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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.06.2009
Aktenzeichen: 8 LA 81/09
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 23
AufenthG § 104a
Auch einem Ausländer, der noch bis Ende September 2007 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG i. V. m. der nds. Bleiberechtsregelung vom 6. Dezember 2006 und dessen Aufenthalt danach zu dulden war, kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG erteilt werden.
Gründe:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Es bestehen aus den vom Beklagten vorgetragenen Gründen keine ernstlichen Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu erteilen. Der Beklagte hält diese Entscheidung für falsch, weil der Kläger am 1. Juli 2007 im Besitz einer bis zum 30. September 2007 befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i. V. m. der Niedersächsischen Bleiberechtsregelung aufgrund des Erlasses vom 6. Dezember 2006 gewesen sei. Nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG würden jedoch nur Personen begünstigt, die am 1. Juli 2007 "geduldet" worden seien. Diesem Einwand kann nicht gefolgt werden.

§ 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG enthält zwei auf den jeweiligen Aufenthaltstatus bezogene Voraussetzungen. Erstens muss sich der Begünstigte in dem Zeitraum vor dem 1. Juli 2007 seit mindestens sechs bzw. acht Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (vgl. Senatsbeschl. v. 20.11.2007 - 8 ME 108/07 -, AuAS 2008, 14 f.) im Bundesgebiet aufgehalten haben. Zweitens muss der Ausländer "geduldet" werden. Dem Wortlaut des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Ausländer - wie vom Beklagten vorgetragen - bereits am 1. Juli 2007 im Besitz einer Duldung gewesen sein muss und in diesem Zeitpunkt nicht (mehr) im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gewesen sein darf. Sowohl in der Kommentarliteratur (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 104a AufenthG, Rn. 4; GK-AuslR, § 104a AufenthG, Rn. 8) als auch in den Hinweisen des Bundesinnenministeriums (BMI) zum Richtlinienumsetzungsgesetz (Teil I L I. 3. Satz 2; im Ergebnis ebenso Ziffer 104a 1.1.1 Satz 4 der Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz) wird es für ausreichend erachtet, wenn der Ausländer im später liegenden Antrags- oder im Entscheidungszeitpunkt der Behörde geduldet wird bzw. zu dulden ist. Dieser Ansicht ist jedenfalls für die vorliegend zu beurteilende Fallgestaltung zu folgen, in der der Ausländer bis Ende September 2007 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach der zuvor zitierten Bleiberechtsregelung und danach als Roma aus dem Kosovo zu dulden war. Denn mit dem Erlass der gesetzlichen Altfallregelung in § 104a Abs. 1 AufenthG sollte die Lage der begünstigten Ausländer im Verhältnis zu den vorhergehenden landesrechtlichen Bleiberechtsregelungen, die auf den Beschluss der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 zurückgehen, verbessert werden. Ihnen wird bis zum Jahresende 2009, d.h. über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren, die Gelegenheit gegeben, für den Erhalt eines dauerhaften Aufenthaltsrechts ihren Lebensunterhalt eigenständig zu sichern. Bis dahin erhalten sie eine Aufenthaltserlaubnis "auf Probe". Diese Chance, einen dauerhaften, den Lebensunterhalt der Familie sichernden Arbeitsplatz bis zum Jahresende 2009 zu finden, stand Ausländern nach der niedersächsischen Bleiberechtsregelung hingegen nur eingeschränkt zur Verfügung, da danach (Ziffer II 6. 2.) die zu erteilenden Aufenthaltserlaubnisse auf längstens zwei Jahre zu befristen waren. Dem Kläger ist vorliegend sogar nur eine auf vier Monate befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt und aus anderen Gründen nicht verlängert worden. Dass er deshalb von der Vergünstigung des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausgeschlossen sein soll, ist nicht zu erkennen.

Die vom Beklagten angeführten Hinweise des BMI (Teil I L I. 1.) enthalten für die hier maßgebliche Fallgestaltung keine ausdrückliche Regelung und sind für die Verwaltungsgerichte ohnehin nicht verbindlich. Ebenso wenig lässt sich aus den vom Beklagten weiterhin angeführten obergerichtlichen Entscheidungen (VGH Mannheim, Beschl. 30.9.2008 - 11 S 2088/08 -, AuAS 2009, 16 f., sowie OVG Münster, Beschl. v. 30.7.2008 - 18 B 602/08 -, AuAS 2009, 18 f.) eine abweichende Rechtsansicht entnehmen. In beiden Fällen ist schon nicht festgestellt worden, dass der Ausländer zumindest im Entscheidungszeitpunkt der Behörde geduldet wurde bzw. einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung hatte.

Andere Gründe, die der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG an den Kläger entgegen stehen könnten, macht der Beklagte nicht geltend und sind nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO im Zulassungsverfahren auch nicht von Amts wegen zu prüfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 8.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).

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