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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: 7 LC 41/03
Rechtsgebiete: ChemVerbotsV, KrW-/AbfG


Vorschriften:

ChemVerbotsV § 1 I
ChemVerbotsV § 1 II Nr. 2
KrW-/AbfG § 13 I
KrW-/AbfG § 21 I
KrW-/AbfG § 3 I 2
KrW-/AbfG § 4 III
KrW-/AbfG § 5 III
1.) Eine Abfallverwertung erfolgt nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 5 Abs. 3 S. 1 und 2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes - KrW-/AbfG -, wenn sie gegen das Verkehrsverbot des § 1 der Chemikalien-Verbotsverordnung - ChemVerbotsV - verstößt.

2.) Die in der ab 1. März 2003 am 21. April 2005 geltenden Fassung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV enthaltene Ausnahme vom Verkehrsverbot für Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse, die "zur gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung" in den Verkehr gebracht werden, umfasst - vorbehaltlich abweichender Bestimmung in Spalte 3 des Anhangs zu § 1 - keine Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse, die zum Zwecke der Abfallverwertung in den Verkehr gebracht werden.


Tatbestand:

Der Kläger betreibt ein ordnungsgemäß zugelassenes Entsorgungsunternehmen. Er hat in der Vergangenheit asbesthaltige Abfälle an die "Mitteldeutsche Umwelt und Entsorgung GmbH" (MUEG) zum Einbau in den ehemaligen Braunkohletagebau "Delitzsch- Südwest" in Sachsen geliefert und beabsichtigt das auch weiterhin. Das streitbefangene Asbestmaterial besteht im Wesentlichen aus Platten in der Größe von etwa 2,5 x 1 m, die von Abbruchunternehmern in sog. Bigbags verpackt und anschließend bei der Klägerin angeliefert werden. Etwa 20 dieser Bigbags werden dann vom Kläger in einem Container in einem weiteren größeren Bigbag zusammengefasst und so später vor Ort abgeladen. Je nach Container können diese großen Bigbags ein Gewicht von bis zu 12 t erreichen, während die kleineren Bigbags bis maximal 2 t ausgelegt sind.

Der Einbau von Abfällen aus der Herstellung von Asbestzement, aus der asbestverarbeitenden Industrie sowie von Baustoffen auf Asbestbasis war von dem Bergamt Borna mit Bescheid vom 10. Mai 2000 als Nebenbestimmung Nr. 18a der 23. Ergänzung "Wiedernutzbarmachung der AFB-Kippe (Südteil)" zum Abschlussbetriebsplan "Tagebau Delitzsch-SW/Breitenfeld" als Einsatz "zur Verwertung" zugelassen worden. Dabei wurde bestimmt, dass neben weiteren Maßgaben, die sich aus der Nebenbestimmung Nr. 16 ergeben, "bei der Verwertung von Asbestmaterialien" auch die TRGS 519 einzuhalten sei (Nebenbestimmung Nr. 20).

Mit Inkrafttreten dieser Zulassung wurde der am 16. September 1993 (Tgb.-Nr. II 2379/92) zugelassene Sonderbetriebsplan "Wiedernutzbarmachung der AFB-Kippe" gegenstandslos. Bereits mit Blick auf diesen Sonderbetriebsplan hatte das Bergamt Borna in einem an den Betriebsplaninhaber, die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV), gerichteten Schreiben vom 11. Juni 1998 bestätigt, dass es den Einbau von Abfällen rechtlich als eine Verwertungsmaßnahme im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) ansehe. Nach Beendigung des Braunkohlenabbaus im Tagebau Delitzsch-SW bestehe mit Blick auf die vorgesehene Rekultivierung ein erhebliches Massendefizit. Im Bereich der MUEG-Betriebsstätte müsse nach Maßgabe des Abschlussbetriebsplanes die Endgeometrie daher zügig durch den Einsatz von Fremdmassen gestaltet werden.

Mit Bescheid vom 8. November 2001 untersagte der Beklagte dem Kläger mit sofortiger Wirkung, bergbaulichen Betrieben asbesthaltige Abfälle zur Verwertung im Tagebau zuzuführen. Ebenso wie bei Abfällen aus privaten Haushaltungen, die grundsätzlich dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen seien, gelte auch für Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen eine Überlassungspflicht, sofern sie nicht verwertet würden. Die Einbringung asbesthaltiger Abfälle in einen bergbaulichen Tagebau stelle aber keine stoffliche Verwertung dar, weil bei diesem Vorgang ausschließlich das Volumen der asbesthaltigen Abfälle genutzt werde und die Beseitigung des Schadstoffpotentials als Hauptzweck der Maßnahme im Vordergrund stehe. Auch stünden der Verbringung derartiger Abfälle die Vorschriften der Gefahrstoffverordnung sowie der Chemikalienverbotsverordnung entgegen.

