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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.03.2003
Aktenzeichen: 5 ME 244/02
Rechtsgebiete: GG, NBG, NHG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 33 II
NBG § 8 I
NHG § 52 VIII a.F.
NHG § 26 III n.F.
VwGO § 123 I 1
Eine Auswahlentscheidung, die die Beförderung zum Ersten Polizei-/Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 13 a. D) in der Funktion als Fachhochschuldozent betrifft, ist rechtswidrig, wenn ohne eine Bewertung der bereits ausgeübten und angestrebten Fachschuldozententätigkeit ausschlaggebend auf das außerhalb des Dienstes erfolgreich abgeschlossene Studium der Sozialpädagogik abgestellt wird.
Gründe:

Der im Jahre 1952 geborene Antragsteller, der seit 1994 das Amt eines Polizeihauptkommissars (Besoldungsgruppe A 12) innehat, und der 1954 geborene Beigeladene, der seit 1999 Inhaber des Amtes eines Kriminalhauptkommissars (Besoldungsgruppe A 12) ist, bewarben sich um die bei der Antragsgegnerin zu besetzende Stelle eines Ersten Hauptkommissars (Besoldungsgruppe A 13 g. D). Beide sind als Ausbilder (Fachhochschuldozenten) für die Polizei- oder Kriminalkommissar-Anwärter tätig, die bei der Antragsgegnerin ihren dreijährigen Vorbereitungsdienst absolvieren und mit der Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst abschließen. Der Antragsteller übt diese Tätigkeit seit 1998, der Beigeladene seit 1994 aus. Beide waren zuvor in anderen Bildungseinrichtungen der Polizei im Bereich der Ausbildung der Beamten des mittleren Dienstes tätig, der Antragsteller seit 1991 und der Beigeladene seit 1993. Beiden ist ein nach der Besoldungsgruppe A 13 bewerteter Dienstposten übertragen worden, dem Antragsteller mit Wirkung vom 1. April 1998 der Dienstposten eines Fachhochschuldozenten an der Abteilung C. des Fachbereichs Polizei, dem Beigeladenen mit Wirkung vom 1. November 1996 der Dienstposten eines Fachhochschuldozenten an der Abteilung

D. des Fachbereichs Polizei.

Der Antragsteller erhielt seine letzte dienstliche Beurteilung unter dem 9. September 1997 mit dem Gesamturteil "entspricht voll den Anforderungen (4)". Diese Beurteilung bezieht sich auf den Beurteilungszeitraum vom 1. März 1996 bis zum 31. Mai 1997 und die während dieser Zeit von dem Antragsteller ausgeübte Tätigkeit als Aus- und Fortbildungsdozent, Verhaltenstrainer SET für die künftigen Beamten des mittleren Polizeidienstes. Die ihm vor dieser Beurteilung erteilte dienstliche Beurteilung vom 1. März 1996 bezog sich auf die Tätigkeit des Antragstellers als Sachbearbeiter im Lehrbereich 23, verantwortlicher Koordinator für das systematische Einsatztraining (SET) und Seminarleiter und Verhaltenstrainer und endete mit dem Gesamturteil "gut (13 Punkte)".

Die dem Beigeladenen zuletzt unter dem 3. Februar 1995 erteilte dienstliche Beurteilung mit dem Gesamturteil "gut (13 Punkte)" betraf den Beurteilungszeitraum vom 16. August 1989 bis zum 15. August 1994 und bezog sich auf die Tätigkeit des Beigeladenen als Kriminalkommissar vom Lagedienst im BLFZ und Fahrlehrer innerhalb der Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst. Die ihm zuvor erteilte dienstliche Beurteilung vom 15. August 1989 endete mit dem Gesamturteil "gut (12 Punkte)".

