K. sogar geweigert hatte, als Ruhestandsbeamter die Aufgaben des Zweitbeurteilers wahrzunehmen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass dem Senat diese Weigerung, von der er in der mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2007 durch die Beklagte erfahren hat, schon zum Zeitpunkt seines damaligen Berufungsurteils bekannt gewesen wäre.

Weil das rechtskräftig gewordene Urteil des Senats keine bindenden Vorgaben in Bezug auf die Zuständigkeit für die hier umstrittene Neubeurteilung enthält, ist unabhängig von dieser Entscheidung zu prüfen, ob das erneute Tätigwerden des EPHK a. D. F. und des KOR G. mit den vom Dienstherrn des Klägers erlassenen und praktizierten Regelungen über die Beurteilungszuständigkeit (Abschnitt I Nr. 10 und Nr. 14.3 BRLPol) in Einklang steht (vgl. zum gerichtlichen Prüfungsumfang im Allgemeinen das Urteil des Senats v. 23.09.2003 - 5 LB 172/03 -, m. w. N.). Einschlägig sind insoweit gerade auch die Bestimmungen des Abschnitts I Nr. 10 BRLPol. Ihre Anwendbarkeit lässt sich nicht mit dem Argument verneinen, für Fälle einer gerichtlich aufgegebenen Neubeurteilung seien sie erkennbar nicht gedacht. Denn aus Nr. 14.4 BRLPol ergibt sich, dass der Richtliniengeber die solchen Fällen vergleichbaren Fälle gesehen hat, in denen eine zurückgestellte Beurteilung nachgeholt werden muss. Diese Fälle der Nachholung hat er jedoch nicht zum Anlass genommen, von Abschnitt I Nr. 10 BRLPol abweichende Bestimmungen der Zuständigkeit zu treffen. Deshalb ist davon auszugehen, dass sowohl in diesen Fällen als auch in den ihnen ähnlichen Fällen der hier vorliegenden Art Abschnitt I Nr. 10 BRLPol anzuwenden ist.

Liegt eine gerichtliche Verpflichtung zu erneuter Beurteilung vor, kommt es nicht darauf an, welche persönliche Beurteilungszuständigkeit sich am Beurteilungsstichtag (hier: 1. Juni 1997) in Anwendung des Abschnitts I Nr. 10 BRLPol ergeben hätte. Der Rechtsgedanke des § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, der bestimmt, dass die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände während der Rechtshängigkeit einer Klage nicht berührt wird, ist nicht (kraft mehrfacher Analogie) auf die persönliche Zuständigkeit eines bestimmten Beamten für eine erforderlich werdende Neubeurteilung zu übertragen. Denn die Zuständigkeitsregelungen des Abschnitts I Nr. 10 BRLPol sind funktionsbezogen. Sie stellen nicht darauf ab, ob und ggf. für welche Zeitspanne des Beurteilungszeitraums ein als Vorgesetzter zum Beurteiler Berufener seine jeweilige Vorgesetztenfunktion gegenüber dem zu beurteilenden Beamten inne hatte oder ob ihm persönlich dieser Beamte vielleicht sogar unbekannt ist. Das steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats, nach der eine dienstliche Beurteilung nicht notwendigerweise auf persönlichen Eindrücken des Beurteilers aus seiner unmittelbaren Zusammenarbeit mit dem zu beurteilenden Beamten beruhen muss. Der Beurteiler kann sich vielmehr die erforderlichen Kenntnisse auch auf andere Weise verschaffen, wobei ihm als Erkenntnisquellen auch schriftliche oder mündliche Auskünfte ("Beurteilungsbeiträge") zur Verfügung stehen (vgl. das Senatsurteil vom 23.09.2003 - 5 LB 172/03 -, m. w. N.). Mit der schematischen Anknüpfung an bestimmte Vorgesetztenfunktionen bringt also der Erlassgeber der BRLPol bereits für den Regelfall einer dienstlichen Beurteilung zum Ausdruck, dass Sachnähe und Personenkenntnis des Beurteilers nicht allein ausschlaggebend für die getroffenen Zuständigkeitsregelungen sind. Gleichrangig kommen vielmehr praktische Gesichtspunkte zum Tragen: Es kann schwierig werden, Beamte, die aktuell eine Vorgesetztenfunktion gegenüber dem Beurteilten nicht mehr wahrnehmen und denen möglicherweise bereits eine Tätigkeit in einer anderen Behörde übertragen ist, noch zur verantwortlichen Beurteilung ehemaliger Mitarbeiter heranzuziehen. Aufgrund anderweitiger Pflichten werden sie nicht selten ein geringeres Interesse an der sachgerechten Wahrnehmung solcher, teilweise arbeitsaufwendiger Aufgaben haben. Diese Gesichtspunkte gewinnen an zusätzlichem Gewicht, wenn eine Neubeurteilung nach Jahren aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung erfolgen muss. Wie bei anderen hoheitlichen Handlungen auch bestimmt sich deshalb die Zuständigkeit eines bestimmten Beamten als Beurteiler nach seiner Funktion zu dem Zeitpunkt, zu dem die Amtshandlung (hier: Neubeurteilung) vorgenommen wird.

