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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.02.2008
Aktenzeichen: 7 MS 1/08
Rechtsgebiete: AtG


Vorschriften:

AtG § 9a Abs. 3 S. 3
AtG § 23 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 2
Bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle im tiefen geologischen Untergrund ist - im Unterschied zu anderen atomrechtlichen Anlagen - die nach § 24 Abs. 2 AtG durch die Landesregierung bestimmte oberste Landesbehörde zwar Genehmigungsbehörde, jedoch nicht Aufsichtsbehörde. Das Atomgesetz sieht insoweit eine Aufspaltung von Genehmigungs- und Aufsichtszuständigkeit vor (wie BVerwG, Urt. v. 21.5.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6, 16).
Gründe:

Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zum Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der Beigeladenen zu 1).

Die Beigeladene zu 1) betreibt im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung das ehemalige Salzbergwerk C. als Versuchsanlage zur Entwicklung von Endlagertechniken für schwach- und mittelradioaktiven Abfall, in dem sie von April 1967 bis Dezember 1978 ca. 125.000 Gebinde mit schwachradioaktiven Abfällen und von 1972 bis 1977 ca. 1.300 Fässer mittelradioaktiven Abfalls eingelagert hat. Seit geraumer Zeit betreibt sie die Schließung der Anlage.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Hofgrundstücks in D., das etwa 1,5 km nördlich des Schachtes der Anlage C. gelegen ist. Sie hat am 23. April 2007 Klage gegen den Antragsgegner mit dem Ziel erhoben, für die von der Beigeladenen zu 1) vorgesehenen Schließungsmaßnahmen die Durchführung eines atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens anzuordnen, hilfsweise die Notwendigkeit eines atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens festzustellen.

Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2007 hat sie einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt und beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Beigeladenen zu 1) alle Maßnahmen zu untersagen, die auf eine endgültige Schließung des Bergwerkes C. gerichtet sind, soweit sie nicht atomrechtlich genehmigt bzw. angeordnet sind.

Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1) haben beantragt,

den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.

Sie halten den gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz für unzulässig und unbegründet.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Akten sowie auf das Klageverfahren 7 KS 96/07 nebst Beiakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch nach § 123 VwGO auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Anordnung der begehrten Maßnahmen.

Nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 2 VwGG, die entsprechend für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gelten (Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand: Oktober 2005, § 78 Rn. 20, 47; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14. Auflage 2004, § 78 Rn. 1; Bader u.a., VwGO, 4. Auflage 2007, § 78 Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 78 Rn. 2), ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Landesbehörde zu richten, die den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Richtiger Antragsgegner ist demnach die Behörde, die für den Erlass der von der Antragstellerin begehrten Maßnahme zuständig wäre.

Der gegen den Antragsgegner gerichtete Antrag zielt - wie der Senat ihn versteht - jedenfalls vorrangig (letztlich) auf die Anordnung von Maßnahmen auf atomrechtlicher Grundlage gegenüber der Beigeladenen zu 1). Dafür ist der Antragsgegner indes nicht die zuständige Behörde. Selbst wenn man der Auffassung der Antragstellerin folgt, dass es sich bei dem "Salzbergwerk C." um ein Endlager im Sinne von § 9a Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. AtG handelt, auf das die atomrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind, wäre für den Erlass atomrechtlicher Aufsichtsmaßnahmen nicht der Antragsgegner zuständig. Die Besonderheit bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle im tiefen geologischen Untergrund besteht im Unterschied zu anderen atomrechtlichen Anlagen darin, dass hier die nach § 24 Abs. 2 AtG durch die Landesregierung bestimmte oberste Landesbehörde zwar Genehmigungsbehörde ist, jedoch nicht Aufsichtsbehörde. Das Atomgesetz sieht insoweit eine Aufspaltung von Genehmigungs- und Aufsichtszuständigkeit vor (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.5.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6, 16) vor. Nach §§ 19 Abs. 5, 23 Abs. 1 Nr. 2 AtG liegt die Kompetenz für Aufsichtsmaßnahmen gegenüber Dritten, denen die Errichtung und der Betrieb einer Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle gem. § 9a Abs. 3 Satz 3 AtG durch den Bund übertragen worden ist, bei dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Daraus ergibt sich, dass der Antragsgegner - auch ausgehend vom Rechtsstandpunkt der Antragstellerin - aus rechtlichen Gründen gehindert wäre, gegenüber der Beigeladenen zu 1) aufsichtlich tätig zu werden.

Nichts anderes ergäbe sich, wenn man für den Erlass der begehrten Maßnahmen bergrechtliche Ermächtigungsgrundlagen in Erwägung ziehen würde. Auch hierfür wäre der Antragsgegner nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 2 AGVwGO nicht passivlegitimiert. Nach dem Beschluss der Landesregierung vom 20. Dezember 2005 über die Errichtung des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (MBl. 2006, S. 56) gehört die Bergaufsicht (auch) im Zusammenhang mit Anlagen zur Lagerung und Behandlung radioaktiver Stoffe - einschließlich der Vorhaben zur Erkundung, Sicherstellung und Erprobung solcher Anlagen - zu den Kernaufgaben des Beigeladenen zu 2). Der Antragsgegner ist insoweit lediglich Fachaufsichtsbehörde.

Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bereits aus den genannten Gründen keinen Erfolg haben kann, bedarf es eines Eingehens auf die von Antragsgegner und Beigeladener zu 1) gegen seine Zulässigkeit und Begründetheit weiter geltend gemachten Einwände nicht.

Ende der Entscheidung

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