Zur Vorbereitung der hier umstrittenen Auswahlentscheidung erhielten der Antragsteller und der Beigeladene ebenso wie die übrigen Bewerber Fragebogen, in denen Angaben zur persönlichen Eignung/Leistung und Befähigung, zur pädagogischen Eignung/Leistung und Befähigung und zur fachlichen Eignung/Leistung und Befähigung zu machen waren. Unter Berücksichtigung der bei dem Antragsteller und dem Beigeladenen gemachten Angaben und der sie betreffenden Personalakten fertigte die Antragsgegnerin den Auswahlvermerk vom 29. Mai 2002, in dem es unter anderem heißt:

Gemäß Verfügung des Fachbereichs Polizei-V/FB - 01515 - H - vom 11.06.1999 sind die Kriterien für die Durchführung einer vergleichenden Würdigung nach § 8 Abs. 1 NBG iVm § 52 Abs. 8 NHG festgelegt worden. Regelbeurteilungen werden gemäß Erlass MI v. 18.02.2000 - 24.32 - 03002 - für FH-Dozent/Innen nicht erstellt. Die Bewerber/innen unterliegen somit nicht den Beurteilungsrichtlinien des MI vom 29.12.1999 - 22.1 - 03002. Diese Verfahrensweise hat das Verwaltungsgericht Oldenburg in seinem Beschluss vom 05.05.1999 bestätigt.

Außerdem wird in diesem Auswahlvermerk ausgeführt: Neben dem Beigeladenen, der nach einem Studium der Sozialpädagogik mit der Note "sehr gut" diplomiert worden sei, hätten lediglich zwei weitere Bewerber studiert, die übrigen, zu denen auch der Antragsteller gehört, aber nicht. Beim Vergleich der drei Eignungs-, Leistungs- und Befähigungsbereiche (persönlich, pädagogisch und fachlich) seien bis auf die drei Bewerber mit einem abgeschlossenen Studium alle übrigen Bewerber im Wesentlichen gleich einzuschätzen. Nach Abwägung aller in Betracht kommenden Kriterien im Rahmen der Ermessensentscheidung sei das mit "sehr gut" abgeschlossene Pädagogikstudium des Beigeladenen als ausschlaggebende bessere Qualifizierung zu bewerten.

Durch Bescheid vom 19. Juni 2002 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, die Auswahlentscheidung sei zu Gunsten des Beigeladenen ausgefallen. Ein Vergleich der Bewertungen in den Bereichen der persönlichen, pädagogischen und fachlichen Eignung, Leistung und Befähigung zeige, dass der Beigeladene - bei ansonsten im Wesentlichen gleichen Bewertungen - auf Grund seines abgeschlossenen Pädagogikstudiums eine deutlich bessere persönliche Eignung, Leistung und Befähigung aufweise und dadurch im Vergleich zu dem Antragsteller besser qualifiziert sei.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin durch den am 2. August 2002 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 1. desselben Monats zurück. Über die hiergegen am 2. September 2002 erhobene Klage ist bisher nicht entschieden.

Dem am 14. August 2002 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht durch den Beschluss vom 16. Oktober 2002 entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller habe - wie es § 123 Abs. 1 und 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO für den begehrten vorläufigen Rechtsschutz voraussetze - glaubhaft gemacht, dass über seine Bewerbung ermessensfehlerhaft entschieden worden sei und die Auswahlentscheidung bei einem rechtmäßig durchgeführten Auswahlverfahren zu seinen Gunsten ausfallen könne.

Die Auswahlentscheidung sei aus zwei Gründen rechtswidrig, zum einem, weil ihr keine aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerber zugrunde gelegen habe, und zum anderen weil die Antragsgegnerin bei der hier umstrittenen Entscheidung über die Bewerbung um ein Amt des gehobenen Dienstes nicht allein auf die mit dem Studienabschluss des Beigeladenen verbundene Überqualifizierung für den höheren Dienst habe abstellen dürfen.

