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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.12.2005
Aktenzeichen: 9 ME 388/04
Rechtsgebiete: NKAG, NStrG


Vorschriften:

NKAG § 6 I
NStrG § 6 VI
1. Die Widmungsfiktion des § 6 Abs. 6 NStrG findet auch Anwendung auf Fälle der geteilten Baulast in der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße.

2. Besteht am Anliegergrundstück nur ein Erbbaurecht der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks, wird dem Hinterliegergrundstück keine dauerhafte Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße vermittelt.


Tatbestand:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, zeigt nicht auf, dass die Heranziehung des Antragstellers als Eigentümer des Grundstücks "B." zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 566,36 € für die Anlegung eines Gehweges mit Bepflanzung und Beleuchtung an der Westseite der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 3 in der Ortschaft C. ("D.") nach Grund oder Höhe zu beanstanden ist.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Heranziehung des Antragstellers mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. März 2004 vor Eintritt der vierjährigen Festsetzungsverjährung nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 b) NKAG i.V.m. § 169 AO erfolgt ist, obgleich der Gehweg bereits 1996 fertiggestellt worden und die Schlussrechnung des Straßenbauamts J. schon Anfang Februar 1997 bei der Antragsgegnerin eingegangen ist. Allerdings folgt der Senat dem erstinstanzlichen Gericht nicht in der Einschätzung, dies folge daraus, dass die für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erforderliche und vom Rat der Antragsgegnerin am 27. September 1999 beschlossene Widmung erst im März 2000 bekannt gemacht worden ist, die Verjährungsfrist mithin erst Ende 2004 abgelaufen sei. Denn einer Widmungsverfügung bedurfte es hier wegen der in § 6 Abs. 6 NStrG u.a. für die Verbreiterung und Ergänzung einer Straße fingierten Widmung mit der Verkehrsübergabe des neuen Straßenteils nicht. Dem steht - anders als dies das Verwaltungsgericht gesehen hat - nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 3 FStrG nur bezüglich der Gehwege und Parkplätze Trägerin der Straßenbaulast für die Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen ist, während im Übrigen Träger der Straßenbaulast der Bund ist. Denn die mit der Widmungsfiktion des § 6 Abs. 6 NKAG bezweckte Verfahrensvereinfachung erstreckt sich auch auf die Fälle der geteilten Baulast in Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen (vgl. Beschl. d. Sen. v. 25.5.1988 - 9 B 19/88 - NdsRpfl 1988, 225; Wendrich, NdsStrG, 4. Aufl. 2000, § 6 RdNr. 10). Zwar trifft es zu, dass der zitierte Beschluss vom 25.5.1988 die nach § 43 Abs. 5 NStrG zwischen der Gemeinde und dem Landkreis geteilte Baulast an der Ortsdurchfahrt einer Kreisstraße für Gehwege und Parkstreifen einerseits (Gemeinde), die übrigen Einrichtungen andererseits (Landkreis) betraf, mithin beide Träger der Straßenbaulast niedersächsische Gebietskörperschaften waren. Der Senat teilt aber die Meinung des Antragstellers, dass § 6 Abs. 6 NStrG auch dann Anwendung findet, wenn einer der beiden Straßenbaulastträger der Bund ist. Denn der Senat hat seinerzeit ausgeführt:

"Der mit Einfügung des § 6 Abs. 6 NStrG verfolgte Gesetzeszweck einer Verfahrensvereinfachung erstreckt sich ... auch auf die Fälle einer geteilten Baulast. Mit der gesetzlich in weiterem Umfang als früher fingierten Anwachsung wird erkennbar nicht in schutzwürdige Rechtspositionen des gemeindlichen Straßenbaulastträgers eingegriffen, die eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Widmungsfiktion gebieten... Für eine selbständige Entscheidung des gemeindlichen Baulastträgers, den Zeitpunkt der Widmung abweichend von der Verkehrsübergabe festzulegen und den Widmungsumfang zu beschränken, besteht in den Fällen geteilter Baulast an der Ortsdurchfahrt klassifizierter Straßen kein Raum. Baut die Gemeinde Gehwege oder Parkplätze innerhalb der Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße, ist kein sachlicher Grund dafür denkbar, dass sie diese Anlagen nicht entsprechend ihrer Zweckbestimmung oder erst nach der Verkehrsübergabe der Allgemeinheit zur Verfügung stellt".

