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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: 5 ME 111/08
Rechtsgebiete: NBG, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

NBG § 8 Abs. 1 S. 1
VwGO § 114 S. 2
VwVfG § 45 Abs. 1 Nr. 2
VwVfG § 45 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Antragsteller und der Beigeladene konkurrieren um den nach A 15 BBesO bewerteten Beförderungsdienstposten "Dozent/-in mit Koordinierungsaufgaben Aus- und Weiterbildung im Studiengebiet 3 (Rechtswissenschaften) der Polizeiakademie Niedersachsen", der durch das Referat P 25.3 des Antragsgegners mit folgendem Text (Bl. 8 f. der Gerichtsakte - GA -) ausgeschrieben wurde:

"... Gesucht wird eine dynamische Führungspersönlichkeit, die nach ihren bisherigen Verwendungen Gewähr für eine erfolgreiche Bewältigung der zu leistenden Lehrverpflichtungs- und Koordinierungsaufgaben bietet, insbesondere über mehrjährige Erfahrungen

- in der Leitung von integrierten Polizeidienststellen oder polizeilichen Organisationsbereichen sowie

- in einer hauptamtlichen Aus- bzw. Fortbildungsfunktion an der Fakultät Polizei der FHVR oder im BIP NI

verfügt.

Erwartet werden darüber hinaus

- ausgeprägte Fähigkeiten zu Kreativität, Innovation und Konfliktmanagement

- Teamfähigkeit, Entscheidungskompetenz sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, die durch die betriebswirtschaftlichen Prozesse bedingten Veränderungen im Amt zu gestalten und zu steuern

- die notwendigen Kenntnisse und die Bereitschaft, personalentwicklerisch unter aktiver Berücksichtigung des gender-mainstreaming-Aspektes die zugewiesenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern und

- die aktive Bereitschaft zur Umsetzung der Zusammenführung der polizeilchen Aus- und Fortbildung.

Bewerben können sich Beamtinnen und Beamte des höheren Polizeivollzugsdienstes, sofern sie sich in dem statusrechtlichen Amt A 14 BBesO befinden. ..."

Der Antragsgegner lehnte die Bewerbung des Antragstellers durch Bescheid vom 29. November 2007 (Bl. 14 f. der Gerichtsakte - GA -) mit folgender Begründung ab: Der Antragsteller habe zwar dem in der Ausschreibung formulierten Anforderungsprofil entsprochen und sei nicht bereits deshalb auszuschließen gewesen, weil sich aus der mehrjährigen Leitung zweier Polizeikommissariate ein Eignungsvorsprung des Beigeladenen ergebe. Der Abgleich der aktuellen Beurteilungen, der Vorbeurteilungen sowie eine "Binnendifferenzierung innerhalb der aktuellen Beurteilungen" habe ebenfalls keine auswahlrelevanten Rückschlüsse ergeben. Nach Durchführung von Auswahlgesprächen sei die Auswahlkommission aber übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass bei Abwägung aller Auswahlkriterien (Beurteilungen, dienstliche Vorerfahrungen, Auswahlgespräch) ein Vorsprung zugunsten des Beigeladenen zu konstatieren sei.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den umstrittenen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen: Der Antragsteller habe neben einem Anordnungsgrund auch den erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Auswahlentscheidung sei nämlich aller Voraussicht nach rechtlich zu beanstanden, weil der Antragsgegner nach einem Vergleich der dienstlichen Beurteilungen der Bewerber von deren wesentlicher Gleichheit ausgegangen sei, ohne dabei zu berücksichtigen, dass aktuelle dienstliche Beurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen nicht vorlägen. Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller bei Berücksichtigung einer - gegebenenfalls noch zu erstellenden - aktuellen dienstlichen Beurteilung ausgewählt werde. Dem lasse sich nicht erfolgreich entgegenhalten, dass der Antragsteller das Anforderungsprofil des umstrittenen Dienstpostens nicht erfülle, nachdem der Antragsgegner unter dem 29. November 2007 selbst ausgeführt habe, der Antragsteller entspreche dem Anforderungsprofil und für sich genommen begründe der aus der Leitung zweier Polizeikommissariate herrührende Eignungsvorsprung des Beigeladenen dessen Auswahl nicht.