Trotz der Besonderheiten, die mit der Tätigkeit als Fachdozenten verbunden sei, seien der Antragsteller und der Beigeladene als Hauptkommissare Laufbahnbeamte, für deren dienstliche Beurteilung § 30 Abs. 1 der Verordnung über die Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes des Landes Niedersachsen (PolNLVO) maßgeblich sei. Hieraus und aus dem Leistungsgrundsatz (§ 8 Abs. 1 NBG, Art. 33 Abs. 2 GG) sowie der dem Dienstherrn obliegenden Fürsorgepflicht ergebe sich, dass der Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung eine Anlassbeurteilung zu Grunde zu legen sei. Aus dem in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 5. Mai 1999 (6 B 1113/99) in einem vergleichbaren Fall in diesem Zusammenhang herangezogenen § 52 Abs. 8 NHG könne etwas anderes nicht hergeleitet werden. Denn diese Vorschrift, die die Berufung von Professoren und Hochschuldozenten (§ 60 Abs. 3 Satz 3 NHG) regele, sei mit der hier zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation nicht vergleichbar. Während es für Professoren und Hochschuldozenten darum gehe, das für ihre besondere Laufbahngruppe typische Berufungsverfahren erfolgreich zu bestehen, sei Gegenstand des hier zu beurteilenden Sachverhalts eine Auswahlentscheidung zwischen Angehörigen derselben Laufbahngruppe hinsichtlich einer Beförderungsstelle. Die Berufung als Professor oder Hochschuldozent betreffe lediglich die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern für die Einstellung (in der Regel für einen bestimmten Lehrstuhl an einem bestimmten Fachbereich) und nicht die Besetzung einer Beförderungsstelle einer beamtenrechtlichen Laufbahn. Die in dem Auswahlvermerk vom 29. Mai 2002 durchgeführte "vergleichende Würdigung" entspreche nicht den sich aus § 30 Abs. 2 PolNLVO ergebenden Anforderungen an eine dienstliche Beurteilung. Diese Würdigung beruhe allein auf den Angaben der Bewerber und enthalte keine Wertung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistungen durch einen Dritten. Außerdem sei diese Würdigung entgegen § 30 Abs. 3 PolNLVO den Bewerbern nicht vor der Auswahlentscheidung eröffnet worden.

Zwar bleibe es der Antragsgegnerin unbenommen, die Qualifikation des Beigeladenen als Diplompädagoge im Rahmen einer Anlassbeurteilung sachlich in der Form zu würdigen und zu berücksichtigen, dass konkret im Rahmen einer wertenden Betrachtung plausibel dargelegt wird, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang fachliche und/oder pädagogische Eignung, Leistung und Befähigung des Beigeladenen unter Einbeziehung möglicherweise durch das abgeschlossene Studium erworbener und in der Praxis umgesetzter Fähigkeiten und Erkenntnisse herausgehoben zu beurteilen ist. Es sei aber nicht gerechtfertigt, den Mitbewerbern, die die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für das angestrebte Amt in vollem Umfang erfüllen, den Erfolg ihrer Bewerbung allein mit der formalen Begründung zu versagen, der Mitbewerber habe auf Grund seines Studiums die Qualifikation für den höheren Dienst erworben.

Gegen diesen ihr am 23. Oktober 2002 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 5. November 2002 Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung sie zunächst auf den Vermerk des Niedersächsischen Innenministeriums vom 13. April 2000 hinweist, in dem es heißt:

Bei der Besetzung von Dienstposten in der FHS erfolgt die Bewerberauswahl anstelle einer dienstlichen Beurteilung auf der Grundlage eines qualifizierten und strukturierten Auswahlgesprächs und gegebenenfalls zusätzlich einer Probevorlesung. Im Anschluss daran ist eine eingehende und vergleichende Würdigung der fachlichen, pädagogischen und persönlichen Eignung der Bewerber erforderlich, um eine an den Grundsätzen von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung orientierte Auswahlentscheidung (bzw. einen Auswahlvorschlag) treffen zu können (vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 5.5.1999 - 6 B 1113/99 -). Bei Bewerbungen von Fachhochschuldozenten auf Dienstposten außerhalb der Fachhochschule im Polizeivollzugsdienst ist für diese wegen der erforderlichen Vergleichbarkeit für die dann zu treffenden Auswahlentscheidungen die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung in Anlehnung an die BRLPol notwendig.

