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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.07.2008
Aktenzeichen: 5 ME 70/08
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Beschwerdevorbringen, das den Umfang der gerichtlichen Überprüfung im Beschwerdeverfahren begrenzt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine von dem angefochtenen Beschluss abweichende Beurteilung. Der Antragsteller hat auch im Beschwerdeverfahren nicht, wie es nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlich ist, glaubhaft gemacht, dass sein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung durch die Auswahl des Beigeladenen verletzt ist. Das Beschwerdevorbringen genügt teilweise nicht den Darlegungsanforderungen und führt im Übrigen nicht zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers ist nicht verletzt, weil die Antragsgegnerin ihre Auswahlentscheidung u. a. auf die aktuellen Regelbeurteilungen des Antragstellers vom 5. September 2005 (Beiakte D, Bl. 94 ff.) und des Beigeladenen vom 5. September 2005 (Beiakte A, Bl. 104 ff.) gestützt hat und zwischen dem Beurteilungsstichtag (31.8.2005) und der Auswahlentscheidung (18./25.10.2007) ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren liegt. In der ständigen Rechtsprechung des Niedersächsischen

Oberverwaltungsgerichts ist bisher eine starre zeitliche Grenze, bei deren Überschreiten eine aktuelle Regelbeurteilung nicht mehr als hinreichend aussagekräftig für eine Auswahlentscheidung angesehen worden ist, nicht anerkannt worden. Vielmehr ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob für alle Bewerber zeitnahe dienstliche Beurteilungen vorliegen, die noch einen aktuellen Leistungsvergleich ermöglichen, da für die Auswahlentscheidung hinsichtlich Leistung und Eignung auf den aktuellen Stand abzustellen und der Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten ist. Unter welchen Voraussetzungen zurückliegende Regelbeurteilungen nach diesem Maßstab noch eine hinreichend verlässliche Grundlage für eine Auswahlentscheidung darstellen, lässt sich nicht generalisierend, sondern nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles beantworten. Dabei können diese Umstände eine erneute aus Anlass der Bewerbung zu erstellende Beurteilung auch dann gebieten, wenn Beurteilungsrichtlinien wie die hier maßgebliche Beurteilungsrichtlinie für den Polizeivollzugsdienst (BRLPol) vom 29. Dezember 1999 (Nds. MBl. 2000, 127 ff.) eine Anlassbeurteilung grundsätzlich nicht vorsehen (vgl. dazu: Nds. OVG, Beschl. v. 5.8.1999 - 2 M 2045/99 -, Nds VBl. 2000, 151 ff.; Beschl. v. 22.2.2000 - 2 M 3526/99 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 7; Beschl. v. 24.2.2000 - 2 M 172/00 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 8). Dieser Rechtsprechung des früher ebenfalls für das öffentliche Dienstrecht zuständigen 2. Senats schließt sich der beschließende Senat an, da es gerade dem Sinn und Zweck der regelmäßig - wie auch hier - in einem dreijährigen Abstand gefertigten Regelbeurteilungen entspricht, als Grundlage für Personalentscheidungen des Dienstherrn zu dienen. Ob von diesen Grundsätzen abweichend ausnahmsweise allein die Zeitspanne zwischen dem Beurteilungsstichtag und der Auswahlentscheidung bereits die Annahme der nicht hinreichenden Aktualität der Regelbeurteilungen für eine Auswahlentscheidung rechtfertigt, weil die Zeitspanne mehr als drei Jahre beträgt (vgl.: OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 23.5.2007 - 10 B 10318/07 -, IÖD 2007, 220 ff.) bzw. länger als der Regelbeurteilungszeitraum ist (so: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.3.2007 - 4 S 339/07 -, IÖD 2007, 244 ff.), bedarf hier keiner Entscheidung, weil beide in der Rechtsprechung anerkannten Fallmöglichkeiten hier nicht gegeben sind. Bei einer Zeitspanne von ca. 26 Monaten verbleibt es bei den genannten Grundsätzen, dass die hinreichende Aktualität der hier herangezogenen Beurteilungen anhand der Umstände des Einzelfalles zu bewerten ist. Die Auffassung des Antragstellers, die Beurteilungen seien veraltet, überzeugt vor diesem Hintergrund nicht.