Danach wäre gemäß Abschnitt I Nr. 10 Absatz 1 Halbsatz 1 BRLPol grundsätzlich der zum Zeitpunkt der hier zu überprüfenden Neubeurteilung unmittelbare Vorgesetzte des Klägers als Erstbeurteiler berufen gewesen. Sollte sich dieser Vorgesetzte zu diesem Zeitpunkt im gleichen statusrechtlichen Amt wie der Kläger befunden haben, wäre zwar gemäß Abschnitt I Nr. 14.3 BRLPol ein Wechsel der Beurteilungszuständigkeit herbeizuführen gewesen. Dabei hätte es sich angeboten, den zum Zeitpunkt der Neubeurteilung nächsthöheren Vorgesetzten des Klägers als Erstbeurteiler zu berufen (vgl. Nr. 5 des Protokolls über die Dienstbesprechung des Niedersächsischen Innenministeriums mit Vertretern der Polizeibehörden und -einrichtungen zur Umsetzung der Beurteilungsrichtlinien am 25. Februar 1997 in L.. Dagegen kam eine - ohnehin hier entgegen Abschnitt I Nr. 14.3 Satz 2 BRLPol nicht ausdrücklich erfolgte - erneute Bestellung des bereits im Ruhestand befindlichen EPHK a. D. F. nicht in Betracht. Dies beruht darauf, dass es sich bei der verantwortlichen Vornahme einer Erstbeurteilung um die Ausübung von Hoheitsgewalt handelt, die einem bereits im Ruhestand befindlichen Beamten lediglich als Beliehenem überlassen werden könnte. Die Beleihung mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen und Zuständigkeiten setzt jedoch eine gesetzliche Grundlage und einen Beleihungsakt (Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Rechtsnorm) voraus (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, Rdnr. 58 zu § 1, m. w. N.). Weder eine gesetzliche Grundlage noch ein Beleihungsakt sind im vorliegenden Falle ersichtlich. Dementsprechend hätte EPHK a. D. F. als Erstbeurteiler nicht tätig werden dürfen. In Betracht gekommen wäre lediglich, dass er als Verwaltungshelfer wie ein sachverständiger Zeuge Auskunft über die Leistungen des Klägers in der Vergangenheit gegeben und eine persönliche Leistungsbewertung ("Leistungseinschätzung") vorgenommen hätte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. 8. 2004 - BVerwG 2 B 64.04 - Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 25, zitiert nach Juris, Rdnr. 9 des Langtextes), welche dann von dem (noch im aktiven Dienst stehenden) zuständigen Erstbeurteiler zu würdigen und auszuwerten gewesen wäre.