Darüber hinaus trägt die Antragsgegnerin vor: Vor dem Hintergrund dieses Vermerkes sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die in diesem Verfahren durchgeführte vergleichende Würdigung (Auswahlvermerk vom 29.5.2002) diesen Vorgaben nicht entspreche, nicht gerechtfertigt. Sie sei in der Art ihrer tatsächlichen Ausgestaltung bereits Gegenstand in einem ähnlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg (Beschl. v. 12.11.1999 - 6 B 2900/99 -) sowie Grundlage zahlreicher Auswahlverfahren gewesen. Soweit die fehlende Bewertung durch Dritte in diesem Zusammenhang gerügt werde, sei nochmals darauf hinzuweisen, dass in einer gemeinsamen Besprechung vor Erstellung der vergleichenden Würdigung die Leistungsstände der in Betracht kommenden Beamten einer umfangreichen Erörterung unterzogen worden seien. Wegen des Fehlens einer Beurteilung im Sinne der Polizeilaufbahnverordnung habe es einer Eröffnung vor der Auswahlentscheidung nicht bedurft. Entgegen der von dem Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht sei auch das Pädagogikstudium des Beigeladenen zutreffend berücksichtigt worden. Als Fachhochschuldozent in der Fachgruppe IV (Erziehungs- und Sozialwissenschaften) weise der Beigeladene auf Grund dieses Studiums eine bessere persönliche Qualifizierung als der Antragsteller auf. Auch hinsichtlich der pädagogischen Eignung sei ein Vorsprung auf Grund dieses Studiums anzunehmen. Diesem Umstand sei aber keine tragende Bedeutung bei der Auswahlentscheidung zugemessen worden, weil auch bei dem Antragsteller insoweit eine nähere Überprüfung nicht stattgefunden habe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und die Gewährung des begehrten vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verteidigt er den angegriffenen Beschluss und macht darüber hinaus geltend: Selbst wenn auf Grund des Erlasses des Innenministeriums vom 13. April 2000 die hauptamtlichen Dozenten an der Fachhochschule von den Beurteilungsrichtlinien ausgenommen seien, ändere dies nichts daran, dass die zu treffende Auswahlentscheidung sich an den Grundsätzen des Leistungsprinzips zu orientieren habe. Die der Auswahlentscheidung zugrunde gelegte vergleichende Würdigung entspreche nicht den an eine dienstliche Beurteilung zu stellenden Anforderungen. Das Hochschulstudium des Beigeladenen habe nicht als ausschlaggebendes Kriterium berücksichtigt werden dürfen.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten einschließlich des unter dem Aktenzeichen 3 A 2400/02 geführten Vorgangs und die Verwaltungsvorgänge sowie Personalakten (Beiakten A bis E) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die von dem Verwaltungsgericht erlassene einstweilige Anordnung ist gerechtfertigt, weil der Antragsteller, wie es für den Erlass dieser Anordnung erforderlich ist (§ 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2, 294 ZPO), glaubhaft gemacht hat, dass sein Anspruch auf eine verfahrens- und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung verletzt und sicherungsbedürftig ist.

Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die umstrittene Auswahlentscheidung ein Akt wertender Erkenntnis, der nur in eingeschränktem Maße einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet hat, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl.: BVerwG, Urt. v. 16.8.2001 - 2 A 3.00 -, BVerwGE 115, 58 = DVBl. 2002, 132; OVG Lüneburg, Beschl. v. 3.12.2001 - 5 MB 3911/01 -, DÖD 2002, 102; Beschl. v. 6.2.2003 - 5 ME 173/02 -). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht, ausgehend von diesen Grundsätzen, auch darauf hingewiesen, dass die Beachtung des gesetzlichen Rahmens es gebietet, bei Anwendung des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 8 NBG die den Bewerbern in dem hier zu beurteilenden Fall nach § 30 PolNLVO grundsätzlich zu erteilenden dienstlichen Beurteilungen in erster Linie zu berücksichtigen, und dass hierbei der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig besondere Bedeutung zukommt, weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich von Leistung und Eignung auf den aktuellen Stand abzustellen ist. Ergibt dies, dass die Bewerber im Wesentlichen gleich beurteilt sind, steht es dem Dienstherrn frei, die Auswahl nach weiteren sachgerechten Merkmalen (Hilfskriterien, wie etwa das Dienstalter oder frühere Beurteilungen) zu treffen. Ist aber einer der Bewerber um eine oder mehrere Notenstufen besser beurteilt, kann von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilung nicht ausgegangen werden und ist grundsätzlich der mit der besseren Notenstufe beurteilte Bewerber der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung geeignetste (vgl.: OVG Lüneburg, Beschl. v. 7.4.1998 - 5 M 1950/98 -, Nds.Rpfl. 1998, 238; Beschl. v. 06.02.2003 - 5 ME 173/03 -).