Die dagegen geführte Beschwerde des Antragsgegners mit dem Antrag, den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 12. März 2008 - 6 B 119/08 - aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, bleibt ohne Erfolg, weil sich aus den fristgerecht und (ordnungsgemäß) dargelegten Beschwerdegründen, die grundsätzlich allein zu prüfen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), nicht ergibt, dass die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) ist.

Es bedarf keiner Auseinandersetzung des Senats mit dem erstinstanzlichen Vorbringen des Antragsgegners, auf das sich dieser in seiner Beschwerdeschrift pauschal bezieht, weil eine derartige Bezugnahme dem Begründungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO von vornherein nicht genügen kann (vgl. Bader, in: Bader u. a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 146 Rn. 29).

Mit seinen ordnungsgemäßen Darlegungen in der Beschwerdeschrift selbst und deren vertiefender Ergänzung vom 5. Mai 2007 hat der Antragsgegner dagegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe neben dem für den Erlass einer Sicherungsanordnung erforderlichen Anordnungsgrund auch einen entsprechenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO; 920 Abs. 2 ZPO), nicht zu erschüttern vermocht.

Zu Unrecht macht er geltend, das Vorliegen aktueller dienstlicher Beurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen sowie ein Vergleich derselben seien für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung irrelevant, weil der Antragsteller ein konstitutives Merkmal des durch die Ausschreibung festgelegten Anforderungsprofils nicht erfülle; denn er verfüge über keine mehrjährigen Erfahrungen in der Leitung von integrierten Polizeidienststellen oder polizeilichen Organisationsbereichen.

Ausweislich des Auswahlvermerks vom 20. September 2007 (Bl. 11 f. GA) war die Annahme, dass der Antragsteller einem konstitutiven Merkmal des Anforderungsprofils nicht genüge, für die unter dem 29. November 2007 erfolgte Ablehnung seiner Bewerbung nicht maßgebend. Vielmehr wird mit dieser Argumentation versucht, für den Bescheid vom 29. November 2007 im Nachhinein einen neuen argumentativen Unterbau zu schaffen - der indessen das Wesen der ursprünglichen Auswahlentscheidung verändern müsste. Schon deshalb kann ungeachtet der Frage, ob es zutrifft, dass der Antragsteller ein konstitutives Merkmal des Anforderungsprofils nicht erfüllt, mit diesem Gesichtspunkt weder gemäß den §§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VwVfG noch nach § 114 Satz 2 VwGO die unter dem 29. November 2007 erfolgte Ablehnung seiner Bewerbung nachträglich rechtmäßig begründet werden (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14. 1. 2008 - 5 ME 317/07 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit). Es ist auch nicht zweifelsfrei, ob sich im Wege einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 46 VwVfG (i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) unter dem Gesichtspunkt, dass der Antragsteller ein konstitutives Merkmal des Anforderungsprofils nicht erfülle, zu einer Unerheblichkeit des von dem Verwaltungsgericht festgestellten Fehlers im Auswahlverfahren gelangen ließe.

