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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.06.2007
Aktenzeichen: 5 ME 143/07
Rechtsgebiete: GG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123 Abs. 3
ZPO § 920 Abs. 2
Grundsätzlich kein Anordnungsgrund für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherung des (materiellen) Bewerbungsverfahrensanspruchs bei reiner Dienstpostenkonkurrenz.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 5 ME 143/07

Datum: 25.06.2007

Gründe:

Die Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Antrag, weiter verfolgt,

"der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, bis zum Ergehen einer bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin gegen die Auswahlentscheidung zur Ernennung des Herrn M. gemäß Verfügung der Antragsgegnerin vom 28. 11. 06 dessen Ernennung zum Fachseminarleiter "Kunst" am Studienseminar für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen in Oldenburg zu unterlassen,"

bleibt erfolglos und ist deshalb - wie seitens der Antragsgegnerin und des Beigeladenen beantragt - zurückzuweisen.

Durchgreifende Bedenken bestehen bereits gegen die Zulässigkeit der Beschwerde. Die Antragstellerin hat nämlich entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO keinen bestimmten Antrag gestellt, der sich anstatt auf eine Zwischenentscheidung auf ihr endgültiges Begehren im Rechtsmittelzug bezieht. Zwar ist ein solcher Antrag ausnahmsweise entbehrlich, wenn aufgrund der Beschwerdebegründung das Rechtsschutzziel der Beschwerde unzweifelhaft feststeht (Bader, in: Bader u. a., VwGO, Kommentar, 3. Aufl. 2005, Rn. 28 zu § 146). Das ist hier aber nicht der Fall. Obwohl das Verwaltungsgericht ihrem erstinstanzlichen Antrag eine von dessen Wortlaut abweichende Auslegung gegeben hat, führt nämlich die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründungsschrift aus, dass sie ihren "Antrag gemäß Antragsschrift vom 11. 01. 2007" weiter verfolge. Zumal dieser Antrag und die Beschwerdebegründungsschrift anwaltlich formuliert sind, bleibt unklar, ob sich die Antragstellerin für den zweiten Rechtszug die Interpretation ihres Antragsbegehrens durch das Verwaltungsgericht zu Eigen macht, oder aber gerade deshalb auf die ursprünglichen Formulierung ihrer Antragstellung Bezug nimmt, weil sie weiterhin in Abrede stellt, dass gemäß § 192 Abs. 4 NBG ein Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung unzulässig ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 2. 3. 2007 - 5 OB 126/07 -, NordÖR 2007, 180) und daher ein am Wortlaut ihres Antrags haftendes Verständnis ihres Rechtschutzzieles wünscht.

Davon abgesehen ist die Beschwerde aber auch unbegründet.

Die allein erforderliche (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) Prüfung der Beschwerdegründe, die die Antragstellerin dargelegt hat, ergibt nämlich nicht, dass die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzuheben oder abzuändern (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) ist. Hinzu kommt, dass in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 144 Abs. 4 VwGO das Rechtsmittel auch deshalb erfolglos bleiben muss, weil sich die angefochtene Entscheidung aus anderen als den ihr beigegebenen Gründen als richtig darstellt (vgl. Bader, a. a. O., Rn. 35 zu § 146).