Dem Antragsteller ist auch nicht mit seinem Vorbringen zu folgen, ein Aktualisierungsbedarf ergebe sich bereits daraus, dass sich die Bewerber zum jeweiligen Beurteilungsstichtag in unterschiedlichen Statusämtern befunden hätten. Zwar hat sich der Beigeladene am Beurteilungsstichtag noch in einem Amt der Besoldungsgruppe A 11 BBesO befunden, während der Antragsteller bereits ein Amt der Besoldungsgruppe A 12 BBesO inne gehabt hat. Dies führt dazu, dass die aktuellen Regelbeurteilungen nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar sind. Ihre Eignung als Grundlage für eine Auswahlentscheidung verlieren sie aus diesem Grunde jedoch nicht, da die Antragsgegnerin den Umstand unterschiedlicher Statusämter der Bewerber zum Beurteilungsstichtag im Rahmen der Auswahlentscheidung entsprechend am Maßstab der Bestenauslese gewichten kann und muss. Da vorliegend die Beurteilungen einen identischen Beurteilungszeitraum erfassen und nach denselben Richtlinien gefertigt worden sind, liegen keine Anhaltspunkte vor, die gegen die Möglichkeit der Gewichtung der Regelbeurteilungen seitens der Antragsgegnerin sprechen.

Ebenso wenig drängt sich eine Aktualisierung der Regelbeurteilungen auf, weil dem mit Wirkung vom 1. Januar 1999 zum Kriminalhauptkommissar (BesGr. A 11 BBesO - Beiakte B, Bl. 153) beförderten Beigeladenen nach der Erstellung seiner aktuellen Regelbeurteilung mit Wirkung vom 30. Juni 2006 das Amt eines Kriminalhauptkommissars der Besoldungsgruppe A 12 BBesO bei der Antragsgegnerin übertragen und er vom 1. Juli 2006 an in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 BBesO eingewiesen worden ist (Beiakte B, Bl. 172). Denn die Übertragung des Amtes eines Kriminalhauptkommissars der Besoldungsgruppe A 12 BBesO führt allein dazu, dass zum nächsten Beurteilungsstichtag die im laufenden Regelbeurteilungszeitraum gezeigten Leistungen des Beigeladenen am Maßstab einer neuen Vergleichsgruppe zu bewerten sind. Rückschlüsse auf eine fehlende Aktualität und Aussagekraft der noch aktuellen Regelbeurteilung lassen sich allein aus diesem Umstand nicht ziehen. Entscheidend ist für die Annahme der Aussagekraft der aktuellen Regelbeurteilung des Beigeladenen, dass sich durch die genannte Übertragung eines höherwertigen Amtes der Dienstposten des Beigeladenen nicht geändert hat. Der Beigeladene hat ausweislich seiner Personalakte seit dem 1. Juni 2000 und bis zum 30. Juni 2006 nach der Besoldungsgruppe A 12 BBesO bewertete, höherwertige Dienstposten wahrgenommen (siehe Beiakte B, Bl. 160 und 166). Er ist auch nach der Übertragung des höherwertigen Amtes auf seinem seit dem 1. Dezember 2004 innegehabten und der aktuellen Regelbeurteilung zugrunde gelegten Dienstposten der Besoldungsgruppe A 12 BBesO geblieben. Da Anhaltspunkte für eine Änderung der Qualifikation des Beigeladenen oder einer erheblichen Verbesserung oder Verschlechterung der Aufgabenerledigung infolge der Übertragung des höherwertigen Amtes nach Erstellung der Regelbeurteilung nicht ersichtlich sind, vermag der Senat einen die Aussagekraft der Regelbeurteilung des Beigeladenen schmälernden Umstand nicht zu erkennen (ebenso: OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 23.5.2007 - 10 B 10318/07 -, IÖD 2007, 220 ff.). Zu einem anderen Ergebnis führt nicht der Hinweis des Antragstellers auf die Kommentierung bei Schnellenbach (Beamtenrecht in der Praxis, <nunmehr> 6. Aufl. 2005, Rn. 79), der eine Bedarfsbeurteilung für unverzichtbar erachtet, wenn ein Bewerber bei der letzten Regelbeurteilung noch ein niedrigeres Statusamt bekleidet hat, erst danach befördert worden ist und nunmehr ein weiteres Beförderungsamt anstrebt. Denn dies dürfte auf Fälle zu beziehen sein, in denen mit der Beförderung - wie regelmäßig - auch die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens verbunden war. Im Übrigen handelt es sich vorliegend aus Sicht sowohl des Antragstellers als auch des Beigeladenen bei dem ausgeschriebenen, ebenfalls nach der Besoldungsgruppe A 12 BBesO bewerteten Dienstposten nicht um einen höherwertigen Beförderungsdienstposten.

Eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs ist auch nicht glaubhaft gemacht, soweit der Antragsteller es als rechtlich unzulässig ansieht, dass in dem Auswahlvermerk vom 18. Oktober 2007 (Beiakte C, Bl. 14 ff.) unter Ziffer 1.3.3 eine von der Ausschreibung abweichende Struktur entwickelt werde, da unter c) ein nur "wünschenswertes Kriterium" in das Anforderungsprofil aufgenommen worden sei. Insoweit vermag der Senat nicht zu erkennen, unter welchem Gesichtpunkt dieses Vorbringen zu einer Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers führen können soll. Das unter Ziffer 1.3.3 lit c) im Auswahlvermerk erwähnte wünschenswerte Kriterium "Erfahrungen in der Verwendung einer BAO" ist im Anforderungsprofil der Stellenausschreibung vom 15. August 2007 (Beiakte C, Bl. 4 ff.) aufgeführt, sodass die Bindung des Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung an das in der Stellenausschreibung enthaltene Anforderungsprofil beachtet worden ist (vgl. zur Bindungswirkung an das Anforderungsprofil: BVerwG, Beschl. v. 11.8.2005 - BVerwG 2 B 6.05 -, zitiert nach juris m. N.). Es bestehen auch keine rechtlichen Bedenken, dass der Dienstherr im Anforderungsprofil des zu besetzenden Dienstpostens zwischen solchen Kriterien, die zwingend zu erfüllen sind, und fakultativen Kriterien, deren Erfüllung wünschenswert ist, differenziert. Der Begriff des Anforderungsprofils ist nicht auf solche Merkmale einer ausgeschriebenen Stelle beschränkt, die nach dem Text der Ausschreibung für die Wahrnehmung des Dienstpostens unverzichtbar sein sollen. Es ist vielmehr lediglich so, dass nur an die Nichterfüllung bestimmter obligatorischer Merkmale eines Anforderungsprofils besondere Rechtsfolgen (z. B. die Möglichkeit einer Vorauswahl - vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 23.6.2008 - 5 ME 108/08 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit) geknüpft sind, ohne dass deshalb andere in der Ausschreibung genannte, nur erwünschte Merkmale nicht mehr zum Anforderungsprofil zählten. Eine Ausschreibung kann also gleichsam als Teilmenge des Anforderungsprofils ein aus obligatorischen Merkmalen bestehendes konstitutives Anforderungsprofil einschließen. Im Übrigen hat der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht geltend gemacht, dass die Festlegung des Kriteriums "Erfahrungen in der Verwendung einer BAO" ermessensmissbräuchlich wäre. Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich.

Der Antragsteller hat ebenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei ihrer Auswahlentscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, weil er sehr wohl über die als wünschenswert angesehenen Erfahrungen in der Verwendung einer BAO (Besonderen Aufbauorganisation) verfüge. Seinem Vorbringen, er sei in der Zeit vom 1. Juni 1987 bis zum 1. Januar 1992 Leiter des Erkennungsdienstes und Abwesenheitsvertreter C. und in dieser Funktion gleichzeitig Mitglied aller Mordkommissionen gewesen, darüber hinaus habe er beim D. sowohl mehrere Mordkommissionen als auch besondere Ermittlungsgruppen geleitet, lässt sich nicht entnehmen, dass die von dem Antragsteller angeführten Funktionen und übernommenen Aufgaben mit einer Verwendung in einer Besonderen Aufbauorganisation gleichzusetzen sind. Vielmehr weisen die von dem Antragsteller genannten Tätigkeiten darauf hin, dass er die ebenfalls geforderten mehrjährigen Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen im E. in verschiedenen Dienststellen sowie die vorausgesetzte Führungserfahrung besitzt. Hiervon ist die Antragsgegnerin bei ihrer Auswahlentscheidung ausgegangen.

Das weitere Vorbringen des Antragstellers, die Begründung der Entscheidung genüge nicht den Anforderungen des § 39 VwVfG, rechtfertigt bereits deshalb nicht eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses, weil es sich nicht im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses auseinandersetzt, wonach diesem Einwand der Erfolg versagt bleiben müsse, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller die tragenden Gründe ihrer Entscheidung in dem persönlichen Gespräch am 13. November 2007 mitgeteilt und damit dem Begründungserfordernis Rechnung getragen habe.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil der Beigeladene einen Antrag nicht gestellt und sich damit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat.

Ende der Entscheidung

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