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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.02.2009
Aktenzeichen: 8 LB 7/08
Rechtsgebiete: ABH, ASO, VwGO


Vorschriften:

ABH § 17
ASO § 13
VwGO § 52
VwGO § 58
Wer seine Praxis durch einen Vertreter fortführen läßt, erhält mangels Aufgabe seiner zahnärztlichen Tätigkeit unverändert keine Berufsunfähigkeitsrente vom zahnärztlichen Versorgungswerk in Niedersachsen.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch um die Frage, ob der Klägerin bereits für das erste Halbjahr 2007 ein Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente zusteht.

Die geborene Klägerin ist seit 1986 Mitglied des Beklagten. Mit Schreiben vom 24. Mai 2006, bei dem Beklagten eingegangen am 1. Juni 2006, stellte sie einen Antrag auf Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 ab. Die Klägerin sei nach den eingeholten Gutachten arbeitsunfähig krank, aber nicht berufsunfähig. Der Bescheid wurde an die Praxisanschrift der Klägerin in Jork mit einem sog. Übergabeeinschreiben versandt, nach den Angaben der Klägerin von einer damaligen Praxismitarbeiterin aber erst am 3. Januar 2007 in Empfang genommen. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides wurde auf die Klagemöglichkeit beim Verwaltungsgericht Stade innerhalb eines Monats nach "Bekanntgabe" des Bescheides hingewiesen.

Am 30. Januar 2007 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stade Klage erhoben, das den Rechtsstreit an das für den Wohnsitz der Klägerin in D. zuständige Verwaltungsgericht Lüneburg verwiesen hat. Bis einschließlich Juni 2007 wurde die (Einzel-) Praxis der Klägerin durch Vertreter fortgeführt. Die Klägerin war nach ihren Angaben in diesem Zeitraum selbst nicht mehr zahnärztlich tätig und habe aus der Praxis in diesem Zeitraum auch keinen Gewinn erwirtschaftet. Die Klägerin wollte ursprünglich bereits ab dem 24. Mai 2006 eine Berufsunfähigkeitsrente erhalten.

Nachfolgend hat sie beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr ab dem 1. Juli 2006 eine Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren eingestellt, soweit die Klage - für den Zeitraum vom 24. Mai bis zum 30. Juni 2006 - zurückgenommen worden ist.

Für den sich anschließenden Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum Jahresende 2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage als zulässig, aber unbegründet abgewiesen. Nach der im zweiten Halbjahr 2006 noch geltenden Bestimmung des § 13 Abs. 2 Satz 2 der Alterssicherungsordnung (ASO) 2005 sei die "Aufgabe der Praxis" neben dem Eintritt der Berufsunfähigkeit weitere notwendige Voraussetzung für die Bewilligung der streitigen Rente gewesen. Die Klägerin habe ihre Praxis im zweiten Halbjahr 2006 aber durch einen Vertreter fortgeführt und damit (noch) nicht i. S. d. § 13 Abs. 2 Satz 2 ASO 2005 "aufgegeben".

Für den Folgezeitraum ab dem 1. Januar 2007 sei § 13 Abs. 2 Satz 2 ASO 2005 wirksam durch § 17 Abs. 2 Satz 2 der Satzung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenensicherung (ABH) ersetzt worden. Nunmehr bedürfe es nicht mehr der "Aufgabe der Praxis", sondern lediglich noch der Aufgabe der "zahnärztlichen Tätigkeit". Damit sei die Einstellung der tatsächlichen Tätigkeit "am Stuhl" gemeint. Eine solche Tätigkeit habe die Klägerin ab dem Jahresbeginn 2007 nicht mehr ausgeübt. Sie sei zudem aufgrund multipler Erkrankungen auch berufsunfähig. Ihr stehe deshalb ab dem Jahresbeginn 2007 die beantragte Rente zu. Insoweit hat das Verwaltungsgericht der Klage entsprochen.