Letzteres bezieht sich darauf, dass die Antragstellerin entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts schon den gemäß den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (§§ 173 Satz 1 VwGO, 294 ZPO) hat. Dies beruht darauf, dass es in Fällen der sogenannten Dienstpostenkonkurrenz in aller Regel - und so auch hier - am Vorliegen eines Anordnungsgrundes zur Sicherung des (materiellen) Bewerbungsverfahrensanspruchs mangelt, weil die Antragsgegnerin die Übertragung des umstrittenen Dienstpostens auf den Beigeladenen im Falle des Obsiegens der Antragstellerin in der Hauptsache wieder rückgängig machen könnte (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 16. 6. 1995 - 5 M 7863/94 -; OVG NRW, Beschl. v. 7. 8. 2006 - 1 B 653/06 -, Juris, Rn. 28 ff.; OVG Sachs.-Anh., Beschl. v. 17. 2. 2006 - 1 M 24/06 - Juris). Eine derartige Dienstpostenkonkurrenz liegt hier vor, weil es sich bei dem umstrittenen Amt einer Fachseminarleiterin/eines Fachseminarleiters für das Fach Kunst beim Studienseminar für das Lehramt an Grund -, Haupt - und Realschulen in Oldenburg nicht um ein Amt im statusrechtlichen Sinne, sondern nur um ein Amt im funktionellen Sinne handelt, das der Beigeladene (wie die Antragstellerin) ohne Veränderung seines Statusamtes (Realschullehrer A 13) bekleiden würde. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass während der Wahrnehmung der Funktion eines Fachseminarleiters eine - nicht ruhegehaltsfähige (vgl. § 42 Abs. 4 BBesG) - Stellenzulage im Sinne des § 78 Nr. 4 BBesG gezahlt wird. Zwar gibt es auch Konstellationen einer Dienstpostenkonkurrenz, in denen zugunsten der nicht ausgewählten Bewerberin ein Anordnungsgrund besteht. Dies betrifft beispielsweise Fälle, in denen die Übertragung der umstrittenen Stelle nur den ersten Schritt zu einer bereits beabsichtigten und an das Innehaben des Dienstpostens anknüpfenden, zeitnahen Beförderung des Ausgewählten darstellt oder in denen der unterlegenen Konkurrentin aufgrund besonderer Umstände (vgl. etwa: OVG NRW, Beschl. v. 8. 3. 2005 - 6 B 2695/04 - Juris, Rn. 9) wesentliche Nachteile für ihr eigenes berufliches Fortkommen drohen, würde sie auf den Rechtschutz im Hauptsacheverfahren verwiesen. Eine derartige Situation hat die Antragstellerin jedoch nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Allein die abstrakte Möglichkeit, dass das zeitweilige Innehaben des umstrittenen Dienstpostens dem Beigeladenen in der denkbaren Konkurrenz mit der Antragstellerin um künftige Beförderungsstellen einen Vorteil verschaffen könnte, reicht hier für die Annahme eines Anordnungsgrundes ebenso wenig aus wie ein denkbarer Bewährungsvorsprung auf dem umstrittenen Dienstposten, den der Beigeladene ggf. während der Dauer des Hauptsacheverfahrens zu gewinnen vermag. Vor diesem Hintergrund ist der Vorinstanz nicht darin zu folgen, dass es sich bei der umstrittenen Stellenbesetzung um eine Maßnahme handele, die der Beförderung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 NBG) in allen wesentlichen Punkten vergleichbar sei.

Die dargelegten Beschwerdegründe der Antragstellerin rechtfertigen auch nicht die Annahme, dass ihr Begehren nach einstweiligem Rechtsschutz von einem Anordnungsanspruch getragen wird.

Soweit sich die Antragstellerin zur Begründung der Beschwerde pauschal auf ihr erstinstanzliches Vorbringen bezieht, lässt sie die gebotene Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) vermissen (vgl. Bader, a. a. O., Rn. 29 zu § 146). Diese Bezugnahme ist deshalb unbeachtlich und kann zu keiner gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) obergerichtlichen Befassung mit dem gesamten nicht aufbereiteten Streitstoff der Vorinstanz führen.

Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Antragsgegnerin das Anforderungsprofil der umstrittenen Stelle missachte, welches nur sie, die Antragstellerin, nicht aber der Beigeladene erfülle, ist unberechtigt und beruht auf einer Überinterpretation der Worte "Bewerber müssen für das Fach durch Ausbildung und Berufserfahrung qualifiziert sein" im Text der Ausschreibung (Bl. 3 Beiakte - BA - B). Weder ist der Beschwerde darin zu folgen, dass die Antragsgegnerin ein Anforderungsprofil aufgestellt habe, demgemäß eine Qualifizierung in diesem Sinne nur vorliege, wenn "das Fach Kunst als Langfach in Studium und Referendariat durch Erbringung von qualifizierten Prüfungsleistungen absolviert" worden sei, noch hat die Antragsgegnerin die rechtlichen Grenzen ihrer personalpolitischen Organisationsgewalt überschritten oder den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt, indem sie es unterlassen hat, derartiges zu verlangen.

Zur Recht hat das Verwaltungsgericht keine rechtlichen Bedenken dagegen erhoben, dass die Antragsgegnerin für die Auswahl unter den Bewerbern allein auf deren jeweils letzte dienstliche Beurteilungen vom 19. Oktober 2006 (vgl. Bl. 41 f. BA B bzw. Bl. 35 f. BA A) und einen Eignungsvorsprung abgehoben hat, den sie daraus herleitet, dass der Beigeladene in dreierlei Hinsicht besser als die Antragstellerin beurteilt worden ist (Bl. 40 BA A). Insbesondere war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, für die Auswahl an die Examensnoten der Bewerber anzuknüpfen; denn diese sind hinsichtlich deren aktueller Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung nur von nachrangigem Erkenntniswert.

Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass Widersprüche vorlägen und noch unbeschieden seien, die sie gegen ihre eigene letzte Beurteilung und diejenige des Beigeladenen erhoben habe. Denn allein ein Vorliegen solcher unbeschiedener Rechtsbehelfe begründet keinen Anordnungsanspruch der Antragstellerin, und soweit diese Widerspruch gegen eine Beurteilung des Beigeladenen erhoben hat, ist ihr Rechtsbehelf schon in Ermangelung einer Widerspruchsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO in analoger Anwendung) unzulässig.

Die inhaltlichen Einwände, die die Antragstellerin dagegen erhebt, dass das Verwaltungsgericht ihre auf die eigene Beurteilung und auf diejenige des Beigeladenen bezogenen Bedenken nicht für berechtigt gehalten hat, vermögen nicht zu überzeugen. Soweit die Antragstellerin meint diese Anlassbeurteilungen litten daran, dass der Beurteiler die fachlichen Anforderungen und das Profil der umstrittenen Stelle verkannt habe, kann ihr schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie - wie bereits erwähnt - die "fachlichen Anforderungen und das Profil" der Stelle ihrerseits nicht richtig einschätzt. Ohne das diesbezüglich umfänglich bestehende Ermessen der Antragsgegnerin zu respektieren und die Einschränkungen genügend zu beachten, denen damit korrespondierend die gerichtliche Kontrolldichte unterliegt, möchte die Antragstellerin ihre eigenen Vorstellungen von den fachlichen Anforderungen der Stelle zum rechtlichen Maßstab erhoben sehen. Dem hat sich die Vorinstanz zu Recht versagt.

Dem Verwaltungsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass die von der Antragstellerin vorgebrachten, vermeintlichen Indiztatsachen die Schlussfolgerung nicht rechtfertigen, dass ihre und des Beigeladenen Beurteilungen gezielt so abgefasst worden seien, dass sich der Beigeladene - unabhängig von den tatsächlich gezeigten Leistungen - in dem Auswahlverfahren durchsetzen würde. Soweit die Beschwerde diese Einschätzung der Vorinstanz beanstandet, setzt sie sich schon nicht hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung auseinander (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), die sehr wohl auf einzelne der behaupteten Indiztatsachen eingeht und es keineswegs bei einer pauschalen Verneinung solcher Anhaltspunkten belässt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht die Bedeutung der als Anlage K 3 (Bl. 66 GA) bezeichneten Erklärung des Schulleiters der Realschule im Schulzentrum Alexanderstraße verkannt hätte. Entgegen der Auffassung der Beschwerde stellt diese Erklärung keinen hinreichenden Beleg dafür dar, dass die Beurteilung der Antragstellerin auf einer unrichtigen Tatsachengrundlage oder Manipulationen beruht. Selbst wenn der Antragstellerin keine Gelegenheit gegeben worden sein sollte, ihre Kenntnisse in schulrechtlichen Fragen eigens darzustellen und über die die von ihr geleitete Jahrgangsbesprechung zu reflektieren, schließt dies nämlich nicht aus, dass sich - etwa aus der Handhabung der "Regularien" während ihrer Konferenzleitung oder verstreuten Äußerungen zu methodischen und didaktischen Grundsätzen sowie Beurteilungsrichtlinien in dem mit ihr geführten Gespräch (vgl. den Besichtigungsbericht, Bl. 36 ff. [40] BA B) - ein hinreichend zuverlässiger Eindruck ihrer schulrechtlichen und schulfachlichen Kenntnissen gewinnen ließ. Soweit der Schulleiter Äußerungen des Beurteilers zu den Leistungen der Antragstellerin im Anschluss an das "Reflexionsgespräch" wiedergibt, stellten diese Bemerkungen ersichtlich noch keine dienstliche Beurteilung dar und dürfen deshalb nicht überbewertet werden. Hinzu kommt, dass ihr genauer Wortlaut ungewiss ist, weil sie in der - insoweit widersprüchlichen - Erklärung des Schulleiters lediglich "wörtlich sinngemäß" wiedergegeben werden.

Ende der Entscheidung

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