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass eine Auswahlentscheidung rechtswidrig ist, wenn der gesetzliche Rahmen nicht beachtet und die Beurteilungsrichtlinien nicht berücksichtigt wurden. Diese Annahme ist hier gerechtfertigt, weil die Antragsgegnerin die für den Antragsteller und den Beigeladenen maßgeblichen beurteilungsrechtlichen Bestimmungen nicht beachtet hat. Als Polizeihauptkommissare und Angehörige des gehobenen Polizeivollzugsdienstes sind für den Antragsteller und den Beigeladenen nach § 30 PolNLVO grundsätzlich regelmäßig alle drei Jahre dienstliche Beurteilungen zu erteilen, soweit das Innenministerium nichts anderes bestimmt. Wegen der Besonderheit der dem Antragsteller und dem Beigeladenen als Fachhochschuldozenten bei der Antragsgegnerin obliegenden Aufgaben hat das Innenministerium durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Verwaltungsvorschrift vom 13. April 2000 bestimmt, dass die Bewerberauswahl anstelle einer dienstlichen Beurteilung auf der Grundlage eines qualifizierten und strukturierten Auswahlgesprächs und gegebenenfalls zusätzlich einer Probevorlesung erfolgt und im Anschluss daran eine eingehende und vergleichende Würdigung der fachlichen, pädagogischen und persönlichen Eignung der Bewerber erforderlich ist. Diesen Anforderungen hat die Antragsgegnerin nicht entsprochen. Denn es ist weder ein qualifiziertes und strukturiertes Auswahlgespräch mit dem Antragsteller und dem Beigeladenen geführt worden noch sind deren Vorlesungen angehört und bewertet worden. Der in dem Auswahlvermerk vom 29. Mai 2002 niedergelegten Würdigung der fachlichen, pädagogischen und persönlichen Eignung der Bewerber fehlt daher die auf Grund er genannten Bestimmung des Innenministeriums vorgesehene tragfähige Grundlage. Weder bei den in den von den Bewerbern ausgefüllten Fragebogen gemachten Angaben, die anhand der Personalakten überprüft wurden, noch bei der nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin vor der Auswahlentscheidung durchgeführten Besprechung mit dem Dekan des Fachbereichs und den Leitern der Abteilungen C. und D. handelt es sich um ein qualifiziertes und strukturiertes Auswahlgespräch mit den Bewerbern und auch nicht um eine Bewertung von deren Vorlesungen. Hinsichtlich des Auswahlvermerks wird dies bestätigt durch die dort enthaltene Feststellung: "Zur Lehrqualität kann hinsichtlich aller Bewerber keine Aussage getroffen werden. Eigene Evaluierungen wurden nicht durchgeführt." Hinsichtlich der mit der Beschwerde angesprochenen Besprechung zwischen dem Dekan des Fachbereichs und den Leitern der Abteilungen C. und D. sind keinerlei Unterlagen vorgelegt und ist nicht erkennbar, dass dieser Besprechung Erkenntnisse über die aktuelle Tätigkeit der Bewerber als Fachdozenten zugrunde lagen.

Eine andere Beurteilung des zu beachtenden gesetzlichen Rahmens und der zu beachtenden maßgeblichen Richtlinien lässt sich auch nicht aus dem am 1. Oktober 2002 außer Kraft getretenen (Art. 7 des Gesetzes zur Hochschulreform Niedersachsen vom 24.6.2002, Nds.GVBl. S. 286) § 52 Abs. 8 NHG a. F. (in der Fassung vom 24.3.1998, Nds.GVBl. S. 300), dem der jetzt maßgebliche § 26 Abs. 3 Satz 1 und 2 NHG n. F. (in der Fassung vom 24.6.2002, Nds.GVBl. S. 286) entspricht, herleiten. Diese Vorschriften betreffen einen Teil des umfangreichen für Professorenstellen geltenden Berufungsverfahrens. Die hier zu beurteilende Auswahlentscheidung betrifft jedoch keine Professorenstelle, sondern die nach der Besoldungsgruppe A 13 (gehobener Dienst) bewertete Stelle eines Kriminal- oder Polizeihauptkommissars, auf die die §§ 52, 26 NHG ihrem Wortlaut und ihrem Sinn und Zweck nach nicht anzuwenden sind. Außerdem würde sich aus diesen Vorschriften ergeben, dass der Würdigung der fachlichen, pädagogischen und persönlichen Eignung nicht nur - wie in den dargestellten Richtlinien vorgesehen - ein qualifiziertes und strukturiertes Auswahlgespräch und gegebenenfalls zusätzlich eine Probevorlesung zugrunde zu legen ist, sondern "Gutachten auswärtiger sachverständiger Personen über die Leistungen in Wissenschaft oder Kunst einschließlich der Lehre" (§ 26 Abs. 3 Satz 2 NHG n. F., § 58 Abs. 8 Satz 1 NHG a. F.).