Der vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 25. Januar 2002 zurückgewiesen. Daraufhin hat der Kläger am 01. Februar 2002 Klage erhoben und geltend gemacht: Bei dem Einbau der Asbestabfälle handele es sich um einen Vorgang der Abfallverwertung, da die stofflichen Eigenschaften der Abfälle zu einem anderen als dem ursprünglichen Zweck genutzt würden. Asbest bringe nicht nur das notwendige Volumen für die Verfüllung im Tagebau mit, sondern erreiche im Zuge der Einbautechnologie auch die erforderliche Festigkeit, weshalb es insoweit mit Bauschutt vergleichbar sei. Auch werde die Bildung von Hohlräumen weitestgehend ausgeschlossen. Da es sich um eine ordnungsgemäße Abfallverwertung handele, stünden der Einbringung in den Tagebau auch nicht die Vorschriften der Chemikalienverbotsverordnung und der Gefahrstoffverordnung entgegen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 08. November 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 25. Januar 2002 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Verwertungsstatus könne nicht bindend durch die bergrechtliche Betriebsplanzulassung festgelegt werden, weshalb er aus eigener Zuständigkeit weiterhin einschreiten könne, wenn sich ein Entsorgungsvorgang aus abfallrechtlicher Sicht nicht als Verwertungsmaßnahme erweise. Es liege keine Nutzung der stofflichen Eigenschaften der asbesthaltigen Abfälle vor, sondern es werde lediglich deren Volumen genutzt. Dem darüber hinausgehenden Zweck der Verfüllung diene ein Stoff nur, wenn er die Nutzung der Oberfläche ermögliche. Dazu sei aber nur feinkörniges Material geeignet, das die Bildung von Hohlräumen und damit spätere Setzungsschäden vermeide. Asbestzementabfälle, insbesondere Asbestzementplatten hätten demgegenüber in der Regel eine gröbere Struktur, die es nicht möglich mache, sie so in den Tagebau einzubringen, dass sie als geschlossener Block ohne Bildung von Hohlräumen in und zwischen den einzelnen Anlieferungsbehältern eingebaut werden könnten. Auch bei anschließenden Verdichtungsmaßnahmen seien Hohlräume nicht zu vermeiden. Eine dauerhafte schadlose Verwertung sei daher nicht gewährleistet. Vielmehr bleibe eine latente Gefährdung durch die abgelagerten Schadstoffe bestehen, weil auch nach Beendigung der Bergaufsicht eine Freilegung der Abfälle, beispielsweise durch bauliche Maßnahmen, nicht ausgeschlossen werden könne. Zudem seien Asbestzementabfälle besonders überwachungsbedürftig. Bei derartigen Abfällen sei wegen des hohen Schadstoffpotentials davon auszugehen, dass dessen Beseitigung Hauptzweck der Maßnahme sei. Selbst wenn der Betreiber der Anlage ein Entgelt an den Kläger zahlen würde, bestehe aus deren Sicht nur das Interesse, sich der Abfälle möglichst kostengünstig zu entledigen. Dieses Interesse begründe jedoch noch keine Verwertung. Der wirtschaftliche Vorteil liege für die Klägerin nur darin, dass die Kosten für die Verbringung der Asbestabfälle zum Tagebau Delitzsch-SW geringer seien als die bei einer Entsorgung auf der Deponie des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers entstehenden Kosten. Der Verbringung der Asbestabfälle in einen bergbaulichen Tagebau stünden zudem auch die Vorschriften der Chemikalienverbotsverordnung und der Gefahrstoffverordnung entgegen. Soweit dort die ordnungsgemäße Abfallentsorgung vom Anwendungsbereich ausgenommen werde, sei nur die Abfallbeseitigung gemeint.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Beklagte seine Verfügung vom 8 November 2001 konkretisiert und klargestellt, dass damit dem Kläger untersagt werden sollte, die streitigen Abfälle "aus anderer Herkunft" zum Tagebau Delitzsch-Südwest zu verbringen.

Mit Urteil vom 9. Januar 2003 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und ausgeführt, der Bescheid des Beklagten sei rechtswidrig, weil der Einbau der Asbestabfälle im bergrechtlich überwachten Tagebau eine Abfallverwertung darstelle. Die zur Abgrenzung zwischen Abfallverwertung und Abfallbeseitigung erforderliche wirtschaftliche Betrachtungsweise des Einzelfalls lasse erkennen, dass vorliegend der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls bestehe. Es sei der Fall einer stofflichen Verwertung anzunehmen, weil die fragliche Einbautätigkeit die stofflichen Eigenschaften der Asbestabfälle nutze. Angesichts der Zulassung durch den Abschlussbetriebsplan bestünden weder Zweifel an der notwendigen Verfülleigenschaft des Materials noch werde lediglich das Volumen der Asbestabfälle genutzt. Denn nach dem Vortrag des Klägers, dem der Beklagte nicht widersprochen habe und an dem zu zweifeln kein Anlass bestehe, besitze das Material auch die für die Verfüllung notwendige Druck- und Scherfestigkeit. Die mit Blick auf das Schadstoffpotential der Asbestabfälle geführte Argumentation des Beklagten habe bei der Qualifizierung als Verwertungsmaßnahme außer Betracht zu bleiben. Diesem Schadstoffpotential sei allerdings bei der Durchführung des konkreten Entsorgungsverfahrens Rechnung zu tragen. Ob die Verwertung "ordnungsgemäß und schadlos" erfolge, wie es § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG verlange, sei im Rahmen des bergrechtlichen Betriebsplanverfahrens zu prüfen. Vorliegend sei die Schadlosigkeit der Verwertungsmaßnahme durch die verschiedenen Nebenbestimmungen zur 23. Ergänzung des Abschlussbetriebsplanes sichergestellt. Vorschriften der Gefahrstoffverordnung stünden ebenso wenig entgegen wie Bestimmungen der Chemikalienverbotsverordnung, die gemäß § 1 Abs. 2 ChemVerbV nicht für Stoffe gelte, die zur "ordnungsgemäßen Abfallentsorgung" in den Verkehr gebracht werden.

