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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.12.2008
Aktenzeichen: 5 ME 350/08
Rechtsgebiete: NBG, NLVO


Vorschriften:

NBG § 8 Abs. 1
NLVO § 40 Abs. 3 S. 4
NLVO § 40 Abs. 3 S. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin dagegen, dass ihr das Verwaltungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt hat, die umstrittene Stelle einer Studiendirektorin oder eines Studiendirektors mit dem beigeladenen E. zu besetzen und diesen zu befördern, bevor nicht über die Bewerbung der Antragstellerin, einer F., rechtskräftig entschieden ist.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.

Aus den dargelegten Beschwerdegründen, die grundsätzlich allein zu prüfen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die angefochtene Entscheidung in der begehrten Weise abzuändern (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) ist. Mit ihren Darlegungen in der Beschwerdeschrift und deren Ergänzung durch den Schriftsatz vom 20. Oktober 2008 hat die Antragsgegnerin nämlich die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin habe neben dem für den Erlass einer Sicherungsanordnung erforderlichen Anordnungsgrund auch einen entsprechenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO; 920 Abs. 2 ZPO), im Ergebnis nicht zu erschüttern vermocht. Vielmehr ist das noch nicht bestandkräftig abgeschlossene Auswahlverfahren mit erheblicher Wahrscheinlichkeit fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass die Antragstellerin bei korrektem Vorgehen der Antragsgegnerin möglicherweise erfolgreich gewesen wäre und sein wird.

Zu Recht hat sich das Verwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass die Begründung der getroffenen Auswahlentscheidung deshalb nicht tragfähig sei, "weil der so genannte 'Laufbahnvorsprung', der hier zu Gunsten der Antragstellerin als F. zum Zuge kommen kann, überhaupt nicht erwähnt und bewertet worden ist". Die Vorinstanz hat diese Einsicht allerdings teilweise unrichtig an das entscheidungserhebliche Normengefüge angebunden, indem die formalen und materiellen Anforderungen an die Ablehnung einer Bewerbung unzulässig miteinander verwoben worden sind, und sie hat auch die tatsächlichen Gründe für die Auswahlentscheidung im Lichte ihrer jedenfalls ursprünglich unzureichenden Bekanntgabe unzutreffend auf den Aspekt des "Notenvorsprungs" reduziert.

Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2005 wurde in Form des Einverständnisses der stellvertretenden Behördenleiterin (Bl. 5 der Beiakte - BA - B) mit einem Auswahlvorschlag vom 11. Februar 2008 (Bl. 1 ff. [4] BA B) getroffen. Dieses Einverständnis erklärte die stellvertretenden Behördenleiterin zwar erst nach Kenntnisnahme des behördeninternen Schreibens an die Frauenbeauftragte vom 24. April 2008 (Bl. 16 f. [17] BA B). Es ist aber eine Veränderung oder ein Abrücken von der Begründung des Auswahlvorschlages infolge dieser Kenntnisnahme nicht zu verzeichnen. Der Auswahlvorschlag seinerseits ist das Ergebnis einer Abwägung (Bl. 4 BA B, dort unter 12), in der eine für den Beigeladenen gestellte Eignungsprognose ("hervorragende Eignung") einer für die Antragstellerin abgegebenen Eignungsprognose ("gute Eignung") gegenübergestellt wird. Der Vorschlag stammt von dem schulfachlichen Dezernenten G. und damit derselben Person, die auch die aktuellen dienstlichen Beurteilungen für beide Bewerber erteilt hatte. Die genannten Eignungsprognosen in dem Auswahlvorschlag stimmen zwar mit den in diesen aktuellen dienstlichen Beurteilungen des Beigeladenen vom 21. Januar 2008 (Bl. 192 ff. [196] BA C) und der Antragstellerin vom 17. Januar 2008 (Bl. 174 ff. [177] BA D) enthaltenen Aussagen über die Eignung für eine neue Tätigkeit (vgl. § 40 Abs. 2 Satz 2 NLVO) überein. Sie erfahren aber in dem Auswahlvorschlag eine eigene Herleitung (Bl. 4 BA B, dort unter 11), in die neben dem Gesichtspunkt der "fachlichen Eignungen" (im Sinne des eingeschränkten Begriffsverständnisses des Verfassers des Auswahlvermerks) für die Stelle (Beigeladener: "sehr gute fachliche Eignungen"; Antragstellerin: "gute fachliche Eignungen") auch das Ausmaß der Erfüllung des "Anforderungsprofils" Eingang findet, wobei namentlich auf das im Text der Stellenausschreibung (vgl. SVBl. 2007, 167, dort unter: Gymnasien, 2. lit. d) genannte Erfordernis fundierter Kenntnisse der Schulsoftware abgehoben wird. Auf den Grad der "fachlichen Eignungen" (im Sinne des eingeschränkten Begriffsverständnisses) beider Bewerber wird in dem Auswahlvorschlag aufgrund der Ergebnisse des "Bewerbungsverfahrens" geschlossen, wobei angeführt ist, dass der Beigeladene "im Gegensatz" zu der Antragstellerin gezeigt habe, dass er "sehr guten" Unterricht erteile. Diese Wertung knüpft damit ersichtlich an die aktuellen Leistungsbeurteilungen (vgl. § 40 Abs. 2 Satz 1 NLVO) des Beigeladenen und der Antragstellerin an, die im Wesentlichen auf der Grundlage von Unterrichtsbesichtigungen erstellt wurden. Zum Zwecke dieser Leistungsbeurteilungen hatte der Beurteiler jedoch in Bezug auf den Beigeladenen und die Antragstellerin nicht denselben Beurteilungsmaßstab anzulegen; denn dieser Maßstab war mit Blick auf das innegehaltene Amt im statusrechtlichen Sinne (hier: E., dort: F.) zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. 6. 1980 - BVerwG 2 C 13.79 - ZBR 1981, 197 [198] - zitiert nach juris, Langtext Rn. 32), sodass selbst bei gleichem Leistungsbild die Leistungsbeurteilung der Beamtin im höheren Statusamt ungünstiger als diejenige des Beamten im niedrigeren Statusamt ausfallen konnte. Die Beamtinnen und Beamten in einem höheren Statusamt müssen nämlich nach der Beförderung - auch bei gleicher Verwendung - höheren Anforderungen genügen (vgl. Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und Richter, Stand: November 2008, Rn. 255, 292 und 292a). Der Verfasser des Auswahlvermerks hätte daher - vorausgesetzt seine Leistungsbeurteilungen sind nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil er fälschlich für H. und I. einen diese Statusämter übergreifenden einheitlichen Beurteilungsmaßstab anlegte - vergleichende Aussagen über die "fachlichen Eignungen" der Bewerber nicht aus deren Leistungsbeurteilungen in verschiedenen Statusämtern herleiten dürfen, ohne erkennbar dem unterschiedlichen Beurteilungsmaßstab Rechnung zu tragen. Bei der Anlegung unterschiedlicher Maßstäbe kann nämlich aus einem "sehr guten" Unterricht eines J. im Vergleich zu einem "guten" Unterricht einer F. ein fachlicher Eignungsvorsprung (im Sinne des eingeschränkten Begriffsverständnisses des Verfassers des Auswahlvermerks) gerade nicht zu entnehmen sein. Auch für den Fall, dass den Leistungsbeurteilungen des Beigeladenen und der Antragstellerin fälschlich derselbe Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt worden sein sollte, ist das Auswahlverfahren nicht ordnungsgemäß. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass dann zwar ein Beurteilungsfehler einzuräumen sei, dieser sich aber auf die Auswahl nicht habe auswirken können, weil der Beigeladene ja jedenfalls besseren Unterricht als die Antragstellerin gezeigt habe. Der als Auswahlentscheidung übernommene Auswahlvorschlag und mehr noch die ihn negativ umsetzende Ablehnung der Bewerbung der Antragstellerin durch den Bescheid vom 16. Mai 2008 (Bl. 22 der Gerichtsakte - GA-) heben nämlich nicht auf einen beliebig gewichtigen Unterschied in den "fachlichen Eignungen" (im Sinne des eingeschränkten Begriffsverständnisses des Verfassers des Auswahlvermerks) bzw. der Leistungsbeurteilung der Bewerber ab, sondern auf einen Unterschied, der einen "Notensprung" rechtfertigt. Dass ein derart gewichtiger Unterschied tatsächlich besteht, ist hier jedoch gerade auch für den Fall nicht zweifelsfrei, dass fälschlich derselbe Beurteilungsmaßstab angelegt wurde. Das ergibt sich unter anderem daraus, dass die Leistungsbeurteilungen des Beigeladenen und der Antragstellerin unter Verwendung der sechs Notenstufen des § 16 Abs. 5 NLVO erstellt wurden, obwohl die fünf Rangstufen des § 40 Abs. 3 Satz 4 NLVO hätten zur Anwendung gelangen müssen. Bereits wegen dieses Fehlers bleibt nämlich unklar, ob sich bei Verwendung des andersartigen und geringer gespreizten Spektrums der Rangstufen ein "Notensprung" ergeben hätte. In der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 26. 8. 2008 - 5 ME 122/08 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit) ist geklärt, dass das Niedersächsische Kultusministerium mit Erlass vom 4. Dezember 2006 zwar in ganz überwiegend zulässiger Weise angeordnet hat, dass nach dem Außerkrafttreten des Runderlasses "Unterrichtsbesichtigungen und Unterrichtsbesuche - Dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte" vom 5. Mai 1982 (Nds. MBl. S. 499), zuletzt geändert durch Erlass vom 17. Mai 2005 (Nds. MBl. S. 404), die in diesem Runderlass getroffenen Regelungen für eine Übergangszeit vom 1. Januar 2007 bis zum Inkrafttreten neuer Beurteilungsrichtlinien für Lehrkräfte weiter angewendet werden. Diese Anordnung ist aber gerade insoweit nicht rechtens, als mit der weiteren Anwendung der Regelungen des Runderlasses eine Abweichung von zwingenden Vorschriften des § 40 NLVO - wie etwa derjenigen des § 40 Abs. 3 Satz 4 NLVO über die für das Gesamturteil zu verwendenden Rangstufen - verbunden wäre (Nds. OVG, Beschl. v. 10. 11. 2008 - 5 ME 260/08 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit). Eine solche Abweichung lässt für die vorliegende Fallgestaltung auch § 40 Abs. 3 Satz 6 NLVO nicht zu. Denn mit dieser Vorschrift ist nicht bezweckt, den Austausch der - im Interesse der ressortübergreifenden Vergleichbarkeit - landeseinheitlich vorgegebenen Rangstufen durch ein anderes Notenspektrum gleicher Funktion zuzulassen. Für einen solchen Austausch wäre auch kein Bedürfnis zu erkennen.

