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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.09.2006
Aktenzeichen: 5 ME 229/06
Rechtsgebiete: BesNLVO


Vorschriften:

BesNLVO (i.d.F. v. 27.01.2003) § 6 Abs. 2
Einbeziehung in ein Bewerbungsverfahren.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung ihre Einbeziehung in das Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle der Realschulkonrektorin/des Realschulkonrektors der Realschule B..

Die Antragstellerin bestand im Jahre 1975 die Erste und 1977 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Mit Wirkung vom 1. November 2001 wurde sie kraft Gesetzes (§ 17 a der Verordnung zur Änderung der Besonderen Niedersächsischen Laufbahnverordnung vom 18.10.2001, NdsGVBl. S. 652) in die neu geschaffene Laufbahn des Lehramtes an Grund-, Haupt- und Realschulen übergeleitet.

Mit Schreiben vom 23. März 2006 bewarb sich die Antragstellerin um die oben genannte, im Schulverwaltungsblatt 3/2006 ausgeschriebene Stelle einer Realschulkonrektorin, mit deren Wahrnehmung sie seit Februar 2006 beauftragt ist. Der Ausschreibung, die zugleich mit zahlreichen weiteren Ausschreibungen von anderen Stellen im Schulverwaltungsblatt erfolgte, war in einem allgemeinen Teil unter Ziffer 7 u.a. vorangestellt, dass sich um ausgeschriebene Stellen für Realschulkonrektorinnen/Realschulkonrektoren nur Lehrkräfte bewerben könnten, die durch Prüfung die Befähigung für das Lehramt an Realschulen erworben haben, und Lehrkräfte, die die durch Prüfung erworbene Befähigung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen besitzen.

Unter Hinweis auf diese Voraussetzungen und einen entsprechenden Erlass des Niedersächsischen Kultusministers vom 6. Januar 2006 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Schreiben vom 20. April und 8. Juni 2006 mit, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werden könne, da sie diese Voraussetzungen nicht erfülle.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin am 4. Juli 2006 Klage erhoben (3 A 1753/06) und zugleich bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung vom 7. August 2006 verpflichtet, die Bewerbung der Antragstellerin für die Besetzung der fraglichen Stelle zu berücksichtigen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Anspruch auf Teilnahme am Besetzungsverfahren folge unmittelbar aus Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 Abs. 1 Satz 1 NBG. Für die Vorgehensweise der Antragsgegnerin, den Umfang des Tatbestandsmerkmals der "Befähigung" im Erlasswege einzuengen und die Antragstellerin damit vom Bewerbungsverfahren auszuschließen, gebe es weder im Verfassungsrecht noch im Landesrecht eine gesetzliche Grundlage. Es komme nicht darauf an, dass das Kultusministerium anstrebe, die Laufbahnen des Lehramtes an Grund- und Hauptschulen einerseits und an Realschulen andererseits wieder zu trennen.

Gegen diesen am 8. August 2006 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 10. August 2006 eingelegten und mit Schriftsatz vom 21. August 2006 begründeten Beschwerde. Sie macht geltend, die Verleihung eines Beförderungsamtes könne davon abhängig gemacht werden, dass die Bewerber außer der Laufbahnbefähigung weitere Kriterien erfüllten. Da die Laufbahnen nach einem Landtagsbeschluss vom 6. Oktober 2005 wieder getrennt werden sollten und der durch Prüfung erfolgte Erwerb der Befähigung für die Laufbahn des Realschullehrers anders und anspruchsvoller sei, sei es sachgerecht, die Bewerber, die lediglich durch einen Akt des Verordnungsgebers in den Genuss der Laufbahnbefähigung gelangt seien, von vornherein aus dem Auswahlverfahren auszuschließen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den für zutreffend gehaltenen Beschluss des Verwaltungsgerichts und meint, dass Institut des Anforderungsprofils biete keine Handhabe, eine Bewerberin, die - wie sie - über die erforderliche Laufbahnbefähigung verfüge, vorweg "auszusortieren" und landesweit erst gar nicht in das Auswahlverfahren gelangen zu lassen.

Wegen der Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im übrigen auf die Gerichtsakten und die dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgänge (Personalakten der Antragstellerin) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fehlt es an der nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.

Die Antragstellerin kann nicht verlangen, in das Auswahlverfahren einbezogen zu werden; denn sie erfüllt nicht die Voraussetzung, die die Antragsgegnerin in rechtlich zulässiger Weise in der öffentlichen Ausschreibung an die Berücksichtigung von Bewerbern um die fragliche Stelle gestellt hat.