Durchgreifende Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Zuständigkeit des als Zweitbeurteiler tätig gewordenen KOR G.. Gemäß Abschnitt I Nr. 10 Abs. 2 BRLPol wäre nämlich als Zweitbeurteiler bei Polizeikommissariaten ohne Wechselschichtdienst grundsätzlich der Leiter der vorgesetzten Dienststelle - hier der Polizeiinspektion I. - zum Zweitbeurteiler berufen gewesen. KOR G. war jedoch zum Zeitpunkt der Erstellung der hier zu prüfenden Neubeurteilung nicht mehr bei der Polizeiinspektion I. tätig. Er konnte deshalb auch nicht mehr als Stellvertreter des etwa verhinderten Leiters dieser Dienststelle tätig werden. Zwar ist die Bestimmung des Abschnitts I Nr. 10 Abs. 2 BRLPol dahingehend einschränkend formuliert, dass sie nur "grundsätzlich" gelte. Überwiegendes spricht jedoch dafür, dass diese Einschränkung allein auf abweichende Regelungen zu beziehen ist, die sich auf die folgenden Absätze des Abschnitts I Nr. 10 BRLPol stützen lassen. Namentlich im Umkehrschluss aus Abschnitt I Nr. 10 Abs. 5 BRLPol ist zu folgern, dass lediglich die Leiter von Polizeibehörden, nicht von Polizeidienststellen wie den Polizeiinspektionen, die ihnen eingeräumte Ermächtigung zur Zweitbeurteilung aus zwingenden Gründen des Geschäftsablaufs nach Abstimmung mit dem Niedersächsischen Innenministerium abweichend regeln können. Dementsprechend ist im vorliegenden Fall auch von der Unzuständigkeit des Zweitbeurteilers auszugehen.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich diese Verfahrensmängel auch auf den Inhalt der streitgegenständlichen Beurteilung des Klägers ausgewirkt haben, ist schon um ihretwillen eine erneute Beurteilung erforderlich.

Davon abgesehen leidet die hier umstrittene Neubeurteilung auch unter inhaltlichen Mängeln. Dem Kläger ist - bei im Verhältnis zu der Beurteilung, die Gegenstand des Vorprozesses war, identischer Bewertung und Gewichtung der einzelnen Leistungsmerkmale - wiederum ein Gesamturteil der Wertungsstufe 4 erteilt worden. Auch in der Neubeurteilung besteht dementsprechend ein augenfälliges Übergewicht der Wertungsstufe 5 bei den gewichteten Leistungsmerkmalen, sodass es nach der in dem rechtskräftigen Urteil des Senats vom 23. September 2003 unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung einer plausiblen und nachvollziehbaren Erklärung dafür bedarf, aus welchem Grunde das eindeutige Übergewicht der Wertungsstufe 5 bei den gewichteten Einzelmerkmalen nicht auch zu dem Gesamturteil der Wertungsstufe 5 geführt hat. An diese Rechtsauffassung ist die Beklagte gemäß § 121 Nr. 1 VwGO gebunden. Schon aufgrund der Besonderheit dieser Bindung kann sie mit dem Einwand, eine besondere Begründung, weshalb das Gesamturteil mit der Wertungsstufe 4 abschließe, sei in der Regel nicht erforderlich, wenn - wie hier - der Mittelwert der Bewertungen der einzelnen Leistungsmerkmale eine Tendenz zu dieser Wertungsstufe aufweise, nicht durchdringen.

Bereits die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Berufungsurteils schneidet der Beklagten zudem die Argumentation damit ab, dass eine im Einklang mit Abschnitt I Nr. 5.3 Abs. 2 Satz 3 BRLPol erfolgte Gewichtung einzelner Leistungsmerkmale nicht dazu führen müsse, dass deren Bewertung auch mit einem höheren Gewicht in die Bildung des Gesamturteils einfließe. Denn wie der Kläger im Berufungsverfahren zutreffend darlegt, entspricht das Gegenteil dieser These der Rechtsauffassung des Senats, an die die Beklagte gemäß § 121 Nr. 1 VwGO gebunden ist. Deshalb bedarf es im vorliegenden Fall keiner näheren Auseinandersetzung mit der seitens der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Zweiten Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts.

