Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.12.2002
Aktenzeichen: 8 LA 156/02
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 I
Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und - Verwaltungspraktikabilität ist es zulässig, bei der Bemessung der Kammerbeiträge auch den Teil des Ortszuschlags zu berücksichtigen, den die im öffentlichen Dienst tätigen Ärzte erhalten, wenn sie verheiratet sind und Kinder haben.
Tatbestand:

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die vom Kläger geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO nicht vorliegen.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, da das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 17. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2000 zu Recht abgewiesen hat. Die Beklagte durfte bei der Bemessung des Kammerbeitrags entgegen der Annahme des Klägers auch den Teil des Ortszuschlags berücksichtigen, den der Kläger erhalten hat, weil er verheiratet ist und Kinder hat.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten erfolgt die Veranlagung zu Kammerbeiträgen nach Beitragsgruppen, für die die Beitragsordnung unterschiedlich hohe Beiträge festsetzt. Die Einstufung in die Beitragsgruppen richtet sich nach § 2 Abs. 1 der Beitragsordnung, vorbehaltlich hier nicht einschlägiger anderer Bestimmungen, nach den Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit, die unter Zugrundelegung der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln sind. Danach ist der gesamte Ortszuschlag bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen, weil er zu den Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit gehört. Die gegenteilige Annahme des Klägers ist unzutreffend, da der Ortszuschlag ohne die ärztliche Tätigkeit des Klägers entfiele.

Die Berücksichtigung des gesamten Ortszuschlags ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil sie zur Folge haben kann, dass ein im öffentlichen Dienst tätiger Arzt, der verheiratet ist und Kinder hat, einen höheren Kammerbeitrag als ein unverheirateter und kinderloser Arzt in gleicher Position zahlen muss.

Die gerichtliche Überprüfung der Beitragsordnung einer berufsständischen Kammer ist darauf beschränkt, ob der Satzungsgeber die äußersten Grenzen seines Gestaltungsspielraums verlassen hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.7.1989 - 1 B 109/89 - NJW 1990 S. 786; Senatsurt. v. 13.12.2001 - 8 L 4694/99 -). Das ist der Fall, wenn er bei der Bemessung der Mitgliedsbeiträge, die der Abgeltung des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Nutzens dienen, gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen hat (BVerwG, Urt. v. 25.11.1971 - I C 48.65 - BVerwGE 39, 100, 107 f.; Urt. v. 26.1.1993 - 1 C 33/89 - BVerwGE 92, 24, m.w.N.; Senatsurt. v. 13.12.2001, a.a.O.). Da der Gleichheitssatz es verbietet, wesentlich Gleiches ohne hinreichenden sachlichen Grund ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln, müssen wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Nutzens der Kammertätigkeit bei der Bemessung der Beiträge zur Ärztekammer berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.1993, a.a.O.; Senatsurt. v. 13.12.2001, a.a.O.). Danach ist die Bemessung der Beiträge anhand des Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit rechtlich nicht zu beanstanden, weil bei der gebotenen typisierenden Betrachtung die Annahme gerechtfertigt ist, dass mit der Höhe der ärztlichen Einkünfte regelmäßig auch der materielle und immaterielle Nutzen aus der Existenz und dem Wirken der Ärztekammer zunimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.1993, a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 25.7.1989, a.a.O.; Senatsurt. v. 13.12.2001, a.a.O.).

Dabei ist es nicht erforderlich, den Teil des Ortszuschlags, den Ärzte im öffentlichen Dienst erhalten, wenn sie verheiratet sind und Kinder haben, unberücksichtigt zu lassen. Anerkanntermaßen sind auch im Kammerbeitragsrecht Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität zulässig, solange die dadurch entstehende Gleich- oder Ungleichbehandlung noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.1993, a.a.O.; Beschl. v. 28.3.1995 - 8 N 3/93 - NVwZ-RR 1995 S. 594, m.w.N.). Die Grenze liegt dort, wo ein sachlich einleuchtender Grund für die Differenzierung wesentlich gleicher oder die Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte auch mit Blick auf die Verwaltungsvereinfachung fehlt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.3.1995, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.6.1998 - 2 S 1605/97 -).

Diese Grenze wird im vorliegenden Fall nicht überschritten. Wollte die Beklagte den Teil des Ortszuschlags, den im öffentlichen Dienst tätige Ärzte erhalten, wenn sie verheiratet sind und Kinder haben, bei der Bemessung der Beiträge außer Betracht lassen, um diese Ärzte mit unverheirateten und kinderlosen Kollegen beitragsmäßig gleichzustellen, müsste sie einen erheblichen Verwaltungsaufwand betreiben. Andererseits wäre der Zugewinn an Beitragsgerechtigkeit bei der hier nur möglichen generalisierenden Betrachtungsweise relativ gering. Zum einen ist die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit lediglich ein grober Indikator für die Vorteile aus der Kammertätigkeit der Beklagten, weil ein direkter Zusammenhang zwischen der Höhe der Einkünfte und dem materiellen und immateriellen Nutzen aus dem Wirken der Beklagten nicht besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.1993, a.a.O.) Zum anderen hätten nur die Ärzte, die in eine niedrigere Beitragsgruppe einzustufen wären, den Vorteil, geringere Beiträge zu zahlen. Daher ist es aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und - praktikabilität zulässig, bei der Bemessung der Kammerbeiträge auch den Teil des Ortszuschlags zu berücksichtigen, den im öffentlichen Dienst tätige Ärzte erhalten, wenn sie verheiratet sind und Kindern haben.

Der Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegt ebenfalls nicht vor. Die Frage, ob der o. g. Teil des Ortszuschlags bei der Bemessung der Kammerbeiträge außer Betracht bleiben muss, bedarf nämlich keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sie anhand der eingangs zitierten höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ohne weiteres verneint werden kann.

Ende der Entscheidung

Zurück