Diese die damalige Entscheidung tragende Begründung gilt gleichermaßen für die geteilte Straßenbaulast an der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße. Mithin galt der hier abgerechnete Gehweg bereits seit 1996 als gewidmet und bedurfte es seiner förmlichen Widmung durch einen Beschluss des Rates der Antragsgegnerin nicht mehr.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sich der Antragsteller gegenüber seiner Heranziehung nicht erfolgreich auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung berufen kann, erweist sich indes im Ergebnis dennoch als zutreffend. Denn in § 9 Abs. 4 der Straßenbaubeitragssatzung (SBS) der Antragsgegnerin ist bestimmt, dass sowohl beim abschnittsweisen als auch beim vollständigen Ausbau einer Straße die Maßnahmen erst dann beendet sind, wenn (auch) die erforderlichen Grundflächen im Eigentum der Stadt stehen. Die Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme ist nach § 9 Abs. 1 SBS und § 6 Abs. 6 NKAG Voraussetzung für die Entstehung der (Voll-)Beitragspflicht. Da die Antragsgegnerin bislang das Eigentum am Gehweg nicht erlangt hat, bedurfte es mithin eines Beschlusses über die Aufwandsspaltung, um die sachliche (Teil-)Beitragspflicht für die abgerechneten Ausbaumaßnahmen entstehen zu lassen. Diesen Beschluss hat der Rat der Antragsgegnerin erst am 15. Dezember 2003 gefasst. Festsetzungsverjährung tritt deshalb erst mit Ablauf des Jahres 2007 ein. Da die Antragsgegnerin ihr Satzungsrecht zu beachten hat und dieses - wie dargelegt - für die Entstehung der sachlichen Beitragspflichten entweder den Abschluss des Grunderwerbs (§ 9 Abs. 4 SBS) oder aber eine Aufwandsspaltung (§ 9 Abs. 2 SBS) verlangt, braucht der Senat der Behauptung des Antragstellers, der Grunderwerb sei hier nicht Teil des Bauprogramms gewesen, nicht nachzugehen.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts - und noch weitergehend - des Antragstellers, das Abrechnungsgebiet sei fehlerhaft gebildet worden, weil keine Teilflächen des aus zahlreichen Flurstücken gebildeten Betriebsgrundstücks der E.- F. -GmbH einbezogen worden seien, teilt der Senat nicht. Dies wäre nur dann zu beanstanden, wenn - das Vorhandensein entsprechender Buchgrundstücke unterstellt - von Teilflächen des ansonsten verkehrsmäßig zur Straße "G." ausgerichteten Industriegrundstücks aus die ausgebaute Ortsdurchfahrt über das vorgelagerte Anliegergrundstück einer Erbengemeinschaft (Flurstück 167/19), an dem ein Erbbaurecht der GmbH besteht, dauerhaft in Anspruch genommen werden dürfte. Da zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass dieses Flurstück nicht mit einem dinglich gesicherten Fahr- und Gehrecht oder mit einer Wegebaulast zugunsten des Betriebsgrundstücks belastet ist, und die Voraussetzungen für ein Notwegerecht nicht vorliegen, wäre diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn die Auffassung des Verwaltungsgerichts zuträfe, dass der Erbbauberechtigte eines Grundstücks nicht nur als Beitragspflichtiger (§ 6 Abs. 8 Satz 2 NKAG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 2 SBS), sondern auch im Übrigen beitragsrechtlich an die Stelle des Eigentümers tritt. Denn die Möglichkeit des Zugangs zur Straße vom Hinterliegergrundstück aus ist in Fällen der Eigentümeridentität immer dauerhaft gesichert, sofern es nicht ausnahmsweise, z.B. bei einer weitgehenden Überbauung des Anliegergrundstücks, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, Zugang zur Straße zu nehmen (vgl. Beschl. d. Sen. v. 13.6.2000 - 9 M 1349/00 - NSt-N 2000, 242 = NdsVBl 2001, 18 = NdsRpfl 2000, 296). Die erstinstanzlich vertretene "Gleichstellung" des Erbbauberechtigten an einem Grundstück mit dem Eigentümer eines Grundstücks auch im Hinblick auf die durch die Straße gebotene Vorteilslage, ist aber rechtlich unzulässig. Denn besteht Eigentümeridentität bezüglich des Anliegergrundstücks und des Hinterliegergrundstücks, so könnte der Eigentümer jederzeit von sich aus die dauerhafte Zugänglichkeit zur Straße über das Anliegergrundstück rechtlich absichern. Diese Möglichkeit hat indes der Erbbauberechtigte nicht. Er kann weder allein ein dingliches Überwegerecht begründen, noch ist es ihm rechtlich möglich, gegen den Willen des Grundstückseigentümers wirksam die Erklärung einer Wegebaulast abzugeben (zu letzterem vgl. Urt. d. OVG Lüneburg v. 26.5.1989 - 6 OVG A 147/87 - OVGE 41, 406 = NdsRpfl 1989, 240 = NJW 1990, 1499 = BRS 49 Nr. 177; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl. 2002, § 92 RdNr. 28).