Gegen diese Entscheidung führt der Beklagte die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung. Er verteidigt seine Untersagungsverfügung, indem er seine Ansicht bekräftigt, bei der Überlassung asbesthaltiger Abfälle zum Zwecke der Verfüllung des Tagebaus Delitzsch-SW handele es sich um eine Abfallbeseitigung. Das Gericht habe die bei der Bestimmung des Hauptzwecks vorzunehmende wirtschaftliche Betrachtungsweise vernachlässigt. Eine detaillierte Berechnung des Kosten-Nutzen-Vergleichs ergebe, dass die Verwendung von Asbestzementabfällen gegenüber der Verwendung von Füllsand keinen wirtschaftlichen Vorteil biete. Darüber hinaus sei für die rechtliche Beurteilung nunmehr die nach Erlass des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Kraft getretene Fassung der Chemikalienverbotsverordnung zugrunde zu legen, nach der nur noch Stoffe, die zur "gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung" in den Verkehr gebracht werden, vom grundsätzlichen Verkehrsverbot ausgenommen seien.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 9. Januar 2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er sieht seine Rechtsauffassung durch die Erwägungen des Verwaltungsgerichts bestätigt und ist der Ansicht, zur Beurteilung des Hauptzwecks einer Abfallentsorgungsmaßnahme sei auf die Wirtschaftlichkeit unter den Bedingungen des KrW-/AbfG abzustellen, das von einer vorrangigen Verwertungspflicht ausgehe. Daher seien selbst Vorgänge, die mangels hinreichender Gewinnaussicht ohne diese Verwertungspflicht nicht durchgeführt worden wären, als Verwertung im Sinne des Gesetzes anzusehen. Die Änderung der Chemikalienverbotsverordnung sei für das Berufungsverfahren ohne Bedeutung, da zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend sei. Aber selbst dann, wenn man die neue Rechtslage für maßgeblich ansehe, sei die verwaltungsgerichtliche Entscheidung in der Sache richtig: Die allein auf Abfallbeseitigungsmaßnahmen bezogene Ausnahme dürfe vorliegend keine Anwendung finden, denn sie komme einem Verbot der Abfallverwertung gleich, das angesichts einer bestehenden schadlosen Verwertungsmöglichkeit über den Schutzzweck der Verordnung hinausgehe und somit nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg, denn die Klage ist unbegründet.

Die Verfügung des Beklagten vom 08. November 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 25. Januar 2002, mit welchem dem Kläger untersagt worden ist, die asbesthaltigen Abfälle "aus anderer Herkunft" zum Tagebau Delitzsch-Südwest zu verbringen, ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 21 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (KrW-/AbfG) vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2704). Danach kann die zuständige Behörde die im Einzelfall erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des KrW-/AbfG treffen.

Der Beklagte war im Zeitpunkt der Verfügung zuständige Behörde im Sinne dieser Vorschrift (vgl. §§ 41 Abs. 3, 42 Abs. 1 des Niedersächsischen Abfallgesetzes [NAbfG] in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Oktober 1994 [GVBl. S. 467], seinerzeit zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Februar 1999 [GVBl. S. 46]) und ist es auch weiterhin (vgl. §§ 41 Abs. 3, 42 Abs. 1 NAbfG in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 2003 [GVBl. S. 273], zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. November 2004 [GVBl. S. 417]).

Die auf § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG gestützte Anordnung ist zur Durchführung des Gesetzes erforderlich, weil die Beklagte durch das Einbringen der asbesthaltigen Abfälle im Tagebau Delitzsch-Südwest gegen die Andienungspflicht des § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG verstößt. Nach dieser Bestimmung besteht auch für Erzeuger und Besitzer von "Abfällen zur Beseitigung" aus anderen Herkunftsbereichen als den in § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG geregelten privaten Haushaltungen eine Pflicht zur Überlassung der Abfälle an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, soweit sie die Abfälle nicht in eigenen Anlagen beseitigen oder überwiegende öffentliche Interessen eine Überlassung erfordern.

Die streitbefangenen asbesthaltigen Abfälle sind Abfälle zur Beseitigung im Sinne dieser Vorschrift und unterfallen daher der Andienungspflicht des § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG.

Die begriffliche Abgrenzung zwischen Abfällen zur Beseitigung und Abfällen zur Verwertung ist nach Maßgabe der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 KrW-/AbfG vorzunehmen. Ob vorliegend insbesondere die für die Annahme einer stofflichen Verwertung entscheidenden Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG erfüllt sind, kann dahingestellt bleiben (dazu I.). Denn selbst wenn der Einbau der asbesthaltigen Abfälle nach den konkreten Umständen im Grundsatz als stoffliche Verwertung angesehen werden könnte, kann diese Verwertung aus Rechtsgründen nicht "ordnungsgemäß" erfolgen, wie es § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG verlangt (dazu II). Ist aber eine ordnungsgemäße Verwertung aus Rechtsgründen ausgeschlossen, müssen die betroffenen Stoffe als "Abfälle zur Beseitigung" entsorgt werden (dazu III).

I. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Einbau der asbesthaltigen Abfälle im Tagebau Delitzsch-Südwest die in § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG aufgestellten Kriterien für eine stoffliche Verwertungsmaßnahme erfüllt.