Die Ausschreibung wendet sich ausdrücklich (vgl. Nr. 7 des einleitenden Textes, SVBl. 3/2006 S. 79) nur an Bewerber, die durch Prüfung die Befähigung für das Lehramt an Realschulen erworben haben oder die durch Prüfung erworbene Befähigung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen besitzen und entweder den Schwerpunkt Hauptschule und Realschule oder unabhängig vom Ausbildungsschwerpunkt die Lehrbefähigung für zwei Langfächer nachweisen, die Unterrichtsfächer der Schulform Realschule laut Stundentafel sind. Da die Antragstellerin nur die Prüfungen für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen abgelegt hat, erfüllt sie diese Voraussetzung nicht. Die Antragsgegnerin hat durch diese Passage des Ausschreibungstextes eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie den Besitz der Laufbahnbefähigung nicht ausreichen lässt, sondern verlangt, dass die Laufbahnbefähigung auch für das Lehramt an Realschulen durch eine einschlägige Prüfung erworben wurde. Bewerber, die nicht aufgrund eigener Prüfungsleistung, sondern lediglich durch einen Akt des Verordnungsgebers (Verordnung vom 18.10.2001, aaO) in den Besitz der Laufbahnbefähigung für Grund-, Haupt- und Realschulen gelangt sind, sind demnach in das Auswahlverfahren erst gar nicht einzubeziehen.

Diese durch die Ausschreibung vorgenommene Beschränkung des Bewerberkreises verstößt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts weder gegen Art. 33 Abs. 2 GG noch gegen sonstige Rechtsvorschriften. Die Antragsgegnerin hat nicht etwa ignoriert, dass der Antragstellerin durch die Verordnung vom 18. Oktober 2001 die Laufbahnbefähigung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen zuerkannt worden ist, sie hat nur zusätzliche, objektiv feststellbare Anforderungen an die Bewerber gestellt.

Daran war sie durch Rechtsvorschriften nicht gehindert. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dem Dienstherrn kraft seiner personalpolitischen Organisationsgewalt die Befugnis zusteht, durch in die Ausschreibung aufgenommene Kriterien den Bewerberkreis zu beschränken. Auf diese Weise können Bewerber von vornherein ausgesondert werden, die den Anforderungen des Dienstherrn nicht entsprechen. Die Einholung aktueller dienstlicher Beurteilungen und die vergleichende Bewertung von Eignung und Leistung verschiedener Bewerber erübrigen sich, wenn von vornherein feststeht, dass ein Bewerber eine bestimmte Voraussetzung, auf die der Dienstherr Wert legt und die er vorher öffentlich bekannt gemacht hat, nicht erfüllt. Aus sachlichen Gründen vorgenommene Verengungen des Bewerberfeldes durch ein in die Ausschreibung aufgenommenes "Anforderungsprofil" sind deshalb von der Rechtsprechung allgemein gebilligt worden (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 16.8.2001 - 2 A 3/00 -, BVerwGE 115, 58 = DVBl 2002, 132; OVG Münster, Beschl. v. 15.1.2003 - 1 B 2230/02 -, IÖD 2003, 100; VGH Kassel, Beschl. v. 13.3.2003 - 1 TG 75/03 -, NVwZ-RR 2003, 664; OVG Lüneburg, Beschl. v. 21.11.1995 - 5 M 6322/95 -, NVwZ-RR 1996, 677; vgl. auch Mann, Das Anforderungsprofil als Auswahlkriterium im Beamtenrecht, Nord-ÖR 2001, 341). Rechte des Bewerbers werden durch eine derartige Maßnahme nicht verletzt. Ein Anspruch auf möglichst umfassende Offenhaltung des Bewerberfeldes durch möglichst allgemein gehaltenen Zuschnitt des Bewerbungs- bzw. Anforderungsprofils existiert nicht (OVG Münster, Beschl. v. 15.1.2003, aaO). Die sehr weite Organisationsbefugnis des Dienstherrn, die Funktion eines Dienstpostens nach Art und Umfang sowie die an den Amtsinhaber zu stellenden Anforderungen festzulegen, setzt der gerichtlichen Prüfung enge Grenzen (OVG Münster, Besch. v. 15.1.2003, aaO). So ist es gerichtlich zu beanstanden, wenn mit dem Mittel des Anforderungsprofils Bewerber ohne nähere, anhand der dienstlichen Beurteilungen vorzunehmende Überprüfung ihrer Eignung von vornherein aus dem Auswahlverfahren mit der Begründung ausgeschlossen werden, sie erfüllten ein im Anforderungsprofil genanntes Kriterium, das ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil voraussetzt, nicht (z.B. "diplomatisches Geschick", "hervorragende Eignung zur Mitarbeiterführung", vgl. OVG Münster, Beschl. v. 23.6.2004 - 1 B 455/04 -, NWVBl 2004, 463). In dieser Hinsicht ist der hier streitige Teil des in der Ausschreibung beschriebenen Anforderungsprofils - Ablegen bestimmter Prüfungen - indessen unbedenklich. Denn es lässt sich objektiv - ohne persönlichkeitsbedingtes Werturteil - feststellen, ob die Bewerber die fraglichen Prüfungen abgelegt haben oder nicht.