Auf den Zulassungsantrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2008 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit der Beklagte verpflichtet worden ist, der Klägerin auch für das 1. Halbjahr 2007 eine Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren. Der Beklagte hat seine Berufung am 7. März 2008 begründet. Er vertritt die Ansicht, dass die Klägerin in dem streitigen Zeitraum ihre "zahnärztliche Tätigkeit" noch nicht aufgegeben habe und ihr deshalb die beantragte Berufsunfähigkeitsrente für diese Zeit nicht bewilligt werden könne. Wer - wie die Klägerin bis zur Veräußerung ihrer Praxis ab dem Juli 2007 - die Praxis durch einen Vertreter fortführen lasse, habe seine zahnärztliche Tätigkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 Satz 2 ABH nicht aufgegeben. Denn ein solches Mitglied beziehe weiterhin Einkünfte aus der ihm zugerechneten Praxistätigkeit. Dass auch in einem solchen Fall ein Rentenanspruch bestehen solle, habe die Mehrheit der Vertreterversammlung bei der auf ihren Vorstellungen beruhenden Änderung des Satzungsrechts zum Jahresbeginn 2007 nicht beabsichtigt. Vielmehr habe die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente lediglich insoweit erleichtert werden sollen, als jetzt die Veräußerung der Praxis nicht mehr erforderlich sei. Unverändert dürfe das Mitglied aber jedenfalls keine laufenden Einkünfte aus seiner Praxistätigkeit mehr erzielen, wenn es eine Berufsunfähigkeitsrente beziehen wolle.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 14. November 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte verpflichtet worden ist, der Klägerin auch für das erste Halbjahr 2007 eine Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, dass für die Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente im hier noch streitigen Zeitraum allein die tatsächliche Aufgabe der zahnärztlichen Tätigkeit erforderlich sei. Die von dem Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen der - für die Bewilligung der Rente unschädlichen - "Vermietung und Verpachtung" der Praxis einerseits und der - die Gewährung einer Berufungsfähigkeitsrente ausschließenden - Fortführung der Praxis durch einen Vertreter sei hingegen unzutreffend. Allenfalls sei im letztgenannten Fall bei gleichzeitiger Beantragung einer Berufsunfähigkeitsrente der Einwand des missbräuchlichen Verhaltens denkbar. Die Klägerin habe sich jedoch nicht rechtsmissbräuchlich verhalten, insbesondere aus der Fortführung ihrer Praxis ausschließlich durch Vertreter im 1. Halbjahr 2007 keine Einkünfte mehr erzielt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Berufung des Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage in dem hier noch streitigen Umfang, d. h. für das 1. Halbjahr 2007, zu Unrecht stattgegeben. Der Klägerin steht für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente zu.

Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Verwaltungsgericht ist zwar zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Insbesondere war bei Klageerhebung am 30. Januar 2007 die Klagefrist noch nicht verstrichen.

Dafür braucht nicht geklärt zu werden, ob der Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2006 schon nicht an die Praxisanschrift der Klägerin in Jork, sondern an ihre Privatanschrift in D. hätte adressiert werden müssen, wie die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre dahingehende, bereits im Verwaltungsverfahren gegenüber dem Beklagten geltend gemachte Bitte vorträgt. Ebenso kann offen bleiben, ob der Bescheid der Klägerin unter ihrer Praxisanschrift bereits am 27. Dezember 2006 zugestellt worden ist, wie der Beklagte unter Bezugnahme auf die Mitteilung der Post geltend macht, oder dies - wie die Klägerin vorträgt - erst am 3. Januar 2007 geschehen ist. In jedem Fall lief wegen einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung vorliegend nicht die normale Klagefrist von einem Monat nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Vielmehr betrug die Klagefrist gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr, so dass die Erhebung der Klage am 30. Januar 2007 rechtzeitig war.

Die Rechtsbehelfslehrung war jedenfalls insoweit "unrichtig", als darin das Verwaltungsgericht Stade als das örtlich zuständige Verwaltungsgericht bezeichnet worden war. Denn gemäß § 52 Nr. 3 Satz 2 und 5 VwGO war vorliegend das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Klägerin als Beschwerte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung ihren Wohnsitz hatte. Die Klägerin wohnte damals in D. (und wohnt dort auch weiterhin), das zum Landkreis E. und damit gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 NdsAGVwGO zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Lüneburg zählt. Die abweichende Bennennung des Verwaltungsgerichts Stade in dem angefochtenen Bescheid war damit falsch. Dass die Rechtsbehelfsbelehrung nicht den in § 58 Abs. 1 VwGO geforderten korrekten Hinweis auf den Sitz des anzurufenden Gerichts enthielt, reicht für die Annahme der Unrichtigkeit der Belehrung i. S. d. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO aus. Bei einem solchen Fehler bedarf es keiner zusätzlichen Prüfung, ob sich dieser unzutreffende Hinweis auch generell eignet, die Einlegung der Klage zu erschweren (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.2002 - 4 C 2/01 - DVBl. 2002, 1553 f., und Beschl v. 25.4.2000 - 7 B 198/99 -, VIZ 2000, 723 f., jeweils m. w. N.).