1. Die Frage, ob die streitbefangenen Abfälle angesichts ihrer Verwendung bei der Wiedernutzbarmachung eines Tagebaus als Abfälle zur Verwertung oder Abfälle zur Beseitigung anzusehen sind, ist allein nach Maßgabe des KrW-/AbfG zu entscheiden. Während sich die Verwertung oder Beseitigung der bei bergbaulichen Tätigkeiten anfallenden Abfälle allein nach Bergrecht richtet (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BBergG, § 2 Abs. 2 Nr. 4 KrW-/AbfG), ist für die Beurteilung, ob und unter welchen Voraussetzungen bergbaufremde Abfälle in einem Bergwerk abgelagert werden dürfen, das KrW-/AbfG einschlägig. Das KrW-/AbfG steht einer Verwertung von bergbaufremden Abfällen in Betrieben, die der Bergaufsicht unterliegen, nicht entgegen, wie sich aus § 7 Abs. 2 KrW-/AbfG erschließen lässt. Eine Ablagerung von Abfällen zur Beseitigung in Bergwerken unter dem Regime des Bundesberggesetzes lässt das KrW-/AbfG hingegen nicht zu. Sie dürfen nur in den dafür zugelassenen Anlagen oder Einrichtungen (Abfallbeseitigungsanlagen) behandelt, gelagert oder abgelagert werden (§ 27 KrW-/AbfG).

2. Ausgehend von der Grundunterscheidung in § 3 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG, nach der Abfälle zur Verwertung solche sind, die verwertet werden und Abfälle zur Beseitigung solche Abfälle sind, die nicht verwertet werden, finden sich nähere materielle Kriterien für die Bestimmung der stofflichen Verwertung - die hier unter Ausschluss der Variante der energetischen Verwertung (vgl. §§ 4 Abs. 1 Nr. 2 b), 4 Abs. 4 KrW-/AbfG) allein in Frage kommen kann - in § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG. Danach beinhaltet die stoffliche Verwertung u.a. die Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke mit Ausnahme der unmittelbaren Energierückgewinnung. Eine stoffliche Verwertung liegt gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG vor, wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen, der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt. In Literatur und Rechtsprechung besteht insbesondere Streit darüber, ob es als "Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle ... für andere Zwecke" ausreichend ist, wenn die Abfälle einer Nutzung zugeführt werden, die lediglich ihr Volumen ausnutzt (so VG Stuttgart, Urt. v. 26.11.1996 - 14 K 3580/95 -, NVwZ-RR 1997, 345 <346>; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 17.12.2002 - 7 A 10279/02 -, ZfB 2004, 30 <36>; Kunig, in: Kunig/Versteyl/Paetow, KrW-/AbfG, 2. Aufl. 2003, § 4 Rn. 24), oder ob dies zur Annahme einer Nutzung der stofflichen Eigenschaften noch nicht ausreicht (so VGH Bd.-Wtt., Urt. v. 20.10.1998 - 14 S 1037/98 -, ESVGH 49, 90 <94>). Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage zunächst offen gelassen (BVerwG, Urt. v. 14.04.2000 - 4 C 13.98 -, BVerwGE 111, 136 <141>), in seiner jüngsten Entscheidung jedoch ausdrücklich im ersteren Sinne bejaht, sofern die Abfälle aufgrund ihrer Eigenschaften, z.B. ihrer Druckfestigkeit, für den Verwendungszweck geeignet sind. (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 - 7 C 26.03 -, noch unveröffentlicht).

Das Verwaltungsgericht hat sich bei seiner Annahme, die Einbringung der asbesthaltigen Abfälle in den Tagebau Delitzsch-Südwest sei eine Maßnahme der stofflichen Verwertung, welche die Anforderungen des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG erfülle, eingehend mit der einschlägigen Judikatur des europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 27.02.2002 - Rs. C 6/00 -, Slg. 2002 I-1986 ff.), des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 26.05.1994 - 7 C 14.93 -, BVerwGE 96, 80 ff.; BVerwG, Urt. v. 14.04.2000 - 4 C 13.98 -, BVerwGE 111, 136 ff.), des erkennenden Senats (Nds.OVG, Beschl. v. 14.07.2000 - 7 M 2005/99 -, NVwZ-RR 2001, 19 f.) sowie weiterer Fachgerichte auseinandergesetzt und im Ergebnis nicht auf die Maßgeblichkeit einer Nutzung des Volumens der Abfälle abgestellt, sondern einen zusätzlichen Nutzungseffekt dieses Materials für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in der Druck- und Scherfestigkeit der Abfälle gesehen. Es hat diese Bewertung auf tatsächliche Angaben des Klägers gestützt, denen der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten war, und keinen Anlass gesehen, dieses Beteiligtenvorbringen in Frage zu stellen. Ob dieser Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu folgen ist, kann dahinstehen, da der konkrete Entsorgungsvorgang aus anderen Gründen nicht mit den Maßgaben des KrW-/AbfG in Einklang steht.

II. Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass die tatsächlichen Umstände der Verfüllung des Tagebaus Delitzsch-Südwest mit asbesthaltigen Abfällen den Kriterien entspricht, die § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG für eine Qualifizierung als stoffliche Verwertung aufstellt, verstieße eine solche Verwertung gegen das Gebot des § 5 Abs 3 KrW-/AbfG. Danach hat die Verwertung von Abfällen, insbesondere durch ihre Einbindung in Erzeugnisse, ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen.