Die Frage, ob das danach unter Berücksichtigung der zu beachtenden Richtlinien erforderliche "qualifizierte und strukturierte Auswahlgespräch und die gegebenenfalls zusätzliche Probevorlesung" den sich aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 8 Abs. 1 NBG ergebenden Erfordernissen genügen, ist unter Berücksichtigung der eingangs genannten Grundsätze zu beantworten. Danach gebieten Art. 33 Abs. 2 GG und § 8 Abs. 1 NBG und das Erfordernis, der Auswahlentscheidung einen richtigen (vollständigen) Sachverhalt zugrunde zu legen, eine aktuelle Bewertung von Leistung und Eignung bei der vor der Auswahlentscheidung ausgeübten dienstlichen Tätigkeit. Ziel der umstrittenen Auswahlentscheidung ist es, den nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bestgeeigneten Bewerber für das Amt eines Ersten Polizei- oder Kriminalhauptkommissars (Besoldungsgruppe A 13 g. D.) in der Funktion eines Fachhochschuldozenten zu bestimmen. Gerade diese Funktion macht es jedenfalls in den Fällen, in denen wie in dem hier zu beurteilenden Fall alle Bewerber bereits als Fachhochschuldozenten tätig sind, erforderlich, diese bisher ausgeübte und auch in dem angestrebten Amt auszuübende Tätigkeit zu berücksichtigen und der Bewertung von Eignung, Befähigung fachlicher Leistung zugrunde zu legen. Dies geschieht regelmäßig durch eine entsprechende dienstliche Beurteilung. Unterrichtsbesuche und auf ihnen beruhende dienstliche Beurteilungen haben sich im Bereich der Schulverwaltung als geeignete Instrumente zur Ermittlung des einer Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts erwiesen. Auch das Verwaltungsgericht Oldenburg ist in den erwähnten Entscheidungen (Beschlüsse v. 3.5.1999 - 6 B 989/99 -, v. 5.5.1999 - 6 B 1113/99 - und vom 12.11.1999 - 6 B 2900/99 -) davon ausgegangen, dass der Auswahlentscheidung eine Anlassbeurteilung oder eine andere nachvollziehbare Wertung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zugrunde zu legen ist (vgl.: VG Oldenburg, Beschl. v. 5.5.1999 - 6 B 1113/99 -, S. 4).

Danach ergibt sich aus dem zu beachtenden gesetzlichen Rahmen und dem Gebot, der Auswahlentscheidung einen richtigen (vollständigen) Sachverhalt zugrunde zu legen, die Notwendigkeit, die Lehrtätigkeit der Bewerber einer aktuellen Bewertung hinsichtlich der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu unterziehen.

