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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: 9 ME 177/06
Rechtsgebiete: NKAG


Vorschriften:

NKAG § 9 Abs. 2
Einem Bauträger im Erhebungsgebiet werden durch den Fremdenverkehr unmittelbare und mittelbare besondere wirtschaftliche Vorteile im Sinne von § 9 Abs. 2 NKAG geboten. Dies gilt dann nicht, wenn er nach dem Gegenstand seines Unternehmens gehindert ist, Ferienwohnungen zu schaffen.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 9 ME 177/06

Datum: 21.06.2007

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem gegen die Heranziehung zu Fremdenverkehrsbeiträgen für die Jahre 2002 und 2003 gerichteten Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes zu Unrecht entsprochen. An der Rechtmäßigkeit der Heranziehung der im Erhebungsgebiet als Bauträgerin tätig gewordenen Antragstellerin bestehen keine die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der dagegen gerichteten Klage rechtfertigenden ernstlichen Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO.

Das Verwaltungsgericht geht in Übereinstimmung mit den Gründen des von ihm in seinem Beschluss wörtlich wiedergegebenen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. März 1989 (- Nr. 4 B 87.01262 - KStZ 1989, 238 = ZKF 1990, 63) davon aus, dass ein Bauunternehmer einen Vorteil aus dem Fremdenverkehr nur mit solchen Wohnungen erziele, die er an jemanden verkauft, der sie als Ferienwohnungen im Rahmen des Fremdenverkehrs jeweils nur für einige Tage oder Wochen an Fremde vermietet, die sich zum Zwecke der Erholung oder des sonstigen ortsspezifischen Tourismus kurzfristig in der Gemeinde aufhalten. Alle sonstigen Fälle der Errichtung von Wohnungen in einem Fremdenverkehrsort - sei es zur eigenen Nutzung eines auswärtigen Eigentümers oder zur Dauervermietung an Zweitwohnungsbesitzer oder Angestellte der Fremdenverkehrsindustrie - machten hingegen den Bauunternehmer nicht fremdenverkehrsbeitragspflichtig mit dem dadurch erzielten Umsatz oder Gewinn. Die Antragstellerin sei nach diesen Kriterien nicht beitragspflichtig, weil sie - nach eigenen Angaben - nur gegründet worden sei, um die aus Eigentumswohnungen bestehenden Bauvorhaben "Westerreihe C., D. und E." in Cuxhaven zu realisieren und diese Wohnungen ausschließlich an ohnehin in Cuxhaven wohnhafte Personen, nicht hingegen an Feriengäste, vermietet bzw. veräußert würden.

Der Senat teilt die mit der Beschwerde dargelegte Auffassung, dass das Verwaltungsgericht die Beitragspflichtigkeit der Antragstellerin zu Unrecht verneint hat.