Die vom Antragsteller vorgetragenen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der anteiligen Einbeziehung von Honorarkosten des Ing.-Büro H. für die Trennung der verschiedenen Kostenanteile in Höhe von 6.714,85 DM in den Ausbauaufwand teilt der Senat nicht. Denn die abgerechnete Ausbaumaßnahme an der Ortsdurchfahrt der I. 3 war lediglich ein Teil umfänglicher Baumaßnahmen des Straßenbauamts J. an den Bundesstraßen 3 und 73 im Bereich von C.. Nach der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen allgemeinen Erläuterung umfassten die Maßnahmen nicht nur die Gehwegherstellung einschl. Hochbord, Bepflanzung und Beleuchtung an der Westseite der Ortsdurchfahrt der B 3, sondern zusätzlich

" Gehwegherstellung an 2 Abschnitten an der Südseite der B 73, die Gehwegherstellung an der sich zwischen den Anlagen/ Ortsdurchfahrten befindenden freien Strecke, Gehwegherstellung an der sich an die B 3 anschließenden freien Strecke, Maßnahmen an der Fahrbahn, Maßnahmen auf den jeweils anderen Straßenseiten, Grunderwerb, Entwässerung, Ersatz bereits vorhandener Beleuchtung, Überquerungshilfen/Verkehrsinseln, Bau u. Verlegung von Busbuchten, Bushaltestellen und Buswartehäuschen, Verlegung des vorhandenen Radweges, Grunderwerb, Oberflächenentwässerung, Druckrohrleitung, Versorgungsleitungen, Maßnahmen außerhalb der Ortsdurchfahrten = freie Strecken".

Angesichts dessen war die Kostenermittlung des Ing. Büros geboten und gehören die dafür entstandenen Aufwendungen zum Ausbauaufwand. Ob dem Verwaltungsgericht in der vom Antragsteller angegriffenen Einschätzung gefolgt werden kann, dass sich der umlagefähige Anliegeranteil auf 81.131,74 € erhöhen müsse, weil der Zuschuss des Straßenbauamtes zur Hochbordanlage zunächst zur Deckung des Gemeindeanteils hätte eingesetzt werden müssen, bedarf im Beschwerdeverfahren keiner Klärung. Denn der Antragsteller wird nicht dadurch beschwert, dass die Antragsgegnerin diesen Zuschuss stattdessen beitragsmindernd zugunsten der Anlieger in Ansatz gebracht hat.

Ende der Entscheidung

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