Ob bei der hier gewählten Zustellung des Bescheides durch ein Übergabeeinschreiben für den Beginn der Klagefrist auf den Zeitpunkt dieser "Zustellung" an Stelle der "Bekanntgabe" hätte abgestellt werden müssen und darin ggf. eine weitere Unrichtigkeit der Belehrung liegt (vgl. Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 58, Rn. 29; Kopp/Schenke, VwGO, § 58, Rn. 12), kann deshalb offen bleiben.

Die demnach zulässige Klage ist für den hier zu beurteilenden Zeitraum des 1. Halbjahres 2007 jedoch nicht begründet.

Es kann dahin stehen, ob die Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente erfüllt hat, was vom Beklagten nicht mehr in Abrede gestellt wird.

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts mangelt es jedenfalls an der Erfüllung der weiteren Voraussetzung für die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente, nämlich nach § 13 Abs. 2 Satz 2 ASO 2005 an der "Aufgabe der Praxis" bzw. gemäß der Nachfolgebestimmung des § 17 Abs. 2 Satz 2 ABH an der "Aufgabe der zahnärztlichen Tätigkeit".

Dieses Verfahren gibt keinen Anlass, näher der Frage nachzugehen, ob die im Wege der Ersatzvornahme im Juli 2007 vom Niedersächsischen Sozialministerium verabschiedete, (auf den S. 483 ff.) im Heft 8 des Jahres 2007 des amtlichen Mitteilungsblatts der Zahnärztekammer Niedersachsen veröffentlichte und nach § 37 Abs. 1 rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Satzung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenensicherung ( = ABH) einschließlich des hier in seiner Auslegung streitigen § 17 Abs. 2 überhaupt wirksam geworden ist oder weiterhin § 13 Abs. 2 ASO 2005 gilt. Denn nach keiner der beiden genannten Bestimmungen steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zu.

Der Senat hat wiederholt entschieden, dass ein Mitglied des Beklagten unter der Geltung des § 13 Abs. 2 Satz 2 ASO (2005) für den Erhalt einer Berufsunfähigkeitsrente seine Zahnarztpraxis nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich aufgeben muss (vgl. Beschl. v. 10.3.2003 - 8 PA 38/03 -, m. w. N.). Wer seine Praxis - wie die Klägerin im ersten Halbjahr 2007 - durch einen Vertreter fortführt, hat diese also i. S. d. § 13 Abs. 2 Satz 2 ASO nicht "aufgegeben".

Dem Verwaltungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass sich mit dem (unterstellten) Inkrafttreten des § 17 Abs. 2 Satz 2 ABH die Rechtslage entscheidungserheblich zu Gunsten der Klägerin geändert hat und es nunmehr allein auf die tatsächliche und nicht mehr auf die rechtliche Aufgabe der zahnärztlichen Tätigkeit ankommt.

Zwar scheint hierfür zunächst der Wortlaut der Bestimmung zu sprechen. Denn gefordert wird nicht mehr die Aufgabe der "Praxis", sondern der "zahnärztlichen Tätigkeit". Andererseits lässt der Wortlaut in Anknüpfung an den vorherigen Rechtszustand auch die Annahme zu, dass unverändert eine Aufgabe im Rechtssinne erfolgt sein muss, nunmehr allerdings bezogen auf die selbständige zahnärztliche Tätigkeit. Dann mangelt es unverändert an einer solchen Aufgabe, wenn das selbständig tätige Mitglied zwar nicht mehr persönlich zahnärztlich arbeitet, aber seine Einzelpraxis vorübergehend durch einen Assistenten oder Vertreter fortführt und die zahnärztlichen Leistungen dabei im Namen und auf Rechnung des Praxisinhabers erbracht werden.