Durch den Fremdenverkehr unmittelbar bevorteilt sind diejenigen Personen bzw. Unternehmen, die in direkter Verbindung mit den Fremden stehen, indem sie für diese gegen Entgelt Dienstleistungen erbringen oder an sie Waren verkaufen. In § 2 Abs. 2 Halbsatz 1 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Antragsgegnerin (FVBS) werden insoweit zutreffend die selbstständig tätigen Personen und Unternehmen bezeichnet, die mit den Gästen selbst entgeltliche Rechtsgeschäfte abschließen. Dazu zählen vor allem Beherbergungsbetriebe, Gaststätten und Inhaber von Ferienwohnungen und Läden, aber auch Ärzte für Allgemeinmedizin, Fachärzte und Zahnärzte (vgl. Beschl. d. Sen. v. 18.8.2003 - 9 LA 52/03 - NSt-N 2003, 259 = ZKF 2004, 25 = NdsVBl 2004, 75 = NordÖR 2004, 85 und Urt. d. Sen. v. 3.3.2006 - 9 KN 327/03 - NVwZ-RR 2007, 414). Durch § 9 Abs. 2 Satz 1 NKAG ist der Kreis der Beitragspflichtigen darüber hinaus erweitert worden auf diejenigen, die nicht selbst mit den Gästen entgeltliche Rechtsgeschäfte abschließen, sondern denen nur mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile durch den Fremdenverkehr geboten werden. Dies sind - wie in § 2 Abs. 2 Halbsatz 2 FVBS definiert - diejenigen, deren Tätigkeit nach ihrer Art (nur) direkten Geschäftskontakt mit den Nutznießern unmittelbarer Vorteile im Rahmen der Bedarfsdeckung für den Fremdenverkehr herstellt (vgl. Urt. d. Sen. v. 26.3.2003 - 9 KN 252/02 - NordÖR 2003, 328 = NVwZ 2003, 1539). Dazu zählen z.B. Getränke- und Lebensmittellieferanten der Beherbergungsbetriebe oder Kreditinstitute (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 3.4.1988 - 3 A 249/85 - KStZ 1989, 16/17), aber auch Steuerberater (vgl. Urt. d. Sen. v. 17.3.1997 - 9 K 1912/95 - NSt-N 1997, 218 = NVwZ-RR 1998, 452). Unmittelbare und mittelbare Vorteile können im Übrigen auch kumulativ geboten werden. Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats z.B. der Fall bei Ärzten (Urt. v. 3.3.2006, a.a.O.), bei Baumärkten (Beschl. d. Sen. v. 11.8.2003 - 9 LA 42/03 - NordÖR 2003, 510 = DVBl 2004, 200 [nur Leitsatz]) und bei einem Anbieter von PC-Kursen, die auch für im Fremdenverkehr Tätige aus beruflichen Gründen interessant sein können (Urt. v. 26.3.2003 - 9 KN 352/02 - NordÖR 2003, 328 = NVwZ 2003, 1539).

Der Antragstellerin werden durch den Fremdenverkehr im Erhebungsgebiet unmittelbare und mittelbare besondere wirtschaftliche Vorteile im Sinne von § 9 Abs. 2 NKAG und von § 2 Abs. 2 FVBS geboten. Denn sie hat - was ausreichend ist - die Möglichkeit, aus dem Fremdenverkehr im Erhebungsgebiet der Antragsgegnerin Gewinne zu erzielen.

Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin ist nach § 2 des im Beschwerdeverfahren vorgelegten Gesellschaftsvertrages "der Erwerb und die Veräußerung von bebauten und unbebauten Grundstücken, die Bebauung von Grundstücken durch das eigene Unternehmen und durch Drittfirmen, die Vermietung und Verpachtung von bebauten und unbebauten Grundstücken". Die Antragstellerin ist hiernach vom Gesellschaftszweck her nicht gehindert, im Erhebungsgebiet Ferienwohnungen oder Ferienhäuser zu erwerben oder zu bauen und diese sodann zu veräußern oder zu vermieten an Ortsfremde zur Nutzung als Zweitwohnung (unmittelbarer Vorteil) oder an Ortsansässige zum Zwecke der Vermietung an Feriengäste bzw. des Verkaufs als Zweitwohnung für Ortsfremde (mittelbarer Vorteil). Die vom Verwaltungsgericht geteilte Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass derjenige Ortsfremde nicht am Fremdenverkehr teilnimmt, der eine Wohnung in der Absicht bezieht, sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit als Zweitwohnung zu nutzen, ist unzutreffend. Auch die ortsfremden Inhaber von Zweitwohnungen in einem Erhebungsgebiet sind in der Regel Touristen und werden deshalb zu Recht zum Saisonkurbeitrag/Jahreskurbeitrag herangezogen (vgl. Urt. d. Sen. v. 13.12.2006 - 9 KN 180/04 - NSt-N 2007, 43). Mit ihnen getätigte Geschäfte sind deshalb fremdenverkehrsbedingt und bieten unmittelbare Vorteile im Sinne von § 9 Abs. 2 NKAG (§ 2 Abs. 2 FVBS).