1. Von der Schadlosigkeit des hier fraglichen Entsorgungsvorgangs ist auszugehen. Gemäß § 5 Abs. 3 S. 3 KrW-/AbfG ist eine Schadlosigkeit anzunehmen, wenn nach der Beschaffenheit der Abfälle, dem Ausmaß der Verunreinigungen und der Art der Verwertung Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nicht zu erwarten sind, insbesondere keine Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf erfolgt. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind, ist in Fällen des Einsatzes von Abfällen zur Gestaltung einer Bergbaufolgelandschaft eines ehemaligen Tagebaugeländes im Rahmen des bergrechtlichen Betriebsplanzulassungsverfahrens und ggf. weiterer Bewilligungsverfahren zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 26.05.1994 - 7 C 14.93 -, BVerwGE 96, 80 <86>; Nds.OVG, Beschl. v. 14.07.2000 - 7 M 2005/99 -, NVwZ-RR 2001, 19 <20>). Die bergrechtliche Betriebsplanzulassung ist nach ihrem Verfahren und den materiellen Zulassungsvoraussetzungen so ausgestaltet, dass mögliche Gefährdungen der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und anderer rechtlich geschützter öffentlicher und privater Belange verhindert werden müssen (vgl. § 1 Nr. 3, § 48 Abs. 2, §§ 50 ff. BBergG). Die Schadlosigkeit ist daher vorliegend bereits im Rahmen der Zulassung des bergrechtlichen Abschlussbetriebsplans und der darauf bezogenen Ergänzungen zu prüfen. Insbesondere die zahlreichen Nebenbestimmungen im Bescheid des Bergamts Borna über die Zulassung der 23. Ergänzung zum Abschlussbetriebsplan vom 10. Mai 2000 lassen erkennen, dass diese Prüfung durchgeführt worden ist. So werden etwa in der Nebenbestimmung Nr. 16a die Einhaltung bestimmter Qualitätsanforderungen und Vorsorgewerte für die Herstellung der durchwurzelten Bodenschicht verlangt und in Nr.16b genau bestimmte Schadstoffgrenzwerte für den Erdkörper unterhalb der durchwurzelten Bodenschicht festgelegt. Speziell für die Verwendung von Asbestmaterialien wird in der Nebenbestimmung Nr. 20 zudem die Einhaltung der vom Ausschuss für Gefahrstoffe aufgestellten "Technischen Regeln für Gefahrstoffe - Asbest: Abbruch, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten" (TRGS 519, bekanntgegeben im BArbBl. 9/2001 S. 64 ff.) vorgeschrieben, die diverse Anforderungen, z.B. eine maximal zulässige Einbautiefe von mindestens einem Meter über den höchsten zu erwartenden Grundwasserspiegel, beinhalten. Angesichts dieser Maßgaben und der Tatbestandswirkung der bestandskräftigen Betriebsplanzulassung hat der Senat keinen Anlass zu Zweifeln, dass der Einsatz der asbesthaltigen Abfälle im Tagebau Delitzsch-Südwest "schadlos" erfolgen kann.

2. Die geplante Verwendung der asbesthaltigen Abfälle im Rahmen der Wiedernutzbarmachung des ehemaligen Tagebaugeländes ist aber keine "ordnungsgemäße" Verwertung im Sinne des § 5 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG. Gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG erfolgt eine Verwertung ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit den Vorschriften des KrW-/AbfG und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Durch diese umfassende Rechtmäßigkeitsanforderung, die es ermöglicht, die Einhaltung anderweitiger, nicht abfallrechtlicher Rechtsvorschriften im abfallrechtlichen Überwachungsverhältnis zu prüfen, soll gewährleistet werden, dass der Einsatz von Abfällen zur Verwertung im Wirtschaftskreislauf gegenüber dem Einsatz von Primärrohstoffen weder bevorzugt noch benachteiligt wird (Begründung des Regierungsentwurfs zum KrW-/AbfG, BT-Dr. 12/5672, S. 42). Zu den "anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften" im Sinne des § 5 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG gehört auch die Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz (Chemikalien-Verbotsverordnung - ChemVerbotsV).

Der hier fragliche Einsatz der asbesthaltigen Abfälle verstößt gegen das Verkehrsverbot des § 1 ChemVerbotsV (dazu c.). Die davon abweichende Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (dazu a.) ist für die vom Senat zu treffende Entscheidung nicht maßgeblich (dazu b.).

a) Im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides, am 25. Januar 2002, galt die ChemVerbotsV in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 1996 (BGBl. I S. 1151), seinerzeit zuletzt geändert durch Verordnung vom 25. Mai 2000 (BGBl. I S. 747). Nach Maßgabe dieser Rechtslage unterfiel eine Verwertung von Abfällen nicht dem Verkehrsverbot des § 1 Abs. 1 ChemVerbotsV.