Für das letztgenannte nach Ansicht des Senats, vorzugswürdige Verständnis spricht zunächst die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Ihr Vorläufer verlangte - wie dargelegt - eine Aufgabe der selbständigen Tätigkeit im Rechtssinne. Dass mit dem Inkrafttreten des § 17 Abs. 2 Satz 2 ABH hiervon abgewichen werden sollte, ist nicht zu erkennen. Vielmehr sollte die Aufgabe der zahnärztlichen Tätigkeit im Rechtssinne grundsätzlich weiterhin erforderlich sein, aber erleichtert werden. Als eine solche Aufgabe gilt nämlich nunmehr bereits der rechtliche Verzicht auf eine weitere Tätigkeit als selbständiger Zahnarzt, ohne dass zusätzlich - wie zuvor nach der Verwaltungspraxis des Beklagten - auch die bislang genutzten Praxisräumlichkeiten verpachtet oder veräußert werden müssen.

Die Systematik des § 17 Abs. 2 ABH unterstreicht dieses Verständnis. Bereits § 17 Abs. 2 Satz 1 ABH enthält nämlich für die Berufsunfähigkeitsrente ein tätigkeitsbezogenes Merkmal. Das Mitglied muss danach zur Bezugsberechtigung nicht nur berufsunfähig, d.h. krankheitsbedingt dauernd zur Ausübung einer nachhaltigen Tätigkeit unfähig sein, sondern eine solche Tätigkeit ausdrücklich auch nicht mehr ausüben. Würde man nun auch noch die hier umstrittene und ersichtlich ergänzende Bestimmung in Satz 2 des § 17 ABH als rein tätigkeitsbezogen verstehen, so wäre sie weitgehend überflüssig. Sie hätte lediglich noch zur Konsequenz, dass ein selbständiges Mitglied des Beklagten seine zahnärztliche Tätigkeit zum Ausschluss der "Nachhaltigkeit" i. S. d. Satzes 1 nicht nur überwiegend, sondern vollständig einstellen müsste. Einer solchen Auslegung kann außerdem auch deshalb nicht gefolgt werden, weil sie zu einer ersichtlich nicht gewollten Privilegierung der selbständigen Mitglieder des Beklagten gegenüber ihren im Angestelltenverhältnis beschäftigten Kollegen führte. Letztgenannte erhalten unverändert erst dann eine Berufsunfähigkeitsrente, wenn ihr Arbeitsvertrag "beendet" ist. Damit ist erkennbar ein rechtliches und kein tatsächliches Erfordernis gemeint. Ein im Angestelltenverhältnis beschäftigtes Mitglied des Beklagten muss also selbst dann, wenn es wegen einer lang andauernden Erkrankung weder Lohnfortzahlung noch Krankengeld oder eine andere Lohnersatzleistung erhält, zwecks Erhalt einer Berufsunfähigkeitsrente erst noch formell seinen Arbeitsvertrag aufheben. Dass demgegenüber einem selbständigen Mitglied des Beklagten durch die von der Klägerin und dem Verwaltungsgericht vertretene Auslegung des § 17 Abs. 2 Satz 2 ABH der gleichzeitige (vorübergehende) Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente und eines (anteiligen) Gewinns aus seiner von anderen Personen fortgeführten Praxis ermöglicht werden soll, ist nicht zu erkennen.

Ein solches Normverständnis widerspräche außerdem dem Sinn und Zweck der Berufsunfähigkeitsrente. Sie tritt an die Stelle der nicht mehr vorhandenen Einkünfte aus eigener zahnärztlicher Tätigkeit, soll diese aber nicht ergänzen. Ein abweichendes Verständnis würde zudem die aus allen Mitgliedern des Beklagten bestehende Solidargemeinschaft übermäßig in Anspruch nehmen, da die Berufsunfähigkeitsrente nicht ausschließlich aus den Beiträgen des einzelnen Mitgliedes, sondern in Abhängigkeit vom Eintrittszeitpunkt des Leistungsfalles überwiegend oder doch zumindest anteilig aus den Mitteln aller Mitglieder des Beklagten finanziert wird.