Zum anderen erstreckt sich die gerichtliche Prüfung darauf, ob die Organisationsgewalt mit Hilfe des Anforderungsprofils willkürlich dazu missbraucht wird, um potentielle Bewerber, die aus unsachlichen Gründen nicht zum Zuge kommen sollen, auszuschließen oder Günstlingen, die aus ebensolchen Gründen bevorzugt werden sollen, eine Beförderung zu ermöglichen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15.1.2003, aaO). Für eine derart missbräuchliche Ausübung des Organisationsermessens ist hier indessen weder von der Antragstellerin etwas vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Dagegen spricht schon, dass die Antragsgegnerin generell von sämtlichen Bewerbern verlangt, dass sie die einschlägige Laufbahnbefähigung durch Prüfung erworben haben.

Auch im übrigen vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die Antragsgegnerin die ihrem Organisationsermessen gesetzten Grenzen überschritten hätte. Der Ausschluss von Bewerbern, die die Laufbahnbefähigung nicht durch Ablegen einer einschlägigen Staatsprüfung erworben haben, ist nicht unsachlich. Insbesondere ist er mit dem Leistungsprinzip nicht nur vereinbar, sondern entspricht ihm in besonderer Weise. Die Antragsgegnerin hat im Einzelnen dargelegt, dass sich die Laufbahnprüfung für Grund- und Hauptschullehrer von derjenigen für Realschullehrer und derjenigen für Grund-, Haupt- und Realschullehrer nicht unerheblich unterscheidet. Die Anforderungen für die beiden zuletzt genannten Laufbahnen sind eindeutig höher. Es wäre zwar wahrscheinlich gerichtlich nicht beanstandet worden, wenn die Antragsgegnerin vor der Ausgestaltung des Anforderungsprofils über diese Unterschiede hinweggesehen und den Weg, auf dem die Laufbahnbefähigung erworben wurde, für unerheblich gehalten hätte (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 22.8.2001 - 5 MA 2652/01 -); unsachlich ist es jedoch keineswegs, wenn zusätzlich zur Tatsache des Vorliegens der Laufbahnbefähigung ein besonderer Leistungsnachweis in Form des Ablegens der einschlägigen Laufbahnprüfung verlangt wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.4.1998 - 4 S 843/98 -).

Obgleich die Verfahrensweise der Antragsgegnerin dazu führt, dass die Antragstellerin trotz der ihr durch die Verordnung vom 18. Oktober 2001 zuerkannten Befähigung für die Laufbahn des Lehramts an Grund-, Haupt- und Realschulen von dem Beförderungsamt einer Realschulkonrektorin ausgeschlossen bleibt - und zwar offenbar nicht nur bei dem hier streitigen Besetzungsverfahren, sondern auch künftig -, rechtfertigt dies nicht den von der Antragstellerin erhobenen Vorwurf, die Antragsgegnerin entwerte im Vorgriff auf eine erst beabsichtigte Änderung des Laufbahnrechts die sich aus dem geltenden Laufbahnrecht ergebende Rechtsposition oder höhle diese aus. Die Antragsgegnerin trägt lediglich dem Umstand Rechnung, dass es eine hinreichend große Anzahl von Bewerbern mit einer Laufbahnbefähigung gibt, die im Vergleich zu derjenigen der Antragstellerin höherwertig ist (Befähigung für die Laufbahn des Lehramts an Realschulen), oder die ihre Befähigung für die Laufbahn des Lehramts an Grund-, Haupt- und Realschulen durch Prüfung nachgewiesen haben. Nicht die Antragsgegnerin nimmt also eine Entwertung oder Aushöhlung vor; sie zieht lediglich Folgerungen aus dem objektiv vorhandenen Unterschied in der Wertigkeit. Dass dieser Unterschied auch auf der Ebene eines Anforderungsprofils für bestimmte höherwertige Ämter außer Acht zu lassen sei, kann deshalb aus § 6 Abs. 2 Bes. NLVO nicht hergeleitet werden, weil diese Vorschrift lediglich eine Mindestvoraussetzung für den Zugang zu allen Ämtern einer Laufbahn regelt und damit kein generelles an die Art der Erlangung der Laufbahnbefähigung anknüpfendes Differenzierungsverbot aufstellt, wie es etwa Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG für die dort genanten Kriterien enthält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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