Gemäß § 1 der ChemVerbotsV durften bestimmte Stoffe, die in einem Anhang aufgelistet sind, nicht in den Verkehr gebracht, also insbesondere nicht frei an Dritte in den Wirtschaftskreislauf gegeben werden (vgl. die Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 9 ChemG). Gemäß Abschnitt 2 Spalten 1 und 2 des Anhangs zu § 1 unterfiel auch Asbest diesem Verkehrsverbot. § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV enthielt aber eine Ausnahme für Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse, die "zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung in den Verkehr gebracht werden, sofern in Spalte 3 des Anhangs nicht etwas anderes bestimmt ist". Weil der durch Änderungsverordnung vom 22. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3956) in Abs. 5 der Spalte 3 eingefügte Sonderfall einer Verwendung von asbesthaltigen Materialien im Untertagebau in der vorliegenden Konstellation nicht einschlägig ist, richtete sich die Anwendbarkeit des Verkehrsverbots im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides allein danach, ob die Ausnahme des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV für das Inverkehrbringen von Stoffen "zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung" auch Maßnahmen der Abfallverwertung umfasste. Die Beantwortung dieser Frage war in Rechtsprechung und Literatur umstritten: Nach einer Auffassung, der sich auch der Kläger angeschlossen hat, muss der Begriff der "Abfallentsorgung" im Sinne der Definition des § 3 Abs. 7 KrW-/AbfG verstanden werden, weshalb auch Vorgänge, die einer Verwertung der asbesthaltigen Abfälle dienen, vom Verkehrsverbot auszunehmen seien (Hess.VGH, Beschl. v. 18.12.2000 - 6 TG 2353/02 - UPR 2003, 314 f.; Spoerr, in: Jarass/Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 96; Fluck, in Ders., KrW-/AbfG, § 5 Rn. 142; Beckmann/Kersting, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 KrW-/AbfG, Rn. 70). Die Gegenansicht, der sich der Beklagte angeschlossen hat, verweist darauf, dass die Definition des § 3 Abs. 7 KrW-/AbfG keine Geltung für eine Rechtsnorm beanspruchen könne, die bereits vor dem Inkrafttreten des KrW-/AbfG erlassen worden sei, und plädiert für ein Verständnis des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV, das nur Vorgänge der Abfallbeseitigung vom Verkehrsverbot ausnimmt (VG Karlsruhe, Beschl. v. 04.10.2000 - 4 K 1289/00 -, NVwZ-RR 2002, 270 <271>; Frenz, KrW-/AbfG, 3. Aufl. 2002, § 5 Rn. 63; v. Köller, KrW-/AbfG, 1996, S. 68 f.). Wenn man berücksichtigt, dass auch die vor Inkrafttreten des KrW-/AbfG maßgebliche Terminologie des Abfallgesetzes (AbfG) vom 27. August 1986 (BGBl. I S. 1410) "Abfallentsorgung" gemäß § 1 Abs. 2 AbfG bereits als Oberbegriff für die Abfallbeseitigung - unter der Bezeichnung "Ablagern von Abfällen" - und die Abfallverwertung verstanden hat (näher dazu Mann, Abfallverwertung als Rechtspflicht, 1992, S. 60 ff.), spricht vieles dafür, dass die verwaltungsgerichtliche Sichtweise zutreffend ist, nach der die Ausnahme in § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV a.F. auch die Abfallverwertung umfasste, wenngleich die Materialien zu der im März 2003 in Kraft getretenen Rechtsänderung (s.u. c.) darauf hinzudeuten scheinen, dass der Verordnungsgeber lediglich eine terminologische Klarstellung beabsichtigte (vgl. BR-Drs. 273/1/02, S. 26).

b) Auf diese Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2002 ist vorliegend jedoch nicht abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr die Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat darstellt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es keinen verwaltungsprozessrechtlichen Grundsatz des Inhalts, dass bei einer Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts stets nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen ist. Auf welche Sach- und Rechtslage bei der Beurteilung einer Anfechtungsklage abzustellen ist, bestimmt sich vielmehr in erster Linie nach dem einschlägigen materiellen Recht (BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 - IV C 21.74 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 19, S. 1 <3>; BVerwG, Urt. v. 25.11.1981 - 8 C 14.81 -, BVerwGE 64, 218 <221 f.>; BVerwG, Urt. v. 29.09.1982 - 8 C 138.81 -, BVerwGE 66, 178 <182>). Im Zweifel gilt die Regel, dass bei der Anfechtung von Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend ist (BVerwG, Urt. v. 27.01.1993 - 11 C 35/92 -, BVerwGE 92, 32 <35>; BVerwG, Urt. v. 14.12.1994 - 11 C 25/93 -, BVerwGE 97, 214 <220 f.>; Nds.OVG, Urt. v. 28.10.1996 - 3 L 5433/94 -, NdsVBl 1997, 113; Nds.OVG, Urt. v. 21.04.2004 - 7 LC 98/02 -, NdsVBl. 2004, S. 301). Bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung sind hingegen - je nach dem zeitlichen Umfang des Aufhebungsbegehrens - auch spätere Veränderungen der Sachlage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. v. 14.12.1994 - 11 C 25/93 -, BVerwGE 97, 214 <220 f.>; Nds.OVG, Urt. v. 28.10.1996 - 3 L 5433/94 -, NdsVBl 1997, 113). Die hier angefochtene Verfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides und unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erfolgten Klarstellung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Denn indem die Verfügung der Klägerin untersagt, die streitigen Abfälle aus anderer Herkunft zum Tagebau Delitzsch-Südwest zu verbringen, erschöpft sie sich nicht in einem einmaligen Verbot, sondern zeitigt Wirkungen, die nach ihrem Sinn und Zweck und dem insoweit maßgeblichen materiellen Recht wesensgemäß auf Dauer angelegt sind. Insbesondere weil die Klägerin nicht nur einen einmaligen Einbau der asbesthaltigen Abfälle, sondern auch weiterhin entsprechende Lieferungen zum Tagebau Delitzsch-Südwest beabsichtigt, sollte die Verfügung ein auf Dauer angelegtes und in seinem weiteren Bestand von der Verfügung abhängiges Rechtsverhältnis begründen.

c) Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage erweist sich der Einsatz der asbesthaltigen Abfälle zur Verfüllung im Tagebau als Verstoß gegen das Verkehrsverbot des § 1 Abs. 1 ChemVerbotsV.

