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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 5 ME 504/07
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 123 Abs. 3
ZPO § 294
ZPO § 920 Abs. 2
Zur Frage, ob der Dienstherr berechtigt ist, einen Beamten von einem Auswahlverfahren um einen Beförderungsdienstposten auszuschließen, nachdem gegen den Beamten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist.
Gründe:

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. November 2007, mit dem dieses es abgelehnt hat, der Antragsgegnerin auf den Antrag des Antragstellers im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Beförderung des Beigeladenen in ein Amt der Besoldungsgruppe A 10 zu unterlassen.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt, dass der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat, wie es jedoch nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlich ist.

Das Verwaltungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass die Antragsgegnerin berechtigt war, den Antragsteller von der Auswahlentscheidung und der anschließenden Beförderung auszuschließen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 24.09.1992 - 2 B 56.92 -, juris, Langtext, RdNr. 4 = Buchholz 236.1, § 42 SG Nr. 1; Urt. v. 13.05.1987 - 6 C 32.85 -, juris, Langtext, RdNr. 12 = Buchholz 236.1 § 31 SG Nr. 21) ist der Dienstherr berechtigt, einen Beamten für die Dauer einer gegen ihn durchgeführten disziplinarischen Untersuchung von einer an sich möglichen Beförderung oder einer entsprechenden Maßnahme auszunehmen. Denn der Dienstherr würde sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen Beamten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs befördert oder in vergleichbarer Weise fördert und damit die Befähigung und Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejaht, obwohl er zuvor mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass er Anlass sieht, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.09.1992 und Urt. v. 13.05.1987, a.a.O.). Dieses Recht des Dienstherrn bezieht sich, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat, nicht nur auf die abschließende Maßnahme der Beförderung, sondern auch auf die dieser Maßnahme vorgelagerte Auswahlentscheidung. Insoweit sind für das Auswahlverfahren und die abschließende Beförderungsentscheidung einheitliche Maßstäbe zugrunde zu legen.

Der Antragsteller kann demgegenüber nicht mit Erfolg geltend machen, die Antragsgegnerin habe es unter Verstoß gegen ihre Beförderungsrichtlinien vom 10. November 2006 (1-13-03110) unterlassen, in seinem Fall konkret zu prüfen, ob seine Beförderung trotz des gegen ihn anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und des eingeleiteten Disziplinarverfahrens zulässig ist. Die Antragsgegnerin hat insoweit in Nr. 1 ihrer Beförderungsrichtlinien das Folgende geregelt:

"Steht eine Beamtin oder ein Beamter im Verdacht, ein Dienstvergehen begangen zu haben, unterbleibt eine Beförderung bis zum Abschluss der disziplinaren Ermittlungen. Die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens begründet grundsätzlich den Verdacht eines Dienstvergehens.

Da Polizeivollzugsbeamtinnen/Polizeivollzugsbeamte erfahrungsgemäß wegen ihrer spezifischen Tätigkeit auch grundlos mit Ermittlungsverfahren überzogen werden, ist jeweils der konkrete Sachverhalt zu prüfen, ob die Beförderung trotz eines anhängigen Verfahrens zulässig ist. Diese Überprüfung obliegt dem/der Dezernatsleiter/in Personal."

Es kann offenbleiben, ob die Antragsgegnerin überhaupt verpflichtet war, nach Maßgabe dieser Bestimmungen im Falle des Antragstellers eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dagegen spricht, dass die Beurteilungsrichtlinien mit der Formulierung "erfahrungsgemäß wegen ihrer spezifischen Tätigkeit auch grundlos mit Ermittlungsverfahren überzogen werden" ganz offensichtlich auf außerbehördliche Anzeigeerstatter abstellen. Die Antragsgegnerin hat den Sachverhalt jedenfalls aber konkret überprüft und ist zu der Entscheidung gelangt, dass die Beförderung des Antragstellers angesichts des gegen ihn anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht in Betracht kommt.

Die konkrete Überprüfung des Sachverhalts hat das insoweit zuständige Personaldezernat (Dezernat 13) der Antragsgegnerin durchgeführt. Das Personaldezernat, das auch schon die von dem Polizeipräsidenten der Antragsgegnerin unterzeichnete Verfügung über die Einleitung eines behördlichen Disziplinarverfahrens vom 13. Juli 2007 entworfen hatte, ist auf der Ebene der Sachbearbeiter zu der Einschätzung gelangt, dass eine Beförderung des Antragstellers aufgrund des gegen ihn bestehenden Verdachts nicht erfolgen kann. Diese Einschätzung ist in dem Bearbeitungsvermerk vom 20. Juli 2007 (Bl. 38 der Beiakte A) festgehalten worden. Der Vorgang ist im Anschluss daran nach Maßgabe der Beurteilungsrichtlinien der Dezernatsleiterin Personal, D., zur Überprüfung vorgelegt worden. Die Dezernatsleiterin ist nach Beteiligung des Polizeipräsidenten und des Polizeivizepräsidenten, die sie über den Sachverhalt informiert hat, übereinstimmend mit diesen zu der Auffassung gelangt, dass die Beförderung des Antragstellers wegen des gegen ihn anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht in Betracht kommt. Das Ergebnis ihrer Überprüfung hat die Dezernatsleiterin auf Bl. 38 der Beiakte A festgehalten. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Dezernatsleiterin diese Überprüfung nicht sorgfältig und in Unkenntnis der Einzelheiten des gegen den Antragsteller anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und des disziplinarrechtlichen Verfahrens durchgeführt hat.

Der Antragsteller kann auch nicht mit Erfolg einwenden, er habe die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und im Disziplinarverfahren gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit seiner umfangreichen Stellungnahme vom 15. Juli 2007, die er sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Beschwerdeverfahren vorgelegt habe, ausgeräumt. Mit dem Schriftsatz vom 15. Juli 2007 hat sich der Antragsteller zwar im Einzelnen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen geäußert. Die Einlassungen des Antragstellers haben die zuständige Staatsanwaltschaft E. im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jedoch nicht veranlasst, das gegen den Antragsteller eingeleitete Ermittlungsverfahren einzustellen. Die Antragsgegnerin hat sich in Kenntnis der Einlassungen des Antragstellers ebenfalls nicht in der Lage gesehen, das eingeleitete disziplinarrechtliche Verfahren einzustellen. Sie geht vielmehr nach wie vor davon aus, dass gegen den Antragsteller "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" Anklage erhoben wird. Im Beschwerdeverfahren hat sie insoweit ergänzend vorgetragen, dass das Disziplinarverfahren wegen neu bekannt gewordener Vorfälle sogar noch erweitert worden sei. Diesem Vorbringen ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Angesichts dieser Sachlage kann nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens und der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht angenommen werden, dass der Antragsteller grundlos mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und einem disziplinarrechtlichen Verfahren überzogen worden ist, die zu gravierenderen Straf- und Disziplinarmaßnahmen führen können. Insoweit ist dieser Fall auch nicht mit demjenigen vergleichbar, der dem Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2007 (5 ME 351/07, juris) zugrunde lag.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil er erfolgreich einen Antrag gestellt und sich durch die Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und entspricht in ihrer Höhe der Hälfte desjenigen Betrages, der gemäß den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 GKG in einem Hauptsacheverfahren maßgeblich wäre (3,25 x 2.852,65 € + 71,22 € = 9.502,58 €).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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