Letzteres kann hier jedoch dahinstehen, weil dem Antragsgegner bereits nicht darin zu folgen ist, dass es sich bei den im Text der Ausschreibung erwähnten "mehrjährige[n] Erfahrungen in der Leitung von integrierten Polizeidienststellen oder polizeilichen Organisationsbereichen" um ein konstitutives Merkmal des Anforderungsprofils (vgl. hierzu: Nds. OVG, Beschl. v. 18. 12. 2007 - 5 ME 351/07 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit) handelt. Die Ausschreibung des umstrittenen Dienstpostens ist nämlich keineswegs in der mit der Beschwerde behaupteten Weise eindeutig formuliert. Als Prüfstein ihrer Auslegung unter Berücksichtigung des objektiven Erklärungsinhaltes und des Willens des Erklärenden (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12. 3. 2004 - 5 ME 390/03 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit) kann insoweit die Frage betrachtet werden, ob sich nach dem Empfängerhorizont aus ihrem Text schließen lässt, dass dem umstrittenen Merkmal eine solche Bedeutung beizulegen ist, dass das mit der Ausschreibung eingeleitete Auswahlverfahren zu keiner Besetzung des umstrittenen Dienstpostens hätte führen, sondern abgebrochen werden sollen, wenn sich ein Bewerber nicht findet, der über mehrjährige Erfahrungen in der Leitung von integrierten Polizeidienststellen oder polizeilichen Organisationsbereichen verfügt. Dafür bestehen indessen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Insbesondere lässt sich auf einen derart obligatorischen Charakter des umstrittenen Merkmals nicht daraus schließen, dass laut dem Text der Ausschreibung eine Person mit den genannten Erfahrungen "gesucht wird". Diese Wortwahl ist nämlich nach dem Empfängerhorizont nicht notwendig dahin zu verstehen, dass n u r potentielle Bewerber mit solchen Erfahrungen durch die Ausschreibung angesprochen werden sollen. Vielmehr deutet gerade die gegenüber den Worten, mit denen der Bewerberkreis - unmissverständlich - auf Beamtinnen und Beamte des höheren Polizeivollzugsdienstes im statusrechtlichen Amt A 14 BBesO beschränkt wurde ("bewerben können sich ..., sofern ..."), schwächere Formulierung darauf hin, dass durch sie wesentliche, aber gleichwohl nicht konstitutive Merkmale des Anforderungsprofils lediglich hervorgehoben werden sollten. Auch der an dem hiesigen Rechtsstreit nicht beteiligte dritte Bewerber, der nach den Ausführungen des Antragsgegners in dem Auswahlvermerk über keine mehrjährigen Erfahrungen in einer hauptamtlichen Aus- bzw. Fortbildungsfunktion an der Fakultät Polizei der FHVR oder im BIP NI verfügte, hatte den in Bezug auf dieses Merkmal gleichartig formulierten Text der Ausschreibung offenkundig nicht so verstanden, dass ihn das Anforderungsprofil von vornherein ausschließe - was seine Bewerbung nämlich erübrigt hätte. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass während des gesamten Auswahlverfahrens der hier umstrittene Textteil der Ausschreibung in dem federführenden Referat P 25.3 des Antragsgegners als ein zwar wichtiges, aber nicht konstitutives Merkmal des Anforderungsprofils authentisch interpretiert und verstanden worden ist. Nach alledem sprechen sowohl der objektive Erklärungsinhalt als auch der (ursprüngliche) Wille des Erklärenden gegen die (unrichtige) Interpretation des Textes der Ausschreibung, die der Antragsgegner in seiner Beschwerdeschrift vornimmt. Der Antragsgegner sollte daher vielleicht stärker bedenken, dass es im Verhältnis zwischen dem Dienstherrn und seinen Beamten nicht im Vordergrund stehen kann, Rechtsstreitigkeiten zu gewinnen, sodass es zumindest untunlich sein dürfte, mit zweifelhaften Argumenten ein Rechtsmittelverfahren zu betreiben, welches - wie die Erfahrung lehrt - allzu leicht in einer unnötigen, aber dauerhaften Beeinträchtigung des wechselseitigen Vertrauensverhältnisses der Beteiligten enden kann.

Da eine mehrjährige Erfahrung in der Leitung von integrierten Polizeidienststellen oder polizeilichen Organisationsbereichen kein konstitutives Merkmal des Anforderungsprofils des ausgeschriebenen Dienstpostens darstellt, ist dem Antragsgegner auch nicht darin zuzustimmen, dass eine erneute Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung aktueller Beurteilungen, entgegen der Auffassung der Vorinstanz zu einer Auswahl des Antragstellers nicht führen könne, weil dieser das umstrittene Merkmal nicht erfülle und deshalb schon im Wege einer Vorauswahl auszuscheiden wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und Abs. 3 Halbsatz 1 sowie 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für den zweiten Rechtszug fußt auf den §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und entspricht, da davon auszugehen ist, dass mit der Dienstpostenbesetzung eine Beförderung des ausgewählten Bewerbers auf der ausgeschriebenen Stelle vorbereitet wird, in ihrer Höhe der Hälfte desjenigen Betrages, der gemäß § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 GKG in einem Hauptsacheverfahren maßgeblich wäre. Der Streitwert errechnet sich daher wie folgt: 1/2 x 1/2 x 13 x Endgrundgehalt A 15 in der sich aus § 12 NBesG ergebenden Höhe = 3,25 x 5.061,80 EUR = 16.450,85 EUR.

Ende der Entscheidung

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