Schließlich verlangt § 17 Abs. 2 Satz 2 ABH vom Mitglied ausdrücklich den Nachweis der Aufgabe seiner Tätigkeit. Wäre damit bei Fortführung der eigenen Praxis lediglich die Einstellung der eigenen tatsächlichen Tätigkeit gemeint, so wäre dieser Nachweis kaum zu erbringen. Zudem wäre unklar, ob lediglich die vom Verwaltungsgericht angeführte Tätigkeit am Stuhl eingestellt werden müsste oder nicht weitergehend auch eine administrative, d. h. etwa auch eine gutachterliche bzw. beratende Tätigkeit in der eigenen Praxis.

Die in eigener Praxis tätigen Mitglieder des Beklagten werden durch die hier vorgenommene Auslegung des § 17 Abs. 2 Satz 2 ABH auch nicht unzumutbar belastet. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 ABH wird eine Berufsunfähigkeitsrente nur bei dauernder Unfähigkeit zur Ausübung einer nachhaltigen zahnärztlichen Tätigkeit gewährt. Das Regelwerk des Beklagten sieht hingegen bei Krankheit oder auch bei vorübergehender Berufsunfähigkeit keine Leistungen vor. Beim Eintritt einer Krankheit und dadurch bedingter Arbeitsunfähigkeit schließt sich also bis zur Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente regelmäßig ohnehin ein Zeitraum an, in dem sich das Mitglied unter Berücksichtigung des zu erwartenden Krankheitsverlaufs zu entscheiden hat, ob es seine selbständige Tätigkeit noch wird fortsetzen können oder seine Praxis aufgeben muss und wie in diesem Überbrückungszeitraum wirtschaftliche Einbußen, etwa durch Inanspruchnahme privater Versicherungen und/oder die Einstellung eines Vertreters, möglichst gering gehalten werden können. Innerhalb dieses Zeitraums muss sich das Mitglied also ohnehin darüber klar werden, ob es seine zahnärztliche Tätigkeit endgültig einstellt oder nicht. Sollten Unsicherheiten über das Vorliegen der Berufsunfähigkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 ABH bestehen, so kann sich das Mitglied zur Klärung vorab an den Beklagten wenden. Es ist hingegen keine Pflichtaufgabe des Beklagten, durch die Gestaltung der Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente das Risiko seiner selbständigen Mitglieder zu verkleinern oder gar auszuschließen, ihre Praxis zu einem wirtschaftlich ungünstigen Zeitpunkt aufgeben zu müssen.

Steht somit die Fortführung der eigenen zahnärztlichen Praxis durch einen Vertreter der Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente entgegen, so steht der Klägerin für das erste Halbjahr 2007 keine solche Rente zu. Denn sie hat ihre Praxis in diesem Zeitraum durch Vertreter weitergeführt. Ob sie auf diese Weise einen Gewinn erzielt hat, ist unerheblich. Ebenso wenig muss deshalb die Frage geklärt zu werden, ob die Klägerin im ersten Halbjahr ggf. noch administrative Arbeiten in ihrer Praxis verrichtet hat.

Die einheitlich für beide Rechtszüge geltende Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO. Die Klägerin hat ihre Klage in erster Instanz insoweit zurückgenommen und deshalb gemäß § 155 Abs. 2 VwGO die Verfahrenskosten zu tragen, als sie ursprünglich die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente auch für den Zeitraum vom 24. Mai 2006 bis zum 30. Juni 2006 beantragt hatte. Mit ihrem darüber hinausgehenden Antrag für das zweite Halbjahr 2006 ist sie rechtskräftig in erster Instanz und für das erste Halbjahr 2007 nunmehr in zweiter Instanz erfolglos geblieben. Rechtskräftig obsiegt hat sie hingegen mit ihrem Verpflichtungsbegehren bezogen auf den Zeitraum ab dem zweiten Halbjahr 2007. Soweit sich das Klagebegehren auf die Zeit ab dem Juli 2006 gerichtet hat, beruht die Kostenentscheidung daher auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin zwar in erster Instanz bezogen auf einen höheren Streitwert im Ergebnis überwiegend obsiegt hat, hinsichtlich des in zweiter Instanz allein noch streitigen Teils ihres Begehrens hingegen vollständig unterlegen ist und dies bei der gebotenen einheitlichen Kostenentscheidung für beide Rechtszüge im Ergebnis zu einem jeweils hälftigen Unterliegen beider Beteiligten führt.

Ende der Entscheidung

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