Die hier als Ergebnis des Vorprozesses verbindliche Rechtsauffassung des erkennenden Senats findet ihre Grundlage in Nr. 5.4 Abs. 2 BRLPol, der bestimmt, dass die Gesamtbewertung aus der Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Leistungsmerkmale für den jeweiligen Dienstposten zu bilden ist. Eine gemäß Abschnitt I Nr. 5.3 Abs. 2 Satz 3 BRLPol vorgenommene Gewichtung der Leistungsmerkmale hat jedoch gerade im Hinblick auf deren Bedeutung für den jeweiligen Dienstposten zu erfolgen (vgl. Nr. 3 der Vfg. der Bez. Reg. LG v. 16.12.1996 - 304a - 03002 -). Zwar hindern überwiegend hohe Bewertungen gewichteter Leistungsmerkmale - auch in einem Fall wie dem vorliegenden - Erst- und Zweitbeurteiler nicht schlechthin daran, eine weniger günstige Gesamtbewertung zu bilden. Das erfordert dann aber einen nicht unerheblichen Begründungsaufwand in Auseinandersetzung mit dem individuellen Leistungsbild des Beurteilten, was nicht durch den Hinweis auf eine in Beurteilerkonferenzen aufgestellte Rangreihe zu ersetzen ist. Eine Bildung der Gesamtbewertung, die die durch Gewichtung zum Ausdruck gebrachte Bedeutung eines Leistungsmerkmals völlig außer Acht lässt, entspricht nicht den einschlägigen Beurteilungsrichtlinien.

Die in den hier einschlägigen Beurteilungsrichtlinien (BRLPol) vorgegebene Funktion der Gewichtung einzelner Leistungsmerkmale lässt es nicht zu, im Wege einer Höherbewertung der gewichteten Leistungsmerkmale oder - wie das Verwaltungsgericht das Vorgehen des Zweitbeurteilers (unrichtig) deutet - durch eine Kennzeichnung von Leistungsmerkmalen als gewichtet, "Tendenzen zu einer möglichen höheren Gesamtwertungsstufe" aufzuzeigen. Das ergibt sich im Übrigen auch eindeutig aus Abschnitt I Nr. 5.1 BRLPol, wo es heißt, dass mit der Leistungsbeurteilung die dienstlichen Tätigkeiten erfasst und die Arbeitsergebnisse bewertet würden. In seiner Anlage zu der umstrittenen dienstlichen Neubeurteilung gibt der Zweitbeurteiler zu erkennen, dass er sich an diese Vorgaben nicht gehalten hat. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist dies nicht deshalb zulässig, weil er es offenlegt. Denn auch dann verbleibt eine Beeinträchtigung der Vergleichbarkeit der so vorgenommenen Beurteilung mit den richtlinienkonformen Beurteilungen anderer Beamter.

Dass das Vorgehen des Zweitbeurteilers einer generellen von der Beurteilungsrichtlinie abweichenden Praxis entspräche, hat die Beklagte nicht hinreichend dargetan.

Zu Unrecht macht sie auch geltend, dass Abschnitt I Nr. 5.5 Abs. 3 Satz 2 BRLPol es nicht zulasse, dem Kläger das Gesamturteil "Übertrifft erheblich die Anforderungen" zu erteilen. Denn dort ist lediglich bestimmt, dass diese Bewertung bei Beamten in Vorgesetztenfunktion ein überdurchschnittliches Leitungsverhalten verlange. Das Leitungsverhalten des Klägers ist in allen Leistungsmerkmalen mit "Entspricht voll den Anforderungen" bewertet worden. Diese Bewertung erhalten gemäß Abschnitt I Nr. 5.5 Abs. 4 BRLPol Beamte, deren Leistungen den Anforderungen in vollem Umfang gerecht werden und somit insgesamt über dem Durchschnitt liegen. Dabei ist davon auszugehen, dass das Wort "insgesamt" die Bewertung als Ergebnis einer Abwägung bezeichnet. Dies ist nicht ohne weiteres in einem einschränkenden Sinne zu verstehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.02.2003 - BVerwGE 2 C 16.02 -, in: Schütz, BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 98). Die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger kein überdurchschnittliches Leitungsverhalten gezeigt habe, steht somit im Widerspruch zu der Bewertung der einschlägigen Leistungsmerkmale und vermag deshalb ebenfalls keine Rechtfertigung dafür zu bieten, das hier erstrebte bessere Gesamturteil zu versagen.