Nicht entscheidungserheblich für die Beurteilung der Beitragspflichtigkeit der Antragstellerin ist es, ob und ggf. in welchem Umfang sie bisher tatsächlich unmittelbar oder mittelbar Gewinne aus dem Fremdenverkehr erwirtschaftet hat oder beabsichtigt, dies zukünftig zu tun. Es kommt daher nicht darauf an, ob die von der Antragstellerin bislang erstellten und veräußerten Wohnungen in der "Residenz am Schlossgarten" (Westerreihe C.) bzw. in der Wohnanlage "Am Ritzebütteler Schloss" (Westerreihe D. und E.) sowie die Wohnungen in den im dritten und vierten Bauabschnitt zu erstellenden bzw. erstellten Wohnanlagen "Am Schloss Ritzebüttel" (Westerreihe F.) und "Residenz am Schlossgarten" (- vierter Bauabschnitt - Westerreihe G.) als Ferienwohnungen genutzt werden. Dennoch sieht sich der Senat zu dem Hinweis veranlasst, dass dem Verwaltungsgericht auch nicht mit Blick auf diese offenbar bislang einzig von der Antragstellerin verwirklichten bzw. geplanten Objekte dahingehend zugestimmt werden kann, dass die Antragstellerin keine fremdenverkehrsbedingten Umsätze bzw. Gewinne erzielt hat oder noch wird erzielen können. Denn die Beantwortung der Frage, ob diesbezüglich erzielte bzw. erzielbare Umsätze/Gewinne fremdenverkehrsbedingt sind oder sein würden, hängt nicht davon ab, wie und von wem die Eigentumswohnungen derzeitig genutzt werden. Der Senat stimmt der Antragsgegnerin zu, dass eine derartige "Momentaufnahme" nicht entscheidungserheblich sein kann, weil sich die Nutzung der Wohnungen jederzeit wieder ändern kann. So ist es z.B. denkbar, dass Eigentümer von Wohnungen, die nach der von der Antragstellerin überreichten Übersicht eine Wohnung in der Westerreihe C., D. und E. als "Anlageobjekt" erworben und gegenwärtig an Ortsansässige vermietet haben, diese zukünftig für den Fremdenverkehr zur Verfügung stellen. Nichts anderes gilt für die zukünftige Nutzung von Wohnungen, die zurzeit als "Altersruhesitz" bestimmt sind. Anders wäre die Sache nur dann zu beurteilen, wenn die von der Antragstellerin bislang geschaffenen Wohnungen objektiv nicht geeignet wären, als Ferienwohnungen zu dienen. Dafür ist aber nichts ersichtlich. Eine solche Einschätzung lässt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin insbesondere nicht damit begründen, dass die Wohnanlagen beim Schloss Ritzebüttel zwischen 7 km und 12 km von den Stränden in den Ortsteilen Döse, Duhnen und Sahlenburg der Antragsgegnerin entfernt liegen. Denn die Antragsgegnerin ist nicht nur für ihre Ortsteile Duhnen, Döse einschließlich Grimmershörn bis zur Bernhardstraße als "Nordseeheilbad" und für ihre Ortsteile Altenbruch, Berensch-Arensch und Sahlenburg als "Küstenbadeort" staatlich anerkannt, sondern auch für ihre Ortsteile Cuxhaven-Innenstadt, Altenwalde, Holte-Spangen, Lüdingworth, Oxstedt und Stickenbüttel als "Erholungsort". Die Objekte der Antragstellerin liegen im Ortsteil Cuxhaven-Innenstadt, also im staatlich anerkannten Erholungsort, und Fremdenverkehr findet - wenn auch sicherlich unterschiedlich intensiv - im gesamten Erhebungsgebiet von Cuxhaven statt. Es gibt genügend Touristen, die auch das im Schloss Ritzebüttel angebotene Kulturprogramm und/oder das Angebot an Gastronomie, Einkaufsmöglichkeiten und - insbesondere maritimen - Sehenswürdigkeiten wahrnehmen wollen und aus diesen oder anderen Gründen ein Feriendomizil in der Innenstadt von Cuxhaven wählen. Die Wohnungen in den Wohnanlagen der Antragstellerin sind nach ihrer Größe und Aufteilung durchaus geeignet, als (Komfort-) Ferienwohnungen zu dienen. Es kann mithin nicht angenommen werden, dass keiner ihrer Erwerber Interesse haben würde, diese als Ferienwohnung an Gäste zu vermieten, und ortsfremde Erwerber davon absehen würden, diese als Zweitwohnung zu nutzen.

Ende der Entscheidung

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