Die aktuell geltende Fassung der ChemVerbotsV geht zurück auf die Neubekanntmachung vom 13. Juni 2003 (BGBl. I S. 867) und wurde zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3855). Im hier maßgeblichen Zusammenhang ist gegenüber der im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides (Januar 2002) geltenden Fassung vor allem die Änderung relevant, die die generelle Ausnahme vom Verkehrsverbot in § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV erfahren hat. Durch Art. 2 Nr. 1 der Verordnung über die Entsorgung von Altholz vom 15. August 2002 (BGBl. I S. 3302) wurden mit Wirkung zum 1. März 2003 (vgl. Art. 5 der Altholz-VO) in § 1 Abs. 2 Nr. 2 die Wörter "zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung" durch die Wörter "zur gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung" ersetzt. Damit sind Stoffe, die zum Zwecke der Abfallverwertung in den Verkehr gebracht werden sollen, nicht mehr generell vom Verbot des Inverkehrbringens gem. § 1 Abs.1 ChemVerbotsV ausgenommen, sondern nur noch dann, wenn die Spalte 3 des Anhangs für einzelne Stoffe etwas anderes bestimmt. Mit Blick auf die in Abschnitt 2 des Anhangs 1 zu § 1 Abs. ChemVerbotsV thematisierten Asbeststoffe folgt daraus, dass seit dieser Rechtsänderung eine Verwertung asbesthaltiger Abfälle außer bei dem in Spalte 3 Abs. 5 genannten Einbau von asbesthaltigen Materialien, die als Versatzmaterial im Untertagebergbau verwendet werden und der vorliegend nicht stattfindet, unzulässig ist.

d) Die neue Rechtslage der ChemVerbotsV steht nicht im Widerspruch zum KrW-/AbfG.

Soweit an der vorbezeichneten Rechtsänderung kritisiert wird, sie sei alleine zu dem Zweck erfolgt, durch eine Ausdehnung der Andienungs- und Überlassungspflichten den finanziellen Interessen der entsorgungspflichtigen Körperschaften und der ländereigenen Stellen zur Sonderabfallentsorgung entgegen zu kommen (so Stede, UPR 2003, 293 <294>), vermag dieser Einwand die am Wortlaut der geänderten Vorschrift orientierte Auslegung nicht zu erschüttern. Denn selbst wenn diese Motive für die Rechtsänderung bestimmend gewesen wären, was sich anhand der verfügbaren Quellen (vgl. BR-Drs. 273/02 und 273/1/02) nicht verifizieren lässt, wäre doch der geänderte Wortlaut maßgeblich. Ebenso geht auch die rechtssystematische Kritik, durch die Verengung der allgemeinen Ausnahme vom Verkehrsverbot in § 2 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV auf Maßnahmen zur gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung werde das Kreislaufwirtschaftskonzept beeinträchtigt und der in § 4 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG verankerte Grundsatz des Vorrangs der Verwertung vor der Beseitigung aufgehoben (in diesem Sinne Hess.VGH, Beschl. v. 18.12.2002 - 6 TG 2353/02 - UPR 2003, 314 <315> und Stede, UPR 2003, 293 <294>), ins Leere. Die Regelung in der ChemVerbotsV widerspricht diesen Grundsätzen des KrW-/AbfG bereits deshalb nicht, weil das KrW-/AbfG selbst eine Verwertung nur zulässt, wenn sie nach Maßgabe anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften ordnungsgemäß erfolgt (§ 5 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG), und darüber hinaus in § 7 Abs. 1 Nr. 4 b) KrW-/AbfG sogar ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, für Abfälle, deren Verwertung das Allgemeinwohl beeinträchtigen kann, Verkehrsverbote auszusprechen. Soweit sich schließlich der Hessische VGH 2002 in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (a.a.O.) entschieden hat, die seinerzeit streitgegenständliche Verwertung von Asbestzement nicht dem Verkehrsverbot der geänderten ChemVerbotsV zu unterstellen, war dafür neben Umweltgesichtspunkten die Annahme von zentraler Bedeutung, dass noch vor Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache eine weitere Änderung der ChemVerbotsV erfolgen werde, durch die das betreffende Verwertungsverfahren, mit dem die Asbestfasern nach einer Behandlung vollständig zerstört werden können, ausdrücklich als weitere Ausnahme in Spalte 3 des Anhangs zur ChemVerbotsV aufgelistet werden würde. Diese - bis zum heutigen Tage unerfüllt gebliebene - Annahme ist auf den hier zu entscheidenden Einzelfall nicht zu übertragen.

e) Die Verengung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV auf Maßnahmen der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung ist zudem von der Verordnungsermächtigung in § 17 Abs. 1 ChemG gedeckt. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Auffassung geäußert hat, über das Chemikalienrecht dürfe nicht der Verwertungsvorrang des Abfallrechts außer Kraft gesetzt werden, verkennt dieser Einwand, dass das Abfallrecht in § 5 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG diese Möglichkeit bereits selbst vorsieht.

III. Ist wegen des Verstoßes gegen das Verbot eines Inverkehrbringens von asbesthaltigen Stoffen gemäß § 1 Abs. 1 ChemVerbotsV i.V.m. Abschnitt 2 der Anlage zu § 1 ChemVerbotsV eine ordnungsgemäße Verwertung im Sinne des § 5 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG ausgeschlossen, müssen die betroffenen Stoffe als "Abfälle zur Beseitigung" entsorgt werden.