Das ist bisher nicht geschehen. Wie bereits ausgeführt, ist das in den Richtlinien vorgesehene qualifizierte und strukturierte Auswahlgespräch nicht geführt und sind Probevorlesungen nicht gehalten worden. Auch auf andere Art und Weise - etwa auf Grund von Berichten über das Unterrichtsverhalten oder durch Auswertung von aktuellen Vorlesungsskripten oder Bewertungen von Leistungskontrollen etc. ist ein Sachverhalt, der die Bewertung der aktuellen Unterrichtstätigkeit der Bewerber als Fachhochschuldozenten ermöglicht, nicht ermittelt worden. Der Beigeladene ist dem Antragsteller vorgezogen worden mit der Begründung, er "besitze" auf Grund des abgeschlossenen Sozialpädagogikstudiums "eine deutlich bessere persönliche Eignung, Leistung und Befähigung" und sei auf Grund dieses Studiums auch hinsichtlich der pädagogischen Eignung, Leistung und Befähigung, insbesondere im Hinblick auf die in der Fachgruppe IV von ihm zu unterrichtenden sozialpädagogischen Fächer besser qualifiziert. Bei dem danach in erster Linie maßgeblichen Sozialpädagogikstudium des Beigeladenen handelt es sich um einen Umstand, der außerhalb seiner bisherigen Fachhochschultätigkeit und der angestrebten Fachhochschultätigkeit liegt und deshalb nur mittelbar eine Bewertung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung für das angestrebte Amt ermöglicht. Es ist durchaus vorstellbar, dass ein Absolvent eines Sozialpädagogikstudiums nur eingeschränkt in der Lage ist, die für den Erwerb der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Polizeidienst erforderlichen Unterrichtsinhalte zu vermitteln (vgl.: zur Berücksichtigung eines Verwaltungsdiploms im Zusammenhang mit der Bewerbung um einen nach der Besoldungsgruppe A 12 bewerteten Dienstposten: OVG Saarland, Urt. v. 19.2.1969 - III R 63/68 -, Ri A 1969, 231; vgl. auch: OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.11.1999 - 5 M 2239/99 -). Zwar ist es durch- aus möglich, dass sich das erfolgreich absolvierte Sozialpädagogikstudium auf die bisherige Tätigkeit des Beigeladenen als Fachhochschuldozent positiv ausgewirkt hat und deshalb die Amtswahrnehmung auch bei Ausübung des angestrebten Amtes durch den Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller als qualifizierter prognostiziert werden kann. Ein entsprechender Sachverhalt ist bisher aber nicht ermittelt. Wie bereits ausgeführt, wird in dem Auswahlvermerk ausdrücklich festgestellt, dass zur Lehrqualität der Bewerber keine Aussage getroffen werden kann. In dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 12. November 1999 (6 B 2900/99), auf den die Beschwerde hinweist, wird zwar - ähnlich wie hier das Studium der Sozialpädagogik - ein Studium der Rechtswissenschaft als stark zu gewichtendes Kriterium hinsichtlich der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung eines Fachhochschuldozenten angesehen, jedoch unterscheidet sich dieser Fall von dem hier zu beurteilenden Fall dadurch, dass dieses Studium seit der Beurteilung vom 16. Februar 1986 jeweils Eingang in die dienstlichen Beurteilungen des Beigeladenen gefunden hatte und daher der Auswahlentscheidung ein Sachverhalt zugrunde lag, dem Bewertungen der Auswirkungen des Studiums auf die dienstliche Tätigkeit zu entnehmen waren. Diese Annahme ist in dem hier zu beurteilenden Fall nicht gerechtfertigt, weil der Beigeladene sein Studium im Mai 2001 abgeschlossen hat und ihm die letzte dienstliche Beurteilung im Februar 1995 erteilt wurde.

Da aus diesen Gründen die hier umstrittene Auswahlentscheidung wegen Nichtbeachtung des gesetzlichen Rahmens und der maßgeblichen Richtlinien sowie der Zugrundelegung eines unvollständigen Sachverhalts rechtswidrig ist, ist der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung gerechtfertigt, wenn die Aussichten des Antragstellers, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, DVBl. 2002, 1633 = ZBR 2002, 395 = NordÖR 203, 30). Durch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. April 2002 (2 ME 40/02, 2 B 423/02), durch den der Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt worden war, es bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine künftige Auswahl des Antragstellers, aufgehoben. Deshalb hält auch der beschließende Senat an seiner ursprünglich vertretenen Auffassung, dass eine einstweilige Anordnung nur ergehen kann, wenn die Vermeidung des Rechtsfehlers der Auswahlentscheidung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur Auswahl des Antragstellers führen kann (vgl.: NdsOVG, Beschl. v. 7.4.1998 - 5 M 1950/98 -, Nds.Rpfl. 1998, 283; Beschl. v. 2.9.2002 - 5 ME 153/02 -), nicht mehr fest.

Die Möglichkeit der Auswahl des Antragstellers auf Grund einer erneuten Auswahlentscheidung ist in dem hier zu beurteilenden Fall zu bejahen, weil die Lehrtätigkeit des Antragstellers und des Beigeladenen, die sowohl für das gegenwärtig ausgeübte als auch für das angestrebte Amt von entscheidender Bedeutung ist, bisher keine Bewertung hinsichtlich der für die Auswahl maßgeblichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung erfahren hat und deshalb der Ausgang des erneuten Auswahlverfahrens offen ist.

Ende der Entscheidung

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