Nach alledem ist die Auswahlentscheidung also fehlerhaft, weil in die gegeneinander abgewogenen Eignungsprognosen die "fachlichen Eignungen" (im Sinne des eingeschränkten Begriffsverständnisses des Verfassers des Auswahlvermerks) der Bewerber eingegangen sind und auf diese Eignungen anhand von Leistungsbeurteilungen geschlossen wurde, die - in Ansehung der Bedeutung des höheren Statusamtes der Antragstellerin - entweder fehlerhaft ausgewertet wurden oder auf einem unrichtigen Beurteilungsmaßstab beruhen und die jedenfalls unter Verwendung eines unzulässigen Notenspektrums erstellt wurden.

Vor diesem rechtlichen und tatsächlichen Hintergrund kann die Antragsgegnerin mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht durchdringen.

Die Begründung der Ablehnung der Bewerbung der Antragstellerin in dem Bescheid vom 16. Mai 2008 genügte den sich aus § 39 Abs. 1 VwVfG (i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) ergebenden formalen Anforderungen nicht. Das ergibt sich zwar nicht daraus, dass diese Begründung materiell-rechtlich nicht trägt, es folgt aber daraus, dass sie die Gründe der an den Auswahlvermerk anknüpfenden Auswahlentscheidung nur mit entstellender Verkürzung wiedergibt, weil der "Notensprung" in der Leistungsbeurteilung weder unmittelbar noch allein als diejenige wesentliche Auswählerwägung zu betrachten ist, die dafür maßgeblich war, dass der Antragstellerin der Beigeladene vorgezogen wurde. Es kann dahinstehen, inwieweit - was die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde geltend macht - dieser formale Mangel zwischenzeitlich gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VwVfG in zulässiger Weise behoben wurde. Denn die Begründung des Auswahlvorschlages vermag - wie bereits oben ausgeführt - aus materiell-rechtlichen Gründen die Ablehnung der Bewerbung der Antragstellerin nicht zu tragen, sodass allein ihre nachträgliche Bekanntgabe zur Rechtmäßigkeit dieser Ablehnung nicht führen kann.

Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin unter Hinweis auf das behördeninterne Schreiben an die Frauenbeauftragte geltend, ihr sei bewusst gewesen, dass u. a. der "Laufbahnvorsprung", also das höhere Statusamt der Antragstellerin, bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen gewesen sei. Mit dem Verwaltungsgericht ist ihr nämlich entgegenzuhalten, dass sie die Bedeutung dieses Umstandes nur unzureichend erkannt hat, indem sie sie im Wesentlichen auf Fälle eines Notengleichstandes reduzierte und die Auswirkungen auf den Beurteilungsmaßstab nicht in den Blick nahm.

Zuzustimmen ist der Antragsgegnerin darin, dass es trotz des "Laufbahnvorsprungs" der Antragstellerin zulässig blieb, die Auswahlentscheidung auch anhand weiterer den Leistungsgrundsatz wahrender Kriterien zu treffen und sie daher nicht von vornherein gehindert war, den Beigeladenen auszuwählen (vgl. insoweit: Nds. OVG, Beschl. v. 6. 8. 2007 - 5 ME 199/07 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit). Dies führt jedoch nicht zur Bedeutungslosigkeit des bei der Erstellung der Eignungsprognosen in Bezug auf das Element der "fachlichen Eignungen" (im Sinne des eingeschränkten Begriffsverständnisses des Verfassers des Auswahlvermerks) unterlaufenen Fehlers. Denn allein auf die vollständigere Erfüllung des Anforderungsprofils in Ansehung der mit der Stellenausschreibung geforderten fundierten Kenntnisse der Schulsoftware ist die Auswahlentscheidung ursprünglich nicht gestützt worden - und kann sie ohne unzulässige Veränderung ihres Wesens auch durch nachträgliche Ergänzung der Ermessenserwägungen (§ 114 Satz 2 VwGO) nicht mehr gestützt werden. Vor dem Hintergrund der Formulierung unter 1. lit. d) des Vorspanns zu der Stellenausschreibung (SVBl. 2007, 163 - Bl. 78 GA) und deren eigener bisheriger Interpretation durch die Antragsgegnerin ist in dem Erfordernis fundierter Kenntnisse der Schulsoftware auch kein obligatorisches Merkmal des Anforderungsprofils (vgl. hierzu: Nds. OVG Beschlüsse v. 24. 7. 2008 - 5 ME 70/08 -, v. 27. 5. 2008 - 5 ME 111/08 - und v. 18. 12. 2007 - 5 ME 351/07 - alle veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit) zu sehen, sondern nur eine "gewünschte fachliche oder persönliche Eignung" im Sinne eines nicht zwingenden Merkmals.

Ende der Entscheidung

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