1. Das KrW-/AbfG spricht nicht ausdrücklich aus, welchen Status Abfälle erlangen, deren Verwertung aus Rechtsgründen nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG erfolgen kann. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG sind Abfälle zur Verwertung solche Abfälle, die verwertet werden; Abfälle die nicht verwertet werden sind Abfälle zur Beseitigung. Trotz dieser Formulierung kann aber nicht allein die tatsächliche Vornahme einer Verwertungshandlung maßgeblich sein. Aus teleologischen Gründen sind "Abfälle, die verwertet werden" nur solche Abfälle, die "im Einklang mit dem KrW-/AbfG" verwertet werden, denn andernfalls würde das KrW-/AbfG selbst auf die Einhaltung seiner Regelungen für den Wertstoffkreislauf verzichten. Kann daher eine Verwertung nicht ordnungsgemäß und schadlos erfolgen, ist sie als solche unzulässig. Es kommt dann nur noch eine gemeinwohlverträgliche Beseitigung in Betracht (vgl. Beckmann/ Kersting, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 Rn. 66; Fluck, in Ders., KrW-/AbfG, § 5 Rn. 135; Kunig, in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl. 2003, § 5 Rn. 25). In Anknüpfung an § 10 Abs. 1 KrW-/AbfG sind die hier fraglichen Abfälle dann "Abfälle zur Beseitigung" und unterfallen als solche der Überlassungspflicht gem. § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG.

2. Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht dem europäischen Abfallrecht. Auch nach europäischem Recht kann die Verfüllung eines Tagebaus mit Asbestabfällen eine Abfallbeseitigung sein. Die Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15.07.1975 über Abfälle (ABl. EG Nr. L 194, S. 39), zul. geänd. d. VO 1882/2003 vom 29.09.2003 (ABl. EU 2003, L 284 S. 1) unterscheidet in Art. 1 Buchst. e und f zwischen den Begriffen Verwertung und Beseitigung, verweist zur Abgrenzung im Übrigen aber auf ihre Anhänge II A und II B. Weil man mit dem Erlass des KrW-/AbfG insbesondere den Abfallbegriff dieser Richtlinie umsetzen wollte, deckt sich der Anhang II A zum KrW-/AbfG inhaltlich mit dem Anhang II A der Richtlinie 75/442/EWG des Rates. Nach Art. 1 Buchst. e der Richtlinie 75/442/EWG sind die in Anhang II A aufgeführten Verfahren als Beseitigung qualifiziert, ohne dass daneben eine weitere allgemeine Definition des Rechtsbegriffs "Beseitigung" oder Abgrenzungen allgemeiner Art (wie etwa nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG) Anwendung finden (EuGH, Urt. v. 27.02.2002 - Rs. C 6/00 -, Slg. 2002 I -1961 Rn. 58). Die vorliegend relevante Form der Verfüllung eines Tagebaus mit in sog. Bigbags verpackten Asbestplatten erfüllt die Tatbestände D 1 (Ablagerung in oder auf dem Boden, Deponien) und D 12 (Dauerablagerung) des Anhangs "II A: Beseitigungsverfahren", könnte grundsätzlich aber auch - wie die vom EuGH (a.a.O.) entschiedene Einbringung von Schlacken und Aschen in ein stillgelegtes Bergwerk - als "Verwertung/Rückgewinnung von anderen anorganischen Stoffen" von der Verfahrensbeschreibung R 5 des Anhangs "II B: Verwertungsverfahren" erfasst sein.

Die Rahmenrichtlinie 75/442/EWG legt in ihrem Art. 3 Abs. 1 zwar einen Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung fest, stellt diesen aber, ähnlich wie § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG im deutschen Recht, in Art 4 der Richtlinie unter den Vorbehalt, dass eine Verwertung nicht umwelt- oder gesundheitsschädlich erfolgen darf. Die Richtlinie 91/689/EWG des Rates über gefährliche Abfälle vom 12.12.1991 (ABl. EG 1991, L 377, S. 20), geänd. d. Richtlinie 94/31/EWG vom 27.06.1994 (ABl. EG 1994, L 168, S. 28) knüpft mit Blick auf materielle Schutzaspekte ebenfalls an diesen Art. 4 der Richtlinie 75/442/EWG an (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/689/EWG) und fügt vor allem besondere Überwachungsverfahren hinzu. In diesem Kontext sind dann diejenigen Schutzanforderungen zu beachten, die das europäische Umweltrecht in anderen Rechtsakten aufstellt. Mit Blick auf die vorliegende Konstellation sind daher vor allem die Richtlinie 76/769/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen vom 27.7.1976 (ABl. EG 1976, L 262, S. 201, zul. geänd. d. Richtlinie 2004/21/EG, ABl. EG 2004, L 57, S. 4) und die Richtlinie 91/659/EWG der Kommission zur Anpassung des Anhangs I der Richtlinie 76/769/EWG an den technischen Fortschritt (Asbest) vom 3.12.1991 (ABl. EG 1991, L 363, S. 36) zu nennen, die Verkehrsverbote für Asbest vorsehen und zu deren Umsetzung in das deutsche Recht die ChemVerbotsV erlassen wurde.

IV. Anhaltspunkte, die auf eine nicht ordnungsgemäße Ausübung des dem Beklagten durch § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG eröffneten Ermessens hindeuten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die zwischenzeitliche Rechtsänderung die Ermessenserwägungen des Beklagten nicht entwertet, da er § 1 Abs. 2 ChemVerbotsV bereits in einer Weise interpretiert hat, die der Rechtslage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats entspricht.

Ende der Entscheidung

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