Dem Kläger ist nicht darin zu folgen, dass die Beurteilungsfreiheit der Beurteiler zu Unrecht eingeschränkt worden sei oder diese sich in einer ihre Entscheidung tragenden Weise zu weitgehend an Vorgaben der Beurteilungskonferenzen gebunden gefühlt hätten. Beide Beurteiler sehen allerdings nicht, dass es für die Plausibilisierung ihres eigenen Gesamturteils nur von geringem Nutzen ist, darauf zu verweisen, wie andere Beurteiler die Leistungen des Klägers im Rahmen der Beurteilerkonferenzen einschätzten. Diese Konferenzen dienen nämlich - auch soweit eine Rangreihe gebildet wird - lediglich der Verdeutlichung des vorgegebenen Beurteilungsmaßstabs und der Hinwirkung auf leistungsgerecht abgestufte und untereinander vergleichbare Beurteilungsergebnisse unter Beachtung der gemäß Abschnitt I Nr. 11 BRLPol festgelegten Richtwerte (Abschnitt I Nr. 12 Abs. 1 Satz 2 BRLPol); die Verantwortung für die rechtmäßige Anwendung des Maßstabs durch Erstellung einer in sich plausiblen Beurteilung des jeweiligen Beamten im Einzelfall tragen die zuständigen Beurteiler dennoch allein. Dabei darf eine Beurteilung nicht in der Weise erfolgen, dass die Gesamtbewertung, anstatt sie aus der Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale unter Berücksichtigung von deren Bedeutung zu bilden, in Wahrheit nur unter dem Gesichtspunkt vergeben wird, dass sie sich mit Rangreihen und Richtwerten vereinbaren lässt. Wenn Letzteres geschieht, geht der Beurteiler nämlich unrichtig an seine Aufgabe heran und wird immer Schwierigkeiten haben, eine in sich plausible Beurteilung zu erstellen, die sich aus sich selbst heraus rechtfertigen lässt. Liegt es doch auf der Hand, das es bei einem Gesamturteil, welches in Wahrheit nicht aus den Bewertungen der Einzelmerkmale entwickelt wurde, von Zufälligkeiten abhängt, inwieweit es tatsächlich mit diesen Einzelbewertungen harmoniert. Nicht zu überzeugen vermag es auch, dass der Zweitbeurteiler damit argumentiert, dass eine "Prüfung der Einzelfallgerechtigkeit" in Bezug auf den Kläger in den Beurteilerkonferenzen nicht für erforderlich gehalten worden sei. Denn dass - eine richtige Umsetzung der Beurteilungsrichtlinie in Bezug auf die Bewertung der gewichteten Leistungsmerkmale unterstellt - der Fall des Klägers für dessen Erst- und Zweitbeurteiler sehr wohl Anlass geboten hätte, die Frage der Vergabe eines besseren Gesamturteils nochmals zu prüfen, steht bereits aufgrund der Rechtskraft des Berufungsurteils im Vorprozess fest.

Nach alldem wird die Beklagte unter Heranziehung der nach Maßgabe der Beurteilungsrichtlinie nunmehr für eine Neubeurteilung des Klägers zuständigen Beurteiler wiederum eine Beurteilung zum Stichtag 1. Juni 1997 zu erstellen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf den §§ 167 VwGO und 709 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür weder gemäß § 132 Abs. 2 VwGO noch gemäß § 193 NBG vorliegen.

Ende der Entscheidung

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